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Pauline Kneissler 10 Marz 1900 in Kurdjumivka Russisches Kaiserreich 26 Januar 1989 in Berlin Steglitz war eine deutsche Krankenschwester und als solche in mehreren Anstalten an NS Krankenmorden beteiligt 1 S 733 2 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Herkunft und Ausbildung 1 2 NSDAP und NS Organisationen 1 3 Aktion T4 1 4 Aktion 14f13 1 5 Einsatz in Heil und Pflegeanstalten 1 6 Kloster Irsee 1 7 Medaillen 2 Festnahme und Verurteilung 3 Nachwirkung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHerkunft und Ausbildung Bearbeiten Pauline Kneissler war die Tochter eines wohlhabenden deutschen Gutsbesitzers in der Ukraine der 1918 mit seiner Familie nach Deutschland floh als die Bolschewiki im Russischen Burgerkrieg in Odessa die Macht ubernahmen Er erwarb ein kleines Gut in Detmold Westfalen das er aber in der Wirtschaftskrise wieder aufgeben musste Er konnte bei der Eisenbahn unterkommen Tochter Pauline verdingte sich als Naherin 3 S 205 1922 schloss sie in Duisburg eine Krankenschwesterausbildung mit Examen ab und war ab 1923 in Berlin als Privatpflegerin und ab 1925 in der Kinderheilanstalt Berlin Buch tatig Noch im gleichen Jahr wechselte sie zur HPA Heil und Pflegeanstalt Berlin Buch 1 S 733 NSDAP und NS Organisationen Bearbeiten Pauline Kneissler war schon in den 1920er Jahren von der nationalsozialistischen Bewegung angezogen und ihrer Hassposition gegenuber den Bolschewiki die ihre Familie aus der Ukraine vertrieben hatten Sie trat zwar erst 1937 als 37 Jahrige in die NSDAP ein 4 S 144 gehorte jedoch bereits 1934 der evangelischen NS Kirchenorganisation an und war unter anderem Blockleiterin in der NS Frauenschaft Sie kam zu der Uberzeugung dass die katholische Kirche im Widerspruch zu den Naturgesetzen stand und teilte die Ansichten der Deutschen Christen DC einer rassistischen antisemitischen und am Fuhrerprinzip orientierten Stromung im deutschen Protestantismus die diesen von 1932 bis 1945 an die Ideologie des Nationalsozialismus angleichen wollte All dies machte sie mit den Argumenten der T4 Ideologie vertraut und bereitete sie auf die spateren unbarmherzigen Mordtaten in deren Namen vor 3 S 205 Aktion T4 Bearbeiten Ende der 1930er Jahre tauchte Kneissler im Zusammenhang mit der Aktion T4 in NS Totungsanstalten auf so Ende 1939 Anfang 1940 in Grafeneck und ab Ende 1940 in Hadamar 1 S 733 Ihre dortige Tatigkeit wurde spater gerichtlich nur als Assistenz eingestuft da ihr eigenstandig durchgefuhrte Totungshandlungen fur diese Zeit nicht nachgewiesen werden konnten Sie hatte nach eigenem Bekunden lediglich die zur Totung bestimmten Personen aus anderen Anstalten 1940 nach Grafeneck und 1941 nach Hadamar abgeholt und begleitet siehe Die grauen Busse ihnen beim Entkleiden geholfen sie zum Arztzimmer gebracht wahrend der Untersuchung assistiert und schliesslich die Kranken zum Vorraum der Gaskammer gebracht wo sie von anderen getotet wurden 5 Der euphemistische fursorglich klingende Begriff Hilfe beim Auskleiden erscheint nach Aussagen der Ordensschwestern denen im Kloster Irsee ursprunglich die Betreuung der Patienten oblag in einem anderen Licht Die Schwestern glaubten zu Beginn der T4 Aktion an eine unbedenkliche Verlegung der Patienten in eine andere Pflegeanstalt Als sie bereits nach dem zweiten Frauentransport im November 1940 sahen wie deren Wasche und Kleidungsstucke zerrissen und umgestulpt auf einen Haufen geworfen wurden schlossen sie folgerichtig dass diese den Opfern gewaltsam vom Korper gerissen wurden und die Personen wohl nicht mehr am Leben waren 6 S 284 Aktion 14f13 Bearbeiten Nach dem Abbruch der unmittelbaren Erwachseneneuthanasie Gasmorde im August 1941 wurde in den sechs Totungsanstalten des Reichsgebiets eingearbeitetes und bewahrtes Personal fur die Aktion 14f13 frei an der auch Pauline Kneissler Anfang 1942 teilnahm und spater dafur ausgezeichnet wurde Der Einsatz im Osten lief unter hochster Geheimhaltung und war zur Tarnung der Bauorganisation Todt zugeordnet Uber die Hintergrunde wurde haufig spekuliert Angeblich ging es um die Bergung verwundeter deutscher Soldaten in Eis und Schnee Pauline Kneissler dagegen offenbarte nach Ruckkehr einer Bekannten dass sie in Russland daran mitgewirkt habe verwundete deutsche Soldaten durch Injektionen zu liquidieren Die Soldaten seien geisteskrank gewesen 7 S 144 Sie durfte sich offenbar ihrer Spezialitat der Vernichtung lebensunwerten Lebens widmen Es handelte sich jedenfalls um deutsche Soldaten die durch die Kampfhandlungen schwerstverletzt und traumatisiert auf Hilfe hofften und denen die Lazarettleitung keine kurzfristige Aussicht auf volle Rehabilitation gab Dass Schwester Pauline nach Eigenbekundung Geisteskranke getotet habe deutet darauf hin dass im Vordergrund psychische Invaliden standen Soldaten also die auf die Grauen des Krieges mit Zitteranfallen Lahmungen Taub oder Stummheit reagierten 8 S 235 Bezeichnenderweise wurden die mannlichen Teilnehmer des Osteinsatzes anschliessend nach Polen versetzt um dort beim Aufbau der Vernichtungslager Belzec Sobibor und Treblinka im Rahmen der Aktion Reinhard mitzuwirken 7 S 144 Einsatz in Heil und Pflegeanstalten Bearbeiten Zuruck vom Osteinsatz wirkte Kneissler in der Landesheil und Pflegeanstalt Weilmunster und der Totungsanstalt Bernburg T4 beorderte sie im August 1942 1 S 733 wieder in die LHA Hadamar Nach ihrer Ruckkehr im Dezember 1942 totete sie dort auf der Station IIA ebenso selbstandig und personlich verantwortlich wie von April 1944 an in Irsee 6 S 310Pauline Kneissler war auch Pflegerin in der Anstalt Eichberg 9 1944 schied sie in Hadamar aus und arbeitete in Eberswalde weiter Ab 15 April 1944 war sie in der Anstalt Kaufbeuren Irsee tatig 10 Der dortige Leiter Valentin Faltlhauser hatte in der T4 Zentrale Berlin erfahrene und geeignete Krafte angefordert um die von ihm betriebenen Totungsaktionen zugig umzusetzen Kloster Irsee Bearbeiten Valentin Faltlhauser der schon als T4 Gutachter tatig war setzte in seiner Anstalt Kaufbeuren linientreu die Liquidierung psychisch Kranker fort Seine von ihm selbst entwickelten Totungsverfahren wie die mit dem Hungerkost Erlass legalisierte Mangelernahrung wurden ihm innerhalb der ihm ebenfalls unterstellten Einrichtung im ehemaligen Kloster Irsee nicht konsequent genug umgesetzt Ihn storte die pflegeorientierte Arbeitsweise der hier zustandigen Ordensschwestern die sogar hin und wieder seine Diatanordnungen unterliefen und den verhungernden Kranken Brot zusteckten Auf seine Bitte um Zuweisung einer zuverlassigen und erprobten Euthanasieschwester entsandte die Zentraldienststelle T4 Pauline Kneissler die am 15 April 1944 ankam Faltlhauser richtete ihr eine besondere Abteilung in Irsee ein und sofort sprang die Todesrate in die gewunschte Grossenordnung die nur bei Abwesenheit Paulines Urlaub usw vorubergehend zuruckfiel Der zustandige Seelsorger benotigte durch die vielen uberraschenden Todesfalle uberfordert die Unterstutzung Paulines fur seine Tageseinteilung und bekam sie auch Schwester Pauline benannte ihm von da an die Kranken die jeweils in der Nacht oder am Folgetag unerwartet sterben wurden 10 Medaillen Bearbeiten Am 22 Dezember 1942 erhielt sie die Medaille fur deutsche Volkspflege und am 20 Januar 1943 die Ostmedaille Festnahme und Verurteilung BearbeitenPauline Kneissler wurde kurz nach dem Kriegsende im Juni 1945 an ihrem neuen Tatigkeitsort dem Lazarett Hohenschwangau festgenommen Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte sie am 28 Januar 1948 im sogenannten Schwesternprozess fur die von ihr verubten NS Euthanasie Totungen in den NS Totungsanstalten Hadamar und Grafeneck sowie in Kaufbeuren und zuletzt ab April 1944 in Irsee zu vier Jahren Zuchthaus wegen Beihilfe zum Mord Das Schwurgericht begrundete das niedrige Strafmass damit dass in erster Linie nicht die Taten selbst sondern der verbrecherische Wille zahle Weil Kneissler den eigenen Willen dem verbrecherischen Willen anderer untergeordnet habe sei sie lediglich als Gehilfin zu verurteilen 10 S 309f Im Revisionsverfahren verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt sie am 20 Oktober 1948 wegen Mordes und Beihilfe unter Bestatigung des Strafmasses 1 Dagegen war die weitere Tatigkeit der Angeklagten nicht mehr blosse Beihilfe sondern Taterhandlung Die Kneissler hat ebenfalls vom September 1942 bis zum Mai 1943 in Hadamar und vom April 1944 bis Anfang 1945 in Irsee den Kranken auf Anordnung des Arztes todliche Tabletten und Spritzen gegeben In allen diesen Fallen haben also die Angeklagten die Tatbestandsmerkmale des 211 StGB selbst erfullt und sie hatten statt wegen Beihilfe wegen Mordes verurteilt werden mussen wie oben dargelegt worden ist Dass es sich nicht um Arzte sondern um Pflegepersonal handelt begrundet keinen Unterschied Das kann aber bezuglich der Strafzumessung auf sich beruhen bleiben da die Vorschrift des 358 Abs 2 StPO hohere Strafen als die von der Strafkammer und Schwurgericht verhangten Zuchthausstrafen ohnedies nicht zulasst 5 Oberlandesgericht Frankfurt Urteilsbegrundung im Revisionsverfahren Schwester Pauline die nach eigenem Bekunden funf Jahre lang in Grafeneck Hadamar und Kaufbeuren Irsee Tausende Behinderte abgespritzt hatte fuhlte sich dennoch zu Unrecht verfolgt und kommentierte das Urteil Mein Leben war Hingabe und Aufopferung nie war ich hart zu Menschen Dafur muss ich heute leiden und leiden 11 Der Verurteilten wurde nach einem Jahr die Verbussung der restlichen drei Jahre erlassen 12 Nachwirkung BearbeitenNach der Verurteilung Pauline Kneisslers zu vier Jahren Freiheitsentzug das bedeutet bei den allein in Kaufbeuren Irsee nachgewiesenen uber 200 Morden ein anteiliges Strafmass von weniger als einer Woche pro Opfer kam sie bereits nach Verbussung eines Viertels wieder frei Erst das Buch uber das Schicksal Ernst Lossas brachte ihren Namen Jahrzehnte spater wieder nebenbei in Erinnerung Alles in allem kann sie in Deutschland als weitgehend unbekannt gelten Anders im Ausland So machte sie der italienische Autor Marco Paolini in seinem Stuck Ausmerzen Vite indegne di essere vissute Pauline nach einer Idee von Giovanni de Martis und dem Psychoanalytiker Mario Paolini zur Symbolfigur fur verbrecherische Krankenmorde in der NS Zeit 13 Literatur BearbeitenWolfgang Proske Hrsg NS Belastete aus dem ostlichen Wurttemberg Tater Helfer Trittbrettfahrer Band 3 2 durchgesehene Auflage Kugelberg Gerstetten 2014 ISBN 978 3 945893 02 9 S 110 ff Gotz Aly Aussonderung und Tod die klinische Hinrichtung der Unbrauchbaren Rotbuch 1985 Biografische Information Kneissler in Fussnote Michael Mann The dark side of democracy explaining ethnic cleansing Cambridge University Press 2005 darin Lebensgeschichte Kneissler auf englisch Frank Hirschinger Zur Ausmerzung freigegeben Bohlau Verlag Koln Weimar 2001 zum sog Osteinsatz der Liquidierung deutscher Soldaten Hans Walter Schmuhl Rassenhygiene Nationalsozialismus Euthanasie Vandenhoeck amp Ruprecht 1987 uber Hintergrund des Osteinsatzes Michael von Cranach Hans Ludwig Siemen Hrsg Psychiatrie im Nationalsozialismus Die Bayerischen Heil und Pflegeanstalten zwischen 1933 und 1945 Oldenbourg Wissenschaftsverlag Munchen 1999 ISBN 3 486 56371 8 Aufsatzsammlung S 265 325 Heil und Pflegeanstalt Kaufbeuren S 475 486 Ernst Lossa Eine Krankengeschichte Hans Ludwig Siemen Psychiatrie im Nationalsozialismus Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999 LG Frankfurt am Main 21 Marz 1947 In Adelheid L Ruter Ehlermann C F Ruter Bearb Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Totungsverbrechen 1945 1966 Band I University Press Amsterdam 1968 Nr 17 S 303 379 Totung von Geisteskranken durch Giftgas und Giftinjektion LG Frankfurt am Main 28 Januar 1948 In Adelheid L Ruter Ehlermann C F Ruter Bearb Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Totungsverbrechen 1945 1966 Band II University Press Amsterdam 1969 Nr 42 S 185 212 Euthanasie Aktion Pflegepersonal HuPA Grafeneck Euthanasie Aktion Pflegepersonal HuPA Hadamar Euthanasie Aktion Pflegepersonal HuPA Irsee Weblinks BearbeitenBiografische Daten uber Pauline Kneissler in Landeswohlfahrtsverband Hessen LWV Die Verwaltung des Krankenmordes Teil 6 Zusammenfassung und Resumee S 691 788 PDF 1 1 MB Kurzbiografie S 733 Informationen uber Pauline Kneissler beim Landeswohlfahrtsverband Hessen LWV Die Verwaltung des Krankenmordes Teil 5 Regionalisierung und Dezentralisierung S 511 690 PDF 1 8 MB suche u a mit Kneissler Eichberg Landeswohlfahrtsverband Hessen LWV Die Verwaltung des Krankenmordes Teil 3 Der Fursorgebereich im Nationalsozialismus S 185 331 PDF 1 5 MB Feststellungen des Revisionsgerichts OLG Frankfurt am Main vom 20 Oktober 1948 und andere Urteile Lfd Nr 017b OLG Frankfurt am Main vom 20 Oktober 1948 Ss 160 48 u Ss 188 48 In Justiz und NS Verbrechen Euthanasie von Geisteskranken Claire Sanders The darkest days of a caring profession 2004 Antonella Beccaria Pauline uber das Theaterstuck und seine Auffuhrungen in Triest und Mailand 2008 Ingo Muller Der strafrechtliche Umgang mit der NS Vergangenheit Infobrief 2004 des RAV Republikanischer Anwaltinnen und Anwalteverein Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e siehe Weblink Biografische Daten uber Pauline Kneissler in Landeswohlfahrtsverband Hessen LWV S 691 788 Dietmar Schulze Auch der Gnadentod ist Mord Der Augsburger Strafprozess uber die NS Euthanasie Verbrechen in Kaufbeuren und Irsee In Stefan Raueiser Thomas Dull Hrsg Impulse 1 Auflage Band 15 Grizeto Irsee 2019 ISBN 978 3 9821217 0 3 S 97 101 a b siehe Literatur Michael Mann The dark side of democracy siehe Literatur Gotz Aly Aussonderung und Tod a b siehe Weblink Feststellungen des Revisionsgerichts OLG Frankfurt am Main vom 20 Oktober 1948 a b siehe Literatur Hans Ludwig Siemen Psychiatrie im Nationalsozialismus a b siehe Literatur Frank Hirschinger Zur Ausmerzung freigegeben siehe Literatur Hans Walter Schmuhl Rassenhygiene Nationalsozialismus Euthanasie siehe Weblink Informationen uber Pauline Kneissler beim Landeswohlfahrtsverband Hessen LWV S 511 690 a b c siehe Literatur Michael von Cranach Hans Ludwig Siemen Hrsg Psychiatrie im Nationalsozialismus Die Bayerischen Heil und Pflegeanstalten zwischen 1933 und 1945 siehe Weblink Ingo Muller Der strafrechtliche Umgang mit der NS Vergangenheit 2004 siehe Weblink Claire Sanders The darkest days of a caring profession 2004 siehe Weblink Antonella Beccaria Pauline 2008Normdaten Person GND 1055080635 lobid OGND AKS VIAF 309664929 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Kneissler PaulineKURZBESCHREIBUNG deutsche Krankenschwester und beteiligte an der Aktion T4GEBURTSDATUM 10 Marz 1900GEBURTSORT Kurdjumivka Russisches KaiserreichSTERBEDATUM 26 Januar 1989STERBEORT Berlin Steglitz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pauline Kneissler amp oldid 239205077