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Die Sechs kleinen Klavierstucke op 19 von Arnold Schonberg bilden einen Zyklus aus sechs Stucken fur Klavier Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Analyse der Stucke 2 1 I Leichte zarte Achtel 2 2 II Langsame Viertel 2 3 III Sehr langsame Viertel 2 4 IV Rasche aber leichte Viertel 2 5 V Etwas rasche Achtel 2 6 VI Sehr langsame Viertel 3 Hinweise zur Auffuhrung der Stucke 4 Literatur 5 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenDie sechs kleinen Klavierstucke entstanden 1911 Schonberg komponierte die ersten funf Stucke am 19 Februar wie in einem schopferischen Rausch an einem einzigen Tag 1 Das sechste Stuck entstand am 17 Juni 1911 in Erinnerung an den am 18 Mai verstorbenen Komponisten Gustav Mahler 2 Die Urauffuhrung des Zyklus fand am 4 Februar 1912 in Berlin im Harmonium Saal statt Pianist war Louis Closson Der Erstdruck von op 19 erschien bei der Universal Edition in Wien im Oktober 1913 3 Analyse der Stucke BearbeitenDie sechs kleinen Klavierstucke sind musikalische Miniaturen Die Stucke weisen eine radikale Reduzierung der musikalischen Mittel auf 4 Die charakteristischsten Merkmale dieser Stucke sind ihre ausserste Ausdrucksstarke und ihre ausserordentliche Kurze 5 Die Stucke umfassen jeweils nur wenige Takte Das erste Stuck ist mit 17 Takten das langste die Stucke zwei drei und sechs stellen mit jeweils 9 Takten die kurzesten dar Stuck vier umfasst 13 Takte und Stuck funf 15 Takte I Leichte zarte Achtel Bearbeiten Das Stuck beginnt zweistimmig Melodische Phrasen werden von eingestreuten Akkorden begleitet Diese werden im Stuck nicht ausgearbeitet sondern erscheinen stets als Rudimente 6 Die Zweistimmigkeit erweitert sich in Takt vier zur Vierstimmigkeit die bis in Takt sechs hineinreicht Ab Takt sieben bis zum Schluss des Stucks bestimmen wieder die von Akkorden begleiteten Melodiefragmente das Bild 7 Die Begleitung besteht ab Takt acht aus einer Zweiunddreissigstel Tremolofigur die in ihrer Erscheinung als Hohepunkt der vielen das Stuck durchlaufenden Figurationen schneller Notenwerte wahrgenommen werden kann Die Figur findet ihrerseits ihren Hohepunkt in der Fermate in Takt 12 nachdem sie ab Takt zehn zur Ruhe gekommen ist 6 Die folgenden zwei Takte konnen als ein Ruhepunkt bestimmt werden In der in Takt 15 einsetzenden dreitaktigen Koda werden verschiedene Elemente des Stucks noch einmal aufgegriffen Die melodische Phrase der Unterstimme ist eine um eine Quarte nach oben transponierte aber kaum variierte Reprise der Unterstimme am Beginn des Stucks Das chromatische Motiv b h b des letzten Takts ist in Takt drei bereits erklungen und auch der Klang im vorletzten Takt ist schon aus dem ersten Takt bekannt Der Klang in der Unterstimme dis h e wird hier in veranderter Stellung und Lage wieder aufgenommen 7 II Langsame Viertel Bearbeiten Das zweite Stuck wird durch das Intervall einer Terz gepragt Es beginnt mit der grossen Terz g h Diese wird in den ersten drei Takten in einem regelmassig synkopierten Rhythmus wiederholt In Takt zwei tritt in der rechten Hand ein melodisches Element hinzu Die Synkopierung der Terzen wird im vierten Takt verschoben Ein neues Element wird im funften Takt vorgestellt ein arpeggierter Klang Die in ihm enthaltene Terz ges b wird im weiteren Verlauf des Taktes zwei Oktaven tiefer wieder aufgenommen Die Tone treten hier in ihrer enharmonischen Verwechslung fis ais auf und wirken doppelt leittonig zur folgenden Terz g h Eine Tonart lasst sich weder durch die insgesamt 26 mal auftretende Terz g h noch durch diese leittonige Einfuhrung begrunden In Takt sechs beginnt ein weiteres Melodiefragment das schnell seinen Ruhepunkt in der Terz h d findet Die letzten drei Takte stellen dem g h Ostinato eine abwarts verlaufende Terzbewegung gegenuber Das Stuck schliesst mit einem Sechsklang der durch die das Stuck pragende Terz g h eingefuhrt wird und im zweiten Taktteil des letzten Taktes erganzt wird Der Schlussklang stellt sich als die Summe von zwei ubermassigen Tritinusse dar g h es und fis b d 8 III Sehr langsame Viertel Bearbeiten Mit einem Gegensatz der die erste Halfte des Stucks bestimmt beginnt das dritte Stuck In den ersten 4 Takten soll die rechte Hand durchaus forte die linke durchaus pianissimo spielen 9 Diese Worte gibt Schonberg dem Beginn des Stucks bei Die Basslinie in einer quasi orchestralen Art 10 tritt also dynamisch deutlich hinter die ubrigen Stimmen zuruck Hans Heinz Stuckenschmidt begrundet die Entscheidung Schonbergs zur Verwendung einer Oktavlinie damit dass hierdurch die Deutlichkeit der Basstone gesichert werden konnte Das Verfahren der Oktavverdopplung wendet Schonberg in dieser Schaffensphase ausserst selten an nur wenn zwingende Grunde vorliegen Die Merkmale der Linie sind ihre rhythmische Ruhe und die diatonische Einfachheit Der Tonvorrat der verwendeten Skala b c des es e f as weist Ahnlichkeit mit der b Moll Skala auf Die Oberstimmen kontrastieren die Basslinie mit einem drei bis vierstimmigem Gewebe das die in den Unterstimmen nicht verwendeten Tone h d fis g a melodisch und akkordisch ebenfalls verarbeitet Im zweiten Teil des Stucks agieren die Stimmen dynamisch auf gleichem Niveau Der vier bis funfstimmige Abschnitt entwickelt sich in ruhigen Vierteln und Achteln von einem piano bis zum dreifachen piano 11 Die beiden Teile des Stucks weisen Analogien auf In der Unterstimme erklingen in den letzten beiden Takten insgesamt zwei Staccato Akkorde deren Basstone es b die Umkehrung des ersten melodischen Schritts der Basslinie in Takt 1 bilden Der letzte Akkord b d g a ist eine Transposition des ersten Akkords d fis h cis in der Oberstimme am Beginn des Stucks Weitere Analogien entstehen durch Variation wie zum Beispiel der Quintfall in Takt 1 in der Unterstimme der in Takt 5 zu einem Sprung uber eine ubermassige Quinte variiert wird Ausserdem wandelt das Intervall sich in Takt 7 in der Oberstimme zu einer verminderten Quinte und in Takt 8 zu einer kleinen Sexte 12 IV Rasche aber leichte Viertel Bearbeiten Das vierte Stuck besitzt den Charakter eines Rezitativs Die Melodielinien werden von vereinzelten Akkorden begleitet 10 Die Melodielinien des Stucks treten in zwei Erscheinungsformen auf Die erste Melodiephrase Phrase A die sich vom Beginn des Stucks bis in Takt 2 erstreckt ist von konsonanten Intervallen gepragt Die zweite Phrase Phrase B besteht genau wie die erste aus sechs Tonen Diese sind aber durch dissonante Intervallschritte von Sekunden und Septimen bestimmt Die weiteren Melodieelemente sind Variationen dieser beiden Formen Die sich in Takt 3 direkt anschliessende Phrase entstammt Phrase B ebenso wie die Melodieteile in den Takten 7 bis 9 die zweite Halfte des Takts 10 sowie in den Takten 4 und 5 in der Unterstimme hier in sehr fragmentarischer Form Phrase A wird im ersten Teil des Takts 10 variiert wieder aufgegriffen 13 Das Prinzip der Variation ist auch an grosseren Formteilen erkennbar Der gesamte zweite Teil des Stucks Takte 7 13 kann als Variation des ersten Teils Takte 1 6 gesehen werden 14 In einer aktuellen Analyse wird in dem IV Stuck eine horizontale Achsensymmetrie nachgewiesen als Symmetrieachse fungiert dabei die einzige pedalisierte Passage in T 4 5 15 Auf Grund dieser Achsensymmetrie erweist sich das Stuck als Sonderform eines Palindroms V Etwas rasche Achtel Bearbeiten Das funfte Stuck offenbart einen zarten Lyrismus der schon durch die Spielanweisung in der Partitur deutlich wird zart aber voll Das Stuck besteht aus einer einzelnen Melodie mit Begleitung Der Charakter der Melodie ist sehr gesanglich Abgeschlossen wird das Stuck durch eine viertaktige Coda Im Stuck werden Anklange an den gesamten Zyklus horbar Die Begleitstimmen der Takte 7 8 in denen die Melodie zu einem Ruhepunkt kommt erinnern an die Takte 4 und 5 des ersten Stucks Das vermehrte Vorkommen der Terzen in den Takten 12 15 schafft eine Erinnerung an das zweite Stuck Die Schlussakkorde des vierten Stucks fuhren das Ohr des Horers in das den Zyklus abschliessende sechste Stuck ein Die Struktur der Klange aus drei Tonen weist schon hier auf die Akkorde des Schlussstucks hin 16 VI Sehr langsame Viertel Bearbeiten Wie eine ruhige Vision huscht das sechste Stuck sehr langsam und in einer verhaltenen Dynamik am Ohr des Horers vorbei 17 Es beginnt im pianissimo Der dynamische Hohepunkt befindet sich in Takt 7 ein piano das kurz crescendiert wird Feinste dynamische Abstufungen reichen uber ein pianissimo und ein dreifaches piano bis hin zu einem vierfachen pianissimo Ein Sechsklang bildet als Zentralklang die motivische Basis des Stucks Auftaktig setzen die ersten drei Tone a fis h ein nach drei Vierteln wird der Klang durch die Tone g c f angereichert Diese Kombination tritt im Stuck insgesamt viermal auf jedoch stets in variierter Form Sie unterscheiden sich durch die Lange des Klangs sowie die rhythmischen Werte der Aufeinanderfolge Beim ersten wie auch beim zweiten Auftreten klingt der obere Akkord um drei Viertel vor beim dritten und vierten Mal jeweils nur eine Viertel Das statische Klangbild wird durch kleine melodische Vorgange unterbrochen Vom dritten bis in den vierten Takt erklingt ein Seufzermotiv dis e dis Das e ist dabei gleichzeitig kleine Sekunde zu dis und kleine None zu dis Der Seufzer ist ein Ruckbezug auf den Sechsklang im ersten Takt des Stuckes Durch den Sekunden bzw Nonenschritt erinnert er an die Dissonanz f fis im ersten Klang 18 Die nachsten melodischen Gange sind in den Takten 5 und 6 zu finden Der Akkord a fis h wird durch den Akkord c f b einer Variation des Akkords der Unterstimme aus dem ersten Takt abgelost Dabei bilden melodisch die beiden oberen Tone beider Akkorde eine ubermassige Oktave h b bzw fis f oder enharmonisch verwechselt eine kleine None Auf der letzten Viertelnote des funften Takts schiebt sich auch der Akkord in der Unterstimme abwarts Uber der Septime e d setzt das Seufzermotiv gis fis ein hier als Variation des ersten Seufzers aus Takt 3 4 in verkurzter Form 19 Die Klanglichkeit des Sechsklangs fehlt in Takt 7 vollkommen die Melodie tritt unbegleitet hervor In ihr findet sich ein weiterer Bezug zum Seufzermotiv Uber zwei Oktaven gespannt ist d cis d die rhythmisch variierte Umkehrung des Seufzers aus Takt 3 4 Auch die Tonfolge fis es enharmonisch dis ist mit dem dritten Takt eng verbunden Die Melodie wird in Takt 8 in die Mittelstimmen verlagert das Seufzermotiv ist hier zweimal zuhoren e es und fis g Umrahmt werden sie von einem funftonigen Akkord Nach einer Generalpause wird im Schlusstakt der Sechsklang aus dem ersten Takt noch einmal aufgegriffen Die melodische Bewegung verdunnt sich wie ein Hauch erklingen im Bass die Tone b as als weitere Variation des Seufzermotivs 20 Hinweise zur Auffuhrung der Stucke BearbeitenSchonberg legte grossen Wert auf eine angemessene Ausfuhrung seiner sechs Klavierstucke Die erste Seite der Partitur gibt einen wichtigen Hinweis Nach jedem Stuck ausgiebige Pause die Stucke durfen nicht ineinander ubergehen 21 Die Stucke sollten mit einem sehr ruhigen Gestus vorgetragen werden Diese Forderung Schonbergs bereitete den Ausfuhrenden haufig Probleme Uber eine Probe der Klavierstucke mit dem Pianisten Egon Petri am 22 Januar 1912 vertraut Schonberg folgenden Eintrag seinem Tagebuch an Er wird die Stucke wahrscheinlich ausgezeichnet spielen Mindestens klavieristisch Im Ganzen nahm er alles zu rasch oder vielmehr zu eilig Ich sagte zu Webern zu meiner Musik muss man Zeit haben Die ist nichts fur Leute die anderes zu tun haben Aber es ist jedenfalls ein grosses Vergnugen seine Sachen von jemandem zu horen der sie technisch vollkommen beherrscht 22 Literatur BearbeitenFearn Raymond Sechs kleine Klavierstucke op 19 In Gruber Gerold Hg Arnold Schonberg Interpretationen seiner Werke Band 1 Laaber Laaber Verlag 2002 S 269 281 ISBN 3 89007 506 1 Gervink Manuel Arnold Schonberg und seine Zeit Grosse Komponisten und ihre Zeit Laaber Laaber Verlag 2000 ISBN 3 921518 88 1 Rogge Wolfgang Das Klavierwerk Arnold Schonbergs Forschungsbeitrage zur Musikwissenschaft 15 Regensburg Gustav Bosse Verlag 1964 ISBN 3 7649 2052 1 Schonberg Arnold Stil und Gedanke Frankfurt am Main S Fischer Verlag 1976 ISBN 3 10 069901 7 Stuckenschmidt Hans Heinz Schonberg Leben Umwelt Werk Zurich Atlantis 1974 ISBN 3 7611 0430 8 Stuckenschmidt Hans Heinz Neue Musik Frankfurt am Main Suhrkamp 1981 ISBN 3 518 37157 6 Wellesz Egon Arnold Schonberg Leipzig E P Tal 1921 Einzelnachweise Bearbeiten Hans Heinz Stuckenschmidt Schonberg Leben Umwelt Werk Zurich Atlantis 1974 S 126 Ausserungen Schonbergs dazu sind nicht uberliefert Vgl aber bereits in der Literatur zu Lebzeiten Egon Wellesz Arnold Schonberg Leipzig E P Tal 1921 S 39 Von den Sechs kleinen Klavierstucken ist das letzte unter dem Eindrucke des Begrabnisses von Mahler entstanden Raymond Fearn Sechs kleine Klavierstucke op 19 In Gerold Gruber Hg Arnold Schonberg Interpretationen seiner Werke Band 1 Laaber Laaber Verlag 2002 S 269 281 S 269 Manuel Gervink Arnold Schonberg und seine Zeit Grosse Komponisten und ihre Zeit Laaber Laaber Verlag 2000 S 201 Arnold Schonberg Stil und Gedanke Frankfurt am Main S Fischer Verlag 1976 S 74 a b Raymond Fearn Sechs kleine Klavierstucke op 19 In Gerold Gruber Hg Arnold Schonberg Interpretationen seiner Werke Band 1 Laaber Laaber Verlag 2002 S 269 281 S 273 a b Hans Heinz Stuckenschmidt Neue Musik Frankfurt am Main Suhrkamp 1981 S 42 Hans Heinz Stuckenschmidt Neue Musik Frankfurt am Main Suhrkamp 1981 S 43 45 Arnold Schonberg Sechs Kleine Klavierstucke Wien Universal Edition 1913 S 5 a b Raymond Fearn Sechs kleine Klavierstucke op 19 In Gerold Gruber Hg Arnold Schonberg Interpretationen seiner Werke Band 1 Laaber Laaber Verlag 2002 S 269 281 S 278 Hans Heinz Stuckenschmidt Neue Musik Frankfurt am Main Suhrkamp 1981 S 46 47 Hans Heinz Stuckenschmidt Neue Musik Frankfurt am Main Suhrkamp 1981 S 47 Manuel Gervink Arnold Schonberg und seine Zeit Grosse Komponisten und ihre Zeit Laaber Laaber Verlag 2000 S 203 Wolfgang Rogge Das Klavierwerk Arnold Schonbergs Forschungsbeitrage zur Musikwissenschaft 15 Regensburg Gustav Bosse Verlag 1964 S 23 Altug Unlu Das Modell der Achsensymmetrie in Schonbergs op 19 Nr 4 In Ludwig Holtmeier Richard Klein Claus Steffen Mahnkopf Johannes Menke Hrsg Musik amp Asthetik Heft 78 Klett Cotta Stuttgart April 2016 S 32 43 Raymond Fearn Sechs kleine Klavierstucke op 19 In Gerold Gruber Hg Arnold Schonberg Interpretationen seiner Werke Band 1 Laaber Laaber Verlag 2002 S 269 281 S 279 Hans Heinz Stuckenschmidt Neue Musik Frankfurt am Main Suhrkamp 1981 S 50 Hans Heinz Stuckenschmidt Neue Musik Frankfurt am Main Suhrkamp 1981 S 48 Hans Heinz Stuckenschmidt Neue Musik Frankfurt am Main Suhrkamp 1981 S 48 49 Hans Heinz Stuckenschmidt Neue Musik Frankfurt am Main Suhrkamp 1981 S 49 50 Arnold Schonberg Sechs Kleine Klavierstucke Wien Universal Edition 1913 S 2 Zit n Hans Heinz Stuckenschmidt Schonberg Leben Umwelt Werk Zurich Atlantis 1974 S 145 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sechs kleine Klavierstucke amp oldid 235965830