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Als Lanzettfischchen werden die Vertreter der Familie Branchiostomatidae aus der Ordnung Amphioxiformes bezeichnet Sie sind nach heutigem Wissensstand die einzigen rezenten Schadellosen Haufig werden die Lanzettfischchen als Amphioxus aus dem Griechischen auf beiden Seiten spitz bezeichnet Amphioxus ist ein veraltetes Synonym der Gattung Branchiostoma Es wird vor allem im angelsachsischen Sprachgebrauch neben lancelet als Trivialname verwendet LanzettfischchenLanzettfischchen Branchiostoma lanceolatumSystematikUberstamm Neumunder Deuterostomia Stamm Chordatiere Chordata Unterstamm Schadellose Cephalochordata Klasse LeptocardiiOrdnung AmphioxiformesFamilie LanzettfischchenWissenschaftlicher Name der KlasseLeptocardiiMuller 1845Wissenschaftlicher Name der FamilieBranchiostomatidaeBonaparte 1846Die letzten gemeinsamen Vorfahren von Lanzettfischchen und Wirbeltieren lebten vor ungefahr 550 Millionen Jahren 1 Inhaltsverzeichnis 1 Bau 2 Lebensweise 3 Fortpflanzung und Entwicklung 4 Lebensraum und Verbreitung 5 Systematik 6 Einzelnachweise 7 WeblinksBau BearbeitenDie Lanzettfischchen sind 4 7 cm lange unpigmentierte mitunter irisierende Lebewesen mit wurmartigem Habitus Das Vorderende ist durch ein freistehendes Rostrum gekennzeichnet das Hinterende durch eine kleine Flosse Ventral des Rostrums befindet sich die von langen Mundcirren 13 umgebene Mundoffnung 14 Im vorderen Bereich des Korpers Kiemendarmregion sind die Lanzettfischchen im Querschnitt nahezu dreieckig der Schwanz ist seitlich abgeplattet Vom Rostrum an verlauft ein gleich hoch bleibender Flossensaum Aussere Anhange wie Kiemen oder paarige Flossen sind nicht vorhanden Als Axialskelett dient die Chorda dorsalis 2 welche fur den Tierstamm der Chordata charakteristisch ist Es handelt sich hierbei um einen dorsal gelegenen elastischen Achsenstab zwischen Ruckenmark 1 und Darm 11 der die Tiere vom Vorder bis zum Hinterende durchzieht Die Chorda ist ausserdem von einer derben bindegewebigen Chordascheide umhullt Sie dient als Endoskelett und verleiht Branchiostoma somit Schutz Festigkeit und dient als Ansatzpunkt fur die Muskulatur Die Chorda entsteht ontogenetisch aus dem Mesoderm der dreikeimblattrigen Deuterostomia bei denen sich der Urmund zum After entwickelt nbsp 1 Hirnblaschen 2 Chorda dorsalis 3 Neuralrohr Ruckenmark 4 Schwanzflosse 5 After 6 Verdauungskanal Kiemendarm 7 Blutsystem Hinweisstrich auf Darmvene 8 Atrioporus 9 Peribranchialraum 10 Kiemenspalte 11 Kiemenbogen 12 Mundhohle 13 Cirren 14 Mundoffnung 15 Gonaden Eierstock Hoden 16 Lichtrezeptor 17 Nerven 18 Bauchfalte 19 LeberblindsackDer grosste Teil der Muskulatur besteht aus quergestreiften Muskelzellen und findet sich segmental angeordnet an den Flanken des Tieres Jene durch bindegewebige Myosepten getrennten Myomeren Muskelsegmente sind zuckertutenartig ineinander gestulpt und durch Bindegewebe mit der Chorda dorsalis und untereinander verspannt sie dienen der Fortbewegung Ahnlich wie die Kahnmuskelzellen der Nematoden senden die einzelnen Muskelzellen in den Myomeren zytoplasmatische Auslaufer zum Neuralrohr 3 um sich ihre Erregung dort abzuholen das heisst die neuromuskularen Synapsen liegen an den Seitenflachen des Zentralnervensystems und nicht wie bei den Schadeltieren im Muskel selbst Auf der Unterseite des Tieres liegt der gleichfalls quergestreifte Flugelmuskel Musculus pterygoideus dessen Kontraktion den Kiemendarm 11 und den Peribranchialraum 18 komprimiert und der so dem Aushusten von groberen Partikeln dient Seine Innervation erfolgt auf konventionellem Wege das heisst durch Auslaufer von motorischen Nervenzellen deren Zellleiber im Neuralrohr liegen Bemerkenswerterweise und anders als bei allen anderen Chordatieren besteht die Chorda dorsalis selbst aus geldrollenartig hintereinander gestapelten quergestreiften Muskelzellen die sich ahnlich wie die Muskulatur der Myomeren ihre Innervation vom Zentralnervensystem via zytoplasmatischer Auslaufer abholen Glatte Muskulatur ist nur sparlich vorhanden sie liegt vor allem in den Wanden der Coelomraume Der Blutkreislauf ist geschlossen die Zirkulation wird durch kontraktile Gefassabschnitte insbesondere des Kiemendarmbereiches getrieben Das Blut gelangt aus dem Sinus venosus in eine cranial anschliessende ventrale Aorta Endostylarterie von wo es uber die Kiemenbogengefasse in die dorsalen dort paarigen Aortenwurzeln weitergeleitet wird Die dorsalen Aortenwurzeln vereinigen sich in ventraler Richtung zur Aorta dorsalis welche hinter der Afteroffnung in die Caudalaorta ubergeht Aus dem Schwanzbereich gelangt das Blut uber die Caudalvene in die Subintestinalvene aus den Muskelsegmenten gelangt es in die Cardinalvenen Die Cardinalvenen munden beidseitig uber je einen Ductus cuvieri in den Sinus venosus die Subintestinalvene nimmt zunachst das Blut aus dem Darmkapillarnetz auf Uber die Vena portae wird der Leberblindsack mit venosem vom Darm her nahrstoffreichem Blut versorgt Dieses gelangt aus dem Kapillarnetz des Leberblindsackes in die Vena hepatica von dort in den Sinus venosus Dieses Leberpfortadersystem gilt als Synapomorphie der Schadellosen und Schadeltiere Die Blutgefasse der Lanzettfischchen sind nicht endothelial ausgekleidet die Bezeichnung als Venen und Arterien wird lediglich aufgrund der Fliessrichtung des Blutes verwendet Die sekundare Leibeshohle Coelom ist in Sklerocoele schmale Myocoele Coelome in den Flossenkammerchen paariges Subchordalcoelom Endostylarcoelom Gonadencoelome Metapleuralhohlen und ventral zum Transversalmuskel Flugelmuskel gelegene Coelomreste untergliedert In den Hauptkiemenbogen verlaufende Coelomrohren verbinden das Subchordalcoelom mit dem Endostylarcoelom Die Mundoffnung ist von beweglichen Cirren umstellt welche Chemorezeptoren tragen Der Mundraum Vestibulum ist seitlich durch Wangen nach posterior durch ein tentakeltragendes Velum abgegrenzt Auf den Wangen sitzen Wimpernfelder die Raderorgane Im dorsalen Munddach findet sich eine Vertiefung mit einer Wimpernflamme die Hatscheksche Grube Der hinter dem Velum frei im Peribranchialraum liegende Pharynx ist als Kiemendarm ausgebildet das heisst er ist von Kiemenspalten durchbrochen Zwischen den Kiemenspalten befinden sich Kiemenbogen In den Kiemenbogen verlaufen Stutzstabe und Blutgefasse Zentral im Kiemendarm liegt das Endostyl siehe Chordata auch Hypobranchialrinne genannt dorsal eine bewimperte Rinne die Epibranchialrinne Durch einen Iliocolonring vom Kiemendarm getrennt schliessen sich an diesen der Mittel und der Enddarm an Die Lanzettfischchen verfugen uber einen Leberblindsack Caecum welcher aufgrund seiner Lage und aufgrund des Vorhandenseins eines Pfortadersystems mit der Leber der Schadeltiere homologisiert wird Das Zentralnervensystem besteht aus einem das Tier dorsal der Chorda dorsalis durchziehenden Neuralrohr oder Ruckenmark mit einem schmalen Zentralkanal 3 Rostral erweitert sich dieses Rohr zu einem kleinen Blaschen 1 welches nicht mit dem Gehirn oder Hirnabschnitten der Schadeltiere homologisiert werden sollte Vom Ruckenmark gehen segmentale Spinalnerven ab Augen oder grosse Sinnesorgane sind nicht vorhanden uber das Ruckenmark verstreut finden sich jedoch pigmentierte Lichtsinnesorgane Die Tiere konnen also mindestens hell dunkel und Richtungen unterscheiden Die Nahrungsaufnahme erfolgt bei Branchiostoma lanceolatum durch die Mundoffnung 14 hinter den cranial gelegenen Mundcirren 13 das einstromende Wasser wird vom dahinterliegenden Kiemendarm auf Nahrstoffe gefiltert die somit in den Verdauungstrakt und den Leberblindsack gelangen Exkremente werden uber den After 5 ausgeschieden Das aufgenommene Wasser gelangt durch die Kiemenspalten 11 die von feinen Blutkapillaren zur Sauerstoffaufnahme umgeben sind in den Peribranchialraum 18 wo es zunachst gesammelt und dann durch den Atrioporus abgegeben wird Die Atmung erfolgt aber nicht nur durch die Kiemenspalten sondern zu einem grossen Teil auch uber die Haut Die Exkretion erfolgt uber Cyrtopodocyten sie sind eine Mischung aus Proto und Metanephridien und damit einzigartig im Tierreich Auslaufer von Zellen der Coelomwand liegen auf der Basalmatrix von Blutgefassen Ultrafiltration erfolgt somit an der Wand der primaren Leibeshohle welche als Rest vom Blutgefass reprasentiert wird Die Coelomflussigkeit entspricht funktional dem Primarharn Dieses Prinzip ist bei allen coelomaten Tieren verwirklicht Lebensweise BearbeitenDie Lanzettfischchen sind Filtrierer Sie filtern Plankton Detritus und sonstige kleine organische Partikel aus dem umgebenden Meerwasser Bei der Nahrungsaufnahme liegen Lanzettfischchen meist vergraben im Boden wahrend das Vorderende mit weit geoffnetem Mund herausragt Durch die Wimpernflamme der Hatschekschen Grube das Raderorgan und die Bewimperung des Kiemendarmes wird ein Nahrungswasserstrom erzeugt Wasser wird in die Mundoffnung eingestrudelt grossere Partikel werden von den Mundcirren am Eintritt in die Mundoffnung gehindert Eine weitere Sortierung erfolgt am Velum Der Nahrungswasserstrom gelangt hinter dem Velum in den Kiemendarm Im Kiemendarm wird vom Endostyl ein Schleimfilm erzeugt welcher uber die Kiemenregion zur gegenuberliegenden Epibranchialrinne transportiert wird Der Nahrungswasserstrom wird durch diesen feinen Schleimfilm filtriert Dabei gelangt das Wasser durch den Schleimfilm zwischen den Kiemenbogen hindurch in den Peribranchialraum aus dem es durch den Atrioporus ausgeschieden wird Die Nahrungspartikel bleiben hingegen im Schleimfilm hangen und werden mit diesem zur Epibranchialrinne transportiert Dort wird der Schleimfilm zu einer Nahrungswurst eingerollt und in den anschliessenden Darm befordert Fortbewegen konnen sich Lanzettfischchen seitlich durch schlangenhafte undulierende Bewegungen Sie sind schnelle Schwimmer und konnen sich aber auch eingeschrankt im Bodengrund fortbewegen Auf Hartsubstrat liegen die Lanzettfischchen auf der Seite Fortpflanzung und Entwicklung BearbeitenLanzettfischchen sind getrenntgeschlechtlich Die Geschlechtszellen reifen in Gonaden in Myocoelbereichen entlang der Seitenwand des Peribranchialraumes Die Freisetzung erfolgt durch Aufplatzen der Gonaden die Geschlechtsprodukte gelangen in den Peribranchialraum und durch den Atrioporus ins freie Wasser Die Lanzettfischchenzygoten furchen radiar und gastrulieren durch Invagination Einstulpung und Umwanderung des Endoderms Anders als haufig dargestellt verlauft die Neurulation nicht wie bei den Wirbeltieren durch Einrollen des Neuralrohres sondern das neurale Ektoderm wird vom epidermalen Ektoderm abgetrennt und von letzterem uberwachsen Unter dem epidermalen Ektoderm rollt sich das neurale Ektoderm dann zum Neuralrohr ein Eine asymmetrische Larve durchlauft eine Metamorphose zum Adultus Lebensraum und Verbreitung BearbeitenLanzettfischchen kommen im Sand beziehungsweise Schlamm an den Kusten von warmen und gemassigten Meeren vor Branchiostoma lanceolatum ist im Schwarzen Meer beziehungsweise im Mittelmeer beheimatet aber auch an den Kusten Frankreichs Englands oder Skandinaviens Weitere Arten finden sich auch im Indischen Ozean und Australien Vorkommen gibt es auch auf Helgoland der Doggerbank und im Kattegat nicht aber in der Ostsee Systematik BearbeitenFamilie Branchiostomidae Bonaparte 1841 Gattung Asymmetron Andrews 1893 Asymmetron lucayanum Andrews 1893 Asymmetron maldivense Forster Cooper 1903 Asymmetron inferum Nishikawa 2004 Gattung Epigonichthys Peters 1876 Epigonichthys australis Raff 1912 Epigonichthys bassanus Gunther 1884 Epigonichthys cingalense Kirkaldy 1894 Epigonichthys cultellus Peters 1877 Epigonichthys hectori Benham 1901 Epigonichthys lucayanum Andrews 1893 Epigonichthys maldivensis Foster Cooper 1903 Gattung Branchiostoma O G Costa 1834 Branchiostoma africae Hubbs in Monod 1927 Branchiostoma arabiae Webb 1957 Branchiostoma belcheri Gray 1847 Branchiostoma bennetti Boschung et Gunter 1966 Branchiostoma bermudae Hubbs 1922 Branchiostoma californiense Andrews 1893 Branchiostoma capense Gilchrist 1902 Branchiostoma caribaeum Sundevall 1853 Branchiostoma elongatum Sundevall 1852 Branchiostoma floridae Hubbs 1922 Branchiostoma gambiense Webb 1958 Branchiostoma indicum Willey 1901 Branchiostoma lanceolatum Pallas 1774 Branchiostoma leonense Webb 1956 Branchiostoma longirostrum Boschung 1983 Branchiostoma malayanum Webb 1956 Branchiostoma nigeriense Webb 1955 Branchiostoma platae Hubbs 1922 Branchiostoma senegalense Webb 1955 Branchiostoma tattersalli Hubbs 1922 Branchiostoma virginiae Hubbs 1922Zahlreiche Autoren synonymisierten die Gattung Asymmetron mit Epigonichthys die beide ein auffallendes Merkmal die asymmetrische Ausbildung der Gonaden gemeinsam haben Spatere Untersuchungen haben aber ergeben dass diese Einteilung die Verwandtschaftsverhaltnisse unzutreffend wiedergibt 2 Eine fruher gelegentlich unterschiedene Familie Asymmetronidae wird heute nicht mehr fur gerechtfertigt angesehen Einzelnachweise Bearbeiten Nicholas H Putnam et al The amphioxus genome and the evolution of the chordate karyotype Nature Band 453 2008 S 1064 1071 doi 10 1038 nature06967 Teruaki Nishikawa 2004 A New Deep water Lancelet Cephalochordata from off Cape Nomamisaki SW Japan with a Proposal of the Revised System Recovering the Genus Asymmetron Zoological Science 21 1131 1136 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Amphioxiformes Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Videos zu Branchiostoma lanceolatum herausgegeben vom Institut fur den Wissenschaftlichen Film Normdaten Sachbegriff GND 4263744 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lanzettfischchen amp oldid 222280749