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Rotes Konigreich auch Das rote Konigreich gelegentlich auch Rotes Sachsen war ein um die Jahrhundertwende vom 19 zum 20 Jahrhundert eingefuhrter Bei oder auch Spitzname fur das Konigreich Sachsen der auf Grund der mitgliederstarken und der bei Reichstagswahlen in Sachsen ausgesprochen erfolgreichen Sozialdemokratie besonders ab der Reichstagswahl 1903 gebraucht wurde Keineswegs stellte die Sozialdemokratie im sachsisch parlamentarischen Raum ab 1896 bis zur Landtagswahl 1909 nennenswert Abgeordnete das war aber durch das in dieser Zeit geltende ausgesprochen reaktionare Wahlrecht im Konigreich Sachsen bedingt Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangspunkt 2 Die Anfange der Sozialdemokratie in Sachsen 3 Sachsen unter dem Sozialistengesetz 4 Verscharfung des Konservatismus in Sachsen 5 Bis zum Ersten Weltkrieg 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseAusgangspunkt BearbeitenNach Uberwindung einer allgemeinen Wirtschaftskrise in den 1830er Jahren begann die Industrialisierung im Konigreich Sachsen und bekam immer starkere Bedeutung fur die wirtschaftliche Entwicklung dieses deutschen Teilstaates Damit kam es auch zu einem sehr starken zahlenmassigem Wachstum der Arbeiterschaft vor allem in Westsachsen dem Chemnitzer und dem Leipziger Raum Nach Auslaufen der Reaktionsara 1854 waren politische Vereinigungen im gesamten Deutschen Bund verboten worden eroffneten sich der Arbeiterbewegung zu Beginn der 1860er Jahre neue Entfaltungsmoglichkeiten Zunachst entstanden teilweise gefordert von liberalen und demokratischen Politikern Arbeiterbildungsvereine deren Organisationsdichte in Sachsen sich schnell entwickelte und aussergewohnlich hoch war Im Maschinenbau und in der Textilindustrie den neben der Landwirtschaft wichtigsten Wirtschaftszweigen Sachsens entwickelten sich seit 1862 nachdem der gesetzliche Rahmen fur die organisierte Arbeiterschaft liberalisiert worden war gewerkschaftliche Organisationen Aus deren Umfeld kamen auch wesentliche Impulse zur Grundung einer eigenen Arbeiterpartei Die Anfange der Sozialdemokratie in Sachsen BearbeitenDass die deutsche Sozialdemokratie ihre wichtigsten Impulse aus Mitteldeutschland erfuhr steht in engem Zusammenhang mit Personlichkeiten wie Ferdinand Lassalle August Bebel oder Wilhelm Liebknecht sowie mit Weichenstellungen wie der Grundung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins in Leipzig Wahrend einer Versammlung wurde 1862 in Leipzig unter dem Eindruck eines Besuches der Weltausstellung in London beschlossen einen allgemeinen deutschen Arbeiterkongress einzuberufen Zum Vorbereitungskomitee aus dem Umfeld des Leipziger Gewerblichen Bildungsvereins gehorten unter anderem August Bebel Friedrich Wilhelm Fritzsche und Julius Vahlteich Am 23 Mai 1863 wurde wahrend dieses Kongresses im Pantheon in Leipzig von Ferdinand Lassalle und Abgesandten aus Leipzig und Dresden aber auch Hamburg Koln Dusseldorf und Frankfurt am Main der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein ADAV gegrundet Zu den Grundungsmitgliedern gehorten neben Vahlteich und Fritzsche auch Theodor Yorck und Bernhard Becker Lassalle der allerdings schon 1864 starb wurde fur zunachst funf Jahre zum Prasidenten gewahlt Bebel hingegen zog sich von den Vorbereitungen wieder zuruck da er zu dieser Zeit noch auf eine Zusammenarbeit mit burgerlichen Demokraten setzte die schliesslich 1866 zur Grundung der linksliberalen Sachsischen Volkspartei fuhrte die bis 1869 bestand 1869 wurde sie zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei SDAP umgewandelt In Crimmitschau hatte sich ebenfalls 1869 die erste Textilarbeitergewerkschaft Sachsens gegrundet in Chemnitz wurde bereits 1871 durch etwa 6500 Beschaftigte ein fur damalige Verhaltnisse grosser Arbeitskampf ausgetragen der allerdings erfolglos blieb Die Sachsische Volkspartei fusionierte in Eisenach schliesslich mit dem ADAV 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands 1890 umbenannt in Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD Bereits bei der Reichstagswahl 1874 zogen sechs SDAP Abgeordnete aus Sachsen in den Reichstag ein was zu hochster Besorgnis bei Bismarck gefuhrt habe der Beiname Rotes Konigreich ginge auf ihn selbst und diese Reichstagswahl zuruck Sachsen unter dem Sozialistengesetz BearbeitenDas Anwachsen der organisierten Arbeiterbewegung fuhrte schliesslich die reichsweiten Konservativen mit Bismarck an der Spitze nach zwei Attentaten auf Kaiser Wilhelm I 1878 zum Erlass des Sozialistengesetzes das die Sozialdemokratie bis 1890 seiner Aufhebung bzw Nichtverlangerung des Gesetzes verbot und jegliche Aktivitaten unter Strafe stellte die bis hin zur Ausweisung reichte Es hatte einerseits erhebliche Eingriffe in die organisierte Sozialdemokratie zur Folge gleichwohl blieben erworbene Reichstagsmandate wie die von August Bebel und Wilhelm Liebknecht bestehen sie wurden als Personen sogar erneut wenngleich nicht in Sachsen wiedergewahlt Die faktische politische Ausburgerung der sozialdemokratischen Opposition ging aber mit einer erheblichen sozialen Ausgrenzung einher Diese Verfolgung weckte die Solidaritat grosser Teile der Arbeiterschaft und fuhrte seit 1881 zunehmend zu Wahlerfolgen fur die fur formell als Einzelpersonen auftretenden Kandidaten der SAP Die Arbeiterbewegung zog sich in die nach wie vor bestehenden Arbeiterbildungsvereine zuruck neu entstanden Wander und Naturfreundebewegungen sowie die Arbeitersangerbunde und vor allem Arbeiterturnvereine haufig als Tarnorganisationen an Stelle der verbotenen Partei oder Gewerkschaftsgruppen gebildet in denen die politische Arbeit wenngleich mit hohem Risiko behaftet fortgesetzt wurde wobei vor allem die Arbeiterturnvereine polizeilich scharf uberwacht wurden Gleichwohl gelang es der Sozialdemokratie ihren Organisationsgrad auszubauen was sich nach Aufhebung des Sozialistengesetzes zeigte Zogen 1890 und 1893 jeweils sieben Sozialdemokraten aus Sachsen von 23 Wahlkreisen in den Reichstag ein waren es 1898 bereits 11 von 23 Wahlkreisen die durch Sozialdemokraten im Reichstag vertreten wurden Verscharfung des Konservatismus in Sachsen BearbeitenSachsen hatte sich trotz des Sozialistengesetzes zu einer Hochburg der Arbeiterbewegung entwickelt In Sachsen der Wiege und dem klassischen Boden der deutschen Sozialdemokratie konstituierte sich somit jener sozialistische Typus von Arbeiterbewegung der in der Zweiten Internationale 1 als Modell diente und der europaischen Arbeiterbewegung bis in die heutige Zeit wesentliche Zuge verlieh 2 Der gemassigte und parlamentarisch demokratisch orientierte Kurs der sachsischen SPD befand sich zumeist im Einklang mit grossen Teilen der sachsischen Arbeiterschaft Sachsen war jedoch trotz starker Sozialdemokratie und einflussreicher Gewerkschaften besonders ein Zentrum der Reaktion in dem einflussreiche konservative Kreise ein restriktives Wahlrecht bis Mitte der 1900er Jahre erfolgreich verteidigten 1896 wurde das Zensuswahlrecht von 1868 welches nach und nach den Anteil der Stimmberechtigten auf zwei Drittel der Reichstagswahler allgemeines Mannerwahlrecht hatte anwachsen lassen durch ein ausgesprochen restriktives Dreiklassenwahlrecht ersetzt das noch weniger als zuvor eine reprasentative politische Vertretung der Bevolkerung zuliess Die Landesregierungen stellten durchweg die konservativen und erzkonservativen Parteien Die Sozialdemokraten sollten sich trotz eines Stimmenanteils von durchschnittlich etwa 45 1903 1907 zum Schluss mit einem einzigen Abgeordneten in der Zweiten Kammer des sachsischen Landtages abfinden was Widerspruch bzw Widerstand geradezu provozieren musste Bis zum Ersten Weltkrieg BearbeitenNach 1896 starkte sich die sachsische Sozialdemokratie organisatorisch erheblich Einerseits nahm die Mitgliederzahl erheblich zu Um die Jahrhundertwende gab es 25 000 Mitglieder der SPD 1910 allein in Dresden 28 000 Mitglieder etwa sechs Mal so viel wie alle konservativen Verbande in Dresden zusammengenommen und kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges gab es in Sachsen dem nur drittgrossten der deutschen Bundesstaaten mehr Sozialdemokraten Mitglieder der SPD als in ganz Frankreich und Italien zusammengenommen Andererseits erregte ein funfmonatiger Streik der Crimmitschauer Textilarbeiter um Arbeitszeitverkurzung zwischen August 1903 und Januar 1904 nicht nur sachsenweites sondern auch nationales und internationales Aufsehen Obwohl die Forderungen der etwa 8 000 Arbeiter nicht erfullt wurden stellte der Streik einen der wichtigsten Arbeitskampfe Deutschlands vor dem Ersten Weltkrieg dar der bis in die DDR Zeit hinein vielfache Beachtung und teils glorifizierende Wurdigung fand 3 Das fuhrte einerseits zu einem erheblichen Anwachsen des Einflusses der sachsischen Sozialdemokraten im Reich Bei den Reichstagswahlen im Juni 1903 errangen die sachsischen Sozialdemokraten 22 der 23 Wahlkreise was reichsweit grosstes Aufsehen erregte und auch unter dem Eindruck des unmittelbar darauf folgenden Crimmitschauer Textilarbeiterstreiks ab August 1903 unmittelbar zum Begriff Rotes Konigreich fuhrte Wenngleich sich der Anteil der sozialdemokratisch gewonnenen Mandate bei der Reichstagswahl 1907 auf acht von 23 Wahlkreisen reduzierte was auch dem Auftreten fuhrender Nationalliberaler allen voran dem charismatischen Gustav Stresemann geschuldet war die ihrerseits sechs Mandate bekamen so stieg dieser bei der Reichstagswahl 1912 wieder auf einen Stimmgewinn in 19 von 23 Wahlkreisen fur die Sozialdemokraten an Andererseits hatte der Kampf gegen das restriktive sachsische Dreiklassenwahlrecht Erfolg denn es fuhrte bis 1908 zu grossen Wahlrechtsdemonstrationen u a in Leipzig Im Mai 1909 wurde es durch ein Pluralwahlsystem ersetzt indem jeder Stimmberechtigte bis zu vier Stimmen hatte eine allgemeine Stimme sowie weitere Stimmen nach Alter Steuerkraft Ausbildung und Militardienst wobei diese dann insgesamt bei vier gekappt wurden Bei den Wahlen am 21 Oktober 1909 errang bei einer Wahlbeteiligung von 83 die Sozialdemokratie 25 der 91 Sitze im Landtag doppelt so viele wie man vorher vermutete und auch der Uberraschung dass die mit drei und vier Stimmen Privilegierten zu einem unerwartet hohen Mass sozialdemokratisch wahlten Damit war die Sozialdemokratie als politische Kraft erneut verankert Weitere Landtagswahlergebnisse nach 1909 gibt es zwar nicht die etwa das Ergebnis von 1909 verifizieren konnten gleichwohl knupfte die politische Entwicklung Sachsens unmittelbar nach 1918 direkt an diese von der Jahrhundertwende bis 1914 an Literatur BearbeitenKarsten Rudolph Die sachsische Sozialdemokratie vom Kaiserreich zur Republik 1871 1923 Bohlau Koln Weimar Wien 1995 ISBN 978 341202894 7 Dresdner Geschichtsverein Hrsg Das Rote Konigreich und sein Monarch Dresdner Hefte Beitrage zur Kulturgeschichte Nr 80 4 2004 Dresden 2004 ISBN 3 910055 74 5 Weblinks BearbeitenDas rote Konigreich auf den Infoseiten der Sachsischen Landeszentrale fur politische Bildung Reichstagswahlergebnisse der SPD bzw deren Vorlauferparteien 1871 1918 in Prozentangaben Memento vom 1 April 2018 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Grundung Paris 1889 Karsten Rudolph Ein Rotes Konigreich im Wilhelminischen Deutschland In Dresdner Geschichtsverein Hrsg Das Rote Konigreich und sein Monarch Dresdner Hefte Beitrage zur Kulturgeschichte Nr 80 4 2004 Dresden 2004 ISBN 3 910055 74 5 S 3 12 hier S 7 Zitiert nach Das rote Konigreich der SLpB abgerufen am 30 Marz 2018 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rotes Konigreich amp oldid 216352629