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Das Kriegsgefangenenlager in Wetzlar Bublingshausen war ein Lager fur Kriegsgefangene im Ersten Weltkrieg wo seit Ende des Jahres 1914 spatestens seit 1915 rund 15 000 Russen Ukrainer und wahrscheinlich auch Gefangene anderer Nationalitaten untergebracht waren Ukrainer Friedhof EingangsbereichInhaltsverzeichnis 1 Geografische Lage 2 Ukrainische Kriegsgefangenenlager in Deutschland und in Osterreich Ungarn 3 Die Anfange des Lagers Wetzlar Bublingshausen 4 Aufgaben Aufbau und Leben im Gefangenenlager 4 1 Funktionen des Lagers 4 2 Strukturen des Lagers 4 3 Leben Alltag 5 Auflosung des Lagers und weitere Entwicklung 6 Literatur 7 Weblinks 8 Anmerkungen 9 EinzelnachweiseGeografische Lage BearbeitenDas Lager befand sich in Wetzlar Bublingshausen etwa zwei Kilometer sudostlich des Stadtzentrums von Wetzlar Ukrainische Kriegsgefangenenlager in Deutschland und in Osterreich Ungarn Bearbeiten nbsp Kriegsgefangene aus der russischen Armee in Wetzlar wahrscheinlich im Lager Bublingshausen 1 Nachdem das deutsche Heer Anfang September 1914 in der Schlacht an der Marne eine Niederlage erlitten hatte war die Strategie eines schnellen deutschen Vormarschs nach Westen gescheitert und die Kampfhandlungen gingen in einen Stellungskrieg uber So mussten die Oberste Heeresleitung und insbesondere das auch fur Ukraine Fragen zustandige preussische Kriegsministerium nun langerfristig planen Dazu gehorte auch Russland mit Hilfe politischer Dissidenten zu destabilisieren 2 3 Anm 1 Dazu zahlten Finnen Georgier Polen und auch Ukrainer An die Organisation militarischer Verbande war zunachst nicht gedacht 4 Deutsche und die mit ihnen verbundeten Osterreicher sonderten mit Hilfe osterreichisch ungarischer Ukrainer aus der Masse der russischen Kriegsgefangenen Ukrainer aus die vor allem an der deutsch osterreichisch ungarischen Sudostfront gefangen genommen worden waren und verlegten sie in besondere Lager 5 in denen im Vergleich zu anderen Kriegsgefangenenlagern verbesserte Bedingungen herrschten Sie sollten als ethnische Minderheit fur eine Abspaltung der Ukraine von Russland gewonnen werden In diesen besonderen Lagern erfolgte eine gezielte antirussische Unterrichtung uber die ukrainische Geschichte Kultur und Sprache Bildungs und Selbstbetatigungsangebote waren umfangreich Ukrainische Kriegsgefangenenlager im Volksmund haufig als Russenlager bezeichnet gab es seit September Oktober 1914 zunachst in Freistadt Oberosterreich und spater auch in Wien Josefstadt als Offizierslager In Deutschland existierte im badischen Rastatt das erste Lager dieser Art seit Mai 1915 Ab Marz des Folgejahres nahm dieses Lager auch ukrainische Offiziere auf In Wetzlar kam spatestens im September desselben Jahres ein Lager hinzu da die Zahl der sich meldenden Kriegsgefangenen die Kapazitaten des Rastatter Lagers allmahlich sprengte Seit spatestens November 1915 gab es ein so genanntes drittes Sonderlager 6 im preussischen Salzwedel 1916 entstand in Hann Munden ein Offizierslager In diesen Orten wurden militarische Liegenschaften Exerzier und Manovergelande Schiessplatze etc fur die Errichtung von Kriegsgefangenenlagern genutzt Die Finanzierung der Lager erfolgte durch das Auswartige Amt die Heeresverwaltung ubernahm die Konstruktion der Gebaude und Raumlichkeiten Fur die Errichtung und die Arbeit in den Lagern war die Kooperation mit dem Bund zur Befreiung der Ukraine BBU erforderlich Dieser verpflichtete sich seine Arbeit entsprechend dem Vorbild des Ukrainerlagers in Freistadt durchzufuhren und fur diese Lagerarbeit eine Zentralstelle in Berlin einzurichten die Oleksandr Skoropys Joltuchowski Mitgrunder und Fuhrungskraft im BBU leitete Die Anfange des Lagers Wetzlar Bublingshausen BearbeitenAm 14 15 September 1914 berichtete der Wetzlarer Anzeiger dass kunftig ein grosseres Kriegsgefangenenlager fur etliche 10 000 Mann auf und neben dem Exerzierplatz der Unteroffiziersschule an der Frankfurter Strasse errichtet werde 7 Zwei Monate darauf am 15 November hiess es dass die ersten Gefangenen in Wetzlar eingetroffen seien Es handelte sich um 16 verwundete Russen Aufgaben Aufbau und Leben im Gefangenenlager BearbeitenFunktionen des Lagers Bearbeiten nbsp Konzertprogramm aus dem Lager Anm 2 Das Lager hatte einen allgemeinen und einen politisch ideologischen Bildungsauftrag Der gezielten politischen Erziehungsarbeit kam eine herausragende Rolle zu Hiervon zeugt die hohe Zahl der nichtarbeitenden Ukrainer im Lager 8 Die deutsche und die ukrainische Seite boten den Gefangenen zahlreiche Bildungsmoglichkeiten die ihnen nach dem Krieg zugutekommen konnten Die propagandistische antirussische Unterrichtung zielte auf die Mobilisierung der Ukrainer gegen Russland ab Nicht intendiert war zunachst die Aufstellung kampfender Truppen Strukturen des Lagers Bearbeiten Wie andere Lager in denen Ukrainer gefangen waren wurde auch das Lager in Wetzlar durch Vorgaben des Berliner Kriegsministeriums strukturiert Das deutsche Personal bestand aus einem Kommandanten Offizieren darunter so genannte Aufklarungsoffiziere Unteroffizieren und Wachmannschaften Es galten die deutschen Kriegsgesetze Befehle und Bekanntmachungen erfolgten durch den Kommandanten Schriftliche Befehle wurden in deutscher und in ukrainischer Sprache verfasst Es herrschte Arbeitspflicht fur die Mannschaften Im Laufe des Jahres 1916 ukrainisierten und demokratisierten die Strukturen innerhalb der Gemeinschaft der Gefangenen Anfang 1917 wahlten sie eine Volksrada eine Vertretung der Gefangenen mit der sie Mitsprache bei der Gestaltung des Lagerlebens erreichen wollten Die deutsche Lagerverwaltung hatte dagegen nichts Grundsatzliches einzuwenden 9 Leben Alltag Bearbeiten Im Rahmen der umfangreichen Kulturarbeit und der zahlreichen Bildungsmoglichkeiten im Lager pragten diverse Kultur und Bildungsgruppen Gesellschaften und Interessengruppen sowie zahlreiche Kulturveranstaltungen wie etwa Konzerte Theaterauffuhrungen Feste Vortrage oder Lesungen den Lageralltag Anfanglich befurchteten die Lagerinsassen Strafen in Russland nach einer Ruckkehr Es kam zeitweise zu Widerstand beispielsweise durch Storung der propagandistischen Lehr Veranstaltungen Auch baten Gefangene darum in andere Lager verlegt zu werden Die Autoritaten reagierten auf diese Befurchtungen mit dem Versprechen dass die Namen jener Gefangenen die kooperierten nicht an russische Behorden weitergeleitet werden wurden Das Ziel dieser Aufklarung wurde trotz anfanglichen Widerstands erreicht Die Gefangenen gewannen Vertrauen in die militarische Starke Deutschlands und ubten Kritik an der politischen Situation in Russland Sie interessierten sich zunehmend fur die ukrainische Frage Die Zahl der Aktivisten wuchs Die Gesellschaften und Zusammenschlusse der Gefangenen unterstutzten die propagandistische Arbeit zunehmend sie gewannen gleichzeitig stetig an Autonomie Im Lager wurde eine ukrainischsprachige Zeitung herausgegeben die Prosvitnyi Listok Anm 3 Sie erschien 14 taglich seit Januar 1917 als Hromadska Dumka Anm 4 sechsmal im Monat in einer Auflage von 3500 Exemplaren Herausgeber war der BBU Auch die Zeitungen aus den anderen Ukrainer Lagern wurden nach Wetzlar geliefert Es waren die ersten Veroffentlichungen in Ukrainisch die in Deutschland erschienen 10 Inhalte dieser Schriften waren nicht nur Artikel zum Weltgeschehen sondern auch Erzahlungen und Gedichte uber bedeutsame ukrainische Personlichkeiten Ausfuhrlich wurden auch das kulturelle Leben sowie die Bildungsarbeit im Lager thematisiert 11 Die Lagerzeitungen spiegelten das Wirken der diversen Gesellschaften und Organisationen im Lager wider Das Lager war eine kleine Stadt am Rand von Wetzlar Zwischen den Wetzlarer Burgern und den Gefangenen gab es wohl nur sehr wenig Kontakt Auflosung des Lagers und weitere Entwicklung Bearbeiten nbsp Ukrainer Friedhof nbsp Ukrainer Friedhof ostlicher Gedenkstein nbsp Ausschnitt der Tafel des ostlichen GedenksteinsAm 13 August 1919 berichtete der Wetzlarer Anzeiger dass das Lager als Stammlager fur russische Kriegsgefangene aufgelost werde Anschliessend entwickelte sich zwischen 1921 und 1923 unter Verwendung der alten Baracken auf dem Gelande des Gefangenenlagers eine Siedlung mit 84 Wohnungen 12 Der Wetzlarer Stadtbezirk Bublingshausen entstand An der Stelle des Lagerausgangs befindet sich heute die Strasse Unter dem Nussbaum Die einzige heute noch erkennbare Anlage des ehemaligen Lagers ist der Ukrainerfriedhof in der Strasse Am Pfingstwaldchen zwischen den Hausnummern 30 und 32 Anm 5 Auf leicht abschussigem Gelande am Ortsrand ist er heute eine lang rechteckige Rasenflache mit Baumbestand Einzelgraber sind nicht erkennbar Eine Bruchsteinmauer grenzt den Friedhof zur Strasse hin ab Auf dem Friedhof weisen rechts und links im Eingangsbereich zwei diagonal gestellte Gedenksteine aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auf die hier Beerdigten hin Darunter sind auch Menschen die im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen Die Anlage ist ein Kulturdenkmal nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz 13 Literatur BearbeitenFritz Fischer Griff nach der Weltmacht Dusseldorf 1964 Frank Golczewski Die deutsche Kriegsgefangenenarbeit mit Ukrainern im Ersten Weltkrieg In Rainer Hering u a Lebendige Sozialgeschichte Gedenkschrift fur Peter Borowsky 1 Auflage Wiesbaden 2003 ISBN 3 531 13717 4 S 551 572 Claus Remer Das Ukrainerlager Wetzlar Bublingshausen 1915 1918 ein besonderes Lager In Mitteilungen des Wetzlarer Geschichtsvereins Band 37 1994 S 77 124 Anm 6 Weblinks BearbeitenForschungs und Restaurationsprojekt Kurz Dokumentarfilm Ukrainer in Wetzlar 1919 Zeitungsartikel Wetzlarer Neue Zeitung Ukrainer in WetzlarAnmerkungen Bearbeiten In diesen Zusammenhang gehorte etwa auch die Durchreise Lenins durch Deutschland 1917 Diese Veroffentlichung ist dem Sanger und Tenor Modest Menzinsky Modest Omeli anovych Ment synsʹkyĭ 1875 1935 gewidmet Es wurde von Insassen des Kriegsgefangenenlagers Wetzlar Bublingshausen anlasslich eines Auftritts des Sangers im Lager im Februar 1916 hergestellt Es enthalt Essays und Gedichte die dem Sanger gewidmet sind das Programm seines Auftritts und die Texte zu den vorgetragenen Stucken Dazu zahlten auch Gedichte von Taras Schewtschenko und Iwan Franko Das Heft wurde vom Bund zur Befreiung der Ukraine im Kriegsgefangenenlager Wetzlar Bublingshausen veroffentlicht Aufklarungsblattchen Bildungsblattchen Gemeinschaftsgedanke Gemarkung Bublingshausen Flur 37 Flurstuck 16 42 Claus Remer gewinnt dem Kriegsgefangenenlager insbesondere Positives ab Die einst dort lebenden Kriegsgefangenen durften nicht nur als Opfer in Gefangenschaft angesehen werden ihnen seien ebenso etliche Vorteile zugutegekommen Sie hatten ihr Nationalbewusstsein gestarkt sich weitergebildet Kultur gelebt ihre Kenntnisse bezuglich ihrer Sprache Geschichte Kultur Wirtschaft etc vertieft und ihren Horizont in Bezug auf deutsche Sitten und auf die Weltgeschichte erweitert Remer S 116 Golczewski kritisiert das als spezifische ideologische Sozialisierung Golczewski S 551 Einzelnachweise Bearbeiten Russische Kriegsgefangene bei Wetzlar 1914 1918 Historische Bilddokumente aus Hessen Stand 13 April 2011 In Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen LAGIS Grundlegend dazu Golczewski S 552f Fischer S 163 Golczewski S 552f Remer S 87 Remer S 89 Wetzlarer Anzeiger Nr 215 vom 14 September 1914 und Nr 216 vom 15 September 1914 Remer S 97 Golczewski S 559 Golczewski S 559 Remer S 105 f Remer S 115 Landesamt fur Denkmalpflege Hessen Hrsg Ukrainerfriedhof In DenkXweb Online Ausgabe von Kulturdenkmaler in Hessen50 547333333333 8 5383888888889 Koordinaten 50 32 50 4 N 8 32 18 2 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kriegsgefangenenlager Bublingshausen amp oldid 208915200