www.wikidata.de-de.nina.az
Primavera ˌprimaˈveːra Fruhling ist ein Gemalde des italienischen Renaissancemalers Sandro Botticelli Das Bild gehort zu den bekanntesten und am haufigsten reproduzierten Werken der abendlandischen Kunst Die Bedeutung des Bildes seine Funktion in der dynastischen und Kulturpolitik der Medici hat im Laufe der Zeit unterschiedliche Interpretationen erfahren und gilt bisher in der Kunstwissenschaft als nicht uberzeugend geklart Botticelli widmete sich haufig allegorischer Themen die am Hof der Medici sehr beliebt waren und heute einer Deutung bedurfen PrimaveraSandro Botticelli um 1482 1487Tempera auf Holz203 314 cmUffizienVorlage Infobox Gemalde Wartung Museum VenusAmorChloris und ZephyrFloraFloras KleidDrei GrazienMerkur Inhaltsverzeichnis 1 Historische und literarische Quellen 2 Beschreibung 3 Interpretationen 4 Rezeption 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHistorische und literarische Quellen BearbeitenDer italienische Kunsthistoriker Giorgio Vasari erwahnt in seinen nicht immer zuverlassigen Viten von 1550 ein Gemalde Botticellis im Landhaus Castello des toskanischen Grossherzogs Cosimo de Medici mit einer Venus die von den Grazien mit Fruhlingsblumen bekranzt wird Die darauf basierende Annahme das Bild gehore zur Ausstattung dieses Landhauses wurde erst durch die 1975 veroffentlichten Quellen verworfen die das Bild ubereinstimmend als Ausstattung eines Stadtpalastes einer alteren Generation der Medici in Florenz nachwiesen 1 Es befand sich in einem Zimmer neben der camera terrena des Lorenzo il Popolano das Zimmer ausgestattet mit einem Sofa wohl das Schlafzimmer von Lorenzos Ehefrau Semiramide Appiani war Es war mit Bildern ausgestattet die die unterschiedlichen Rollen und Tugenden von Mann und Frau zum Thema hatten Als erster wies Aby Warburg der Begrunder der Ikonologie also der Wissenschaft von der Deutung von Bildinhalten in seiner Strassburger Dissertation von 1893 antike Autoren als literarische Quellen zu dem Bild nach Neben den Fasti des Ovid den Oden des Horaz der Aeneis des Vergil und der De rerum natura des Lukrez wurden auch Texte zeitgenossischer Autoren wie Alberti und Poliziano in Bezug genommen die zur Entschlusselung des Bildes dienen Warburg hat folgende Theorie zur Bedeutung des Bildes aufgestellt Thema ist die Herrschaft der Venus Zephyr der Gott des Westwindes ganz rechts im Bild verfolgt Flora die romische Gottin der Pflanzen Alles was sie beruhrt wird zu Pflanzen so auch links neben ihr die Gottin des Fruhlings die gerade dabei ist Blumen auszustreuen Im Mittelpunkt steht die Venus die Gottin der Liebe die den Betrachter mit der Geste ihrer Hand und mit ihrem Blick in ihr Reich einladt Daruber schwebt Amor der gerade den Bogen spannt in Richtung auf die drei Grazien die in einem Fruhlingsreigen verbunden sind Ganz links steht Merkur der in einer symbolischen Geste die angedeuteten Wolken beiseiteschiebt Nach dieser Deutung Aby Warburgs ware das Bild also eine Glorifizierung der erotischen Liebe Beschreibung BearbeitenDas grossformatige Bild zeigt vor einem Orangenhain eine nebeneinander aufgereihte Gruppe von acht Personen mit einem blinden Amor uber der mittleren Figur der dabei ist einen Pfeil abzuschiessen Amor ist der standige Begleiter der Liebesgottin Venus Diese in dem Bild in zentraler Position ist aus der Reihe ein wenig zuruckgetreten Sie tragt ein leichtes weisses Kleid und einen roten Mantel den sie sich uber die rechte Schulter und den erhobenen Arm geworfen hat Zu ihrer Linken schreitet Flora uber die Wiese und streut Rosen Neben ihr sturzt sich ein blaulicher Mann mit wehenden Tuchern auf eine junge Frau die sich ihm zwar zuwendet aber gleichzeitig vor dem Heransturmenden flieht Aus ihrem Mund kommen Rosenbluten Der Mann ist an seinen aufgeblasenen Wangen als ein Windgott Zephyr zu erkennen der im Begriff ist die Nymphe Chloris zu ergreifen Bei Ovid heisst es wahrend sie sprach haucht sie Fruhlingsrosen aus ihrem Munde Chloris war ich die ich jetzt Flora genannt werde und Es war Fruhling ich irrte umher Zephyrus erblickte mich ich ging weg Er folgte ich fliehe jener war starker Die Gewalttat dennoch machte er wieder gut dadurch dass er mir den Namen der Gattin gab und in meiner Ehe gibt es keinen Grund zur Klage Stets geniesse ich den Fruhling stets ist uppig bluhend die Jahreszeit die Baume haben Laub und Nahrung stets der Erdboden In Ovids Gedicht hat Zephyr die Nymphe mit Gewalt erobert sie dann zu seiner Gattin gemacht Erst durch die Vereinigung der beiden ist das uppige Bluhen und Fruchtetragen der Feldflur Mitgift der Nymphe gesichert In einem mit Bluten ubersaten Kleid und mit Blumen bekranzt schreitet die in die Fruhlingsgottin Flora verwandelte Nymphe und streut Rosen aus ihrem geschurzten Gewand in die Blumenwiese Auf der rechten Seite der Venus tanzen drei in leichte Schleier gehullte Frauen einen Reigen es sind die drei Grazien Sinnbild fur weibliche Anmut und Schonheit die vor allem in Bildern der Renaissance haufig als Begleiterinnen der Venus auftreten Am linken ausseren Rand des Bildes vertreibt Merkur als Wachter des Gartens der Venus mit seinem Stab dem Caduceus aufziehende Wolken um den ewigen Fruhling zu gewahrleisten 2 Interpretationen BearbeitenDas Bild hat Anlass zu unterschiedlichen und widerspruchlichen Deutungen gegeben deren Begrundungen nicht immer stichhaltig oder auch nur befriedigend sind und in der Folge nur luckenhaft skizziert werden Kunsthistoriker der Warburg Schule wie Edgar Wind und Ernst Gombrich sehen in dem Bild einen Niederschlag neuplatonischer Philosophie wie sie am Hof Cosimos unter anderem durch Marsilio Ficino gelehrt wurde Bei Ficino ist die Liebe durchaus eine elementare Triebkraft des Menschen sie ist aber auch die Kraft die die materielle Welt in eine geistige Welt der Ideen verwandeln kann Sie weckt die sinnlichen Leidenschaften die sie jedoch zu Humanitat und universeller Harmonie sublimieren kann In diesem Kontext ist die eher seltene Darstellung einer bekleideten Venus zu sehen Die drei Grazien werden hier zur Verkorperung der selbstlosen Liebe im Sinne Senecas als liberalitas als Geben Empfangen und Erwidern von Wohltaten Charles Dempsey sieht in dem Bild eine Symbolisierung des Fruhlings wobei Zephyr Chloris und Flora den sturmischen Fruhlingsmonat Marz personifizieren Venus Amor und die Grazien den April und Merkur den Mai Maia war die Mutter des Gottes und laut Ovid ist der Name dieses Monats von Maia abgeleitet Andere Interpreten deuten das Bild als christliche Allegorie wobei die drei Grazien als die christlichen Tugenden Glaube Hoffnung und Liebe interpretiert werden oder als bildliche Ubersetzung des Gesangs 28 31 Purgatorium aus Dantes gottlicher Komodie Die zentrale Figur stellt nach dieser Auffassung Dantes Beatrice dar die Frau im Blutenkleid Eva Zephyr den Satan und Merkur den Adam der nach den verbotenen Fruchten des Paradieses greift Ausserdem gibt es eine Reihe von astrologischen Interpretationen die auf komplizierten astronomischen Berechnung uber den Stand der Gestirne zum Zeitpunkt der Entstehung des Bildes beruhen und sich dabei auf die Vorliebe fur astrologische Spekulationen am Hof der Medici und in der Renaissance uberhaupt berufen Nach der Interpretation von Frank Zollner gehort das Bild zum Genre der Hochzeitsbilder die an den Hofen der Renaissance haufig aus derartigen Anlassen in Auftrag gegeben wurden Lorenzo il Popolano war 1483 an die minderjahrige und verwaiste Semiramide Appiani Tochter des Jacopo III von Piombino verheiratet worden Fur diese These als Schlussel zur Primavera sprechen im Bild eine Reihe von Indizien Die bekleidete Venus verkorpert hier nicht sinnliche Leidenschaft sondern in der Ehe gebandigte und im Fortbestand der Familie erfullte Sexualitat Die Myrtenzweige die in dem nimbusartigen Halsausschnitt um den Kopf der Venus deutlich zu erkennen sind sind sowohl Symbole fur Jungfraulichkeit als auch fur die Ehe Die unfreiwillig zustande gekommene Ehe zwischen Zephyr und Chloris endete nach Ovid zur Zufriedenheit aller Beteiligten Uber dem Paar breitet sich ein Lorbeer laurus nobilis aus eine dem zeitgenossischen Betrachter vertraute Anspielung auf den Namen Lorenzo ebenso wie man die Orangen damals unschwer als Imprese der Medici lesen konnte Auf Botticellis Bild beginnen die Orangenbaume die reichlich Bluten und Fruchte tragen erst nach der Szene der gewaltsamen Eroberung der Nymphe durch Zephyr Hinweis und Wunsch auf reiche Nachkommenschaft bei dem Hochzeitspaar Die Grazien in dieser Interpretation Symbole fur weibliche Schonheit und Tugend weisen auf das von der Braut erwartete tugendhafte Leben hin und Merkur der die Wolken vertreibt wacht uber das Wohlbefinden des Hauses das heisst des Hauses Medici Eine weitere Anspielung auf das Brautpaar ergibt sich aus der Darstellung von Sergiusz Michalski der in der Figur der Venus die Braut selbst Semiramide Appiani portratiert sieht 3 Nach neueren Studien konnte es sich allerdings auch um den Zyklus der Jahreszeiten mit den Monaten ab Februar rechts in Gestalt des Zephyr bis September links als Merkur handeln Andere sehen in der Mittelfigur Isis 4 oder Persephone 5 dargestellt In die Figur des Blumen streuenden Fruhlings rechts von der Venus hat Botticelli nach alterer und jungst wieder vertretener Auffassung moglicherweise die Gestalt der fruh verstorbenen Simonetta Vespucci gekleidet Sie tragt den fur Botticelli typischen zart blassen melancholischen Ausdruck der in zahlreichen allegorischen Darstellungen und Portrats wiederkehrt Simonetta die Verehrte von Giuliano des Bruders Lorenzo des Prachtigen und die einzige Frau die jemals in Zusammenhang mit Botticelli genannt wurde kam bezeichnenderweise in der Stadt Porto Venere zur Welt wortlich ubersetzt im Hafen der Venus wo nach altem Glauben die Gottin der Schonheit erstmals italienischen Boden betrat Rezeption BearbeitenUnter anderem Frank Zollner sieht im Zusammenspiel der La Primavera mit dem ursprunglich links davon hangenden Botticelli Gemalde Camilla und der Kentaur eine klischeehafte Widerspiegelung realer zeitgenossischer Geschlechterrollen Gleichzeitig aber weisen sie wie etwa die Rezeptionsgeschichte der beiden Bilder lehrt uber die damalige Wirklichkeit hinaus 6 Rene Magritte integrierte die Figur der Flora in sein Bild Le bouquet tout fait von 1956 eine Gouache im Format 46 34 cm das sich heute in einer privaten Sammlung befindet Der Komponist Ottorino Respighi schrieb 1927 sein dreiteiliges Werk Trittico Botticelliano Botticelli Triptychon in dem er neben Die Geburt der Venus und Anbetung der Heiligen Drei Konige auch Primavera als Orchesterstuck vertonte 7 Literatur BearbeitenHorst Bredekamp Botticelli Primavera Florenz als Garten der Venus Fischer 3944 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1988 ISBN 3 596 23944 3 Charles Dempsey Botticelli s Primavera and Humanistic Culture at the Time of Lorenzo the Magnificent Princeton University Press Princeton NJ 1997 ISBN 0 691 01573 2 Maria Christine Leitgeb Tochter des Lichts Kunst und Propaganda im Florenz der Medici Parthas Verlag Berlin 2006 ISBN 3 86601 470 8 Mirella Levi d Ancona Botticelli s Primavera A Botanical Interpretation Including Astrology Alchemy and the Medici Arte e archeologia AA Studi e documenti 20 Olschki Florenz 1983 ISBN 88 222 3131 7 Ronald Lightbown Sandro Botticelli Leben und Werk Hirmer Munchen 1989 ISBN 978 3 7774 5150 3 Sergiusz Michalski Venus as Semiramis A New Interpretation of the Central Figure of Botticelli s Primavera In Artibus et Historiae Band 24 Nr 48 2003 S 213 222 Andreas Schumacher Hrsg Botticelli Bildnis Mythos Andacht Eine Ausstellung des Stadel Museums Frankfurt am Main 13 November bis 28 Februar 2010 Hatje Cantz Ostfildern 2009 ISBN 978 3 7757 2480 7 Aby Warburg Sandro Botticellis Geburt der Venus und Fruhling Eine Untersuchung uber die Vorstellungen von der Antike in der italienischen Fruhrenaissance Voss Hamburg u a 1893 Digitalisat Auch in Aby M Warburg Ausgewahlte Schriften und Wurdigungen Saecvla spiritalia Bd 1 Herausgegeben von Dieter Wuttke in Verbindung mit Carl Georg Heise 2 verbesserte und bibliografisch erganzte Auflage Koerner Baden Baden 1980 ISBN 3 87320 400 2 S 11 64 Dissertation Strassburg 1893 Frank Zollner Botticelli Images of Love and Spring Prestel Munchen u a 1998 ISBN 3 7913 1985 X Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Primavera Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien catalogo uffizi Astrologische Interpretation italienisch Memento vom 4 Marz 2016 im Internet Archive Fotografische Reproduktion von Botticellis Primavera zoombar 28 Gigapixel Einzelnachweise Bearbeiten Webster Smith On the Original Location of the Primavera In The Art Bulletin Band 57 Nr 1 1975 S 31 40 Lightbown S 127 136 Siehe Sergiusz Michalski Venus as Semiramis A New Interpretation of the Central Figure of Botticelli s Primavera In Artibus et Historiae Band 24 Nr 48 2003 S 213 222 So Jean Gillies The Central Figure in Botticelli s Primavera in Woman s Art Journal Bd 2 1981 12 16 So Jonathan Kline Botticelli s Return of Persephone On the Source and Subject of the Primavera In The Sixteenth Century Journal Bd 42 2011 S 665 688 Frank Zollner Botticelli C H Beck Munchen 2009 Seite 80 ISBN 978 3 406 591129 WDR Werkeinfuhrung Respighi Trittico Botticelliano 19 Juni 2020 abgerufen am 22 Oktober 2020 Normdaten Werk GND 4069615 7 lobid OGND AKS LCCN n98084192 VIAF 173901874 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Primavera Botticelli amp oldid 238988596