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Der Kriegsverbrecherprozess von Krasnodar fand vom 14 bis 17 Juli 1943 in der russischen Stadt Krasnodar gegen elf mannliche Sowjetburger und Mitglieder des SS Sonderkommandos 10a sowie in Abwesenheit gegen funfzehn deutsche Angeklagte darunter den Befehlshaber der 17 Armee der Wehrmacht Richard Ruoff und den Gestapo Offizier Kurt Christmann statt Es war der erste offentliche Kriegsverbrecherprozess des Zweiten Weltkrieges Das offentlichkeitswirksame Verfahren hatte Modellcharakter fur eine Reihe weiterer Verfahren 1 Inhaltsverzeichnis 1 Rechtsgrundlagen 2 Prozess 2 1 Sowjetische Angeklagte 2 2 Dokumentation der deutschen Haupttaterschaft 3 Propaganda 4 Rezeption 5 Weblinks 6 Literatur 7 EinzelnachweiseRechtsgrundlagen BearbeitenDurch Dekret vom 2 November 1942 war die Ausserordentliche Staatliche Kommission fur die Feststellung und Untersuchung der Verbrechen der deutschen faschistischen Eindringlinge ins Leben gerufen worden Am 19 April 1943 erliess das Prasidium des Obersten Sowjets den Ukas 43 der anordnete dass deutsche italienische rumanische ungarische und finnische Verbrecher die der Mordtaten und Misshandlungen an der Zivilbevolkerung und an gefangenen Rotarmisten uberfuhrt worden sind sowie Spione und Vaterlandsverrater unter den Sowjetburgern mit der Todesstrafe durch Erhangen zu bestrafen seien Damit war schon vor der Moskauer Erklarung der Alliierten vom Herbst 1943 in der Sowjetunion die Verfolgung von Kriegsverbrechern und Kollaborateuren in einer unionsweiten Rechtsvorschrift geregelt worden 2 Prozess BearbeitenDer Prozess fand vor dem Militartribunal der Nordkaukasusfront unter dem Vorsitz von Oberst Majorow statt wobei die Inszenierung des Prozesses von hochster Stelle detailliert geplant war Dabei gab man dem Prozess eine geradezu demonstrative Rechtsformlichkeit wobei der Ausgang nicht offen war da keine neue Beweisfuhrung erfolgte und die Angeklagten und Zeugen in der Voruntersuchung gemachte Aussagen nur wiederholten Bereits am 10 Juli hatten Aussenminister Wjatscheslaw Molotow und der fruhere Chefanklager Andrei Wyschinski den Generalsekretar des ZK Josef Stalin uber die geplante Dramaturgie des Schauprozesses informiert 3 Sowjetische Angeklagte Bearbeiten Die anwesenden Beschuldigten waren ethnische Russen die uberwiegend 25 bis 34 Jahre alt waren und aus dem bauerlichen Milieu stammten Die Halfte von ihnen war vor dem Krieg Mitglied der Kommunistischen Partei oder des Komsomol gewesen Die Hauptanklage bezog sich auf den Tatbestand des Vaterlandsverrats gemass 58 1 des Strafgesetzbuches der Russischen Sozialistischen Foderativen Sowjetrepublik Nur vier Angeklagte wurden wegen konkreter Verbrechen beschuldigt die ubrigen sieben hatten sich wegen ihrer Mitgliedschaft im Sonderkommando 10a und damit der mutmasslichen Beteiligung an deutschen Verbrechen zu verantworten Die Mittaterschaft bestand hauptsachlich in der Beteiligung an Festnahmen von Partisanen und Untergrundkampfern Bewachung und Transport an Exekutionsorte und der Teilnahme an Gaswageneinsatzen Die Vermutung liegt nahe dass die Gestandnisse der Angeklagten durch zermurbende Verhore und entsprechende Verhormethoden erpresst worden sind 4 Acht Angeklagte wurden zum Tode und drei zu zwanzigjahriger Zwangsarbeit verurteilt Die Hinrichtungen fanden am 18 Juli 1943 durch Erhangen auf dem Marktplatz von Krasnodar vor 30 000 Zuschauern statt 5 Dokumentation der deutschen Haupttaterschaft Bearbeiten Von der Anklage wurde in der ausfuhrlichen Zeugen und Taterbefragung die Verantwortung der lokalen deutschen Einheiten namlich des Befehlshabers der 17 Armee und des Gestapo Chefs von Krasnodar mit 13 Gestapoleuten herausgearbeitet Die Angeklagten waren folglich dem verbrecherischen Willen der faschistischen Regierung und des Oberkommandos nachgekommen 6 Die sowjetischen Tater wurden als Werkzeuge zur Ausfuhrung der kriminellen Befehle beschrieben Obwohl der Prozess keinen einzigen deutschen Angeklagten hatte gilt er heute als ein fruher Wegbereiter hin zu einer Verfolgung der deutschen Hauptkriegsverbrecher In der Moskauer Erklarung der Alliierten erfolgte schon kurz darauf die Ankundigung der Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher 7 Propaganda BearbeitenDie Sowjetunion sah im internationalen Recht ein wichtiges Instrument zur Gestaltung der Nachkriegsordnung Die Sowjetfuhrung versuchte sich mit einer medialen Inszenierung des Prozesses nach innen und aussen als Teil eines internationalen Standards der Rechtskultur darzustellen Mit dem Prozess sollte dem Bedurfnis der Bevolkerung nach Vergeltung nachgekommen werden und gleichzeitig diente die Strafverfolgung von haufig tatsachlichen Verbrechern sogar der nachtraglichen Legitimation von Schauprozessen der 1930er Jahre und damit einer Restalinisierung der Gesellschaft 8 Von den Medien wurde das Bild der loyalen Widerstandskampfer und der feindlichen Kollaborateure gezeichnet das den Realitaten des Krieges nicht gerecht wurde Die Rede von der Ermordung von Partisanen Kommunisten Sowjetaktivisten und vollig unschuldigen Sowjetburgern schuf eine Hierarchisierung der Opfer wobei Juden mit keinem Wort erwahnt wurden obwohl die Tater und Zeugenaussagen Juden als Opfer angegeben hatten 9 Rezeption BearbeitenDie Forschung zu den Kriegsverbrecherprozessen in der Sowjetunion beurteilt den Beitrag zur juristischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus insgesamt negativ Es hatte sich um Schauprozesse gehandelt bei denen es nicht um die Wahrheitsfindung sondern um kollektive Abstrafung politische Ziele und propagandistische Verwertung gegangen ware Allerdings unternahm die Sowjetfuhrung in der Nachkriegszeit massive Anstrengungen zur Professionalisierung und Burokratisierung der Justizorgane und erzielte dort deutliche Erfolge gemessen an sowjetischen Standards Die Qualitat der Rechtsprechung der sowjetischen Militartribunale verbesserte sich in den Nachkriegsjahren tatsachlich 10 Laut Andreas Hilger ist es von besonderer Tragik dass die Sowjetunion die mit ihren Burgern vorrangiges Ziel deutscher Vernichtungspolitik gewesen war sich selbst als unfahig erwies einen gultigen Beitrag zur gerichtlichen Aufarbeitung dieser Periode zu leisten 11 Irmgard und Bengt von zur Muhlen schufen 1987 den Dokumentarfilm The trial of Krasnodar 1943 auf VHS 52 min 12 Weblinks BearbeitenPublic Execution of Nazi collaborators in Krasnodar Film 4 Minuten auf YouTube The people s verdict a full report of the proceedings at the Krasnodar and Kharkov German atrocity trials Literatur BearbeitenTanja Penter Das Urteil des Volkes in Osteuropa Heft 12 2010 S 117 132 Andreas Hilger Die Gerechtigkeit nehme ihren Lauf In Norbert Frei Hrsg Transnationale Vergangenheitspolitik Der Umgang mit deutschen Kriegsverbrechern in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg Wallstein Gottingen 2006 ISBN 978 3 89244 940 9 S 180 246 Einzelnachweise Bearbeiten Tanja Penter Das Urteil des Volkes S 117 Manfred Zeidler Stalinjustiz contra NS Verbrechen Hannah Arendt Institut 1996 ISBN 3 931648 08 7 S 16 f Tanja Penter Das Urteil des Volkes S 120 Tanja Penter Das Urteil des Volkes S 121 f Manfred Zeidler Stalinjustiz contra NS Verbrechen S 25 Arieh J Kochavi Prelude to Nuremberg University of North Carolina Press 1998 ISBN 0 8078 2433 X S 64 f George Ginsburgs The Nuremberg Trial Background In The Nuremberg Trial and International Law Hrsg Ginsburgs und Kudriavtsev Martinus 1990 ISBN 0 7923 0798 4 S 21 Tanja Penter Das Urteil des Volkes S 128 f Tanja Penter Das Urteil des Volkes S 127 f Tanja Penter Das Urteil des Volkes S 130 f Andreas Hilger Die Gerechtigkeit nehme ihren Lauf S 245 Krasnodar the trial of Krasnodar 1943 by Irmgard and Bengt von zur Muhlen USHMM abgerufen 8 Juni 2020 Kriegsverbrecherprozesse gegen Deutsche in der Sowjetunion wahrend und nach dem Zweiten Weltkrieg Brjansk Charkow Kiew Krasnodar Leningrad Mariupol Minsk Nikolajew Riga Smolensk Welikije Luki Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kriegsverbrecherprozess von Krasnodar amp oldid 235970003