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Martinus Nijhoff 20 April 1894 in Den Haag 26 Januar 1953 ebenda war ein niederlandischer Lyriker Ubersetzer Essayist und Literaturkritiker Martinus NijhoffDas Grab von Martinus Nijhoff und seiner Ehefrau der Tanzerin Georgette Hagedoorn auf dem Friedhof Westduin in Den Haag Inhaltsverzeichnis 1 Ubersicht 2 Preise 3 Werk 4 Literatur 5 EinzelnachweiseUbersicht BearbeitenNijhoff gilt als einer der niederlandischen Klassiker der Moderne Ein seit 1953 jahrlich vergebener Ubersetzer Preis tragt seinen Namen Er studierte zunachst Jura in Amsterdam spater als schon angesehener Dichter auch Literatur Niederlandistik in Utrecht Als Redakteur der Zeitschrift De Gids pragte er massgeblich das literarische Leben der Niederlande Er war zweimal verheiratet zuerst bis zur Scheidung 1950 mit der Romanautorin A H Wind dann bis zu seinem uberraschenden Tod an Herzversagen mit der Diseuse Georgette Hagedoorn In der Abstimmung uber die grossten Niederlander aller Zeiten die 2004 vom Fernsehsender KRO durchgefuhrt wurde landete er auf Platz 176 Nach ihm ist die 1993 bis 1996 erbaute Martinus Nijhoff Brucke uber die Waal bei Zaltbommel benannt Die vorherige und jetzt abgerissene Brucke erschien in der ersten Zeile seines Gedichts Die Mutter die Frau Ich ging nach Bommel um die Brucke zu sehen 1 Den Mittelpunkt seines Werkes bilden die beiden aufeinander bezogenen Langgedichte Awater und Die Stunde X Beide werden oft als gleichrangig auf eine Stufe gestellt mit anderen ebenfalls umfangreichen Gedichten des 20 Jahrhunderts wie T S Eliots The Waste Land Ezra Pounds The Cantos William Carlos Williams Gedichte uber die Stadt Paterson oder Allen Ginsbergs Howl Andere bekannte Gedichte Nijhoffs sind Der Kinderkreuzzug Die neuen Sterne Das Lied der torichten Bienen und Die Fahre Sein einzigartiger Stil zeichnet sich dadurch aus dass er nicht explizit experimentell wenn auch thematisch modern ist und eine einfache Alltagssprache in traditionelle Formen einbettet Nijhoffs Gedichte wurden ins Deutsche ubersetzt von Ard Posthuma Sie sind erstmals in einer zweisprachigen Sammelausgabe der Reihe Bibliothek Suhrkamp 859 erschienen Preise Bearbeiten1925 Prijs van Amsterdam 1953 Constantijn Huygens PreisWerk BearbeitenGedichtbande 1916 De Wandelaar Der Wanderer 1924 Vormen Formen 1934 Nieuwe Gedichten Neue Gedichte 1942 Het uur U Die Stunde X Ubersetzungen 1930 Charles Ferdinand Ramuz Histoire du soldat bekannt durch die Vertonung von Igor Fjodorowitsch Strawinski 1930 William Shakespeare Der Sturm 1951 T S Eliot Die CocktailpartyNijhoff war der Ansicht es gebe im Zeitalter der Moderne dem Jahrhundert der Kollektivitat im Gegensatz zum vorangegangenen der Individualitat keine grossere Schwierigkeit fur einen Poeten als die Form seiner Sprache Die uberlieferten objektiven Formen seien ebenso trugerisch geworden wie der spontane subjektive Erguss Er sah nur zwei Wege aus diesem Dilemma herauszufinden Entweder den Ruckgriff auf eine Tradition die so weit in die Zeit zuruckreicht dass sie aus dem modernen Bewusstsein fast verschwunden ist Oder man musse die heutige Umgangssprache sprechen und zum Vibrieren bringen In seinem Gedicht Awater habe er ersteres in seinem Gedicht Die Stunde X letzteres versucht Awater entstand 1934 in Utrecht und schliesst den Bruder und Mutter gewidmeten Band der Neuen Gedichte ab Das Werk tragt teilweise autobiographische Zuge Uber die Entstehung des Gedichtes gab Nijhoff in seinem 1935 gehaltenen Vortrag Verse schreiben in Krisenzeiten uber die Aufgaben der Poesie Rechenschaft Als Vorbilder nannte er die Jugendverse Jean Cocteaus T S Eliot und die Gemalde des Surrealismus Er erkannte zwar in einer gewissen Sprachskepsis an dass die alten emotionalen Versformen fur seine Zwecke nicht mehr taugten wollte aber anders als Eliot auch nicht jegliche Form wie Fensterscheiben zerschlagen Er suchte eher nach dem Ursprung als nach dem Extrem und wahlte daher die alteuropaische Form des Rolandsliedes Das sechs nahezu gleich lange Abschnitte und einen Prolog und Epilog umfassende Gedicht beginnt mit dem Motto ich suche einen Gefahrten ik zoek een reisgenoot das aus einer Kontaktanzeige stammt In den ersten Zeilen ruft der namenlose Sprecher wie noch mehrfach im Verlauf des Gedichts den uber dem Wasser schwebenden Geist Gottes aus Genesis 1 2 an das entstehende Werk anzusehen das mit der wusten und leeren Erde verglichen wird Es will nicht unbeschwert wie ehedem Schonwetter singen wo rings Trummer stehen Singen ist ein Geschwur das aufbegehrt Dann taucht ein namenloser durchschnittlicher Mann auf der als Prokurist in einem Buro arbeitet und dem der Sprecher den Namen Awater gibt Er wird mit Johannes dem Taufer einem Propheten in der Wuste der Grossstadt mit einem Monch oder Soldaten verglichen Awater soll irgendwer sein ein moderner Jedermann Er hat zwar einen konkreten Namen ist aber reine Masse und Abstraktion ein Umriss bzw klare transparente Oberflache Auf den Namen Awater kam Nijhoff nach eigenen Angaben ein Name ist ein Mensch als er einen Arzt sich am Telefon nach einem gleichnamigen Patienten erkundigen horte Er habe aufgrund der bloss zufalligen fluchtigen Erwahnung keinerlei Erinnerung mit dem Namen verbunden was ihm bei der gewunschten Unbestimmtheit Awaters sehr entgegenkam Scherzhaft erwahnte er aber dass Awater auch zweimal Wasser bedeuten konnte Aa ist ein altes niederlandisches Wort fur Wasser dass es ein Wort aus dem Sanskrit sei und zudem das Monogramm der beiden Vornamen seiner Eltern Awater ist also ein willkurlich gewahlter Einzelmensch aber auch ein die Menge reprasentierender Nachster Seine Mutter ist vor kurzem gestorben und er grubelt dem Feierabend entgegen Biblische Anspielungen vermischen sich mit Symbolen der Moderne wie Schreibmaschine Teetasse und Telefon Der Sprecher hat die Idee Awater vom Buro abzuholen da ihm selbst der Bruder gestorben ist und ihm ein Freund und Weggefahrte fehlt Nijhoffs Bruder war kurz zuvor in Niederlandisch Ostindien gestorben wodurch eine gemeinsam geplante Reise scheiterte Er beschliesst Awater der ihn nicht kennt insgeheim zu folgen Dieser hat keine Augen fur den Strom der Passanten und die abendliche Stadt Immer gefolgt vom Sprecher spaziert er los als folge er einer Vision betrachtet Schaufenster und scheint verreisen zu wollen Seine Gedanken erfahrt man nur indirekt uber den Sprecher der versucht sich in Awater hinein zu versetzen weil er sich diesem geistesverwandt fuhlt Awater scheint plotzlich zu verschwinden taucht aber bei einem Frisor wieder auf wo er sich die Haare schneiden lasst Nie war mir Awater so nah und greifbar wie jetzt wo mir das Spiegelbild ihn zeigt nie war er unerreichbarer zugleich Der Sprecher bleibt ihm auf den Fersen und beide landen im Stammlokal von ihm und seinem toten Bruder Der Sprecher beobachtet Awater von seinem Platz aus weiter und erinnert sich an seinen Bruder Er fragt den Kellner nach Awater erfahrt aber nur dieser sei zum ersten Mal dort Awater offnet ein kleines Schachspiel raucht und trinkt Er sitzt allein in absoluter Ruhe Er wirkt wie ein Planet wie eine Blume Beide zahlen ohne dass Awater Notiz vom Sprecher genommen hatte und ziehen weiter durch die Strassen Sie betreten ein Restaurant in dem Awater sehr bekannt zu sein scheint und der Sprecher erfahrt einiges uber ihn z B er lese abends griechisch oder aber irisch Dann steht Awater auf und singt in der zentralen Szene vor der neugierigen Menge ein ratselhaftes trauriges Lied das sich vermutlich auf den Verlust seiner Mutter bezieht Es handelt sich um eine freie Ubersetzung von Francesco Petrarcas Sonett CCL 250 Solea lontana in sonno consolarme aus dem Canzoniere Awater verstummt und steht starr vor dem applaudierenden Publikum dann wankt er hinaus Die Anwesenheit seines vorsichtigen Verfolgers ist ihm immer noch nicht aufgefallen Dieser schwankt zwischen dem spontanen Wunsch zu verreisen und seinen hauslichen Pflichten als beide um Mitternacht den Bahnhof erreichen Eine junge Heilsarmistin weist auf die Allmacht der Liebe hin Nijhoffs Mutter die er zeitlebens sehr verehrte hatte zum Katholizismus tendiert und war als Soldatin der Heilsarmee beigetreten was in der liberal aufgeklarten Familie als schockierend empfunden worden war den Dichter aber hinsichtlich religioser Anleihen gepragt hatte Awater blickt sich um scheint den Sprecher irgendwoher zu kennen Dieser flieht aber vor seinem fragenden Blick In der letzten Strophe betrachtet er vom Fenster einer Dampflok aus die Gleise traumt von fernen Orten und Abenteuern und fahrt auf geheimnisvolle Art und Weise getrostet und glucklich ins Unbekannte weiter auf seiner ins Stocken geratenen Lebensreise Die Verfolgung Awaters die Zuneigung die ich zu ihm gefasst hatte machte mir die Wuste wieder bewohnbar Die Stunde X wurde 1936 in einer Zeitschrift erstmals veroffentlicht und erschien 1942 in gestraffter und uberarbeiteter Form im gleichnamigen Gedichtband Das Werk besteht aus zwolf unterschiedlich langen Abschnitten Es ist eine nicht vollig auszudeutende Allegorie die trotz des oberflachlichen Realismus magisch aufgeladen erscheint Die Szenerie erinnert an einige Gemalde Giorgio de Chiricos Sie stammt aus einem Traum von Nijhoffs Sohn dem das Gedicht auch gewidmet ist Charakteristisch ist die objektive ausserst verknappte und mit zahlreichen Wiederholungen arbeitende Sprache Sie wirkt schmucklos wie entschlackt Die stakkatoartig kurzen Reimpaare sind zu langen Satzperioden verklammert Der Erzahlton ist distanziert manchmal fast ironisch Aber auch der unscheinbarste Gegenstand wirkt wie mit einer ihn ubersteigenden beinahe beilaufigen Symbolik angereichert Die erste Strophe ruft einen heissen lautlosen Sommertag herauf Es war Sommertag In der sengenden Sonne lag die Strasse Kein Vogel sang Auf der verlassenen Strasse spielen ein paar Kinder als plotzlich an der Ecke ein gesichts und namenloser Fremder erscheint Es scheint als drohe eine unbestimmte Gefahr wie die Ruhe vor dem Sturm Der Moment der aussersten Spannung der dem Gedicht seinen Namen gibt wird beschrieben Der Begriff Het Uur U stammt aus dem militarischen Vokabular wie Nijhoff in einer seiner seltenen Eigen Interpretationen mitteilt Er bezeichnet die Stunde des Angriffs die durch ein Leuchtsignal hier ein kleines Wolkchen bekannt gegeben wird Die Strasse ist ein Sinnbild fur die wohlsituierte Gesellschaft deren Bewohner aus Bequemlichkeit und Angepasstheit aufgehort haben wie lebendige Wesen zu fuhlen und nun durch den Fremden in seiner beinahe messianischen Erscheinung ungewollt daran erinnert werden was sie verloren und worauf sie verzichtet haben Sein stilles Vorubergehen begleiten sie mit Hass mussen sich aber ob sie wollen oder nicht dem Leben aussetzen Sie beobachten ihn aus den Fenstern heraus misstrauisch und angstlich In kurzen Visionen bricht auf einmal alles Verdrangte ihres Lebens und der Vergangenheit hervor Ein Arzt ein Richter und eine Dame werden sich einer nicht eingestandenen Schuld und ihrer Selbstentfremdung bewusst Dennoch scheinen alle diesen traumartigen Moment auch zwiespaltig als Augenblick hochsten Glucks oder zumindest der Erinnerung an dieses zu erleben Das ganze dauert jedoch nur einen Atemzug in dem die Zeit angehalten scheint Nach einem kurzen Moment der Einsicht in das eigene Versagen wachen die Bewohner der Strasse wieder in ihrer gewohnten oden Existenz auf Sie sind froh und erleichtert sich in ihrem Alltagstrott wiederzufinden und leben weiter wie zuvor Der Fremde aber geht weiter bis er zu den Kindern gelangt Diese beginnen uberraschend ihm im Gansemarsch wie dem Rattenfanger von Hameln zu folgen bis sie aus den Hausern von ihren panischen Eltern entrustet zur Ordnung gerufen werden Der Mann betrachtet lange die zu ihm aufsehende Kinderschar und verschwindet dann um die Ecke Der einsetzende Gesang der Vogel durchbricht die lastende Stille und die Kinder begeben sich nach einigem Zogern zum Abendessen Literatur BearbeitenMartinus Nijhoff Die Stunde X Gedichte Ubersetzung und Nachwort von Ard Posthuma Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1989 ISBN 3 518 01859 0Einzelnachweise Bearbeiten Das Gedicht wurde 1934 aufgenommen in den Gedichtband Neue Gedichte Nieuwe gedichten Normdaten Person GND 119303361 lobid OGND AKS LCCN n79043911 VIAF 44341051 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Nijhoff MartinusKURZBESCHREIBUNG niederlandischer Lyriker Ubersetzer Essayist und LiteraturkritikerGEBURTSDATUM 20 April 1894GEBURTSORT Den HaagSTERBEDATUM 26 Januar 1953STERBEORT Den Haag Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Martinus Nijhoff amp oldid 236222234