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Der sogenannte RIAS Prozess offizielle Bezeichnung Strafsache gegen Wiebach und andere 1 2 war ein Schauprozess der 1955 vor dem Obersten Gericht der DDR stattfand In diesem Strafverfahren wurden funf Burger aus Ost Berlin und der DDR angeklagt weil sie mit dem Rundfunk im amerikanischen Sektor von Berlin RIAS in Kontakt standen und Informationen an Mitarbeiter des Senders weitergaben Auf Weisung von Walter Ulbricht wurde gegen einen der Angeklagten ein Todesurteil verhangt Die naheren Umstande des Prozesses und der Urteilsfindung gelangten erst nach der politischen Wende in den 1990er Jahren an die Offentlichkeit 3 Inhaltsverzeichnis 1 Der RIAS 2 Die Aktion Enten 3 Vor dem Prozess 4 Der Prozess 5 Hinrichtung 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseDer RIAS Bearbeiten Hauptartikel RIAS Das antikommunistisch ausgerichtete Informations und Unterhaltungsprogramm des von der US amerikanischen Militarverwaltung gegrundeten RIAS setzte im Kalten Krieg einen Gegenpol zum Nachrichten und Meinungsmonopol der sowjetischen Besatzer Ein Programmschwerpunkt war die Berichterstattung und Kommentierung des Geschehens in der DDR oder wie es damals der westdeutsche Sprachgebrauch war in der Zone Bekannte RIAS Sendereihen waren beispielsweise Berlin spricht zur Zone Aus der Zone fur die Zone und Werktag der Zone die als Zielgruppe die Burger Ost Berlins und der DDR hatten Der RIAS war mit diesen Sendereihen am Hohepunkt des Kalten Krieges mehr ein Interventions als ein Informationssender 3 Folglich war der Sender dem DDR Regime ein Dorn im Auge speziell nach dem Aufstand vom 17 Juni 1953 Gegenmassnahmen des Regimes waren beispielsweise Storsender und die Bespitzelung der Mitarbeiter des RIAS durch die Stasi Mitarbeiter 3 Die Aktion Enten Bearbeiten Hauptartikel RIAS Ente Im November begannen die Planungen zu der Grossaktion Enten Der Operativplan zu dieser Aktion wurde im Februar 1955 von Erich Mielke zu diesem Zeitpunkt Stellvertretender Leiter des Ministeriums fur Staatssicherheit unterzeichnet Ziel der Aktion Enten war nicht nur die Agenturen des RIAS zu zerschlagen und sie ihrer gerechten Bestrafung zuzufuhren sondern durch richtige politisch operative Massnahmen dem RIAS einen solchen Schlag zuzufugen der es moglich macht diesen amerikanischen Sender vor dem gesamten deutschen Volk und der Weltoffentlichkeit als Spionagezentrale des amerikanischen Geheimdienstes zu entlarven 3 Dazu wurden 49 sogenannte RIAS Agenten in Ost Berlin und der DDR festgenommen Vermutlich fuhrte ein von einem Stasi Spitzel entwendetes Notizbuch mit Namen und Adressen zur Festnahme der ostdeutschen Burger 4 Die festgenommenen Personen kamen aus allen sozialen Schichten Sie hatten bei Besuchen in West Berlin Kontakt zum RIAS aufgenommen und dem Sender dabei unterschiedlichste Informationen uber die DDR wie beispielsweise Wirtschaftsinformationen Stimmungsberichte aus dem DDR Alltag aber auch Berichte uber die Remilitarisierung der DDR zugespielt Die Informationen waren zwar fur die Sendeprogramme des RIAS gedacht aber brisantere Informationen wurden von RIAS Mitarbeitern an das Counter Intelligence Corps CIC der US Army weitergereicht 3 Vor dem Prozess Bearbeiten nbsp Joachim Wiebach am 24 Juni 1955 vor dem Obersten GerichtAus den 49 festgenommenen Personen der Aktion Enten wurden willkurlich funf Manner fur einen Prozess vor dem Obersten Gericht der DDR ausgewahlt Dies waren Joachim Wiebach ein 29 jahriger Ost Berliner Dekorateur Richard Baier ein 28 jahriger Lektor und Redakteur aus Ost Berlin Gunther Krause ein 50 jahriger Drogist aus Konigs Wusterhausen Willi Gast ein 45 jahriger Verwaltungsangestellter aus Stralsund und Manfred Vogt ein 23 jahriger Elektromeister aus Brandenburg Die funf Angeklagten waren zwischen dem 5 und 16 April 1955 festgenommen worden Sie begegneten sich erstmals zu Prozessbeginn im Grossen Saal des Obersten Gerichts in der Scharnhorststrasse 37 in Berlin Mitte Wahrend ihrer Untersuchungshaft wurden sie im Untersuchungsgefangnis in Berlin Hohenschonhausen unter anderem durch Schlafentzug und physische Misshandlungen gefoltert 3 Wiebach arbeitete bei der DEWAG Er wurde am 6 April verhaftet Ihm wurden mehrere Straftaten vorgeworfen So soll er seit April Mai 1954 zwei Mitarbeitern des RIAS Franz Siegel und Lisa Thum alias Lisa Stein interne Informationen aus seinem Betrieb und uber Auftrage und Auftraggeber der DEWAG geliefert haben Diese Informationen soll er auch Mitarbeitern aus dem Bundesamt fur Verfassungsschutz zugetragen haben Im Februar 1955 soll er dann vom CIC zur Militarspionage angeworben worden sein Insbesondere der letztgenannte Punkt machte ihn zum Hauptangeklagten 5 Siegel und Stein vermischten ihre journalistische Tatigkeit mit ihrer nachrichtendienstlichen wodurch sie ihre Informanten erheblich gefahrdeten Zudem sollen sie ihre Informanten bedroht haben wenn sie ihre Zusammenarbeit beenden wollten 6 Am 14 Juni 1955 erhielt Walter Ulbricht der Erste Sekretar des Zentralkomitees der SED eine von Klaus Sorgenicht unterzeichnete und von Josef Streit verfasste dreiseitige Hausmitteilung die von der Abteilung Staatliche Organe im ZK der SED angefertigt worden war Der erste Satz der Mitteilung ist eine Vorverurteilung der Angeklagten Die Beschuldigten sind Agenten des RIAS und haben durch die Lieferung von Spionageinformationen politischen wirtschaftlichen und militarischen Charakters die Durchfuhrung von Sabotage und Diversionsakten unterstutzt und zur Vorbereitung eines neuen Krieges beigetragen Danach folgt eine stichwortartige Beschreibung der Anklagepunkte Das Schreiben endet mit dem Hinweis Folgende Strafen sind beabsichtigt Wiebach lebenslangliches Zuchthaus Baier funfzehn Jahre Zuchthaus Krause lebenslangliches Zuchthaus Gast zwolf Jahre Zuchthaus Vogt acht Jahre Zuchthaus 3 Ulbricht strich bei Joachim Wiebach lebenslangliches Zuchthaus durch und schrieb Vorschlag Todesurteil Dann unterzeichnete er die Mitteilung mit Einverstanden W Ulbricht 3 7 8 9 Der Prozess Bearbeiten nbsp Die Angeklagten Joachim Wiebach Richard Baier Gunter Krause Willi Gast und Manfred Vogt in der 2 Reihe nbsp Joachim Wiebach vor Gericht In der Bildmitte Kurt Schumann Links von ihm vermutlich Helene Kleine und rechts Hans Rothschild Der Prozess vor dem 1 Senat des Obersten Gerichts der DDR fand an zwei Verhandlungstagen am 24 und 25 Juni 1955 vor erweiterter Offentlichkeit statt Den Vorsitz hatte Kurt Schumann der Prasident des Obersten Gerichts Als Beisitzer fungierten Helene Kleine und Hans Rothschild die beide Oberrichter am Obersten Gericht waren Die Anklage wurde von Generalstaatsanwalt Ernst Melsheimer und Staatsanwalt Walter Piehl vertreten Drei Rechtsanwalte aus Ost Berlin Halle Saale und Lobau vertraten die Angeklagten 3 In der Hauptverhandlung wurden 14 Zeugen verhort die ausschliesslich Belastungszeugen waren Am 27 Juni 1955 wurden die Urteile verkundet In der Urteilsbegrundung wurde der RIAS als Spionagezentrale und verbrecherische Organisation bezeichnet 3 Die Hauptverhandlung vor dem Obersten Gericht der Deutschen Demokratischen Republik hat die Richtigkeit der Anklage des Generalstaatsanwalts bestatigt dass die Sendungen des RIAS dem alleinigen Zweck dienen die Atmosphare in den internationalen Beziehungen durch die Verleumdung der Lander des Friedenslagers zu vergiften Provokationen zu inszenieren das Gift des Chauvinismus und der Kriegshetze zu verbreiten und jede nur mogliche Unruhe zu schaffen um unter allen Umstanden zu verhindern dass Deutsche aus Ost und West durch Verhandlungen alles Trennende beseitigen Aus der Urteilsbegrundung 3 Mit den verhangten Strafen folgte das Gericht im Wesentlichen den Vorgaben aus dem ZK der SED Joachim Wiebach wurde der Vorgabe Ulbrichts entsprechend zum Tode verurteilt 3 Richard Baier erhielt fur die Weitergabe von Informationen die er der DDR Presse entnahm 10 13 Jahre Zuchthaus von denen er 6 Jahre und 9 Monate verbusste 11 Gunter Krause wurde zu lebenslanglichem Zuchthaus verurteilt Er hatte offen zugangliche Informationen an den RIAS geliefert Strafverscharfend war wohl dass er Daten uber das Gebaude und den Personalstand des ortlichen Volkspolizeikreisamts die Verlegung einer Einheit der Kasernierten Volkspolizei und die Auflosung und Verlegung sowjetischer Dienststellen weitergab Willi Gast erhielt eine Strafe von 15 Jahren Zuchthaus Vor seiner Verhaftung arbeitete er als Sachbearbeiter in Stralsund im staatlichen Kreiskontor fur landwirtschaftlichen Bedarf Er war Mitglied in der SED In der Urteilsbegrundung wurde ihm vorgeworfen durch seine Informationen die Bevolkerung der DDR bewusst verunsichert und das Vertrauen in die Regierung und die ortlichen Staatsorgane damit angegriffen zu haben Als besonders schwerwiegende Vergehen wurden ihm dabei die Gefahrlichkeit seiner Berichterstattung seine Hartnackigkeit sein freiwilliges Andienen seiner Dienste beim RIAS und seine Tarnung als Mitglied der Partei der Arbeiterklasse angerechnet 10 Zu acht Jahren Zuchthaus wurde Manfred Vogt verurteilt Bis zu seiner Verhaftung arbeitete er im VEB Stahl und Walzwerk Brandenburg Laut dem Vernehmungsprotokoll wurde Vogt in West Berlin von Siegel auf der Strasse angesprochen Vogt verweigerte zunachst die Mitarbeit wurde aber von Siegel zweimal massiv unter Druck gesetzt Danach ubergab er Siegel Informationen die ausschliesslich seinen Betrieb betrafen Die Weigerung Vogts zur Zusammenarbeit mit Siegel wurde auch vom Gericht anerkannt dem Angeklagten ist zugute zu halten dass er zweimal den Versuch unternommen hat die Verbindung mit dem RIAS zu losen und durch Drohungen zur weiteren Spionage veranlasst wurde 12 Nach der Urteilsverkundung schrieb das Neue Deutschland Unser Volk muss aus diesem Prozess die Lehren ziehen die Hetzsendungen des RIAS zu verabscheuen Dort sprechen nicht Menschen die die kulturellen Interessen der Bevolkerung im Auge haben sondern gemeine Kriegshetzer 13 12 Hinrichtung BearbeitenAm 14 September 1955 14 um 2 Uhr wurde in der Untersuchungshaftanstalt I in Dresden der damaligen zentralen Hinrichtungsstatte der DDR das Todesurteil gegen Joachim Wiebach per Guillotine vollstreckt Aus der Zeitung hatten seine Eltern von dem Urteil erfahren Ihr Gnadengesuch wurde von Wilhelm Pieck dem Prasidenten der DDR abgelehnt Die Richter des Ersten Strafsenats hatten die Begnadigung unterstutzt Wiebachs Abschiedsbrief wurde zu den Akten genommen und seinen Eltern nicht uberreicht Von der Hinrichtung ihres Sohnes erfuhren die Eltern erst zwei Monate nach dem Vollzug 3 Literatur BearbeitenKarl Wilhelm Fricke Roger Engelmann Konzentrierte Schlage Staatssicherheitsaktionen und politische Prozesse in der DDR 1953 1956 Ch Links Verlag 1998 ISBN 978 3 861 53147 0 S 169 181 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Roger Engelmann Schauprozesse und Staatssicherheit In Klaus Marxen Annette Weinke Hrsg Inszenierungen des Rechts Schauprozesse Medienprozesse und Prozessfilme in der DDR BWV Verlag 2006 ISBN 978 3 830 51243 1 S 85 100 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Weblinks BearbeitenKarl Wilhelm Fricke Vor 50 Jahren Stasi Aktion Enten In deutschlandfunk de 24 Juni 2005 abgerufen am 27 Juli 2015 Roger Engelmann Blutjustiz als politisches Lehrstuck In Horch und Guck 1 2008 S 8 13 Falco Werkentin RIAS Prozess In Kurt Groenewold Alexander Ignor Arnd Koch Hrsg Lexikon der Politischen Strafprozesse Online Stand Juli 2017 Einzelnachweise Bearbeiten Urteil des Obersten Gerichts in der Strafsache Wiebach und andere BStU ZA AU 163 55 BA Bd 6 Bl 372 421 vom 9 Juli 1955 Fricke Engelmann S 176 a b c d e f g h i j k l m Karl Wilhelm Fricke Der DDR Schauprozess gegen den RIAS In Die Politische Meinung Ausgabe 427 2005 S 63 67 Norbert F Potzl Toricht und todlich In Spiegel Special 29 Juli 2008 abgerufen am 23 Juli 2015 S 34 37 Fricke Engelmann S 176 Fricke Engelmann S 177 Gunter Holzweissig Quellenkundliche Anmerkungen zur DDR Historiografie Bundesarchiv 2006 ISBN 978 3 865 09444 5 S 16 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Siegfried Lokatis Heimliche Leser in der DDR Ch Links Verlag 2008 ISBN 978 3 861 53494 5 S 180 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Todesurteil stand vor Prozess fest In Neues Deutschland 21 Januar 1995 abgerufen am 27 Juli 2015 a b Fricke Engelmann S 178 Andreas Dippel Anfange an Enden In pro Christliches Medienmagazin Ausgabe 5 2009 S 26 29 a b Fricke Engelmann S 179 RIAS Spinnennetz zum Agentenfang In Neues Deutschland 28 Juni 1955 Karl Wilhelm Fricke Der Wahrheit verpflichtet Ch Links Verlag 2000 ISBN 978 3 861 53208 8 S 262 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Nach anderen Quellen wurde Wiebach am 13 September 1955 hingerichtet Abgerufen von https de wikipedia org w index php title RIAS Prozess amp oldid 231998507