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Pierre Seel 16 August 1923 in Haguenau 25 November 2005 in Toulouse war ein franzosischer KZ Uberlebender Pierre Seel 2000 in Berlin Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Nachruf 3 Schriften 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenSeel wuchs in Mulhausen im Elsass in einer burgerlichen Familie auf Mit 16 Jahren war er sich bewusst homosexuell zu sein und besuchte auch die Klappe am Square Steinbach Als ihm dort eine Uhr gestohlen wurde erstattete er bei der Polizei Anzeige Dabei gab Seel den Besuch der Klappe offen zu da homosexuelle Handlungen in Frankreich seit 1792 nicht mehr unter Strafe standen Er landete damit in der Schwulenkartei Rosa Liste der franzosischen Polizei Nach dem Westfeldzug lag die Stadt im annektierten Gebiet und stand somit direkt unter deutscher Verwaltung Die Deutschen begannen die franzosischen Akten aufzuarbeiten und so wurde er wegen der damaligen Anzeige im Mai 1941 mit anderen Homosexuellen verhaftet und zuerst im Gefangnis von Mulhausen eingesperrt Bald darauf wurde Seel ins Sicherungslager Schirmeck Vorbruck uberstellt Aufgabe war es das KZ Natzweiler Struthof zu bauen Im Lager hatte er Hunger Schlage Folter Erniedrigung Krankheit und Schmutz zu ertragen Lagerkommandant Karl Buck liess den ganzen Tag klassische Musik uber Lautsprecher spielen was bei Seel bewirkte dass er noch jahrzehntelang keine Musik von Wagner Beethoven und Bach ertragen konnte Das fur ihn schlimmste Erlebnis ereignete sich in den ersten Wochen als alle Gefangenen am Appellplatz antreten mussten zwei SS Manner einen jungen Burschen herbeischleppten ihn nackt auszogen und einen Blecheimer uber den Kopf stulpten Seel erkannte seinen 18 jahrigen Freund Jo den er davor noch nie im Lager gesehen hatte Die SS Leute hetzten schliesslich ihre Schaferhunde auf Jo und alle mussten mit ansehen wie diese ihn bei lebendigem Leib zerfleischten und auffrassen Dies liess auch Seel zu diesem gehorsamen und schweigsamen Schatten im Lager werden und die Albtraume daruber begleiten ihn sein Leben lang Nachdem ihm eingescharft worden war dass er sofort wieder inhaftiert werden wurde wenn er jemandem etwas uber das in Schirmeck Vorbruck Gesehene und Erlebte erzahlen wurde wurde er im November 1941 entlassen Nach seiner Ruckkehr zur Familie galt das stillschweigend vom Vater verhangte Tabu uber diese Zeit zu sprechen Im Fruhjahr 1942 wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen der als Vorbereitung auf den Militardienst diente Ab August 1942 wurden die mannlichen Bewohner von Elsass Lothringen zur Wehrmacht eingezogen Dies galt auch fur Seel und im Oktober 1942 wurde er zuerst nach Kroatien verlegt um gegen die Titopartisanen zu kampfen Spater ging es nach Berlin Pommern und dann wieder auf den Balkan Dort arbeitete er in den Zugen zwischen Belgrad und Saloniki als Geldwechsler der Reichsbank und tauschte den auf Heimaturlaub fahrenden oder wieder zuruckkehrenden Soldaten Drachmen gegen Reichsmark und umgekehrt Im zweiten Halbjahr 1944 wurde er mit einer neuen Kompanie an die Ostfront zur Weichsel verlegt Bevor er dort in sowjetische Gefangenschaft kam konnte er sich noch seiner Uniform entledigen und gab sich als entkommener franzosischer Lagerhaftling aus Als 1945 einer der sowjetischen Kommandanten erschossen wurde sollten Verdachtige zur Abschreckung hingerichtet werden Auch Seel war unter ihnen sang jedoch im letzten Moment mit Mut und aus Verzweiflung Die Internationale und wurde am Leben gelassen Spater wurde er nach Odessa verlegt und den westlichen Alliierten ubergeben Er sollte per Schiff nach Marseille repatriiert werden musste jedoch seinen Platz im letzten Moment Frauen uberlassen Das Schiff fuhr spater in den Dardanellen auf eine Mine es gab keine Uberlebenden Fur Seel ging es auf dem Landweg in Viehwaggons uber Rumanien Polen und Deutschland zuruck nach Frankreich Er kam dort im August 1945 an und uberraschte seine Familie die ihn wegen des Schiffsunglucks fur tot gehalten hatte Von der neuen franzosischen Verwaltung wurden alle zuruckgekehrten Elsasser und Lothringer genau unter die Lupe genommen um zu verhindern dass Kollaborateure oder mit falscher Identitat ausgestattete Deutsche durchs Netz gingen Die Jahre nach den Kriegswirrnissen nennt Seel in seinem Buch Jahre der Scham Das von seinem Vater verhangte Tabu war noch immer aufrecht und Seel stellte auch keinen Antrag auf Entschadigung da der einzige Grund fur seine Inhaftierung und Zwangsverpflichtung an die Front seine Homosexualitat gewesen war Nicht zuletzt durch den Druck der Familie zwang er sich zu einem normalen heterosexuellen Leben heiratete zeugte drei Kinder und unterdruckte so gut es ging seine Homosexualitat 1968 zog er mit seiner Familie nach Toulouse Im Mai 1981 organisierte die franzosische Schwulenzeitschrift Masques welche in ihrem Verlag gerade die franzosische Ubersetzung des Buches Die Manner mit dem rosa Winkel des Osterreichers Heinz Heger von 1972 herausgebracht hatte in Toulouse eine Diskussion uber die Deportation und Verfolgung Homosexueller in der Nazi Zeit Pierre Seel besuchte mit 58 Jahren diese Veranstaltung als aus dem Buch vorgelesen wurde erkannte er sich darin wieder Er unterdruckte die Versuchung sich sofort zu aussern und gab sich erst nach der Veranstaltung gegenuber Jean Pierre Joecker einem Mitarbeiter von Masques als homosexueller Deportierter zu erkennen Seel war damit der erste bekannte homosexuelle KZ Uberlebende aus dem Elsass Nach solchen Zeitzeugen war schon langer gesucht worden nach Drangen von Joecker gewahrte er fur das Sonderheft uber das Theaterstuck Bent von Martin Sherman erstmals ein anonymes Interview Im April 1982 veranlasste der Strassburger Bischof Leon Arthur Elchinger dass die IGA Europatagung heute ILGA vier Tage vor Beginn aus dem angemieteten Heim des jungen christlichen Arbeiters aus sittlichen Grunden ausquartiert wurde Der Bischof erklarte ausserdem Ich betrachte Homosexualitat als Krankheit Ich respektiere die Homosexuellen wie ich die Kranken respektiere Aber wenn sie ihre Krankheit in Gesundheit verwandeln wollen dann kann ich nicht mehr zustimmen Diese Aussage machte Pierre Seel so wutend dass er nicht nur dem Bischof einen offenen Brief schrieb sondern auch beschloss selbst an die Offentlichkeit zu gehen Verbunden damit war auch seiner Frau und den Kindern die Wahrheit zu sagen Sie reichte darauf die Scheidung ein In der Folge widmete er sich bis zu seinem Tod dem politischen Kampf um die Anerkennung der wegen ihrer Homosexualitat Deportierten In Medien und bei Veranstaltungen trat er als Zeitzeuge auf um uber die NS Verfolgung der Homosexuellen aufzuklaren In Frankreich hatte dies in erster Linie die heim ins Reich geholten Bewohner von Elsass Lothringen betroffen da unter dem Vichy Regime Homosexualitat unter Erwachsenen nie verboten wurde Homosexualitat in Frankreich Als er das erste Mal versuchte als Deportierter anerkannt zu werden wurde er von der zustandigen Behorde nach Bekanntwerden seines Verhaftungsgrundes wieder weggeschickt 1989 besuchte er erstmals wieder Schirmeck wo heute eine Siedlung mit Einfamilienhausern steht und nur mehr eine Gedenktafel an den Ort des Schreckens erinnert In Struthof sind einige Baracken als Mahnmal erhalten auch das Krematorium an dem er mitbauen musste Die Reste des Lagers sind heute eine Gedenkstatte In seinem Buch berichtet Seel auch uber unerfreuliche Zwischenfalle die die franzosische Schwulenbewegung bei offiziellen Gedenkfeiern fur die Deportierten und Opfer des Nazi Regimes erlebte Sie waren von Vertretern der Deportiertenverbande beschimpft und daran gehindert worden Kranze bei Denkmalern niederzulegen In Besancon riefen 1989 einige Teilnehmer einer Gedenkfeier den Schwulen welche einen Kranz niederlegen wollten sogar zu In den Ofen mit den Schwulen Fur euch musste man die Ofen wieder in Betrieb nehmen Anfang der 1990er Jahre versuchte er wieder eine Anerkennung als Verfolgter und Deportierter des Nazi Regimes zu erhalten Der Burgermeister von Mulhausen unterstutzte ihn dabei stellte 1990 in der Nationalversammlung eine diesbezugliche schriftliche Anfrage an den fur die anciens combattants et victimes de guerre Widerstandskampfer und Kriegsopfer zustandigen Staatssekretar Dieser erklarte nun dass selbstverstandlich auch die homosexuellen Opfer der Deportation in den Genuss der fur die aus politischen Grunden Deportierten gesetzlich vorgesehenen Entschadigungsleistungen kommen konnen falls sie die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfullten War es nach dem Krieg fur die Betroffenen relativ leicht gewesen die erforderlichen Dokumente und Augenzeugen beizubringen so bereitete dies 45 Jahre spater einige Schwierigkeiten Vier Jahre dauerte es bis er alle Amtswege erfolgreich abschliessen konnte und er 1994 einige Monate nach Erscheinen seines Buches als Deportierter offiziell anerkannt wurde Gemeinsam mit Jean Le Bitoux einem Redakteur der franzosischen schwulen Wochenzeitung Gai pied hebdo schrieb er seine Erinnerungen nieder Seine Autobiografie Moi Pierre Seel deporte homosexuel erschien 1994 und fand weltweite Beachtung Die deutsche Ubersetzung Ich Pierre Seel deportiert und vergessen erschien 1996 Seel trat auch als Zeitzeuge im 2000 erschienenen Dokumentarfilm Paragraph 175 auf Die 2006 erschienene Dokumentation Amants des hommes von Isabelle Darmengeat greift auf Teile aus Seels Autobiografie zuruck Im Juni 1996 kurz bevor seine ubersetzte Autobiografie erschien war Osterreich das erste deutschsprachige Land welches er nach dem Krieg besuchte Ein Anliegen war ihm der Besuch des KZ Mauthausen und des weltweit ersten Gedenksteins fur homosexuelle Verfolgte der NS Zeit welcher dort 1984 installiert worden war Auch dem Grab des 1994 verstorbenen Josef Kohouts am Baumgartner Friedhof stattete er aus Dankbarkeit einen Besuch ab war doch das Buch von Heinz Heger auf Basis von Kohouts Leben der Ausloser fur das Coming out als Schwuler und NS Opfer gewesen Durch Vermittlung der HOSI Wien wo er am Abend auch uber seine Erlebnisse berichtete lernte er am Grab auch dessen Lebensgefahrten kennen Im Jahre 1997 sprach Seel bei der Einweihung des Denkmals am Nollendorfplatz in Berlin Im Februar 2000 war er erneut in Berlin fur die Deutschland Premiere des Paragraph 175 wo er mit Standing Ovations gefeiert wurde Zur Osterreich Premiere des gleichen Films beim Identities Filmfestivals im Rahmen des Europride 2001 besuchte er wieder Wien und sprach bei einer Podiumsdiskussion in der Wiener Secession Die Strapazen der Wien Reise 2001 machten ihm klar dass er seine Vortragstatigkeit in Hinkunft einschranken musse Am 21 September 2001 war auch er durch die grosse Explosion einer Chemiefabrik in Toulouse betroffen Er zahlte monatelang zu den sans fenetres den Fensterlosen 1 wie die Betroffenen in Anlehnung an die sans abri die Obdachlosen genannt wurden und konnte wahrend dieser Zeit nur einen Teil seiner kleinen Gemeindewohnung bewohnen Anfang 2005 musste sich Seel einer Krebsoperation unterziehen von der er sich nicht mehr erholte Gepflegt und betreut hat ihn in den letzten Jahren sein langjahriger Gefahrte Eric Feliu Im November starb Seel im 83 Lebensjahr Am 28 November wurde er auf dem Dorffriedhof von Bram in der Nahe von Carcassonne bestattet nbsp Pierre Seel Strasse Paris Frankreich Nachruf BearbeitenIn Toulouse wurde 2008 auf Betreiben der Initiative Memorial de la Deportation Homosexuelle eine Strasse nach Pierre Seel benannt Das Strassenschild wurde am 23 Februar 2008 vor nahezu 200 Gasten eingeweiht Die franzosischen Medien wiesen darauf hin dass weder der langjahrige Gefahrte Seels noch seine Sohne oder sein Biograph zur Zeremonie eingeladen wurden 2 nbsp Die Schilder der Pierre Seel Strasse in Toulouse nbsp nbsp Die Pierre Seel Strasse in Toulouse nbsp Erinnerungstafel am Mulhauser StadttheaterIn Paris wurde 2019 eine Strasse im Marais Viertel nach Pierre Seel benannt Der Conseil de Paris und der Gemeinderat des 4 Arrondissements beschlossen einstimmig dem Teil der Rue Ferdinand Duval der zwischen der Rue du Roi de Sicile und der Rue de Rivoli liegt den Namen Rue Pierre Seel zu geben Die Strasse wurde am 19 Juni 2019 eingeweiht 3 Schriften BearbeitenMoi Pierre Seel deporte homosexuel Calmann Levy Paris 1994 ISBN 2 7021 2277 9 Ich Pierre Seel deportiert und vergessen Jackwerth Koln 2002 ISBN 3 932117 20 4 deutsche Ubersetzung Liberation Was for Others Memoirs of a Gay Survivor of the Nazi Holocaust Da Capo New York 1997 ISBN 0 306 80756 4 englische Ubersetzung mit Herve Joseph Lebrun De Pierre et de Seel entretiens 2000 Create Space 2005 ISBN 1 4348 3696 7 Literatur BearbeitenJean Le Bitoux Les oublies de la memoire Hachette Litteratures 2002 ISBN 2 01 235625 7 Andre Sarcq La guenille Editions Actes Sud 1999 ISBN 2 7427 0524 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Pierre Seel Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Pierre Seel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Buchbesprechung Ich Pierre Seel deportiert und vergessen In Zeitblende von Schweizer Radio und Fernsehen vom 22 August 2020 Pierre Seel gestorben Pierre Seel 1923 2005 hosiwien at 25 November 2005 Einzelnachweise Bearbeiten Rosemarie Gratz Die Wut der Fensterlosen Freitag Nr 49 30 November 2001 Gegen das Vergessen Pierre Seel akt 3 ondamaris de 25 November 2007 Version 25 Februar 2008 Un espace public arc en ciel en l honneur de personnalites LGBTIQ 19 Juni 2019 abgerufen am 24 November 2021 Normdaten Person GND 118157795 lobid OGND AKS LCCN n94070963 VIAF 114790538 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Seel PierreKURZBESCHREIBUNG franzosischer KZ UberlebenderGEBURTSDATUM 16 August 1923GEBURTSORT HaguenauSTERBEDATUM 25 November 2005STERBEORT Toulouse Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pierre Seel amp oldid 230975772