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Die Explosion in Toulouse von 2001 war eine Explosionskatastrophe grossen Ausmasses Am 21 September 2001 kam es in der zu TotalFinaElf gehorenden Dungemittel Fabrik AZF Azote Fertilisants im franzosischen Toulouse zur Explosion von mehreren hundert Tonnen Ammoniumnitrat in einer Deponie fur chemische Abfalle Bei der Explosion wurden grosse Teile der Stadt beschadigt insbesondere durch berstende Fensterscheiben 31 1 Menschen starben mehrere tausend wurden verletzt Die Explosion ahnelte in ihrem Anlass und Ausmass der Explosion des Oppauer Stickstoffwerkes am 21 September 1921 auf den Tag genau 80 Jahre zuvor Das Werk in Toulouse war nach dem Ersten Weltkrieg als Kopie des Oppauer Werkes errichtet worden Die Ursache des Unglucks ist unklar Turm der AZF Fabrik Inhaltsverzeichnis 1 Tote und Verletzte 2 Sachschaden 3 Thesen zur Unglucksursache 3 1 These des Staatsanwalts offizielle These bis heute 3 2 Attentat 3 3 Hydrazin These der franzosischen Wochenzeitschrift Valeurs Actuelles Juli 2006 4 Verlauf 5 Bauliche Situation 6 Die Zukunft des Firmengelandes 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseTote und Verletzte BearbeitenDie offizielle Bilanz 2 geht von 31 Toten aus davon 21 auf dem Firmengelande Beschaftigte unter denen 10 Angestellte der Grande Paroisse Betreiberfirma der AZF waren Weiterhin gab es uber 2500 1 Verletzte etwa 30 davon schwer in den umliegenden Stadtvierteln meist getroffen durch von der Druckwelle ausgeloste Glassplitter Schutt und Trummerteile Es gab unzahlige Opfer psychischer Auswirkungen Depressionen Angstzustande Schlaflosigkeit von denen 18 Monate spater noch 14 000 in Behandlung waren Sachschaden Bearbeiten nbsp Nach der Explosion zerstortes Gebaude gegenuber der AZF FabrikEs gab erhebliche Gebaudeschaden im ganzen sudwestlichen Stadtgebiet an Wohnungen Industrie und anderen Unternehmen und an offentlichen Einrichtungen Schwimmbader Turnhallen Konzertsale Schulen Kindergarten Universitat UTM II Busdepot u a Die Schaden werden auf insgesamt 2 1 Milliarden Euro beziffert Thesen zur Unglucksursache BearbeitenDie Unglucksursache konnte nicht ermittelt werden Zur Unglucksursache wurden folgende Thesen aufgestellt These des Staatsanwalts offizielle These bis heute Bearbeiten Die Staatsanwaltschaft nahm einen Unfall durch eine spontane Kettenreaktion von Ammoniumnitrat mit einem oder mehreren anderen Stoffen an Im Laufe der Ermittlungen wurden mehrere Szenarien aufgestellt und z T wieder verworfen Jahrelanger Zersetzungsprozess von verunreinigtem Ammoniumnitrat unter verschiedenen Umwelteinflussen Ein Angestellter hatte eine Viertelstunde vor der Explosion verunreinigtes Ammoniumnitrat mit mehreren Kilogramm Chlor fur Schwimmbader oder DCCNa Natrium Dichlorisocyanurat in der Grossenordnung einiger Gramm auf einer Ammoniumnitrat Halde in einer der Lagerhallen entsorgt Eine Selbstzundung in einem mit Ammoniumnitrat gefullten Behalter Unklar bleibt weshalb sich dieses aus der Produktion ausgesonderte Ammoniumnitratgranulat uber die kritische Grenze hinaus erwarmt haben konnte Eventuell sind die Nitratkorner aus der Produktion gezogen worden weil sie instabil waren Vermutlich kam es durch einen jahrzehntelangen Zersetzungsprozess zur Selbstzundung In Frankreich gibt es keine Mengenbegrenzung beim Lagern von Ammoniumnitrat Um eine explosive Selbstzundung zu ermoglichen mussen drei Bedingungen erfullt sein eine den Druckaufbau begunstigende Ummantelung der Zusatz von brennbarem Material wie Heizol und hohe Temperaturen Attentat Bearbeiten Da die Explosion nur zehn Tage nach den Terroranschlagen am 11 September 2001 stattfand wurde die Theorie eines Attentats vielfach angenommen Diese Moglichkeit wurde von offizieller Seite ausgeschlossen da es keine ernsthafte Verantwortungserklarung einer terroristischen Organisation gegeben hatte Am 4 Oktober 2001 gab der Umweltminister Yves Cochet bekannt dass der bei der Explosion getotete Leiharbeiter Hassan Jandoubi unter Beobachtung stand Die Staatsanwaltschaft verhinderte funf Tage lang eine Durchsuchung von Jandoubis Wohnung Jandoubis Lebenspartnerin vernichtete samtliche Spuren seiner Kleidung und Photographien Nach einer Durchsuchung gab die Polizei bekannt dass Jandoubi moglicherweise mit islamischen Terroristen sympathisierte 3 4 5 6 Die These eines Anschlags untersuchten die Journalisten Anne Marie Casteret 2006 und Marc Mennessier AZF un silence d etat siehe Literatur Hydrazin These der franzosischen Wochenzeitschrift Valeurs Actuelles Juli 2006 Bearbeiten In der benachbarten SNPE eine Pulverfabrik die u a Treibstoffe fur Ariane Feststoffraketen herstellt wird UDMH unsymmetrisches Dimethylhydrazin hergestellt Am Tag der Explosion war der Betrieb wegen Wartungsarbeiten eingestellt gleichzeitig wurde eine grosse Menge UDMH vor Ort gelagert UDMH Dampfe sind schwerer als Luft greifen Schleimhaute und Augen an und haben einen stechenden Ammoniakgeruch An mehreren Explosionsopfern wurden Verletzungen festgestellt die darauf zuruckzufuhren sein konnten Zeugen erwahnten den Geruch von Ammoniak und verdorbenen Fischen den der Wind vom SNPE Gelande herubertrug Mit der Umgebungsluft bildet UDMH ein explosives Gemisch welches der Wind an jenem Tag direkt in den Nitratgranulat Kuhlturm und den Hangar 221 der AZF geweht haben konnte Aus dem Kuhlturm wird erhitzte Luft durch zwei Ventilatoren ausgeblasen wobei das UDMH Gemisch beim Zunden den Eindruck gegeben haben kann dass ein Blitz den Turm trifft wahrend gleichzeitig der Turm explodierte Das UDMH hatte sich bis zum Hangar 221 ausbreiten konnen in welchem Hunderte Tonnen Ammoniumnitrat lagerten und dessen Tore in diesem Moment in Windrichtung geoffnet waren UDMH reagiert mit Ammoniumnitrat zu dem Flussigsprengstoff Astrolit In der dort gegebenen Menge hatte Astrolit vermutlich eine grossere Sprengkraft entwickeln konnen Eine Erklarung fur die Zundung des Luft UDMH Gemischs ware entweder ein Kontakt von UDMH mit Chromtrioxid das zur Messung des Kohlenmonoxidgehalts auf dem Werksgelande diente 11 kg davon wurden im Werkslabor kurz zuvor entwendet oder ein Elektrizitats Storfall in der SNPE Verlauf BearbeitenDer Unfall ereignete sich am 21 September 2001 um 10 17 Uhr Nach einer Serie von kleinen Explosionen explodierten ein Nitrat Silo und zwei angrenzende Lagerhallen Dabei explodierten rund 300 Tonnen des Dungemittels Ammoniumnitrat In dem Werk arbeiteten 460 Beschaftigte in drei Schichten Zwei Schornsteine sturzten ein und von den zwei Hallen im Zentrum der Explosion blieb nur ein zehn Meter tiefer und funfzig Meter breiter Krater ubrig In den rauchenden Trummern der verwusteten Fabrik leisteten Angehorige der Betriebsfeuerwehr und freiwillige Helfer aus der Nachbarschaft Erste Hilfe Sehr schnell organisierten Polizei Feuerwehr und Zivilschutz ihren Einsatz Die Bevolkerung wurde aufgerufen zu Hause zu bleiben und die Fenster zu verriegeln da die Gefahr bestunde dass aus der zerstorten Werkanlage giftige Gase ausstromten Uber der Unglucksstelle roch es nach Ammoniak Eine rotliche Wolke bewegte sich zuerst in nordlicher Richtung zur Stadtmitte hin und spater nach Westen Die Druckwelle schleuderte ganze Lkw Zuge durch die Luft brachte ein nahe gelegenes Einkaufszentrum zum Einsturz und beschadigte alle umliegenden Gebaude schwer Im Umkreis von funf Kilometern gingen Fensterscheiben zu Bruch An einer Mittelschule in der Nachbarschaft wurden zahlreiche Schuler verletzt Die Stadtautobahn in Richtung Suden wurde durch einen Schutthagel und Steinbrocken in ein Trummerfeld verwandelt zahlreiche Autos zerstort Fahrer verletzt Im drei Kilometer entfernten Stadtzentrum loste die Detonation eine Panik aus Das Telefonnetz brach zusammen Wegen der sich in Richtung Stadtzentrum bewegenden Gaswolke roch es stechend nach Ammoniak In der Innenstadt wurden Atemschutzmasken verteilt Die Untergrundbahn von Toulouse wurde wegen eindringendem Rauch evakuiert Die Bevolkerung wurde gewarnt in den Hausern zu bleiben und die Fenster zu schliessen was fur viele nicht moglich war da ihre Fensterscheiben soeben zu Bruch gegangen waren Der Flughafen Toulouse Blagnac und der Hauptbahnhof Toulouse Matabiau wurden geschlossen und 90 Schulen evakuiert Die Einwohner wurden uber Radio aufgefordert kein Leitungswasser zu trinken und moglichst wenig Wasser zu verbrauchen Nachdem viele Menschen versuchten die Stadt mit Autos zu verlassen wurden die sudlichen Stadtausfahrten und die um das Zentrum fuhrende Ringstrasse von der Polizei gesperrt Die Behorden gaben fruhzeitig Entwarnung und teilten der Bevolkerung im Radio mit dass bei ersten Messungen keinerlei gesundheitsgefahrlichen Schadstoffe festgestellt wurden Am nachsten Tag berichteten Zeitungen dass drei der funf Luftmessstationen durch die einem Erdbeben der Starke 3 4 gleichende Druckwelle nach der Explosion beschadigt worden waren Die zwei funktionierenden Messstationen befanden sich in grosserer Entfernung von der Fabrik und der austretenden giftigen Ammoniakwolke Uber die Verschmutzung des Trinkwassers wurden die Bewohner im Ballungsraum von Toulouse nur schrittweise unterrichtet In 14 Kommunen die mit aufbereitetem Trinkwasser aus dem Fluss Garonne versorgt wurden wurde den Burgern empfohlen kein Trinkwasser zu konsumieren In der Stadt Toulouse wurde den Einwohnern versichert das Trinkwasser sei von einwandfreier Qualitat Warnungen zum Konsum von Gemuse oder Obst das in der Gegend angebaut wird wurden nicht gegeben Die gesundheitlichen Langzeitfolgen sind noch unbekannt Bauliche Situation BearbeitenDas Werk stand ursprunglich ausserhalb der 650 000 Einwohner fassenden Stadt doch Toulouse mit seiner Raum und Luftfahrtindustrie entwickelte sich so rasch dass die Industriezone seit langerem von Wohnquartieren umgeben ist Neben dem AZF Werk befinden sich zwei weitere Betriebe die explosives Material herstellen Tolochimie und SNPE die Treibstoff fur die Ariane Raketen herstellt Bereits in den Jahren 1988 und 1989 hatten Umweltschutzer wiederholt auf die Gefahren und ungenugenden Sicherheitsvorkehrungen der Industriezone von Toulouse aufmerksam gemacht Wegen einer politischen Erpressung mit Arbeitsplatzen wurde jedoch nichts an dieser Situation geandert In den Mitte der zwanziger Jahre gebauten Lagerhallen des AZF Werkes gab es weder Temperatur noch Feuchtigkeitssensoren Auch Videokameras zur Uberwachung der Lagerbestande fehlten Die Bodenbetonplatte war 1930 gegossen worden Offenbar verfugte das Lager nicht uber die in Deutschland vorgesehenen Schutzwalle zur Trennung grosserer Mengen der Substanz Die Lagerhallen waren vornehmlich fur Ammoniumnitrate reserviert die wegen technischer Mangel nicht vermarktet werden konnten Staatliche Inspektoren hatten es bei ihren Routinevisiten auf dem Fabrikgelande in den vorangegangenen Jahren nicht fur notig gehalten die Lagerhallen zu uberprufen Beim letzten Kontrollbesuch vor der Explosion im Mai suchten die Inspektoren die Lagerhallen nicht auf Fur einen Notfall schien die Dungemittelfabrik nur unzureichend ausgerustet zu sein So warnte nach der Explosion kein Sirenenalarm die Bevolkerung in den benachbarten Wohngebieten vor moglichen Gesundheitsgefahren Die Alarmierungsanlage war an einer Wand angebracht die durch die Explosion umsturzte In den Notfallplanen gab es Vorschriften fur 24 Unfallarten Massnahmenplane fur ein Explosionsungluck waren nicht vorhanden obwohl die latente Explosionsgefahr von Ammoniumnitrat bekannt ist Die Zukunft des Firmengelandes BearbeitenDa ein Weiterfuhren der industriellen Tatigkeit in Toulouse schwer durchsetzbar gewesen ware wurde die Firma AZF gegen den Willen der 450 dort Beschaftigten geschlossen Die noch erhaltenen Gebaude und Industrieanlagen wurden abgetragen und das Erdreich des gesamten Werksgelandes dekontaminiert Aus mehreren Vorschlagen fur die Neugestaltung des Gebiets wurde derjenige des damaligen Burgermeisters von Toulouse Philippe Douste Blazy kurz darauf zum Gesundheitsminister ernannt ausgewahlt Die Einrichtung des internationalen Krebsforschungszentrums Oncopole de Toulouse das am 5 Mai 2014 eroffnet wurde 7 Siehe auch BearbeitenListe der grossten kunstlichen nichtnuklearen ExplosionenLiteratur BearbeitenHenry Farreny Christian Moretto Toulouse chronique d un desastre annonce Cepadues Editions 2001 ISBN 2 85428 572 7 frz Daniel Dissy AZF Toulouse quelle verite Editions des Traboules 2006 ISBN 2 915681 30 9 frz Marc Mennessier AZF un silence d etat Editions du Seuil Paris 2008 ISBN 978 2 02 097629 9 frz Franck Heriot Jean Christian Tirat AZF L enquete assassinee Plon Paris 2009 ISBN 978 2 259 20824 6 frz Daniel Dissy AZF l Enquete Secrete Le Mystere de la Trace Noire ou comment AZF a explose Editions des Traboules Paris 2009 ISBN 2 915681 99 6 frz Weblinks BearbeitenWorld Socialist Web Site Verheerende Chemieexplosion in Toulouse 25 September 2001 Hintergrunde und Berichte Betroffener frz AZF l enquete assassinee offizielle Website des Buches frz Le Dossier AZF von Daniel Dissy frz Einzelnachweise Bearbeiten a b c Pierre Vermeren L impasse de la metropolisation In Collection le debat histoire politique societe Editions Gallimard Paris 2021 ISBN 978 2 07 294016 3 S 41 Rapport de l inspection generale de l environnement Usine de la societe Grande Paroisse a Toulouse Accident du 21 septembre 2001 Memento vom 26 November 2006 im Internet Archive franzosischsprachiges Originaldokument vom 24 Oktober 2001 S 14 Englischsprachige Ubersetzung Anti Terror probe into French blast Memento vom 3 November 2007 im Internet Archive CNN 4 Oktober 2001 Redaktion Explosion in France may have been Terrorism In The Michigan Daily 5 Oktober 2001 Jon Henley Terrorism link to French explosion In The Guardian 5 Oktober 2001 Paul Seabright What Explosion In London Review of Books 1 November 2001 kooperation international de Frankreich Krebsklinikum Oncopole in Toulouse seiner Bestimmung ubergeben 8 Mai 2014 abgerufen am 23 Juni 2014 43 567222222222 1 4275 Koordinaten 43 34 2 N 1 25 39 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Explosion in Toulouse amp oldid 238141523