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Mit dem Suhnebefehl 888 41 erliess Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel fur das Oberkommando der Wehrmacht am 16 September 1941 die Weisung an die Truppe fur jeden aus dem Hinterhalt getoteten deutschen Soldaten 50 100 Zivilpersonen hinzurichten 1 Der Suhnebefehl fuhrte zu Geiselnahmen unter der Zivilbevolkerung speziell Kommunisten Juden und Zigeunern und war ein Element des Holocaust und des Porajmos 2 3 Keitel wurde u a fur diesen verbrecherischen Befehl im Nurnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt und hingerichtet Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Hintergrund 3 Umsetzung 3 1 Belgien 3 2 Frankreich 3 3 Griechenland 3 4 Serbien 3 5 Sowjetunion 4 Juristische Aufarbeitung 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenSeit 1940 gab es an verschiedenen Kriegsschauplatzen von deutscher Seite Geiselerschiessungen als Repressalien Im Herbst 1941 wurde die Missachtung des Kriegsrechts vom OKW auf Weisung Hitlers im Suhnebefehl zusammengefasst 4 a Bei jedem Vorfall der Auflehnung gegen die deutsche Besatzungsmacht gleichgultig wie die Umstande im einzelnen liegen mogen muss auf kommunistische Ursprunge geschlossen werden b Um die Umtriebe im Keime zu ersticken sind beim ersten Anlass unverzuglich die scharfsten Mittel anzuwenden um die Autoritat der Besatzungsmacht durchzusetzen und einem weiteren Umsichgreifen vorzubeugen Dabei ist zu bedenken dass ein Menschenleben in den betroffenen Landern vielfach nichts gilt und eine abschreckende Wirkung nur durch ungewohnliche Harte erreicht werden kann Als Suhne fur ein deutsches Soldatenleben muss in diesen Fallen im allgemeinen die Todesstrafe fur 50 100 Kommunisten als angemessen gelten Die Art der Vollstreckung muss die abschreckende Wirkung noch erhohen 5 Am 1 Oktober befahl Keitel den militarischen Kommandeuren stets Geiseln in Bereitschaft zu halten damit sie bei Uberfallen auf Soldaten hingerichtet werden konnten 6 Hintergrund BearbeitenAuf dem zerklufteten Gebiet des Balkan standen nach dem Uberfall auf die Sowjetunion in der 2 Jahreshalfte 1941 nur relativ kampfschwache Verbande der Achsenmachte Gleichzeitig verstarkte sich die Partisanentatigkeit weil die Stillhaltestrategie des kommunistischen Untergrunds entfiel Die Teilnahme einzelner Juden an den von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens gefuhrten Widerstandsaktionen lieferte dabei einen willkommenen Vorwand unter kollektiver Gleichsetzung von Juden mit Kommunisten und Partisanen gerade die judische Bevolkerung zu ermorden Die Wehrmacht reagierte wie in Russland mit der Erschiessung meist judischer Geiseln Vor diesem Hintergrund forderte Hitler mit der Fuhrerweisung Nr 31a vom 16 September 1941 den Wehrmachtsbefehlshaber Sudost Feldmarschall Wilhelm List auf die Aufstandsbewegung im Sudostraum mit scharfsten Mitteln niederzuschlagen 1 7 Umsetzung BearbeitenBelgien Bearbeiten Der Militarbefehlshaber fur Belgien und Nordfrankreich Alexander von Falkenhausen autorisierte in Ubereinstimmung mit dem Suhnebefehl am 19 September 1941 die Totung von mindestens funf Geiseln je getotetem Soldaten wenn der Tater nicht ermittelt werden konne Am 16 September 1942 beschwerte sich Falkenhausen bei Keitel dass die Massnahme statt einer abschreckenden Wirkung eher das Vertrauen der Bevolkerung fur Recht und Sicherheit beschadige und den Hass auf die Besatzungsmacht schure Das Geiselsystem wurde aber nicht beendet 8 Frankreich Bearbeiten Der Militarbefehlshaber Frankreich Otto von Stulpnagel stellte sich zunachst gegen Massenexekutionen in Frankreich musste aber Ende 1941 nach mehreren Aktionen des franzosischen Untergrunds einlenken und liess 95 Geiseln hinrichten Am 5 Februar 1942 meldete er sich krank und liess sich von seinem Posten ablosen 9 Beim Nurnberger Prozess wurden fur Frankreich 29 660 erschossene Geiseln angefuhrt 10 Griechenland Bearbeiten Noch vor dem Befehl Keitels verubte ein Luftlande Sturmregiment am 2 Juni 1941 eine schwere Vergeltungsaktion an Zivilisten in Kondomari bei Chania Kreta Dieses Kriegsverbrechen wurde durch Fotodokumente des Pressefotografen der Wehrmacht Peter Weixler bekannt und belegt Es folgten viele weitere Suhneaktionen durch Wehrmacht und Waffen SS Truppen Fur das Massaker in Kalavryta und umliegenden Dorfern am 13 Dezember 1943 mit insgesamt knapp 700 Toten war General von le Suire verantwortlich Es gab Proteste der kooperierenden griechischen Regierung Ab Ende 1943 wurden sowohl die Quoten als auch eigenmachtige Vergeltungen abgeschafft die Militarverwaltung bestimmte uber das Ausmass und die Art der Vergeltung beim Heer gemeinsam mit den jeweils betroffenen Divisionsverantwortlichen bei Luftwaffe Marine Polizei und OT der Militarbefehlshaber Militarverwaltung Befehl von General und Militarberfehlshaber Speidel vom 22 Dezember 1943 11 Abschreckung war weiter das Ziel aber auch die Rustungsindustrie brauchte Zwangsarbeiter daher hatte deren Beschaffung Vorrang Serbien Bearbeiten nbsp Wehrmachtsoldaten fuhren Manner zur Exekution Kragujevac Serbien 21 Oktober 1941 nbsp Bekanntmachung der Hinrichtung von 250 Geiseln Kommandierender General in Serbien 26 Dezember 1942Als am 2 Oktober 1941 ein Hinterhalt in der Stadt Topola 22 Wehrmachtsangehorige das Leben kostete entschied der deutsche Befehlshaber fur Serbien General Franz Bohme 2100 meist judische Insassen des Konzentrationslagers in Sabac erschiessen zu lassen Anschliessend verfolgte Bohme diesen Weg weiter und liess alle Kommunisten und samtliche Juden als Geiseln verhaften 12 Es kam zu einer Verschrankung von verbrecherischer Besatzungspraxis der Geiselerschiessung mit der rassistischen Vernichtungslogik sodass Serbien Ende 1942 als judenfrei gemeldet wurde 3 Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurden schatzungsweise 41 000 bis 45 000 Personen im Zuge von Vergeltungsmassnahmen getotet 13 Die noch lebenden verantwortlichen Generale fur die vielen Suhneexekutionen und anderer Kriegsverbrechen am Balkan Serbien Albanien Griechenland wurden 1947 48 im Geiselmordprozess des Militargerichtshofs V der Vereinigten Staaten von Amerika angeklagt Von den 12 Generalen wurden 10 schuldig gesprochen Viele Generale kamen bereits vorher in Jugoslawien vor Gericht und wurden zum Tod verurteilt Sowjetunion Bearbeiten In der Militarverwaltung im Osten gab es kaum Bezugnahmen auf den Suhnebefehl Dort wurde die Truppe in der zunehmenden Partisanenbekampfung im September und Oktober 1941 durch die Fuhrungsstellen zu immer grosserer Brutalitat getrieben das Geschehen wurde aber weiterhin von den einzelnen Befehlshabern und Truppenfuhrern bestimmt die ihre eigenen Quoten festsetzten 14 Juristische Aufarbeitung BearbeitenIn der Denkschrift Das Deutsche Heer von 1920 1945 wurde fur den Nurnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher von funf hochrangigen Generalen 1945 eine beschonigende und verharmlosende Darstellung der Wehrmacht erstellt die dazu beitrug das Bild der sauberen Wehrmacht in der Offentlichkeit zu pragen 15 16 17 Darin wurde behauptet der Geiselbefehl ware einheitlich abgelehnt worden das OKW hatte auf Untersuchung jedes einzelnen Partisanenvorwurfs bestanden und die Untersuchungen waren meist im Sande verlaufen Nur gelegentlich seien Heereseinheiten von SS Offizieren zum Partisanenkampf eingesetzt worden 18 Keitel wurde beim Nurnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher unter anderem wegen des Suhnebefehls wie auch seines Befehls vom 1 Oktober 1941 stets Geiseln bereitzuhalten am 1 Oktober 1946 zum Tode verurteilt 19 Im Geisel Prozess wurde festgestellt dass der Suhnebefehl von Wilhelm List an seine unterstellten Einheiten weitergegeben wurde und sein Nachfolger Walter Kuntze an der Quote festhielt Verschiedene angeklagte Offiziere versuchten sich mit dem Hinweis dass sie auf Befehl handelten zu verteidigen Das Gericht stellte klar dass ein Befehl zu Vergeltungsmassnahmen mit einer willkurlich festgesetzten Quote unter allen Umstanden verbrecherisch ist und dass sie dies wussten oder hatten wissen mussen und somit zur Verantwortung gezogen wurden 20 Walter Warlimont der im Wehrmachtfuhrungsstab bei der Formulierung des Befehls beteiligt war wurde am 27 Oktober 1948 im Prozess Oberkommando der Wehrmacht verurteilt wobei das Gericht seiner Verteidigungsstrategie er hatte Schritte gegen die Umsetzung im ganzen Bereich der Wehrmacht unternommen keinen Glauben schenkte da er andererseits angegeben hatte in einer untergeordneten Position gewesen zu sein 21 Weitere angeklagte Generale wurden wegen der unverhaltnismassigen Vergeltungsmassnahmen gegen Zivilisten im gleichen Verfahren verurteilt 22 Siehe auch BearbeitenKugel Erlass Fliegermorde Nacht und Nebel Erlass Kommissarbefehl KommandobefehlWeblinks BearbeitenUrteil Keitel beim Nurnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in der offiziellen deutschen Ubersetzung Hostage Case Nuremberg Judgement 1948 pdf englischEinzelnachweise Bearbeiten a b Wolfgang Benz Barbara Distel Hrsg Der Ort des Terrors Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager Band 9 Arbeitserziehungslager Ghettos Jugendschutzlager Polizeihaftlager Sonderlager Zigeunerlager Zwangsarbeiterlager C H Beck Munchen 2009 ISBN 978 3 406 57238 8 S 341 ff Leon Poliakov und Josef Wulf Das Dritte Reich und seine Diener Dokumente Verlags GmbH Berlin Grunewald 1956 S 350 ff a b Walter Manoschek Gehst mit Juden erschiessen erschienen in Vernichtungskrieg Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944 Zweitausendeins 1995 ISBN 3 86150 198 8 S 39f Beate Ihme Tuchel Fall 7 Der Prozess gegen die Sudost Generale erschienen in Der Nationalsozialismus vor Gericht 1999 Fischer ISBN 3 596 13589 3 S 147 Nurnberger Prozess Vormittagssitzung 27 Juli 1946 offizielle deutsche Fassung zeno org Urteil Keitel offizielle deutsche Fassung zeno org Holm Sundhaussen Jugoslawien In Dimensionen des Volkermords Die Zahl der judischen Opfer des Nationalsozialismus Hrsg Wolfgang Benz Oldenbourg 1991 ISBN 3 486 54631 7 S 315 Whitney R Harris Tyranny on Trial Southern Methodist University Press 1954 S 211 f Sven Olaf Bberggotz Ernst Junger und die Geiseln pdf Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 2003 Heft 3 Joe J Heydecker Johannes Leeb Der Nurnberger Prozess Kiepenheuer und Witsch 2015 ISBN 978 3 462 04837 7 S 509 Martin ZOLLNER Kazimirz LESZCZYNSKI Hrsg Fall 7 Das Urteil im Geiselmordprozess gefallt vom Militargerichtshof V der Vereinigten Staaten von Amerika Berlin 1965 Seite 162 Seite 170 Raul Hilberg Die Vernichtung der europaischen Juden Fischer Taschenbuch 1982 Band 2 ISBN 3 596 24417 X S 728 ff Michael Portmann Arnold Suppan Serbien und Montenegro im Zweiten Weltkrieg erschienen in Serbien und Montenegro Raum und Bevolkerung Geschichte Sprache und Literatur Kultur Politik Gesellschaft Wirtschaft Recht Hrsg Walter Lukan LIT Verlag 2006 ISBN 3 8258 9539 4 S 272 Dieter Pohl Die Herrschaft der Wehrmacht Fischer Verlag 2011 ISBN 978 3 596 18858 1 S 167 Manfred Messerschmidt Vorwartsverteidigung Die Denkschrift der Generale fur den Nurnberger Gerichtshof In Hannes Heer Klaus Naumann Hg Vernichtungskrieg Verbrechen der Wehrmacht 1941 1944 HIS Verlag Hamburger Edition Hamburg 1995 S 531 550 hier insbesondere S 546 f Wolfram Wette Die Wehrmacht Fischer 2002 ISBN 3 7632 5267 3 S 206 f Valerie Genevieve Hebert Befehlsempfanger und Helden oder Verschworer und Verbrecher In NMT die Nurnberger Militartribunale zwischen Geschichte Gerechtigkeit und Rechtsschopfung Hrsg Priemel und Stiller Hamburger Edition 2013 ISBN 978 3 86854 278 3 S 274 f Manfred Messerschmidt Vorwartsverteidigung Die Denkschrift der Generale fur den Nurnberger Gerichtshof S 545 Das Urteil von Nurnberg DTV 6 Auflage 2005 ISBN 3 423 34203 X S 186 Matthew Lippman Conundrums of Armed Conflict Criminal Defenses to Violations of the Humanitarian Law of War pdf Penn State International Law Review 1996 Volume 15 S 25ff High Command Trial Judgement pdf S 157 Valerie Genevieve Hebert Hitler s Generals on Trial The Last War Crimes Tribunal at Nuremberg University Press of Kansas 2010 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