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Die Stadt Fussen gilt als die Wiege des Lauten und Geigenbaus in Europa Statue von Caspar Tieffenbrucker in FussenDass die kleine Stadt Fussen gelegen am Nordrand der Alpen einst ein bedeutendes Zentrum des Musikinstrumentenbaus war resultiert aus einem Bundel unterschiedlicher Faktoren Der Hauptgrund liegt sicherlich in der nahen Verfugbarkeit des Rohstoffes Als Tonholzer sind namlich ausschliesslich das Holz der Bergwalder nutzbar Die Fichte der Ahorn und fur den Lautenbau auch besonders die Eibe deren Bestande in den Waldern Nordtirols und des Ammergebirges besonders zahlreich waren Auch die Verkehrslage Fussens an der noch im Mittelalter wichtigen ehemaligen Romerstrasse Via Claudia Augusta die die Zentren Augsburg und Venedig miteinander verband wie auch der beflossbare Lech der die Handelswege nach Wien und Budapest offnete trugen wesentlich zur Ausbreitung dieses Berufszweiges bei Dass der deutsche Konig und spatere Kaiser Maximilian I um 1500 uber 30 mal in Fussen weilte ist ein Zeichen damaliger Blute und Bedeutung der Stadt Und das kulturelle Umfeld mit dem Benediktinerkloster Sankt Mang und der furstbischoflichen Residenz im Hohen Schloss schufen Voraussetzungen wie Auftrage fur die Musikinstrumentenmacher Da die langen Winter und das relativ raue Klima keine grossen landwirtschaftlichen Ertrage zuliessen suchten sich die Menschen in solchen Gebieten Nebenerwerbe meist in spezialisierten Handwerkszweigen um ihren Lebensunterhalt zu sichern Der Lauten und Geigenbau erwies sich fur viele Menschen des Fussener Landes als eine uber Jahrhunderte hin tragfahige Existenzbasis Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Beginn 1 2 Alteste Lautenmacherzunft Europas 1 3 Arbeitsmigration Fussener Lautenmacher in Europa 1 4 Geigenbau 1 5 Niedergang 1 6 Neubeginn 1 7 Gedenken und Festival 2 Auswahl Fussener Meister 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenBeginn Bearbeiten Erst im Spatmittelalter als sich die Gesellschaft immer starker ausdifferenzierte entstand ein Markt fur Musikinstrumente Jetzt erst konnte sich ein spezialisierter Beruf der Lautenmacher herausbilden Die deutlichste Spur des Fussener Lautenbaus ist schliesslich im altesten Zinsbuch des Klosters St Mang erhalten 1436 hatte ein Lautenmacher Pacht fur einen Garten dem Kloster St Mang zu entrichten Alteste Lautenmacherzunft Europas Bearbeiten 1562 schlossen sich die Fussener Lautenmacher zur ersten Lautenmacherzunft Europas zusammen Zeitweise arbeiteten in Fussen das damals etwa 2000 Einwohner zahlte bis zu 20 Lautenmachermeister Durch den Zunftzwang und die strengen Bedingungen die die Ausubung dieses Handwerkes regelten sollte die Zahl der ansassigen Meister auf ein Mass beschrankt bleiben das allen ein Auskommen und Nahrung sicherte Die Zunftgrundung bezeichnet also bereits ein Uberschreiten des Hohepunktes in diesem Handwerkszweig und zwang viele begabte Handwerksgesellen zur Auswanderung Arbeitsmigration Fussener Lautenmacher in Europa Bearbeiten Die Geschichte des Fussener Lauten und Geigenbaus ist zugleich eine Geschichte der Arbeitsmigration Hunderte von Fussener Lauten und Geigenmachern wanderten aus um in den europaischen Kulturmetropolen an Furstenhofen und in grossen Handelsstadten Werkstatten zu grunden und ihr Handwerk erfolgreich auszuuben So fanden sie zum Beispiel in Venedig mit seinen 14 Opernhausern einen grossen Absatzmarkt vor Im 16 und 17 Jahrhundert waren etwa zwei Drittel aller Lautenmacher in Venedig und Padua Fussener Abstammung Auch in Rom und Neapel wurde der Lauten und Geigenbau von den Allgauern beherrscht Doch hielten die ausgewanderten Meister oftmals noch Kontakt zur Heimat Sie bezogen teilweise ihr Holz weiter aus der Fussener Region und Gesellen oder Lehrlinge folgten ihnen aus der Heimat nach Ein Indiz erfolgreicher Integration in der neuen Heimat stellen die Anpassungen der Eigennamen dar Aus Matthaus und Georg Seelos wurden Matteo und Giorgio Sellas Magnus Lang nannte sich Magno Longo Michielle Harton ist unschwer als Michael Hartung zu erkennen und der schwierig auszusprechende Name Tieffenbrucker wurde entsprechend verballhornt Duiffoprugcar Dubrocard Dieffobruchar Geigenbau Bearbeiten nbsp In Fussen gefertigte Lauten im Museum der Stadt FussenDer Dreissigjahrige Krieg 1618 1648 bedeutete einen tiefen Einschnitt von dem sich dieses Handwerk nur langsam erholte In der Barockzeit stieg dann aber der Bedarf an Streichinstrumenten in den Haupt und Residenzstadten Europas enorm an Dies fuhrte zu einer zweiten Migrationswelle Fussener Geigenmacher Unter den Ausgewanderten befinden sich die Namen so beruhmter Meister wie Franz Geissenhof und Johann Martin Stoss in Wien Thomas Edlinger Johann Ulrich Eberle und Johann Georg Hellmer in Prag David Teckler in Rom Johann Georg Bayrhof in Neapel Franz Placidus Fendt in Paris oder sein Neffe Simon Fendt in London Der Geigenbau in der Kaiserstadt Wien wurde von Fussenern nahezu dominiert Sechzig Geigenmacher aus dem Ostallgau sind in Wien nachzuweisen Der beruhmteste unter ihnen war sicherlich Franz Geissenhof der Stradivari von Wien Auch Matthias Klotz 1653 1743 der Begrunder des Geigenbaus in Mittenwald erhielt seine Ausbildung in Fussen Niedergang Bearbeiten Um 1800 darbten die verbliebenen funf Fussener Geigenmacher am Existenzminimum Die miserable wirtschaftliche Lage war auch verursacht durch die Napoleonischen Kriege Dazu kamen aber noch der Beharrungsgeist auf das Alt Hergebrachte und die geringe Innovationsbereitschaft So fuhrten die Fussener nicht wie in Mittenwald eine arbeitsteilige verlagsmassig organisierte Produktion ein die den Markt mit preislich gunstigen Instrumenten und einer grossen Quantitat versorgen konnte Am 19 Mai 1835 gab der Fussener Geigenmacher Joseph Alois Stoss zu Protokoll Da sein Geigenmachers Gewerb ganz ohne allen Verdienst seie verzichte er nun hierauf formlich und lege solches nieder Mit seinem Tod 1866 erlosch fur uber 100 Jahre die grosse Tradition des Fussener Lauten und Geigenbaus Neubeginn Bearbeiten Pierre Chaubert ein Geigenmacher Meister vom Genfersee grundete 1982 in Fussen eine Geigenbauer Werkstatt Zusammen mit dem Zupfinstrumentenmacher Meister Urs Langenbacher 1 betreibt er heute in der Altstadt eine Doppelwerkstatt fur Geigen und Gitarrenbau Bereits einige Gesellen aus der Werkstatt Chaubert haben sich zu Meistern qualifiziert und fuhren eigene Betriebe So Achim Hofer der in einem Haus am Brotmarkt in Fussen sich seine Werkstatt einrichtete 2 Sie fuhren nun 150 Jahre nach Erloschen des Fussener Musikinstrumentenbaus diese alte Tradition weiter Gedenken und Festival Bearbeiten Das Museum der Stadt Fussen zeigt eine Dauerausstellung zum Lauten und Geigenbau in Fussen 1990 wurde in Fussen auf dem Brotmarkt der Lautenmacherbrunnen mit einer Statue von Caspar Tieffenbrucker errichtet Seit 2003 findet in Fussen jahrlich das Festival Vielsaitig statt dessen Idee eine Verbindung von Geigenbau und Geigenspiel ist 3 2018 ging Fussen eine Stadtepartnerschaft mit Cremona ein die fur ihre traditionelle Geigenbaukunst bekannt ist 4 Auswahl Fussener Meister Bearbeiten Name Lebensdaten Wirkungsort Johann Paul Alletsee 1684 1733 Munchen Hans Angerer um 1620 1650 Genua Turin Matthaus Buchenberg um 1568 1628 Rom Johann Ulrich Eberle 1699 1768 Prag Bernhard Simon Fendt 1769 bis um 1826 Paris London Franz Placidus Fendt 1733 1796 Paris Martin Fichtl 4 November 1649 in Fussen 23 Februar 1707 in Wien Sohn des Jakob Fichtl Vorsinger in Fussen Vater des Instrumentenbauers Geige Kontrabass Martin Mathias Fichtl in Wien Johann Fichtold um 1582 2 Juni 1670 in Fussen Schreibweise des Namens Fichtold Vichtold Johann Anton Gedler um 1725 bis um 1790 Fussen Gedler Geigenbauer 1692 1830 Fussen Wurzburg Linz Franz Geissenhof 1753 1821 Wien Michael Hartung vor 1600 bis um 1670 Padua Johann Georg Hellmer um 1700 1770 Prag Rudolf Hoss um 1640 1728 Rom Augsburg Munchen Martin Kaiser um 1645 bis vor 1710 Venedig Dusseldorf Jakob Langenwalder vor 1600 1633 Rom Venedig Fussen Laux Maler gen 1518 1552 Bologna Raphael Most um 1590 1645 Fussen Simpert Niggel 1710 1785 Fussen Andreas Ott vor 1630 1667 Prag Peter Railich gen 1639 1678 Venedig Padua Georg Seelos gen 1618 bis vor 1652 Venedig Matthaus Seelos gen 1612 1652 Venedig Magnus Steger gen 1615 1621 Venedig Stoss Geigenbauer Fussen Wien Prag Johann Martin Stoss 1778 1838 Wien David Teckler 1666 1747 Rom Johann Georg Thir um 1710 1781 Wien Caspar Tieffenbrucker 1514 1571 Fussen Lyon Magnus Tieffenbrucker um 1500 1560 Venedig Wendelin Tieffenbrucker gen 1551 1611 Padua Wolfgang Wolff gest 1570 FussenLiteratur BearbeitenJosef Focht Klaus Martius Thomas Riedmiller Fussener Lauten und Geigenbau europaweit Leipzig 2017 ISBN 978 3 87350 054 9 Francesco Liguori L Arte del Liuto Le Botteghe dei Tieffenbrucker Prestigiosi Costruttori di Liuti a Padova tra il Cinquecento e il Seicento Veneto 2010 ISBN 88 6336 087 1 Luigi Sisto I liutai tedeschi a Napoli tra Cinque e Seiento Istituto Italiano per la Storia della Musica Roma 2010 ISBN 978 88 95349 08 4 Katalog Lauten Geigen Orgeln Museum der Stadt Fussen 1999 Alte Geigen und Bogen ausgewahlte Meisterwerke aus dem deutschen Kulturraum Hrsg Internationalen Vereinigung der Geigenbau und Bogenmacher Meister Koln 1997 ISBN 3 00 001441 1 Erich Tremmel Der Niedergang des Musikinstrumentenbaus in Fussen und Umgebung im 19 Jahrhundert Fakten Parallelen und Hintergrunde In Alt Fussen 1989 Fussen 1990 S 128 138 Adolf Layer Die Allgauer Lauten und Geigenmacher Augsburg 1978 Richard Bletschacher Die Lauten und Geigenmacher des Fussener Landes Hofheim am Taunus 1978 2 Auflage 1991 ISBN 3 87350 004 3 Weblinks BearbeitenSaiteninstrumenten Festival vielsaitig auf der Website der Stadt FussenEinzelnachweise Bearbeiten Werkstatt fur Zupfinstrumentenbau Urs Langenbacher Achim Hofer Geigenbaumeister Festival vielsaitig Stadt Fussen abgerufen am 14 November 2023 Bruckenbauer zwischen Fussen und Cremona In fuessenaktuell de 4 Marz 2022 abgerufen am 14 November 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lauten und Geigenbau in Fussen amp oldid 239118297