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Frankfurter Evolutionstheorie auch Kritische Evolutionstheorie ist eine Selbstbezeichnung durch Vertreter eines Konzepts der evolutiven Wandlung der Korperstruktur und form von Organismen gemass hydraulisch energetischen Prinzipien Sie geht auf Wolfgang Gutmann 1935 1997 vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt am Main und seine damaligen Mitstreiter zuruck Es handelt sich nicht um eine grundsatzlich andere vollstandige Evolutionstheorie sondern um ein stark modifiziertes Erklarungskonzept fur einen spezifischen Aspekt der Evolution namlich die Abwandlung der Korperformen durch innere Prinzipien der Organismen 1 Hierbei spielt die Hydroskelettkonstruktionen flussigkeitsgefullte Hohlraume die der Korperstabilisierung dienen eine wesentliche Rolle Schriften dazu wurden von der Senckenberg Gesellschaft fur Naturforschung herausgegeben 2 Die heutigen Evolutionsbiologen der Universitat Frankfurt am Main sind anders als die Bezeichnung suggerieren mag nicht Anhanger dieses Konzepts Evolution der Tierwelt in der Interpretation und Darstellungsweise der Vertreter der Frankfurter Evolutionstheorie 4 Aufl 2007 Inhaltsverzeichnis 1 Der Ansatz der Frankfurter Evolutionstheorie 2 Selbstdarstellung der Frankfurter Evolutionstheorie 2 1 Konzepte Arbeitsbereiche und Terminologie 2 1 1 Organismuszentrierte Morphologie 2 1 2 Rekonstruktion der Evolutionsgeschichte 2 1 3 Morphoprozess der Evolution 2 1 3 1 Bedingungen Mechanismen und Faktoren des Morphoprozesses 2 1 3 2 Leben als Morphoprozess 2 1 3 3 Evolution als Wandel von Morphoprozessen 2 1 3 4 Randbedingungen des Morphoprozesses 2 2 Zentrale Thesen der Frankfurter Evolutionstheorie 2 3 Wichtige Forschungsergebnisse aus Sicht der Frankfurter Evolutionstheorie 3 Rezeption und Kritik in den Biowissenschaften 4 Literatur 5 EinzelnachweiseDer Ansatz der Frankfurter Evolutionstheorie BearbeitenDie Vertreter der Frankfurter Evolutionstheorie sahen diese als eine Weiterentwicklung der in den 1960er bis 1980er Jahren von Wolfgang Friedrich Gutmann entwickelten Hydroskelett Theorie 3 und der sogenannten Kritischen Evolutionstheorie 4 5 Im Zentrum des Konzepts standen konstruktionsmorphologische Untersuchungen der Bau und Funktionsweise vielzelliger tierischer Lebewesen Ausgangspunkt war die Annahme dass Organismen durchgehend hydraulisch konstruiert sind und dass jedwede Lebensausserung auf dem Wandel von Energie gemass den Gesetzen der Thermodynamik beruht und dass bei der Evolution auch stets alle Zwischenformen uberlebensfahig sein mussen Sie begriff Organismen als mechanisches Zusammenspiel von anatomischen Elementen wassrig viskosen Fullungen und verspannenden Strukturen Aus Sicht der damaligen Vertreter hob sich diese Betrachtungsweise von der klassischen Biologie und von altdarwinistischen Anpassungskonzepten dadurch ab dass sie die Lebewesen nicht anhand von deren Aussehen und Merkmalen im Sinne einer statischen Bestandsaufnahme beschrieb sondern in ihrer Funktion und Fahigkeit als hydraulische Konstruktionen Energie zu wandeln und damit Korperform und Bewegungen zu erzeugen Die Analyse der Korperstruktur und hydraulischen Funktion wurde hierbei bis hinunter auf die Ebene von Geweben und Zellen untersucht Die Rekonstruktion von Evolutionsbahnen sollte dabei nicht nur unwahrscheinliche sondern vor allem auch physikalisch unmogliche Umwandlungen dysfunktionale oder unokonomische Konstruktionen ausschliessen In dieser aus ihrer Sicht streng naturgesetzlichen Betrachtungsweise begrundeten sie ihren Ansatz den sie als grundsatzlich andersartig ausgerichtet werteten als es etwa die Rekonstruktionsansatze der Kladistik waren deren Begrundung und Analyse sie als primar mathematische Prozesse interpretierten Aus dieser Betrachtungsweise ergaben sich Erklarungen und Begrundungen fur evolutionsgeschichtliche Zusammenhange die insbesondere die Bedeutung von Umwelt und Anpassung fur die Evolution anders deuteten als bislang ublich Gutmann und Kollegen argumentierten dass Organismen nach Massgabe der Leistungsfahigkeit ihrer Korperkonstruktion in die erreichbaren Umwelten eindringen und diese etwa durch ihre Stoffwechselaktivitaten massgeblich mitgestalteten Es sei also nicht die Umwelt die die Korperkonstruktion forme wie meist vertreten sondern die Korperkonstruktion eines Organismus bestimme welche Umwelten er nutzen kann Evolution ohne Anpassung lautete daher eine griffige Umschreibung der Frankfurter Evolutionstheorie Die Theorie stand dadurch und vor allem auch durch ihren Absolutheitsanspruch in einem fundamentalkritischen Verhaltnis zum klassischen Anpassungsbegriff des Darwinismus und der Synthetischen Evolutionstheorie 6 7 8 Selbstdarstellung der Frankfurter Evolutionstheorie BearbeitenHistorisch gesehen ist die Frankfurter Evolutionstheorie innerhalb der Evolutionsbiologie als Methode zur Rekonstruktion der Bauplan Evolution entwickelt worden Dieses Forschungsfeld wurde auch in historischer Sicht wenig bearbeitet es steht neben dem in der Forschung dominierenden modernen Darwinismus der Synthetischen Theorie die in erster Linie mit den Wandel von Arten Okologie und Populationsdynamik untersucht Evolution ist aber nicht nur Artenwandel sondern insbesondere der allmahliche Wandel des Konstruktionsgefuges das jedem Organismus zu Grunde liegt i w S also des Bauplanes Konstruktionsgefuge konnen aber nur als funktionsfahige Systeme verandert werden D h in jedweder Form der Evolutionsforschung muss der Evolutionsverlauf als Wandel funktionierender Korpergefuge verstanden und rekonstruiert werden Dieses Arbeitsfeld der Konstruktionsmorphologie 9 und der Frankfurter Evolutionstheorie steht damit im Gegensatz zur klassischen oder idealistischen Morphologie die Gestalten ohne deren Funktionsbezuge beschreibt Zudem fuhrt die Frankfurter Evolutionstheorie eine neue Definition von Evolution ein Nur solche Veranderungen der Konstruktionsgefuge die nicht ruckgangig gemacht werden konnen die irreversibel sind sind als Evolution zu bezeichnen Allerdings ist die Konstruktionsmorphologie kein Ersatz fur die Artbeschreibungen sondern sie begrundet und beschreitet neue Forschungsfelder innerhalb der Biologie Die darwinistische synthetische Evolutionstheorie und die Frankfurter Evolutionstheorie haben unterschiedliche Geltungsbereiche 10 11 Begrundet wurde die Frankfurter Evolutionstheorie federfuhrend durch Wolfgang Friedrich Gutmann 1935 1997 der inspiriert durch Wilhelm Schafer zunachst an der Aussenstation Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven uber Bau und Funktion verschiedener Tiergruppen insbesondere der Aktinien Anthozoa arbeitete Mit Ubernahme der 1964 neu am Senckenberg Museum in Frankfurt eingerichteten Sektion Vergleichende und Funktionelle Anatomie setzte Gutmann seine Arbeiten fort Zahlreiche Kollegen insbesondere Klaus Bonik Jens Lorenz Franzen Manfred Grasshoff Dieter Mollenhauer Stefan Peters und Michael Turkay die ebenfalls als Wissenschaftler am Senckenberg Institut beschaftigt waren befassten sich innerhalb verschiedener Organismengruppen mit ebenfalls konstruktions und funktionsmorphologischen Fragestellungen Eine Reihe von Publikationen ging aus dieser Zusammenarbeit hervor siehe Literatur Ein wesentlicher Schritt war die Formulierung der Hydroskelett Theorie durch Gutmann die anfanglich nicht als Evolutionstheorie sondern als ein Evolutionsmodell fur die Entstehung der Chordaten aus metamer gegliederten Vorlaufern konzipiert worden war 12 13 Die Kooperation mit dem Architekten Frei Otto im DFG Sonderforschungsbereich Biologie und Bauen Naturliche Konstruktionen brachte weitere Einsichten in organismische Konstruktionseigenheiten und deren generelle Gultigkeit 14 Diese erste Generation von Konstruktionsmorphologen legte den Grundstein fur die spatere Formulierung der Frankfurter Evolutionstheorie deren Entwicklung lief von Anfang an mit der Zielrichtung eine feste Basis fur die Rekonstruktion der Bauplane des Tierreichs zu schaffen spater als Haupt Evolutionslinien des Tierreiches bezeichnet Die hierbei entwickelten Einsichten zur Evolutionsgeschichtsforschung wurden 1981 in einer Buchpublikation als Kritische Evolutionstheorie bezeichnet 7 und legten den Grundstein fur die spatere Formulierung der Frankfurter Evolutionstheorie 15 Es entwickelte sich eine engere Zusammenarbeit von Wissenschaftlern sowohl innerhalb des Senckenberg Forschungsinstitutes als auch mit dem Zoologischen Institut und Palaontologischen Institut der Universitat Frankfurt Es wurden zahlreiche gemeinsame Forschungsarbeiten durchgefuhrt und Studenten entsprechend in Vorlesungen und Praktika ausgebildet Konstruktions und funktionsmorphologische Arbeiten am Forschungsinstitut Senckenberg hatten dort bereits eine lange Tradition Vor Wolfgang F Gutmann hatten bereits Wilhelm Schafer und Rudolf Richter Forschungen in dieser Richtung betrieben und damit quasi den Boden bereitet dass am Senckenberg Institut Raum fur ein neu angelegtes Forschungsfeld und somit auch die Entwicklung einer eigenen Evolutionstheorie gegeben war Wilhelm Schafer verwies unter Ruckgriff auf Konzepte von Jacob von Uexkull in vielen seiner Arbeiten auf die Autonomie der Organismen und bestimmte die Umweltbezuge vom Organismus her Die konstruktionsmorphologische Forschung kann daher auch als Fortsetzung der Aktuopalaontologie einer originaren Tradition Senckenbergs angesehen werden Nach Gutmanns Tod 1997 wurde die Frankfurter Evolutionstheorie von einer neuen Arbeitsgruppe am Forschungsinstitut Senckenberg weiterentwickelt und in vielerlei Hinsicht prazisiert Zu dieser zweiten Generation von Konstruktionsmorphologen gehoren Michael Gudo Mathias Gutmann Tareq Syed und Michael Weingarten Konzepte Arbeitsbereiche und Terminologie Bearbeiten Innerhalb der Frankfurter Evolutionstheorie konnen bzw konnten mehrere Arbeitsbereiche differenziert werden Diese sind bzw waren Auf den Organismus zentrierte Morphologie Organismusbegriff Konstruktions Morphologie Rekonstruktion der Evolutionsgeschichte Evolutionsgeschichtsforschung Stammesgeschichte Phylogenetik Dynamisches Verstandnis des Evolutionsprozesses Morphoprozess Die drei Arbeitsbereiche bilden die zentralen Fragestellungen der Evolutionsbiologie ab Bereits Charles Darwin bearbeitete in seinen Forschungen diese Bereiche Er sprach davon dass der Wissenschaftler eine Vorstellung des Organismus brauche um Fragen zur Evolution zu behandeln Arbeitsbereich 1 er versuchte verwandtschaftliche Beziehungen zu rekonstruieren d h durch Analyse von Merkmalen den in den Zuchtbuchern dokumentierten Zuchtverlauf zu ermitteln Arbeitsbereich 2 und er behandelte Fragen zur Fortpflanzung und Vererbung bestehender und neuer Eigenschaften Arbeitsbereich 3 16 17 Die Synthetische Evolutionstheorie bearbeitet jeweils nur Teilbereiche und in ihr fehlt eine entscheidende Komponente namlich der Organismus Begriff also die Vorstellung vom eigentlichen Arbeitsgegenstand der Biologie 18 Organismuszentrierte Morphologie Bearbeiten nbsp Bionomiekreislauf der Organismen Organismen konnen nur dann uberleben wenn sie sich standig mit Material und Energie versorgen Diese Selbstversorgungsleistung wird als Bionomie bezeichnet und ist im Bionomiekreislauf dargestellt Eine organismuszentrierte Morphologie betrachtet Lebewesen ganzheitlich d h als energiewandelnde hydraulische Konstruktionen die a funktionieren b sich selbst reproduzieren c sich selbst versorgen autopoietisch sind und d sich selbst erstellen autoformativ sind Es ist ein Prinzip des Lebens dass alle Stoffwechsel und Lebensvorgange im wassrigen Medium stattfinden und dass diese Stoffwechselvorgange nur dann funktionieren wenn sie geordnet und in abgeschlossenen Reaktionsraumen ablaufen Demnach mussen bereits die kleinsten Bestandteile von Organismen die Zellen als eigenstandige hydraulische Konstruktionen betrachtet werden In vielzelligen Organismen befinden sich Zellen in einem Gewebeverband der bei Tieren durch kollagene Fasern zusammengehalten wird Dieser Aufbau kann nur mit aufwandigen histologischen und konstruktionsmorphologischen Untersuchungen in seiner Ganzheit erfasst und wissenschaftlich beurteilt werden Eine wesentliche Erkenntnis der konstruktionsmorphologischen Betrachtungsweise von Organismen ist dass Organismen im thermodynamischen Sinne als operational geschlossene Systeme zu verstehen sind Das steht im Kontrast zur klassischen Betrachtungsweise bei der Lebewesen offene Systeme sind durch die Energie einfach hindurchfliesst Als operational geschlossene Systeme hingegen konnen Lebewesen die Energie und Materialien die sie benotigen nur durch eigene Leistung akquirieren Die uber die Nahrung aufgenommene Energie wird im Organismus in vielstufiger Weise gewandelt und in Bewegung Wachstum Fortpflanzung und erneute Energieversorgung investiert siehe Abb Bionomie jpg Der Energiefluss durch den Organismus lauft nicht von allein sondern durch eine aktive energiezehrende Leistung des Organismus Das Beschaffen neuer Energie und Nahrung kostet immer bereits Energie die schon zuvor aufgenommen worden sein muss Dieser Vorgang bestimmt das Frageinteresse einer organismuszentrierten Morphologie Wie sind Lebewesen als energiewandelnde Korperkonstruktionen aufgebaut und wie funktionieren sie um die fur das Uberleben und das evolutionare Fortbestehen notwendigen Leistungen zu erbringen siehe nebenstehende Abbildung Die hydraulische Konstruktion der Organismen Ein hydraulischer Korper mit gleichformiger flexibler Hulle wurde eine kugelige Form annehmen weil dann die Krafte gleichformig verteilt sind Entgegen dieser Tendenz zur Kugelform werden die vielfaltigen spezifischen Korperformen der Organismen von zugfesten und kontraktilen Fasern und starren Elementen erzeugt Das Bauprinzip der Hydraulik bedingt dass jede Kontraktion die zu Verformung und somit zu Bewegung fuhrt durch Kontraktionen an anderer Stelle ausbalanciert werden muss wenn eine Bewegung kontrolliert verlaufen und nicht zu dysfunktionalen Verformungen fuhren soll Starre Elemente aus organischen oder mineralischen Substanzen die vom hydraulischen System selbst eingebaut werden stellen Teile im Korper still und wahren hier die Form ohne Energieaufwand damit verringert sich die Kontraktionsleistung und das System arbeitet okonomischer Die Vielfalt der Anordnungen von Zellen Fasern und starren Elementen und ihres Zusammenspiels entspricht der Vielfalt des Organismenreichs Auf den Punkt gebracht Konstruktionsmorphologie ist die Wissenschaft von der Erzeugung der Korperform Konstruktionsmorphologie ist die Basis der Argumentation wenn man den Evolutionsverlauf eines Bauplans ermitteln will denn Evolution ist der Wandel solcher Korpergefuge Umweltbezug der Organismen Autonomie der Organismen Organismen sind insofern autonom als ihr Aufbau daruber entscheidet was sie aus der Umgebung aufnehmen und verwerten und wo sie leben konnen Der Wandel im Laufe der Generationen und die Ausbreitung in immer weitere Lebensraume fuhren zu Diversifizierung Ursprunglich einheitliche Populationen driften auseinander es kommt zur Bildung neuer Arten 19 Das ist begleitet von zunehmender Spezialisierung auf spezifischen Raum Stoff und Energie Erwerb Der Begriff Anpassung wird deswegen in der Frankfurter Theorie ersetzt durch den Begriff Spezialisierung der den organismischen Vorgang treffender beschreibt Der Organismus ist der treibende Teil des Wandels Organismen sind Subjekte der Evolution nicht die Objekte ihrer Umwelt 20 Rekonstruktion der Evolutionsgeschichte Bearbeiten nbsp Optimierung und Differenzierung hydraulischer Korperkonstruktionen Die rekonstruierten Linien zeigen zum einen zunehmende Ordnung der kontraktilen Fasern die zu einer deutlichen Effizienzsteigerung fuhren Optimierung als auch eine vollstandige Umorganisation des Muskelgefuges so dass eine grundlegend andere Korperkonstruktion resultiert Hierbei handelt es sich um alternative Entwicklungslinien um Differenzierungen Werden Organismen wie oben beschrieben als hydraulische thermodynamische Energie wandelnde Stoff wechselnde operational geschlossene Systeme begriffen lassen sich bestimmte Ruckschlusse ziehen wie sich solche Systeme im Laufe der Evolution verandern konnten Es ist eine der zentralen Fragen in der Evolutionsbiologie bzw Evolutionsgeschichtsforschung wie es uberhaupt moglich ist dass Organismen im Laufe der Zeit somit also im laufenden Betrieb ihre Konstruktion veranderten ohne dass das System als Ganzes zwischendurch stillgestanden hatte Es gibt in der Evolution keinen Zustand wegen Umbau geschlossen Oder um noch einmal den Vergleich mit dem Ingenieur zu bemuhen es geht um die Frage Wie lasst sich ein Fahrrad umbauen wahrend jemand darauf fahrt Die neue Einsicht der Frankfurter Evolutionstheorie ist dass Evolution nur im Rahmen funktionierender Abwandlungen verlauft Alle Zwischenstadien mussen uber Generationen hinweg voll funktionsfahig d h bionom sein Sie mussen sich selbst ernahren bewegen und fortpflanzen konnen sonst scheiden sie unverzuglich aus dem Evolutionsgeschehen aus Alle dysfunktionalen Varianten die grundsatzlich im mutativen Prozess der Reproduktion und Individualentwicklung auch entstehen gehen an sich selbst an ihrer mechanischen Unzulanglichkeit zu Grunde sie selektieren sich quasi selbst aus dem Evolutionsgeschehen aus W F Gutmann sprach in diesem Zusammenhang von Autodestruktion von Selbstzerstorung durch Dysfunktionalitat der Korperkonstruktion 21 22 23 Da konstruktionsmorphologische Forschungen eine Art technischer Funktionsbeschreibung der Lebewesen liefern konnen mogliche Veranderungen ermittelt rekonstruiert werden indem zwei potentiell evolutionsgeschichtlich miteinander in Beziehung stehenden Organismen schrittweise ineinander uberfuhrt werden wobei standig Bionomie und Funktionstuchtigkeit der rekonstruierten Zwischenstadien gepruft werden mussen Ebenso muss die Richtung der Veranderung begrundet werden Transformationen sind nur dann erfolgreich wenn sie zu einer Differenzierung oder Spezialisierung einer bestehenden Korperkonstruktion fuhren oder wenn die nachfolgende Konstruktion in irgendeiner Hinsicht okonomischer funktioniert also fur bestimmte Leistungen z B weniger Energie oder Material benotigt wird als zuvor Die massgeblichen Kriterien evolutionsgeschichtlicher Rekonstruktion sind somit Optimierung Okonomisierung Differenzierung und Spezialisierung Der umgekehrte Weg d h also die Veranderung einer Struktur so dass sie in nachfolgenden Konstruktionen unokonomischer also material oder energieaufwandiger funktioniert wird aus thermodynamischen Grunden ausgeschlossen Das Gleiche gilt fur Sprunge Wie schon zuvor gesagt gibt es keinen Zustand Wegen Umbau geschlossen das heisst jedes rekonstruierte Zwischenstadium muss einerseits funktionstuchtig und andererseits okonomischer oder spezialisierter sein als die Vorlauferstadien Gelingt es mit Hilfe dieser Rekonstruktionskriterien plausible Szenarien fur die Evolution einer Tierkonstruktion in eine andere darzustellen so ist das Ergebnis eine Evolutionslinie welche die Evolutionsgeschichte i w S somit auch Stammesgeschichte erklart und begrundet Hierbei gelangt die Frankfurter Evolutionstheorie auch zu einer neuen Definition von Evolution Nur solche Veranderungen die nicht mehr ruckgangig gemacht werden konnen die also irreversibel sind sind evolutionare Veranderungen Wandlungen die sich als reversibel erweisen z B Schnabelformen oder Schnabelgrossen von Vogeln Korpergrossen Farben etc reprasentieren keine Evolution sondern es handelt sich nur um eine Verschiebung von Merkmalsauspragungen innerhalb von Populationen Josef Reicholf bezeichnet dies als das Grundrauschen oder Oberflachengekrausel der Evolution 24 Durch Wolfgang F Gutmann sowie viele weitere Kollegen wurden in vergangenen Jahrzehnten entsprechende Ableitungen fur das gesamte Tierreich erstellt und publiziert Im Jahr 1992 wurden diese Einzelableitungen erstmals in einem zusammenfassenden Poster publiziert 25 26 Im Jahr 2007 erschien die 4 uberarbeitete und erganzte Auflage des Posters in der viele weitere Details und neue Evolutionslinien aufgenommen werden konnten 27 fur Einzelableitungen siehe unten stehenden Abschnitt Weiterfuhrende Literatur Die konstruktionsmorphologische Betrachtung von Lebewesen erlaubt somit Evolutionsgeschichtsforschung Rekonstruktion der Evolutionslinien indem Form und Funktion der Organismen erfasst und mogliche funktionstuchtige evolutionare Wandlungen von unmoglichen dysfunktionalen evolutionaren Wandlungen unterschieden werden Die Einteilung des Tierreichs uber die konstruktionsmorphologischen Ableitungsmodelle steht mit der neuen auf molekularen Untersuchungen aufbauenden Phylogenie der Tiere wesentlich besser in Einklang als mit der traditionellen Campbell Reece 2003 28 Morphoprozess der Evolution Bearbeiten nbsp Morphoprozess Theorie der Evolution Evolution ist ein Prozess kontinuierlicher morphologischer Veranderung Er wird beeinflusst von verschiedenen Bedingungen Mechanismen und Faktoren Organismen sind in dieser Betrachtungsweise Trager des Morphoprozesses und als wissenschaftliche Arbeitsgegenstande lediglich Momentaufnahmen dieses kontinuierlichen Vorganges Der Arbeitsbereich Morphoprozess befasst sich mit den Ursachen den Mechanismen und den Faktoren der Evolution W F Gutmann hatte mit Bezug auf die Arbeiten des Philosophen Alfred North Whitehead ein prozessuales Denken fur die Biologie und die biologische Evolution gefordert Russische Autoren wie Vernadsky formulierten solches Denken als Morphoprozess 29 Genauer gesagt werden hier Bedingungen Mechanismen und Faktoren unterschieden die den Morphoprozess als stetig laufenden Formwandel der Organismen antreiben und beeinflussen siehe nebenstehende Abbildung 30 Diese erneuerte Sichtweise zielt darauf ab samtliche ontogenetische Entwicklungsstadien also von funktionsfahigen Keimzellen bis hin zum fortpflanzungsfahigen Organismus in den Blick zu bekommen Da diese Stadien sehr unterschiedlich sein konnen man denke an Larvalentwicklung Tiere mit Metamorphose ist es auf dieser Untersuchungsebene genauer von evoluierenden Morphoprozessen zu sprechen anstelle evoluierender Organismen Neuerdings hat Harald Holz noch uber Whitehead hinausgehend eine holistische Philosophie neo transzendentaler Grundlegung vorgelegt die imstande ist zu Fragen der Entstehung von Leben und Reflexiver Intelligenz Geist philosophischerseits zureichende Antworten zu geben 31 Bedingungen Mechanismen und Faktoren des Morphoprozesses Bearbeiten Bedingungen des Prozesses sind die Naturgesetze die chemischen und physikalischen Gegebenheiten auf dem Planeten Erde und die Eigenschaften der Stoffe aus denen die Organismen bestehen diese Eigenschaften bedingen auch den Mechanismus der Evolution namlich den Energiewandel Er halt die Organismen jenseits des thermodynamischen Gleichgewichtes das sich einstellen wurde wenn alle Stoffe miteinander so weit moglich reagiert hatten und dann in chemischer Ruhe lagen thermodynamisch wurde das heissen das System hatte die maximal mogliche Entropie erreicht Zudem treibt der Energiewandel zwei weitere Mechanismen an das Wachstum und damit auch die Reproduktion die eine Folge des Wachstums ist indem im einfachsten Fall der Zelle eine Teilung notig wird Damit wird das gesamte Bau und Reaktionsgefuge in Form einer Zelle weiter gegeben Hieraus ergibt sich die Geschichtlichkeit des Lebens Jedes Individuum ist Teil und Durchgangsstadium des Morphoprozesses Faktoren nehmen Einfluss auf den konkreten Ablauf des Wandels wobei man kontinuierliche und episodische Faktoren unterscheiden kann Zu den kontinuierlichen Faktoren zahlen der Zwang zur Formbildung durch Hydraulik und zur Okonomisierung dass namlich nicht genutzte Organe dem Verfall uberlassen werden Bekannter sind im Allgemeinen die episodischen Faktoren die Mutation der DNS Einflusse auf die Embryonalentwicklung schliesslich die Konkurrenz um Nahrung und Raum um Fortpflanzungs Partner sowie aussere Einflusse wie etwa durch Klima Populationsverschiebungen oder Nahrungsmangel und veranderungen die als darwinsche Anpassung in Erscheinung treten 32 33 Leben als Morphoprozess Bearbeiten Mit der Konstitution von Lebewesen als bionome hydraulische energiewandelnde Konstruktionen sind Organismen keine realen Dinge sondern sich kontinuierlich verandernde und fortpflanzende dynamische Systeme besser gesagt Prozesse Im Reproduktionsgeschehen werden jeweils vollstandig lebensfahige Untereinheiten abgegliedert und die hydraulische energiewandelnde Konstruktion luckenlos an die jeweils nachste Generation weitergegeben Es lauft ein standiger Prozess der Struktur und Formerhaltung ab der allgemeinen chemischen physikalischen und organismischen Prinzipien folgt Zu jedem Zeitpunkt des individuellen Daseins bleiben nur solche Strukturen erhalten die nach Massgabe dessen was allgemein als Naturgesetze bezeichnet wird funktionstuchtig sind Kontinuitat besteht uber die Generationen hinweg dadurch dass in jedem Organismus entwicklungsfahige Untereinheiten von Anfang an existieren Keimbahnen die selbst hydraulische Konstruktionen darstellen z B Eizellen oder totipotente Zellen die sich zu Knospen Klonen entwickeln konnen Zu keinem Zeitpunkt werden genetische Informationen Zellbestandteile krafterzeugende und kraftubertragende Strukturen zusammengefuhrt um daraus einen neuen Organismus zu bilden auch bei geschlechtlicher Fortpflanzung besteht immer bereits eine Eizellkonstruktion die lediglich einen weiteren Chromosomensatz erhalt Wenn all diese kinetischen Vorgange innerhalb eines bestimmten Rahmens ablaufen entstehen immer wieder ahnlich konstruierte Organismen die sich selbst reproduzieren und sich uber viele Generationen hinweg stetig wandeln In solcher Hinsicht sind Organismen damit lediglich kunstliche Ausschnitte Momentaufnahmen eines kontinuierlich ablaufenden Morphoprozesses des Lebens bestehend aus Wachstum Nahrungsaufnahme Umwelterschliessung und Fortpflanzung Evolution als Wandel von Morphoprozessen Bearbeiten Jeder Vorgang verlauft aufgrund der Indeterminiertheit des gesamten Universums ein klein wenig anders auch wenn identische Randbedingungen vorliegen Kein Gegenstand und kein Prozess gleicht einem anderen vollstandig denn die Entropie ist zu jedem Zeitpunkt eine andere Jede Aktion im Organismus ist eine Veranderung des Entropiezustands Deswegen ist organismischer Wandel thermodynamisch unausweichlich Somit ist die biologische Reproduktion also nicht die Herstellung identischer Replikate sondern ahnlicher aber nicht identisch ablaufender Morphoprozesse Hierbei entstehen immer wieder neue Varianten der Ausgangskonstruktion von denen jedoch nur diejenigen uber viele Generationen erhalten bleiben die in der Lage sind den Morphoprozess weiter zu tragen In jeder folgenden Generation gibt es wieder Abweichungen Langsam und in vielen kleinen Schritten verandert sich der Morphoprozess Uber viele Generationen hinweg etablieren sich auf diese Weise Wandlungen und Aufspaltungen der Morphoprozesse Evolution ist demzufolge der standige Fluss sowie die Anderung und die Aufspaltung von Morphoprozessen Der evolutive Wandel ist somit nicht die Ursache sondern die Folge des Aufbaus der Organismen Der Bau der Organismen unterliegt den allgemeinen Bedingungen die durch die Naturgesetze gegeben sind und die Materialeigenschaften der Stoffe schaffen die Mechanismen und Faktoren des Wandels Organismen ohne Evolution kann es nicht geben Die Existenz der Organismen und die Evolution der Organismen sind nur die zwei Seiten ein und derselben Sache Indem man Lebewesen als bionome energiewandelnde Konstruktionen und in diesem Sinn als Organismen konstituiert hat sind sie in dieser Sicht sich kontinuierlich verandernde und fortpflanzende d h dynamische Systeme und sie sind Teil des Prozesses der sich ihnen materialisiert Randbedingungen des Morphoprozesses Bearbeiten Physikalische chemische und organismische Prinzipien bestimmen den Rahmen evolutionarer Veranderungen d h der bestehende Morphoprozess bestimmt die nachfolgenden Morphoprozesse Evolution ist also der Normalzustand Nicht die Evolution muss erklart werden sondern die Nicht Evolution d h das Fortbestehen bestimmter Strukturen und Organisationsweisen uber die Generationenfolge hinweg Demzufolge ist Evolutionsforschung eine Bestimmung des organismischen Rahmens der Wandlung von Morphoprozessen kurz Evolutionsforschung befasst sich mit der Bestimmung von Invarianzen und transformativen Kausalitaten Restriktionen der Geschichte des Lebens Zentrale Thesen der Frankfurter Evolutionstheorie Bearbeiten Die zentralen Thesen der Frankfurter Evolutionstheorie lassen sich in ihren eigenen Termini und Begrundungen wie folgt zusammenfassen Organismen sind hydraulische mechanisch koharente energiewandelnde Konstruktionen die sich nicht an ihre Umwelten anpassen sondern Lebensraume nach Massgabe der Leistungsfahigkeit ihrer Korperkonstruktion selbst erschliessen Organismen sind autonome Subjekte der Evolution d h die jeweils bestehende Korperkonstruktion bestimmt das Ergebnis und die Richtung der Evolution massgeblich mit Uber Fortbestehen oder Untergang eines Lebewesen entscheidet in erster Linie die Funktionstuchtigkeit der Korperkonstruktion und eine okonomische Energiebilanz hinsichtlich Formerhaltung Fort Bewegung und Fortpflanzung Der Einfluss der Umwelt ist sekundar und greift erst dann wenn sich Lebewesen in ihren Lebensraumen behaupten mussen Evolution ist irreversibel d h einmal veranderte differenzierte abgebaute oder umgebaute Strukturen konnen nicht mehr zuruckentwickelt werden weil strukturelle Veranderungen einem energetischen Gefalle geschuldet sind Hieraus ergibt sich aus Sicht der Vertreter der Frankfurter Evolutionstheorie ein grundsatzlich abweichendes Verstandnis vom Ablauf der Evolution Wahrend aus ihrer Sicht in der Synthetischen Evolutionstheorie jede noch so kleine Veranderung bereits als Evolutionsschritt oder gar als Beweis fur Evolution angesehen werde sind nach ihrer eigenen Anschauungsweise nur solche Veranderungen als evolutive Veranderungen zu betrachten die unumkehrbar irreversibel sind Somit wird die Evolution vom Fisch zum Vierfusser als irreversibler konstruktioneller Umbau taxiert die Verschiebung einer Merkmalsauspragung in einer Population hingegen als Varianzerzeugung Die Anhanger bezweifeln dass die Mechanismen und Kriterien nach denen Varianzerzeugung und Evolution ablaufen bzw erforscht werden konnen identisch sind Vielmehr mussten zur Rekonstruktion wie eine Korperkonstruktion in eine andere verandert werden konnte andersartige Methoden und Uberprufungskriterien herangezogen werden als zur Erklarung und Erforschung der Evolution innerhalb von Populationen und der Anderung von Merkmalsauspragungen Die Frankfurter Evolutionstheorie betrachtet Lebewesen somit nicht als reine Merkmalstrager sondern als mechanisch koharente hydraulische Energiewandelnde Konstruktionen und ebenso wie an einem in Betrieb befindlichen Motor keine beliebigen Veranderungen vorgenommen werden konnen ohne dass er gegebenenfalls kaputt geht sind die Moglichkeiten struktureller Veranderungen von Organismen beschrankt Ein zentrales Missverstandnis der Gegner der Frankfurter Evolutionstheorie war und ist aus Sicht ihrer Anhanger bis heute der Geltungsbereich der Beschreibungen und Darstellungen Wahrend die Synthetische Evolutionstheorie als Arbeitsgegenstand Arten Populationen Fortpflanzungsgemeinschaften oder gar Individuen zugrunde lege beziehen sich die Aussagen der Frankfurter Evolutionstheorie auf die den jeweiligen Lebewesen eigenen Korperkonstruktionen Eine Konstruktion ist nicht gleichzusetzen mit einer taxonomischen Kategorie Organismische Konstruktionen sind vielmehr Beschreibungsweisen von Lebewesen hinsichtlich ihres Aufbaus und Funktionierens Wichtige Forschungsergebnisse aus Sicht der Frankfurter Evolutionstheorie Bearbeiten Als wichtige Forschungsergebnisse betrachten die Anhanger der Frankfurter Evolutionstheorie eine grundsatzlich revidierte Auffassung der tierischen Bauplanevolution der zufolge nicht von einer allmahlichen Komplexitatssteigerung oder Hoherentwicklung im Tierreich gesprochen werden konne Die Konfiguration und Komplexitat von Nervensystemen sei kein Kriterium um auf eine urtumliche oder abgeleitete evolutionare Stellung eines Tieres zu schliessen Im Jahre 1992 wurde eine graphisch bildliche Gesamtschau der Evolution des Tierreiches aus Sicht der Frankfurter Evolutionstheorie in Form eines Posters publiziert Die Evolution der Tiere das die Verwandtschaftsbeziehungen biomechanisch begrundet hat Es ergaben sich keine Verzweigungen die mit dem Prinzip von einfach zu komplex einhergingen vielmehr kam es zu sekundaren Vereinfachungen die mit Okonomisierungen der Korperkonstruktion erklart wurden nbsp Die Hauptevolutionslinien des Tierreiches lassen sich auf einen vielzelligen durch kollagene Fasern intern kompartimentierten Organismus zuruckfuhren Diese so genannten Gallertoide sind der Ausgangspunkt fur alle weiteren EvolutionsbahnenIm Zentrum der Evolutionsgeschichte der Tiere stehen aus Sicht der Vertreter der Theorie gallertig aufgebaute vielzellige Organismen Gallertoide aus denen heraus sich die Hauptevolutionslinien des Tierreiches herleiten lassen Dieser erste vielzellige Organismus wurde dabei als eine bereits relativ komplexe Tierkonstruktion gesehen dessen Korper aus Bindegewebe und mehr oder minder differenzierten Zellen in einem Folgestadium auch aus Flussigkeitsfullungen in Form von Kanalchen bestand Eine spezifische Schlussfolgerung dieses Modells bestand darin dass der Korperbau der Tiere nicht uber die traditionelle Keimblatttheorie Ekto Endo Mesoderm verstanden wurde sondern uber ein histologisches Gesamtverstandnis des Organismus Keimblatter werden als Strukturen der Embryogenese gesehen nicht als Evolutionsschritte Daher wurde auch die klassische Grosseinteilung der Tiere in Diplo und Triploblasten als irrefuhrend betrachtet Weitere Schlussfolgerungen betrafen die Ableitung der Chordaten von metameren statt von oligomeren Vorlaufern und einer Neusortierung der Deuterostomier insbesondere der Ausschluss der Tentaculata aus den Deuterostomia Rezeption und Kritik in den Biowissenschaften BearbeitenObwohl konstruktionsmorphologische Ansatze in der Zoologie seit etwa der Mitte des 20 Jahrhunderts Hermann Weber 1899 1956 vorgestellt wurden und eine auf Form und Funktion gleichermassen aufbauende Biologie verschiedentlich gefordert wurde ist das hier vorgestellte Konzept wenig bekannt bzw wird wo es bekannt ist als Gesamttheoriengebaude abgelehnt Die zugrunde gelegte in erheblichen Teilen hypothetische Rekonstruktionsmethode fur evolutionare Transformationen ohne die Aspekte moderner Evolutionsbiologie und Entwicklungsbiologie zu berucksichtigen ist eine entscheidende Schwache Die Entstehung des Theoriengebaudes und auch viele der spateren Argumentationen der Vertreter der Frankfurter Evolutionstheorie fussten auf dem Erkenntnisstand der 1960er Jahre und waren mitbedingt durch die Tatsache dass moderne Evolutionsbiologie damals im deutschen Sprachraum kaum bekannt war und wenig gelehrt wurde Sie stiessen bildlich gesprochen damals gleichsam ins Vakuum vor und ruttelten ruckblickend nicht generell zu Unrecht an auch unter manchen deutschen Biologen verbreiteten fixen Konzepten zur allumfassenden Bedeutung evolutiver Anpassung und zur Hoherentwicklung durch Evolutionsprozesse Aus dieser Konstellationslage heraus ergab sich auch die fast ausschliesslich in Deutschland gefundene Anhangerschaft der Frankfurter Evolutionstheorie obwohl manche Artikel durchaus auch auf englisch publiziert worden sind Das Konzept stiess innerhalb Deutschlands zunachst mit Varianten einer stark deskriptiven nicht funktionell argumentierenden Morphologie zusammen wie sie von Adolf Remane 1898 1976 vertreten wurde so beim Phylogenetischen Symposium 1970 34 35 Bald danach stiess es aber auch mit dem Konzept der Phylogenetischen Systematik von Willi Hennig 1913 1976 zusammen welches sich ab den 1970er Jahren international interessanterweise zuerst im angelsachsischen Sprachraum durchsetzte In allen diesen Fallen behielt die Frankfurter Evolutionstheorie eine Aussenseiterposition die sich zunehmend verstarkte weil sie auch neuere Methoden und Erkenntnisse die nach den 1960er Jahren gewonnen worden sind nicht in ihr Theoriengebaude einbauen konnte oder wollte Dass das Konzept nicht wenigstens partiell in das Theorien und Lehrgebaude der Evolutionsbiologie integriert wurde sondern dass sich vielmehr unaufweichbare Fronten zwischen Anhangern und Gegnern herausbildeten hatte vielfaltige Grunde Sie lassen sich auf wissenschaftstheoretischer Ebene ebenso finden wie auf wissenschaftssoziologischer Polemische ad hominem gerichtete Angriffe gegen die neuen Stammbaumvorschlage der Frankfurter Evolutionstheorie gingen zuerst von Seiten der etablierten Zoologie aus hier vor allem um das in die Kritik geratene Archicoelomatenkonzept zu retten 36 In der Folge verscharfte sich der Diskussionston auf beiden Seiten Rein inhaltlich bleibt festzustellen dass die kritischen Einwande der Frankfurter Evolutionstheorie sich im Nachhinein als vollauf berechtigt erwiesen denn das heute als widerlegt geltende Archicoelomatenkonzept fusste auf fragwurdigen Homologisierungen mehr noch aber auf schematischen Annahmen einer allgemeinen Hoherentwicklung und Komplizierung von Bauplanen die schon damals nicht dem Stand der modernen Evolutionstheorie entsprachen Allerdings sind auch die Alternativvorschlage der Frankfurter Evolutionstheorie nur in Teilen bestatigt worden Im Gegensatz zu alteren rein morphologisch begrundeten phylogenetischen Rekonstruktionen werden Verwandtschaftsbeziehungen nach fast einhellig akzeptierter fachlicher Praxis heute bevorzugt anhand von molekularbiologisch ausgerichteter Forschung auf methodischer Grundlage der Kladistik beurteilt Zwar kann man argumentieren dass die historischen Rekonstruktionen der Frankfurter Theorie in weitaus umfassenderer Weise durch genetische Rekonstruktionen bestatigt wurden als andere damalige Stammbaumvorschlage 37 Da der vergleichend entwicklungsbiologische Befund aber mehrere Deutungen zulasst wird dieser ausser durch Vertreter der Theorie selbst nicht als Bestatigung der Frankfurter Stammbaumrekonstruktionen anerkannt Literatur BearbeitenW F Gutmann Die Hydroskelett Theorie In Aufsatze und Reden der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft Band 21 1972 S 1 91 W F Gutmann Die Evolution hydraulischer Konstruktionen organismische Wandlung statt altdarwinistischer Anpassung Kramer Frankfurt am Main 1989 ISBN 3 7829 1112 1 W F Gutmann K Bonik Kritische Evolutionstheorie Ein Beitrag zur Uberwindung altdarwinistischer Dogmen Gerster Hildesheim 1981 ISBN 3 8067 0874 6 M M Gudo Grasshoff The Origin and Early Evolution of Chordates The Hydroskelett Theorie and New Insights Towards a Metameric Ancestor In Senckenbergiana lethaea Band 82 2002 S 325 346 T Syed Wie neu ist die New Animal Phylogeny Eine mogliche Synthese morphologischer und molekularer Befunde zur Bauplan Evolution In Jahrbuch fur Geschichte und Theorie der Biologie Band IX 2003 S 33 76 M Grasshoff M Gudo Die Evolution der Tiere In Querschnitte Nr 7 2007 S 3 45 M Gudo Die Frankfurter Evolutionstheorie Neue Ansatze fur die Evolutionsforschung In Querschnitte Nr 6 2007 S 3 37 M Grasshoff M Gudo Die Evolution der Tiere Poster im Format DIN A1 4 Auflage Schweizerbart sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 2007 M Grasshoff Kurze Geschichte der Evolutionstheorien Von den Anfangen uber Darwin bis zur Frankfurter Theorie MORPHISTO Wissenschafts Verlag 2014 ISBN 978 3 944005 02 7 itunes apple com Detlef Weinich Wolfgang Gutmann und die Organismuszentrierte Theorie in neuerer Sicht In Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen Band 22 2003 S 323 330 Einzelnachweise Bearbeiten Neil A Campbell Jane B Reece Biologie Spektrum Verlag Heidelberg Berlin 2003 ISBN 3 8274 1352 4 Seite 564 Neil A Campbell Jane B Reece Biologie Spektrum Verlag Heidelberg Berlin 2003 ISBN 3 8274 1352 4 Seite 564 W F Gutmann Die Hydroskelett Theorie In Aufsatze und Reden der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft Band 21 1972 S 1 91 W F Gutmann Die Evolution hydraulischer Konstruktion organismische Wandlung statt altdarwinistischer Anpassung Kramer Frankfurt am Main 1989 W F Gutmann K Bonik Kritische Evolutionstheorie Ein Beitrag zur Uberwindung altdarwinistischer Dogmen Gerstenberg Frankfurt am Main 1981 D S Peters Anpassung Kernpunkt oder Missverstandnis der Evolutionstheorie In U M Bremen Hrsg Bausteine der Evolution Edition Archaea Gelsenkirchen Schwelm 1997 S 73 82 M Grasshoff Die Frankfurter Evolutionstheorie und die Begriff Anpassung und Selektion In Natur und Museum Band 124 Nr 6 1994 S 196 198 Josef H Reichholf Der Ursprung der Schonheit Darwins grosstes Dilemma C H Beck Verlag 2011 ISBN 978 3 406 58713 9 H Weber Konstruktionsmorphologie posthum hrsg von Max Hartmann In Zoologische Jahrbucher Abt Allgemeine Zoologie und Physiologie Band 68 1958 S 1 112 M Gudo T Syed Konstruktionsmorphologische Rekonstruktion als Grundlage der Evolutionsgeschichtsforschung In Hallesches Jahrb Geowiss Beiheft Band 23 2007 S 29 34 M Gudo Die Frankfurter Evolutionstheorie Eine kurze Einfuhrung In Querschnitte Nr 2 2006 S 18 21 W F Gutmann Die Hydroskelett Theorie In Aufsatze und Reden der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft Band 21 1972 S 1 91 W F Gutmann Die Hydroskelett Theorie Nachdruck In Jahrbuch fur Geschichte und Theorie der Biologie Band 9 2004 S 129 194 F Otto Hrsg Mitteilungen des Instituts fur leichte Flachentragwerke Universitat Stuttgart Band 9 1977 und Band 19 1979 M Gudo The development of the critical theory of evolution The scientific career of Wolfgang F Gutmann In Theory of Biosciences Band 121 Nr 1 2002 S 101 137 M Gutmann M Weingarten Gibt es eine Darwinsche Theorie Uberlegungen zur Rekonstruktion von Theorietypen In R Bromer U Hossfeld N A Rupke Hrsg Evolutionsbiologie von Darwin bis heute VWB Berlin 1999 S 105 130 M Gutmann Die Evolutionstheorie und ihr Gegenstand Beitrag der Methodischen Philosophie zu einer konstruktiven Theorie der Evolution VWB Berlin 1996 M Weingarten Organismuslehre und Evolutionstheorie Verlag Dr Kovac Hamburg 1992 E Mayr Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt Springer Berlin Heidelberg New York Tokio 1984 M Weingarten Organismen Objekte oder Subjekte der Evolution Philosophische Studien zum Paradigmawechsel in der Evolutionsbiologie Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1993 W F Gutmann Autonomie und Autodestruktion der Organismen In Jahrbuch fur Geschichte und Theorie der Biologie Band IV 1997 S 149 178 W F Gutmann Globalisierungs Ruckwirkung auf den Bereich der klassischen Biologie und Palaontologie In Natur und Museum Band 127 Nr 7 1997 S 209 218 W F Gutmann Evolution von Organismen das neue Paradigma der Frankfurter Theorie In W K Alt J C Turp Hrsg Die Evolution der Zahne Phylogenie Ontogenie Variation Quintessenzverlag Berlin 1997 J Reicholf Ist die Darwinsche Anpassung nur das Oberflachengekrausel der Evolution In W Feigl K Edlinger G Fleck Hrsg Jenseits des Mainstreams Alternative Denk und Forschungsansatze in Biologie und Medizin Verlag P Lang Frankfurt am Main u a 2004 ISBN 3 631 39850 6 M Grasshoff K Bonik K Edlinger W F Gutmann D S Peters K P Vogel Die Evolution der Tiere Poster Senckenberg Museum Frankfurt am Main 1992 M Grasshoff M Gudo Die Evolution der Tiere Poster mit Erlauterungen Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 510 61324 4 M Grasshoff M Gudo Die Evolution der Tiere Poster im Format DIN A1 4 Auflage Schweizerbart sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 2007 ISBN 978 3 510 61386 1 Neil A Campbell Jane B Reece Biologie Spektrum Verlag 2003 ISBN 3 8274 1352 4 S 1492 1493 Georgy S Levit Biogeochemistry Biosphere Noosphere The growth of the theoretical system of Vladimir Ivanovich Vernadsky Studien zur Theorie der Biologie 4 Verlag fur Wissenschaft und Bildung Berlin 2001 ISBN 3 86135 351 2 M Gudo Ziele der Evolutionsforschung Rekonstruktion organismischer Wandlung als Morphoprozess In W Feigl K Edlinger H Fleck Hrsg Jenseits des Mainstreams Alternative Denk und Forschungsansatze in Biologie und Medizin Verlag P Lang Frankfurt am Main u a 2004 ISBN 3 631 39850 6 S 207 Harald Holz Werkausgabe Bde 23 29 ferner Bde 35 37 Sachstichwort Leben Reflexivitat Intelligenz J Reicholf Ist die Darwinsche Anpassung nur das Oberflachengekrausel der Evolution In W Feige K Edlinger G Fleck Jenseits des Mainstreams Alternative Denk und Forschungsansatze in Biologie und Medizin P Lang Frankfurt 2004 S 118 141 D S Peters W S Peters Anpassung Kernpunkt oder Missverstandnis der Evolutionstheorie In Bausteine der Evolution Symposium Ubersee Museum Bremen 1995 1997 ISBN 3 929439 10 7 S 73 82 D S Peters Fast ein Durchbruch In Jahrbuch fur Geschichte und Theorie der Biologie Band 9 2003 S 1 8 O Kraus Dominanz und Qualitat Ruckblick auf 50 Phylogenetische Symposien In Verh Naturwiss Verein Hamburg NF Band 45 2010 S 9 15 R Siewing Diskussionsbeitrag zur Phylogenie der Coelomaten In Zoologischer Anzeiger Band 179 1967 S 132 176 T Syed Wie neu ist die New Animal Phylogeny Eine mogliche Synthese morphologischer und molekularer Befunde zur Bauplan Evolution In Jahrbuch fur Geschichte und Theorie der Biologie Band 9 2004 S 33 76 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Frankfurter Evolutionstheorie amp oldid 239074335