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Chatila ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Zur Schweizer Diplomatin siehe Yasmine Chatila Zwahlen Als Massaker von Sabra und Schatila arabisch مذبحة صبرا وشاتيلا DMG Maḏbaḥat Ṣabra wa Satila wird eine Aktion von etwa 150 libanesischen maronitisch katholischen hauptsachlich phalangistischen Milizionaren bezeichnet die gegen im sudlichen Stadtgebiet von Beirut lebende palastinensische Fluchtlinge gerichtet war Zwischen dem 16 und 18 September 1982 mitten im libanesischen Burgerkrieg wurden die Fluchtlingslager Sabra Ṣabra und Schatila Satila gesturmt die zu jener Zeit von israelischen Soldaten umstellt waren Nach filmisch belegten Aussagen beteiligter Milizionare richtete sich die Aktion in erster Linie gegen Zivilisten bewaffneter Widerstand soll kaum noch vorhanden gewesen sein Die Milizionare verstummelten folterten vergewaltigten und toteten uberwiegend Zivilisten unter ihnen viele Frauen Kinder und Alte Die Zahl der Opfer konnte nicht geklart werden wird aber je nach Quelle zwischen 460 1 und 3000 2 angegeben Gedenkstatte im Stadtteil Sabra in Sudbeirut mit einem Plakat zum 27 Jahrestag 2009 Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Das Massaker 3 Weitere Geschichte der beiden Fluchtlingslager 4 Politische und rechtliche Aufarbeitung 5 Kunstlerische Aufarbeitung 6 Dokumentarfilme 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenDer Staat Libanon stand seit seiner Unabhangigkeit im Jahr 1943 im Spannungsfeld verschiedener ethnischer Konflikte und aussenpolitischer Einflusse Wahrend arabische Nationalisten vor allem seit den 1950er Jahren die Nahe zu Agypten und Syrien suchten orientierten sich die libanesischen Christen mehrheitlich am Westen und den USA Der Konflikt eskalierte erstmals wahrend der Libanonkrise 1958 Ein Burgerkrieg wurde durch eine militarische Intervention der Vereinigten Staaten verhindert es entstand eine Phase relativer Ruhe mit einer bruchigen nationalen Einheitsregierung Die Ankunft der 1970 aus Jordanien vertriebenen PLO brachte das empfindliche Kraftegleichgewicht im Libanon jedoch nachhaltig aus den Fugen Die von den arabischen Nationalisten und anderen muslimischen Bewegungen unterstutzte palastinensische Befreiungsbewegung die sich insbesondere nach dem Sechstagekrieg radikalisierte fuhrte spatestens seit 1975 einen offenen Burgerkrieg gegen militante christliche Gruppierungen wie die Phalange Miliz Die Kampfe wurden von beiden Seiten mit grosser Brutalitat gefuhrt Neben Strassenkampfen waren Bombenattentate und Ubergriffe auf Zivilisten an der Tagesordnung Schon 1976 verubten christliche Milizionare an palastinensischen Fluchtlingen das Massaker von Karantina worauf die Zivilbevolkerung eines christlichen Dorfes dem Massaker von Damur durch palastinensische und muslimische Gruppen zum Opfer fiel Seit dem Ende der 1970er Jahre verkomplizierten sich die Koalitionsverhaltnisse des libanesischen Burgerkriegs erheblich Israel fuhrte 1978 als Antwort auf anhaltende terroristische Angriffe aus dem Sudlibanon die Operation Litani durch in deren Verlauf Hunderttausende Palastinenser nach Norden Richtung Beirut fluchteten Vor ihrem Abzug installierten die Israelis im Sudlibanon eine Sicherheitszone die von der sogenannten Sudlibanesischen Armee einer mit Israel verbundeten Miliz kontrolliert wurde die sich weiterhin Kampfe mit der Palastinensischen Befreiungsorganisation PLO lieferte Durch den Zusammenbruch des Panarabismus und die militarischen Interventionen Syriens spaltete sich das muslimische Lager in die palastinensische sunnitische Murabitun Miliz und schiitische Milizen wie die prosyrische Amal Miliz und die proiranischen Hisbollah Gruppierungen die sich in wechselnden Koalitionen gegenseitig bekampften Eine neuerliche israelische Intervention die sich insbesondere gegen die PLO richtete fuhrte im Libanonkrieg 1982 zu einer entscheidenden Schwachung der militanten Palastinenser und zu deren militarischer Niederlage im August 1982 Einen Monat spater wurde der Fuhrer der christlichen Forces Libanaises Bachir Gemayel der drei Wochen zuvor zum Prasidenten des Libanon gewahlt worden war zusammen mit vielen seiner Begleiter und Kader durch ein Bombenattentat in seinem Hauptquartier ermordet Die Palastinenser standen im Verdacht fur den Mord an ihrem politischen Gegner verantwortlich zu sein Der Uberfall der Milizionare auf die Lager wird daher auch als Racheaktion fur den Mord an Prasident Gemayel verstanden Am Tag vor Beginn des Massakers wurden die Lager Sabra und Schatila in Westbeirut von israelischen Truppen umstellt Die israelische Armee traf eine Abmachung mit der Phalange Miliz die vorgab die vermeintlich in den Fluchtlingslagern befindlichen Verantwortlichen des Gemayel Anschlags ausfindig zu machen und sie den Israelis zu ubergeben Ariel Scharon und Generalstabschef Rafael Eitan stimmten dem zu Das Massaker BearbeitenAm Abend des 16 September zwei Tage nach dem Mord an Bachir Gemayel drangen etwa 150 phalangistische Milizionare unter dem Kommando von Elie Hobeika in die Lager ein um die dort vermuteten palastinensischen Kampfer zu entwaffnen Die Milizionare durchkammten wahrend ihrer Aktion die Lager und toteten dabei vorwiegend Zivilisten einschliesslich Frauen Kinder und Alte Nicht nur von palastinensischer Seite sondern auch von beteiligten Phalangisten selbst wurde angegeben viele der Opfer seien ausserdem verstummelt worden Es soll auch zu Folterungen und Vergewaltigungen gekommen sein Dies geschah in voller Sicht israelischer Beobachtungsposten aus umliegenden Gebauden welche die Lagerausgange abriegelten und die Lager wahrend der Nacht mit Leuchtraketen erhellten um die phalangistischen Milizen zu unterstutzen 3 Nach spateren Erkenntnissen war nicht nur die israelische Militarfuhrung vor Ort genauestens uber die Vorgange in den Lagern informiert sondern auch die israelische Regierung Berichten zufolge hatte die israelische Armee zudem Planierraupen zur Verfugung gestellt und die Milizen mit Verpflegung und Munition versorgt 4 Erst am Morgen des 18 September fand das Blutbad ein Ende Nach Angaben der libanesischen Polizei forderte es 460 Todesopfer darunter 35 Frauen und Kinder 5 Israel veroffentlichte im Februar 1983 einen offiziellen Bericht der die Anzahl der Opfer mit 700 bis 800 bezifferte 6 Die palastinensische Historikerin Bayan Nuwayhed al Hout dokumentierte 1390 verifizierte Namen von Opfern wahrend die Schatzungen fur die Gesamtzahl der Opfer sehr viel hoher lagen 7 Anderen Schatzungen zufolge waren an die 2000 Personen getotet worden die PLO sprach von 3300 Ermordeten Weitere Geschichte der beiden Fluchtlingslager BearbeitenNach dem Abzug des israelischen Militars in eine Sicherheitszone vor der israelischen Grenze ubernahm Syrien die militarische Kontrolle des Gebiets rund um das Fluchtlingslager Da auch Syrien daran interessiert war die im Libanon verbliebenen PLO Kampfer und palastinensischen Nationalisten zu schwachen verbesserte sich die Lage der Menschen im Fluchtlingslager nicht Im Zuge der Lager Kriege verubte die schiitische Amal Miliz im Mai 1985 ein von libanesischen und syrischen Armeeverbanden geduldetes Massaker an Zivilisten in denselben palastinensischen Fluchtlingslagern von Sabra und Schatila 8 Der libanesische Burgerkrieg dauerte noch bis 1990 Auch danach anderten sich die Lebensbedingungen und die rechtliche Lage der palastinensischen Fluchtlinge in den Lagern nur unwesentlich Nach dem Erstarken islamistischer Bewegungen wie der palastinensischen Hamas waren palastinensische Fluchtlingslager wie das in Sabra und Schatila wiederholt Ziel von Angriffen der libanesischen Armee Politische und rechtliche Aufarbeitung BearbeitenDie internationale Emporung entzundete sich insbesondere an der israelischen Mitverantwortung Das Massaker wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 16 Dezember 1982 als Genozid gewertet The General Assembly Appalled at the large scale massacre of Palestinian civilians in the Sabra and Shatila refugee camps situated at Beirut Recognizing the universal outrage and condemnation of that massacre Condemns in the strongest terms the large scale massacre of Palestinian civilians in the Sabra and Shatila refugee camps Resolves that the massacre was an act of genocide 9 Dem damaligen israelischen Verteidigungsminister Ariel Scharon wurde von der israelischen Kahan Kommission eine politische Mitverantwortung fur das Massaker zugewiesen ohne dass ihm Vorsatz angelastet wurde 10 Aufgrund einer von der Kommission ausgesprochenen Empfehlung wurden Raful Eitan als Chef des Generalstabes und Scharon als Verteidigungsminister 1983 abgelost Scharon wurde allerdings noch im gleichen Jahr Minister ohne Geschaftsbereich In Belgien wurde zwar 2002 wegen des Massakers zunachst ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eroffnet die Anklage wurde jedoch wieder fallen gelassen Ein Versuch den unmittelbaren Haupttater Elie Hobeika zu belangen wurde weder von der Seite arabischer Staaten noch von den Israelis unternommen Vielmehr bekleidete er nach Ende des Libanesischen Burgerkrieges acht Jahre lang mehrere Ministeramter in der von Syrien kontrollierten Regierung des Libanons Anfang 2002 wurde er in Beirut bei einem Mordanschlag mit einer Autobombe getotet Von libanesischer Seite wurde Israel fur den Anschlag verantwortlich gemacht nachdem Hobeika die Offenlegung von Beweisen fur die Mitverantwortung des damaligen israelischen Verteidigungsministers Ariel Scharon angekundigt hatte 11 12 Kunstlerische Aufarbeitung BearbeitenJean Genet der sich zur Zeit der Massaker in Beirut aufhielt und die Lager nach Ende der Massaker besuchte schildert seine Eindrucke in einem Bericht Quatre Heures a Chatila 13 Auf diesem Text sowie auf dem Roman Un captif amoureux basiert der Film Genet a Chatila von Richard Dindo Schweiz Frankreich 1999 14 Die italienische Publizistin und Kriegsberichterstatterin Oriana Fallaci verarbeitete ihre Erlebnisse wahrend des libanesischen Burgerkriegs in dem 1990 erschienenen Werk Inschallah Darin schildert sie auch die Vorgange in Sabra und Schatila In dem Animationsfilm Waltz with Bashir stellt der Regisseur Ari Folman der zu jener Zeit als israelischer Soldat im Libanon stationiert war das Massaker aus seiner Perspektive dar Frank Schatzing erzahlt von den Massakern im Kapitel Libanon September in seinem 2014 bei Kiepenheuer amp Witsch veroffentlichten Roman Breaking News Das Lied Hinterlist von Daily Terror hat das Massaker zum Thema Der Film Massaker von Monika Borgmann und Lokman Slim lasst am Massaker beteiligte Soldaten zu Wort kommen Als einziges bisheriges Filmdokument verhandelt der Film damit die Perspektive der Tater die als Teil der grossen Anhangerschaft Bashir Gemayels am Massaker von Sabra und Schatila beteiligt waren Dokumentarfilme BearbeitenMonika Borgmann Lokman Slim Hermann Theissen Massaker Deutschland Libanon Schweiz Frankreich 2004 Dokumentarfilm bestehend aus Interviews mit sechs der am Massaker beteiligten Tater 4 Ari Folman Waltz with Bashir Israel Frankreich Deutschland 2008 Literatur BearbeitenThe Beirut Massacre the Complete Kahan Commission Report Karz Cohl Princeton NJ 1983 ISBN 0 943828 55 4 Linda A Malone The Kahan Report Ariel Sharon and the Sabra Shatilla Massacres in Lebanon Responsibility Under International Law for Massacres of Civilian Populations In Faculty Publications Nr 587 William amp Mary Law School Scholarship Repository 1985 S 373 433 Leila Shahid The Sabra and Shatila Massacres Eye Witness Reports In Journal of Palestine Studies Bd 32 Nr 1 Herbst 2002 S 36 58 Bayan Nuwayhed al Hout Sabra and Shatila September 1982 Pluto Press London 2004 ISBN 0 7453 2302 2 englisch Robert Fisk Sabra und Schatila Ein Augenzeugenbericht Libanon 1982 Aus dem Englischen von Jurgen Heiser Promedia Verlag Wien 2011 ISBN 978 3 85371 326 6 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Massaker von Sabra und Schatila Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Report of the Commission of Inquiry into the events at the refugee camps in Beirut Israel Ministry of Foreign Affairs 8 Februar 1983 abgerufen am 23 August 2020 13 Years After Massacre Beirut s Palestinians Are Still Under Siege Washington Report on Middle East affairs 17 Dezember 2009 Hanna Voss Auf Leichen gebaut 40 Jahre nach Massaker im Libanon taz am 16 September 2022Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Jillian Becker The PLO London 1984 http waltzwithbashir com film html Thomas L Friedman The Beirut Massacre The Four Days In The New York Times 26 September 1982 englisch nytimes com a b MASSAKER in der Internet Movie Database englisch Jillian Becker The PLO Weidenfeld und Nicolson London 1984 Report of the Commission of Inquiry into the events at the refugee camps in Beirut Israel Ministry of Foreign Affairs 8 Februar 1983 abgerufen am 28 Dezember 2021 englisch Seth Anziska Sabra and Shatila New Revelations In The New York Review of Books 17 September 2018 abgerufen am 28 Dezember 2021 englisch The War of the Camps Journal of Palestine Studies Vol 16 No 1 1986 S 191 194 United Nations General Assembly A RES 37 123 of 16 December 1982 Punkt D The Complaint Against Ariel Sharon for his involvement in the massacres at Sabra and Shatila Memento vom 15 Mai 2008 im Internet Archive Zugriff 12 Dezember 2012 Der Schlachter von Schatila von Autobombe zerfetzt 1 Palastinenser getotet Attentat in Beirut 2 Deutsche Ausgabe 4 Stunden in Chatila Ubersetzt von Klaus Volker Merlin Verlag Gifkendorf 1983 ISBN 3 87536 164 4 Genet a Chatila in der Internet Movie Database englisch Normdaten Sachbegriff GND 4144379 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Massaker von Sabra und Schatila amp oldid 239025213