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Rollwald gelegentlich der Rollwald oder Siedlung Rollwald genannt ist ein Ortsteil von Nieder Roden in der Stadt Rodgau Er wurde 1938 als Straflager begrundet Durch seine Lage zwei Kilometer sudlich des Hauptortes und seine spezielle Geschichte aber auch durch die eigene Bahnstation Rodgau Rollwald wird er oft falschlich als Stadtteil von Rodgau wahrgenommen Bis 1976 war Nieder Roden eine selbstandige Gemeinde im Kreis Dieburg danach wurde es mit vier anderen Gemeinden aus dem Kreis Offenbach zur Stadt Rodgau zusammengeschlossen Rollwald hatte laut Mitteilung der Stadt Rodgau im 75 Jahr seines Bestehens im Juni 2013 1 469 Einwohner 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geographie und Lage 2 Zur Situation bis 1938 3 Musterdorf Mittel Roden und Straflager Rollwald 4 Situation nach 1945 5 Erweiterung des Ortsteils 6 Gewerbe 7 Literatur 8 EinzelnachweiseGeographie und Lage Bearbeiten nbsp Rollwald im Sudwesten der Gemarkung RodgauNieder Roden liegt etwa dreissig Kilometer sudostlich von Frankfurt in der sudmainischen Ebene Das Klima ist abseits der Mittelgebirge relativ windig und niederschlagsarm die Gegend galt bis ins 20 Jahrhundert wegen der sandigen wenig ertragreichen Boden als arm 2 Zur Situation bis 1938 BearbeitenBis zum Jahr 1938 war der Rollwald ein zu Nieder Roden gehoriges Waldstuck das seit mindestens hundert Jahren bestand Es lag an und teilweise jenseits der Grenze zum Nachbarort Ober Roden Auf dem Gebiet des heutigen Ortsteils Rollwald existierte ausserdem eine grosse Binnendune deren hochwertiger Sand nach dem Krieg fur private Hausbauten ganzlich abgetragen wurde Uberwiegend war der Rollwald ein lichter Mischwald aus Kiefern und Buchen der bei den Nieder Rodern als Spazierwald beliebt war Einer der Flurnamen hiess Am schonen Rollwald Bei den Ortsansassigen wurde der Wald auch gern Poussier Waldchen genannt da sich hier gerne Liebespaare trafen Besonders beliebt war der alte Brunnen Stockum Bornchen wo mehrere Banke oberhalb einer von Steinen eingefassten sprudelnden Quelle zum Verweilen einluden 3 Ausserdem war ein Teil des Waldes bei Einheimischen bekannt als Lagerplatz fur reisende Sinti und Roma und anderes fahrende Volk die hier an der Landstrasse zwischen den beiden Orten von den Behorden einige Tage in Ruhe gelassen teilweise auch hierhin zugewiesen wurden Einige Nieder Roder mieden darum die Strasse nach Ober Roden 3 In den 1920er Jahren liess sich kurzzeitig eine Ziegelei am Waldchen ostlich der Reichsstrasse 45 nieder die Firma Ludwig Schmidt amp Co was bei den einheimischen Nieder Rodern zu Lutschko zusammengezogen wurde 3 Musterdorf Mittel Roden und Straflager Rollwald BearbeitenNach Hitlers Machtantritt 1933 wurde Rollwald Teil eines umfassenden Projektes zur Wiederbelebung der Bauernschaft um Rodgau Die Ortschaften hatten spatestens mit Bau der Rodgaubahn 1896 einen umfassenden Strukturwandel erfahren von abgelegenen Dorfern mit dominierender Landwirtschaft zu stadtnahen Siedlungen mit vielen Pendler Arbeitern und Heimarbeitern in der Lederindustrie Landwirtschaft wurde meist nur noch als Nebenerwerb betrieben 2 Fur das Projekt sollten die uberwiegend sandigen wenig fruchtbaren Boden grossraumig mit Hilfe einer Berieselungsanlage verbessert werden Diese Anlage sollte die in grossen Rohren herangefuhrten und zu Schwebepartikeln aufbereiteten Fakalien und Abwasser aus dem dreissig Kilometer entfernten Frankfurt auf sandigen Flachen in Sudhessen verteilen Die hygienischen auch olfaktorischen Probleme dieses Grossprojekts wurden ebenso ignoriert wie der Widerstand betroffener Gemeinden Wegen des beginnenden Krieges wurden die Fakalienberieselungen nicht mehr in die Tat umgesetzt 3 4 Rollwald sollte nach den Bodenverbesserungen ein nationalsozialistisches Musterbauerndorf werden das den Namen Mittel Roden tragen sollte Vorbild waren die ebenfalls kunstlich errichteten Dorfer Riedrode und Allmendfeld bei Gernsheim 4 Insgesamt 80 Bauernhofe mit je funfzehn Hektar und 400 Wohnhauser fur Arbeiter waren geplant 5 Die Bauernhofe sollten in Erbpacht vergeben werden und die Vorarbeiten zu dem gesamten Projekt sollten von Strafgefangenen durchgefuhrt werden Im Planungsjahr waren die Gefangnisse aufgrund der NS Verfolgungsmassnahmen reichlich belegt Aus allen deutschen Vollzugsanstalten wurden Strafgefangene mit Erfahrungen im Bauhandwerk angefordert 4 nbsp Ehemaliges Arresthaus des Lagers RollwaldIn einem ersten Schritt wurde das alte Arbeitshaus in der Kreisstadt Dieburg von Haftlingen zum Gefangnis umgebaut Haftlinge aus Darmstadt wurden hierher verlegt Die heute noch bestehende Justizvollzugsanstalt trug zunachst den Namen Stammlager Rodgau Dieburg I Ab Mitte 1938 mussten die Haftlinge trotz Protesten der Gemeinde Nieder Roden mit dem Abholzen des Rollwalds beginnen Die fur den Holzverlust auf ein Sperrmark Konto einbezahlte Entschadigung fur die Gemeinde Nieder Roden war nach dem Krieg wertlos Bis 1965 versuchte die Gemeinde erfolglos hierfur einen finanziellen Ausgleich zu erhalten Im Gefangnis in Dieburg wurden die ersten Baracken vorbereitet und auf dem abgeholzten Gelande errichtet 4 das Straflager Rollwald entstand Hauptartikel Lager RollwaldSituation nach 1945 BearbeitenWegen der von den Streitkraften der Vereinigten Staaten bei Kriegsende entlassenen Strafgefangenen hatten viele Menschen in Nieder Roden und den anderen Rodgau Orten Angst Es kam zu erhohter Kriminalitat die haufig den ehemaligen Gefangenen zur Last gelegt wurde Im August 1945 wurden etwa 500 Angehorige der SS bis zu ihrem Weitertransport mehrere Monate lang im leerstehenden Lager festgesetzt Auch die danach 1946 in Rollwald untergebrachten entlassenen kriegsgefangenen Soldaten der deutschen Armee wurden von vielen Einheimischen als gefahrlich empfunden 6 Die meisten von ihnen waren bei der Kapitulation in Frankreich in Gefangenschaft geraten stammten aber aus osteuropaischen Staaten und konnten oder wollten etwa weil sie freiwillig in der Wehrmacht gedient hatten nicht in ihre von der Sowjetarmee besetzten Lander zuruckkehren Ausserdem lebten in Rollwald von 1946 bis 1950 ungefahr dreissig amerikanische Soldaten und Zivilangestellte die in den Baracken ein Karteikartenarchiv aller deutschen Kriegsgefangenen anlegten 3 1950 raumte die amerikanische Armee das Gelande und die von der Gemeinde Nieder Roden lange gewunschte zivile Nutzung konnte beginnen Die 21 Hauser der ehemaligen Wachmannschaften Beamtenhauser die eigentlich als Musterhauser fur Arbeiter des kunftigen Bauerndorfs geplant waren wurden billig an Privatleute verkauft In die Baracken und ubrigen Hauser wurden Wohnungssuchende gelegt meistens Fluchtlinge und Vertriebene Deren Unterbringung war in den wenig wohlhabenden Gemeinden des Rodgau immer problematisch gewesen Auch der langjahrige SPD Burgermeister Nieder Rodens Johann Philipp Weyland erwarb kurz nach 1950 ein Haus und zog in den Ortsteil 1952 wurde ein Haltepunkt an der am Ortsteil vorbeifuhrenden Rodgaubahn eingerichtet heute von der S Bahn Linie 1 bedient Die beiden Bauernhofe wurden von der Landesregierung an zwei Landwirte verpachtet die Familien Schafer und Werle Es waren die einzigen tatsachlich errichteten der achtzig Hofe die von den Nationalsozialisten geplant worden waren 4 Auf dem Gelande des 1963 7 eingerichteten Kindergartens existierte bis Herbst 1952 ein als offentliches Schwimmbad genutztes ehemaliges Feuerloschbecken des Lagers 4 Das Arrestgebaude des Straflagers das 60 Einzelzellen umfasste wurde nach 1950 als Wirtschaft genutzt Lokal Stelzmuller und blieb im Zentrum des Ortsteils gelegen bis heute Restaurant 1976 kam es im Rahmen des Zusammenschlusses der funf Rodgau Gemeinden zu einer Stadt zu Strassenumbenennungen auch in Rollwald die ehemalige Lagerstrasse wurde zur Rhonstrasse die Waldstrasse zur Isarstrasse die Feldbergstrasse zur Lahnstrasse Die Lagerstrasse hiess zur Zeit des Straflagers eigentlich Wohnstrasse weil hier die Beamtenhauser standen dafur wurde die zentrale Hauptstrasse des Lagers ab dem Haupteingang des Lagers in jener Zeit Lagerstrasse genannt heute Am Kreuzberg Der Haupteingang des Straflagers befand sich an der Ecke der heutigen Rhonstrasse Am Kreuzberg 3 Erweiterung des Ortsteils BearbeitenNach und nach wurde immer mehr Bauland neben dem alten Lagergelande ausgewiesen wo eine architektonisch bunte Mischung aus Wohnblocks Villen Reihenbungalows mit kleinen Vorgarten und Einfamilienhausern entstand 1 Der Ortsteil Rollwald hatte dennoch noch lange mit einem schlechten Ruf aufgrund seiner dunklen Vergangenheit und der vielen hier lebenden Fluchtlinge und Entwurzelten zu kampfen 3 Anfang der 1950er Jahre entstanden erste Neubauten Siedlerhauser genannt Am Muhlfeldchen 1 11 Taunusstrasse 2 12 Bautrager waren Offenbacher Geschaftsleute Gewobag 1958 wurde ein Wohnheim fur Vertriebene und Fluchtlinge gebaut heute Ecke Am Kreuzberg Muhlfeldchen kurz darauf durch den Kreis Dieburg die heute noch als Dieburger Block bekannten Wohnblocks mit Sozialwohnungen heute Zum Rauhen See Um 1961 wurden die beiden letzten verbliebenen Straflager Baracken abgerissen und an ihrer Stelle ein sechsstockiges Hochhaus errichtet heute Rhonstrasse 5 9 Diese beiden Baracken hatten im Straflager als Wascherei und Baderaum gedient nach dem Krieg waren hier Fluchtlinge untergebracht 1953 waren es 21 Menschen Nur noch das alte speziell gesicherte Arrestgebaude blieb von den alten Bauten des Straflagers bis heute bestehen heute Restaurant Alt Athen weil hier die alten unter anderem aus massivem Stahlbeton bestehenden Sicherungsanlagen zu tief in den Boden reichten Ebenfalls 1961 wurden die ersten der kleinen Reihenhauser am westlichen Rand von Rollwald bezogen die dort von der SEG aus Frankfurt errichtet wurden 87 Hauser 1980 kam der sogenannte Wohnpark Birkenwaldchen an der Moselstrasse hinzu sowie nach 2000 auf dem Gelande der ehemaligen Folienfabrik Hillebrecht das kleine Wohnviertel zwischen Elbe und Lahnstrasse Damit sind die Bebauungsflachen ausgeschopft 1 nbsp Neubau der Heilig Kreuz Kirche in Rollwald1970 wurde am ostlichen Ortsrand ein katholischer Kirchenpavillon mit 120 Sitzplatzen errichtet Er bestand aus Stahlbeton Fertigteilen Ein Glockenturm aus Stahlgerust trug die ehemalige Lagerglocke eines franzosischen Kriegsgefangenenlagers Eingeweiht wurde die Heilig Kreuz Kirche am 12 Juni 1971 Ein zweiter Pavillon wurde 1985 errichtet um Raum fur Veranstaltungen und Familienfeiern zu schaffen Zum 20 jahrigen Bestehen des Kirchenpavillons wurde 1991 eine zweite grossere Glocke mit den Namen der heiligen Walburga aufgehangt 8 In den Jahren 2013 und 2014 wurden die baufalligen Pavillons durch den Neubau einer kleinen Kirche mit angrenzendem Gemeindesaal ersetzt 9 Es handelte sich um den ersten Kirchenneubau im Bistum Mainz seit mehr als 20 Jahren 10 Architekt Uwe Kollmenter aus Rollwald orientierte sich bei der ausseren Form der Kirche an den ortstypischen Siedlungshausern Foyer und Gemeindesaal haben die Form eines Quaders der die Kirche durchdringt Die neue Heilig Kreuz Kirche wurde in Massivbauweise errichtet Die Fassade ist zum grossten Teil aus Holz Der Westgiebel mit dem Eingang zur Kirche ist mit Cortenstahl verkleidet die Fassade des Ostgiebels ist verputzt 11 Der Mainzer Bischof Karl Lehmann weihte die Kirche am 25 Mai 2014 12 Heute liegt Rollwald am aussersten sudlichen Ende der Stadt Rodgau Da der Ortsteil von einigen Naturschutzgebieten begrenzt wird untersagte die Kreis Planungsbehorde die in den 1960er Jahren von der Gemeinde geplante Ausweitung des Baulands bis an die Hausergrenze von Nieder Roden So konnte der naturnahe Charakter des Ortsteils teilweise erhalten werden 3 Auf den sandigen Boden war es allerdings durch die Abholzung 1938 in den 1950er Jahren zu schweren Erosionserscheinungen gekommen so dass viel fruchtbarer Boden vom Wind fortgetragen wurde Durch Wiederaufforstung konnte dieser Prozess teilweise gestoppt werden 3 Gewerbe BearbeitenWegen der geringen Bevolkerung und der mit steigender Mobilitat wachsenden Konkurrenz in der Umgebung schlossen nach und nach alle Lebensmittelgeschafte Metzgereien und Backereien bis auf einen noch existierenden Kiosk Dieser wurde am 31 Mai 2019 ebenfalls geschlossen Auch die meisten der einst zahlreichen Gewerbebetriebe mussten schliessen oder siedelten sich woanders an Es existierten unter anderem mehrere Fuhrunternehmen eine Schrotthandlung eine Werkzeugfabrik eine Mobelschreinerei ein Warenhaus Supermarkt der grossen Rollwalder Firma Pflaum eine Textilfarberei die genannte Folienfabrik sowie mehrere kleine Laden und Friseure An grosseren Gewerbebetrieben ist einzig das Betonwerk Kleemann vormals Ostertag bis heute erhalten geblieben 3 Literatur BearbeitenGisela Rathert u a Nieder Roden 786 1986 Arbeitskreis fur Heimatkunde Rodgau 1986 Werner Stolzenburg Vom Wald zur Siedlung Entstehung und Leben der Siedlung Rollwald Eigenverlag Rodgau 1992 Michael Jager Rodgau 1945 Politik und Alltag zwischen Krieg Besetzung und demokratischem Neubeginn Frankfurt 1994 Heidi Fogel Das Lager Rollwald Strafvollzug und Zwangsarbeit 1938 bis 1945 Forderverein fur die historische Aufarbeitung der Geschichte des Lagers Rollwald Rodgau 2004 Werner Stolzenburg 75 Jahre Rollwald Ausstellung im Heimatmuseum Nieder Roden Arbeitskreis fur Heimatkunde Archiv Rollwald Dokumentation Rodgau 2013 Ekkehard Wolf 75 Jahre Rollwald Artikelserie in der Offenbach Post Juni August 2013 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Offenbach Post Serie 75 Jahre Rollwald Juni August 2013 Ekkehard Wolf eh a b Gisela Rathert u a Nieder Roden 786 1986 Arbeitskreis fur Heimatkunde 1986 a b c d e f g h i j Werner Stolzenburg Vom Wald zur Siedlung Entstehung und Leben der Siedlung Rollwald 1992 a b c d e f Heidi Fogel Das Lager Rollwald Strafvollzug und Zwangsarbeit 1938 bis 1945 Forderverein fur die historische Aufarbeitung der Geschichte des Lagers Rollwald 2004 Unbequeme Erinnerungen in Frankfurter Rundschau vom 15 August 2011 Michael Jager Rodgau 1945 Politik und Alltag zwischen Krieg Besetzung und demokratischem Neubeginn Frankfurt 1994 Kita Rollwald wird 50 In Frankfurter Rundschau 12 April 2013 Chronik Heilig Kreuz Katholische Pfarrgemeinde St Matthias Nieder Roden abgerufen am 4 Juli 2019 Maurice Farrouh Neue Kirche fur Rollwald Frankfurter Rundschau 15 Januar 2010 Spatenstich fur Heilig Kreuz Kirche Bau der Kirche beginnt In Offenbach Post 23 Marz 2013 Vom Konzept zur Ausfuhrung Baubeschreibung zur Kirchweihe am 25 Mai 2014 PDF 9 3 MB sanktmatthias de abgerufen am 4 Juli 2019 Ekkehard Wolf Rollwald feiert seine neue Kirche In Offenbach Post 26 Mai 2014 abgerufen am 4 Juli 2019 Stadtteile von Rodgau Weiskirchen Hainhausen Jugesheim Dudenhofen Nieder Roden mit Rollwald Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rollwald amp oldid 235989100