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Klassifikation nach ICD 10G40 4 Sonstige generalisierte Epilepsie und epileptische SyndromeLennox SyndromICD 10 online WHO Version 2019 DasLennox Gastaut Syndrom LGS auch unter dem Synonym Lennox Syndrom bekannt ist eine meist schwer behandelbare Form von Epilepsie die bei Kindern in der Regel in der Zeit zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr beginnt mit haufigen und verschiedenen Anfallstypen einhergeht und deren Ursache in einer ursachlich vielfaltigen Schadigung des Gehirns besteht die entweder vorgeburtlich pranatal wahrend der Geburt perinatal oder nachgeburtlich postnatal entstanden ist Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Auftretenshaufigkeit 3 Ursache 4 Merkmale 5 Diagnose 6 Therapie 7 Prognose 8 Siehe auch 9 Literatur 10 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenBenannt wurde das Syndrom nach dem US amerikanischen Neurologen und Epileptologen William G Lennox Boston USA und dem franzosischen Neuroanatom Neurologen klinischen Neurophysiologen und Epileptologen Henri Gastaut Marseille Frankreich die diese Form der Epilepsie in den 1950er und 1960er Jahren erstmals eingehend unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten beschrieben und sich intensiv mit ihrer Erforschung und Abgrenzung zu anderen Formen der Epilepsie befassten 1 2 3 Gastaut stutzte sich dabei u a auch auf die Doktorarbeit seiner Mitarbeiterin Charlotte Dravet 4 Auftretenshaufigkeit BearbeitenSchatzungsweise 5 von 100 Kindern mit Epilepsie haben ein LGS wobei Jungen prozentual gesehen haufiger betroffen sind als Madchen Wahrend ein Teil der Kinder vor dem Auftreten der Anfalle keine Auffalligkeiten zeigte hatte der andere Teil bereits eine Form von Epilepsie die dann in das LGS ubergegangen ist Bei durchschnittlich einem von funf Kindern mit LGS war vor dessen Auftreten ein West Syndrom symptomatisch diagnostiziert worden das durch BNS Krampfe kennzeichnet und nicht selten innerhalb des zweiten Lebensjahres in ein LGS ubergeht Ursache BearbeitenDie Ursache dieser Form von Epilepsie muss im Einzelfall betrachtet werden da es keine einheitliche Ursache gibt Bei einem von funf Kindern entsteht das LGS aus dem West Syndrom Auch sonst sind in der Anamnese auffallend haufig Angaben uber Neugeborenenkrampfe oder fokale und generalisierte Anfalle zu finden Bei bis zu zwei Dritteln der Kinder mit LGS tritt die Epilepsie als Folge bzw Symptom einer Gehirnschadigung Enzephalopathie oder einer anderen Erkrankung bzw Entwicklungsstorung auf Haufige Ursachen sind beispielsweise Tuberose Sklerose Bourneville Syndrom Stoffwechselkrankheiten Gehirnentzundungen wie z B Enzephalitis Meningitis oder Toxoplasmose tief greifende hirnorganische Storungen wie sie z B durch Sauerstoffmangel unter der Geburt oder aufgrund einer Fruhgeburt entstehen konnen sowie Schadel Hirn Traumata verschiedener Art Lasst sich eine solche oder eine ahnliche Ursache nachweisen spricht man von einem symptomatischen Lennox Gastaut Syndrom da die Anfalle als Begleiterscheinung oder Merkmal Symptom einer anderen Besonderheit auftreten Bei bis zu einem Drittel der Falle kann keine Grunderkrankung nachgewiesen werden die augenscheinlich zum Auftreten des LGS gefuhrt hat In solchen Fallen spricht man von einem kryptogenen bzw idiopathischen Lennox Gastaut Syndrom Merkmale BearbeitenIn der Regel treten epileptische Anfalle im Rahmen des LGS zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr erstmals auf wobei in Ausnahmefallen der Zeitpunkt der Erstmanifestation auch innerhalb des zweiten Lebensjahres oder nach dem achten Lebensjahr liegen kann Das Erscheinungsbild weist deutliche Parallelen zum West Syndrom auf sodass eine Verwandtschaft wahrscheinlich ist Typisch fur das LGS ist das taglich mehrmalige Auftreten von Anfallen Auffallend ist auch die grosse Spannbreite der vorkommenden Anfallstypen die in dieser Vielfalt bei keinem anderen Epilepsie Syndrom vorkommt Am haufigsten sind tonische Anfalle in unterschiedlicher Auspragung die oft im Schlaf auftreten bei etwa neun von zehn Kindern am zweithaufigsten sind myoklonische Anfalle zu beobachten die gehauft bei Mudigkeit auftreten Daneben konnen atonische Anfalle atypische Absencen fokale und teilweise auch generalisierte tonisch klonische Grand mal Anfalle auftreten Daruber hinaus kommt es bei einem von zwei Kindern zu einem epileptischen Status Status epilepticus meist in Form eines nichtkonvulsiven Status der sich durch Verwirrtheit Apathie und fehlende Reaktionen kennzeichnet Insbesondere die atypischen Absencen konnen mit statusartiger Haufung vorkommen Vielfach kommt es durch die Anfalle zu plotzlichen Sturzen bei tonischen atonischen und myoklonischen Krampfen bzw auffallenden Haltungsverlusten weshalb manche betroffene Kinder einen Sturzhelm zum Schutz des Kopfes tragen Kinder mit dem LGS zeigen haufig eine deutliche Verzogerung der korperlichen Gesamtentwicklung eine kognitive Behinderung und Verhaltensauffalligkeiten Diagnose BearbeitenDas LGS lasst sich als Krankheitsbild oft nur schwer eingrenzen bzw eindeutig von anderen Krankheitsbildern abgrenzen da es diverse und zum Teil fliessende Ubergange zu ahnlichen Syndromen gibt Wie schon erwahnt gibt es keine einheitliche Ursache die die Diagnostik vereinfachen wurde Offen sichtbar ist diese Form der Epilepsie durch haufige und vielfaltige Anfalle Bei der Messung der Gehirnstrome mittels eines EEGs zeigt sich ein in der Regel verlangsamter Grundrhythmus mit stets langsamem Spike wave Muster oder multifokalen und generalisierenden Sharp slow wave Entladungen die mit einer Haufigkeit zwischen 1 5 und 2 5 mal pro Sekunde registriert werden konnen Veranderungen der Muster sind dahingehend moglich dass es zu Seitenunterschieden und herdformigen Besonderheiten in der Ableitung kommen kann Im Schlaf konnen haufig tonische Muster also Serien rascher Spikes registriert werden Insbesondere die Differentialdiagnose zum Pseudo Lennox Syndrom muss abgeklart werden welches sich dadurch vom LGS unterscheidet dass keine tonischen Anfalle auftreten Aufgrund dessen muss die Diagnose durch EEG im Schlaf Schlaf EEG erfolgen da die fur das LGS typischen tonischen Anfalle meist im Schlaf auftreten Fur die Uberprufung des Vorliegens einer hirnorganischen Besonderheit ist eine bildgebende Untersuchung des Gehirns mittels Magnetresonanztomographie MRT moglich Treten die Bewegungsmuster bei insbesondere den tonischen Anfallen seitenbetont auf lasst dies zum Beispiel eine Hirnschadigung der entsprechenden Seite vermuten der nachgegangen werden sollte Bei der allgemeinmedizinischen Untersuchung fallen bei den meisten Kindern mit LGS im physischen Bereich Besonderheiten auf insbesondere ist eine deutliche Entwicklungsverzogerung zu erkennen Daruber hinaus zeigen sich vielfach kognitive Schwachen eine entsprechende Einschrankung der Leistungsfahigkeit und Verhaltensauffalligkeiten Die Besonderheiten konnen schon vor dem erstmaligen Auftreten der epileptischen Anfalle in Erscheinung getreten sein aber auch erst nach bis zu zwei Jahren nach der Manifestation des LGS auftreten und sind vielfach auf die Grunderkrankung zuruckzufuhren die zu den Anfallen gefuhrt hat Therapie BearbeitenDas LGS ist eine vergleichsweise schwer behandelbare Form von Epilepsie wenngleich sie z B oft besser therapierbar ist als die Anfalle die beim West Syndrom auftreten Eine moglichst fruhzeitige Diagnose ist wichtig kann jedoch einen Therapieerfolg nicht garantieren nbsp Vagusstimulator bei Lennox Gastaut Syndrom im RontgenbildIst eine behandelbare hirnorganische Besonderheit Ursache der Anfalle ist in einigen Fallen nach grundlicher Abwagung der Vor und Nachteile eine operative Korrektur durch Epilepsiechirurgie moglich und durch die Beseitigung der Ursache konnen die Anfalle reduziert werden oder verschwinden Treten Sturz Anfalle sehr haufig auf und lassen sie sich medikamentos nicht einstellen kann eine Vagusnervstimulation und ein teilweises Durchtrennen des Balkens der die beiden Grosshirnhalften verbindet in Erwagung gezogen werden Callosotomie In etwa einem von drei Fallen kann offenbar eine konsequente Ketogene Diat helfen die gerade auch bei therapieresistenten Epilepsien eingesetzt wird Meist basiert die Therapie des LGS jedoch auf der Gabe von Medikamenten wobei die medikamentose Behandlung vergleichsweise schwierig ist und sich oft trotz aller Bemuhungen keine Anfallsfreiheit erreichen lasst Teils entwickelt sich eine Therapieresistenz oder eine Therapieresistenz liegt von Anfang an vor Ist eine Therapie mit nur einem Medikament Monotherapie nicht erfolgreich werden mehrere meist jedoch nicht mehr als drei Medikamente gleichzeitig verabreicht Kombinationstherapie Haufig zum Einsatz kommen in der Behandlung des LGS die Arzneistoffe Valproat Levetiracetam Lamotrigin Topiramat Benzodiazepine und Felbamat Mit dem Antiepileptikum Rufinamid steht eine neue Moglichkeit fur die Zusatztherapie des LGS bei Patienten ab dem vierten Lebensjahr zur Verfugung es kann zu einem signifikanten Ruckgang der Anfallsfrequenz und des Schweregrads der Anfalle kommen Seit 2018 ist das Medikament Epidiolex welches zu 99 9 aus Cannabidiol pflanzlichen Ursprungs besteht in den USA zur Behandlung zugelassen Der Verlauf und die medikamentose Behandelbarkeit sind beim Pseudo Lennox Syndrom in der Regel deutlich gunstiger Prognose BearbeitenAllgemein ist das LGS bzw die dem Epilepsie Syndrom haufig zugrunde liegende Schadigung des Gehirns durch eine vergleichsweise ungunstige Prognose gekennzeichnet sowohl in Bezug auf die medizinische Behandelbarkeit als auch auf die Lebensqualitat und die Kindesentwicklung sowie in manchen Fallen auch auf die Lebensdauer Unabhangig von Ausmass und Auswirkung der Grunderkrankung werden ein fruher Beginn des LGS und haufige tonische Anfalle als Merkmal einer ungunstigen Gesamtprognose gesehen Zum Teil werden im Verlauf des LGS die epileptischen Anfalle zweitrangig wahrend oftmals fortschreitende kognitive und korperliche Beeintrachtigungen sowie Verhaltensstorungen in den Vordergrund treten Statistisch gesehen uberleben funf von 100 Kindern die ersten funf Jahre ihres Lebens nicht wobei sie nicht an den epileptischen Anfallen sondern an der die Anfalle auslosenden Grunderkrankung oder daraus resultierenden Komplikationen sterben Statistisch gesehen konnen wenig mehr als die Halfte der Kinder mit LGS durch Medikamente vergleichsweise befriedigend behandelt werden wobei nur 5 bis 10 Kinder langfristig anfallsfrei bleiben und sich lediglich 15 von 100 Kindern kognitiv und motorisch regelgerecht entwickeln und im Erwachsenenalter ein selbstandiges und weitgehend beschwerdefreies Leben fuhren Letztere sind in aller Regel diejenigen bei denen auch vor dem erstmaligen Auftreten des LGS keine Auffalligkeiten bestanden und keine Grunderkrankung Hirnschadigung als Ursache der Anfalle vorliegt Eine Zunahme von Entwicklungsauffalligkeiten ist in der Regel bei solchen Kindern zu beobachten bei denen schon vor der Erstmanifestation des LGS Storungen der kognitiven und psycho motorischen Entwicklung bestanden Dieser Verlauf ist jedoch haufig nicht auf die epileptischen Anfalle sondern auf die Grunderkrankung zuruckzufuhren z B auf eine fortschreitende Fehlentwicklung des Gehirns Aber auch ein ungunstiger Verlauf der epileptischen Anfalle insbesondere bei statusartigem Auftreten der Krampfe kann zusatzliche bleibende Schadigungen verursachen Viele Kinder sind auch nach erfolgreicher Einstellung der Anfalle korperlich und kognitiv deutlich beeintrachtigt wobei dies in der Regel nicht in erster Linie auf die epileptischen Anfalle sondern auf deren Ursache hirnorganische Besonderheit bzw dessen Schweregrad zuruckgefuhrt werden kann Haufig zeigen sich auch im Erwachsenenalter Lernstorungen Sprachstorungen und Bewegungsstorungen sowie eine Einschrankung der kognitiven Leistungsfahigkeit und Cerebralparesen Siehe auch BearbeitenOhtahara Syndrom Dravet Syndrom Liste der SyndromeLiteratur BearbeitenUlrich Altrup Christian E Elger Epilepsie Informationen in Texten und Bildern fur Betroffene Angehorige und Interessierte Novartis Pharma Verlag Nurnberg 2000 ISBN 3 933185 49 1 Laura Doermer Moritz mein Sohn Bertelsmann Munchen 1990 ISBN 3 570 08222 9 Erfahrungsbericht Gunter Kramer Diagnose Epilepsie Trias Stuttgart 2003 ISBN 3 8304 3077 9 Gunter Kramer Ritva A Salke Kellermann Hrsg Das Lennox Gastaut Syndrom Epilepsie Berichte Band 5 Blackwell Wissenschafts Verlag Berlin u a 1998 ISBN 3 89412 341 9 Heiko Puckhaber Epilepsie im Kindesalter Eine interdisziplinare Aufgabe 5 unveranderte Auflage Klotz Eschborn bei Frankfurt am Main 2000 ISBN 3 88074 240 5 Hansjorg Schneble Epilepsie bei Kindern Wie Ihre Familie damit leben lernt Trias Stuttgart 1999 ISBN 3 89373 528 3 Ulrich Stephani Das Lennox Gastaut Syndrom Diagnose Behandlung und Unterstutzung im Alltag Trias Stuttgart 2008 ISBN 978 3 8304 3467 2 Einzelnachweise Bearbeiten W G Lennox J P Davis Clinical correlates of the fast and the slow spike wave electroencephalogram In Pediatrics Band 5 1950 S 626 644 H Gastaut H Regis On the subject of Lennox akinetic petit mal In memory of W G Lennox In Epilepsia Band 2 1961 S 298 305 H Gastaut J Roger R Soulayrol u a Childhood epileptic encephalopathy with diffuse slow spike waves otherwise known as ʻ petit mal variant or Lennox syndrome In Epilepsia Band 7 1966 S 139 179 C Dravet Encephalopathie Epileptique de l Enfant avec Pointe onde lente diffuse petit mal variant Thesis Marseille 1965 Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lennox Gastaut Syndrom amp oldid 220234686