www.wikidata.de-de.nina.az
Kategorizitat ist ein Begriff aus der Modelltheorie einem Teilgebiet der mathematischen Logik Eine Theorie heisst kategorisch in einer bestimmten unendlichen Machtigkeit wenn sie im Wesentlichen nur ein Modell dieser Machtigkeit hat Die Bezeichnung kategorisch stammt von Oswald Veblen der sie von Kant entlehnte 1 Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen 2 Satz von Morley 3 Satz von Ryll Nardzewski 4 Kriterium von Vaught 5 Beispiele 5 1 ℵ0 kategorisch und ℵ1 kategorisch Tautologien 5 2 ℵ0 kategorisch und nicht ℵ1 kategorisch Dichte Ordnungen 5 3 Nicht ℵ0 kategorisch und ℵ1 kategorisch 5 3 1 Algebraisch abgeschlossene Korper 5 3 2 Q Vektorraume 5 4 Nicht ℵ0 kategorisch und nicht ℵ1 kategorisch Diskrete Ordnungen 5 5 Eine nicht vollstandige aber kategorische Theorie ohne endliche Modelle 6 Verallgemeinerungen 7 EinzelnachweiseDefinitionen BearbeitenZur Prazisierung verstehen wir unter einer Theorie eine Menge T displaystyle T nbsp von Satzen das heisst Aussagen ohne freie Variable einer Sprache LIS displaystyle L I S nbsp der Pradikatenlogik erster Stufe die unter der Folgerungsrelation displaystyle vDash nbsp abgeschlossen ist das heisst fur jeden Satz f displaystyle varphi nbsp folgt aus T f displaystyle T vDash varphi nbsp bereits f T displaystyle varphi in T nbsp Ist F LIS displaystyle Phi subset L I S nbsp so ist die Menge F f LIS f Satz F f displaystyle Phi vDash varphi in L I S varphi mbox Satz Phi vDash varphi nbsp aller aus F displaystyle Phi nbsp herleitbaren Satze ein Beispiel fur eine Theorie Hat man eine Theorie T displaystyle T nbsp mit unendlichen Modellen so gibt es nach dem Satz von Lowenheim Skolem auch Modelle beliebiger unendlicher Machtigkeit insbesondere sind nicht je zwei Modelle notwendigerweise isomorph Es konnte aber der Fall eintreten dass die Theorie zu einer vorgegebenen unendlichen Kardinalzahl k displaystyle kappa nbsp bis auf Isomorphie genau ein Modell der Machtigkeit k displaystyle kappa nbsp hat Dann nennt man die Theorie k displaystyle kappa nbsp kategorisch Satz von Morley Bearbeiten Hauptartikel Satz von Morley Modelltheorie Ein wichtiges Resultat ist folgender auf Michael D Morley zuruckgehender Satz Ist T displaystyle T nbsp eine abzahlbare Theorie die k displaystyle kappa nbsp kategorisch ist fur ein uberabzahlbares k displaystyle kappa nbsp so ist sie k displaystyle kappa nbsp kategorisch fur jedes uberabzahlbare k displaystyle kappa nbsp 2 Es gibt fur eine abzahlbare Theorie daher nur vier Moglichkeiten in Bezug auf die Kategorizitat Diese kommen tatsachlich alle vor wie durch unten angegebene Beispiele belegt wird Satz von Ryll Nardzewski BearbeitenDer Satz von Ryll Nardzewski charakterisiert ℵ0 displaystyle aleph 0 nbsp kategorische Theorien Er sagt dass abzahlbare Theorien genau dann ℵ0 displaystyle aleph 0 nbsp kategorisch sind wenn die Menge der Typen uber jeder endlichen Mengen endlich ist Kriterium von Vaught BearbeitenEine wichtige Anwendung des hier vorgestellten Begriffs ist das Kriterium von Vaught auch Los Vaught Test das eine hinreichende aber nicht notwendige Bedingung zur Vollstandigkeit einer Theorie darstellt Ist T LIS displaystyle T varsubsetneq L I S nbsp eine abzahlbare Theorie ohne endliche Modelle die k displaystyle kappa nbsp kategorisch ist fur eine Kardinahlzahl k displaystyle kappa nbsp so ist diese Theorie vollstandig In einer allgemeineren Form lautet es Ist T LIS displaystyle T varsubsetneq L I S nbsp eine Theorie ohne endliche Modelle die k displaystyle kappa nbsp kategorisch ist fur eine Kardinahlzahl die mindestens so gross ist wie die Machtigkeit der Signatur so ist diese Theorie vollstandig Beide Aussagen sind Korollare zum Satz von Lowenheim Skolem Als wichtiges Anwendungsbeispiel erhalten wir die Vollstandigkeit der Theorie der algebraisch abgeschlossenen Korper der Charakteristik 0 oder p displaystyle p nbsp Beispiele Bearbeitenℵ0 kategorisch und ℵ1 kategorisch Tautologien Bearbeiten Ein sehr einfaches Beispiel ist die Menge aller Tautologien der Sprache LI LI displaystyle L I L I emptyset nbsp das heisst die Menge displaystyle emptyset vDash nbsp aller Satze die keiner weiteren Voraussetzungen bedurfen Die Modelle zur Machtigkeit k displaystyle kappa nbsp sind nichts weiter als die Mengen der Machtigkeit k displaystyle kappa nbsp und die Isomorphismen sind genau die bijektiven Abbildungen Daher sind je zwei Modelle derselben Machtigkeit isomorph das heisst die Theorie der Tautologien ist k displaystyle kappa nbsp kategorisch ℵ0 kategorisch und nicht ℵ1 kategorisch Dichte Ordnungen Bearbeiten Die Theorie der dichten linearen Ordnung ohne Extrema besteht aus allen Aussagen der Sprache LI lt displaystyle L I lt nbsp die in Q displaystyle mathbb Q nbsp gelten Man kann zeigen dass zwei abzahlbare Modelle isomorph sind Allerdings ist R displaystyle mathbb R nbsp nicht isomorph zu R Q displaystyle mathbb R times mathbb Q nbsp mit der lexikografischen Ordnung da bei letzterem Modell zwischen zwei Punkten nicht immer uberabzahlbar viele Punkte liegen Die Theorie ist daher ℵ0 displaystyle aleph 0 nbsp kategorisch aber nicht kategorisch in uberabzahlbaren Kardinalzahlen Nicht ℵ0 kategorisch und ℵ1 kategorisch Bearbeiten Algebraisch abgeschlossene Korper Bearbeiten Die Theorie der algebraisch abgeschlossenen Korper kann in der Sprache LI 0 1 displaystyle L I 0 1 cdot nbsp durch eine Menge F displaystyle Phi nbsp von Axiomen beschrieben werden die neben den ublichen Korperaxiomen noch die unendliche Reihe von Axiomen y0y1 yn 1 x xn yn 1 xn 1 y1 x y0 0 displaystyle forall y 0 y 1 ldots y n 1 exists x x n y n 1 cdot x n 1 ldots y 1 cdot x y 0 equiv 0 nbsp fur jedes n gt 0 displaystyle n gt 0 nbsp hinzunimmt was inhaltlich offenbar bedeutet dass jedes Polynom eine Nullstelle hat Dabei ist xk displaystyle x k nbsp eine abkurzende Schreibweise fur das k fache Produkt x x displaystyle x cdot ldots cdot x nbsp man beachte dass das Potenzieren nicht zur hier gewahlten Sprache gehort Dann ist F displaystyle Phi vDash nbsp die Theorie der algebraisch abgeschlossenen Korper Ferner sei fp displaystyle varphi p nbsp der Satz 1 1 0 displaystyle 1 ldots 1 equiv 0 nbsp p fache Summe von 1 p Primzahl Dann axiomatisiert Fp F fp displaystyle Phi p Phi cup varphi p nbsp die Theorie der algebraisch abgeschlossenen Korper der Charakteristik p displaystyle p nbsp und F0 F fp p Primzahl displaystyle Phi 0 Phi cup neg varphi p p mbox Primzahl nbsp die Theorie der algebraisch abgeschlossenen Korper der Charakteristik 0 Ein Modell dieser Theorien wird durch die Machtigkeit einer Transzendenzbasis bis auf Isomorphie bestimmt Fur ein Modell der Machtigkeit k displaystyle kappa nbsp mit k gt ℵ0 displaystyle kappa gt aleph 0 nbsp muss die Machtigkeit einer Transzendenzbasis schon k displaystyle kappa nbsp sein fur ein abzahlbares Modell kann die Machtigkeit der Transzendenzbasis eine beliebige endliche Zahl oder abzahlbar unendlich sein Die Theorien F0 displaystyle Phi 0 vDash nbsp und Fp displaystyle Phi p vDash nbsp sind daher ℵ1 displaystyle aleph 1 nbsp kategorisch aber nicht ℵ0 displaystyle aleph 0 nbsp kategorisch 3 Q Vektorraume Bearbeiten Q displaystyle mathbb Q nbsp Vektorraume lassen sich in der Pradikatenlogik erster Stufe durch die Signatur S 0 Q displaystyle S mathbf 0 mathbb Q nbsp beschreiben wobei 0 ein Konstantensymbol Nullvektor ein zweistelliges Funktionssymbol Vektoraddition und jedes r Q displaystyle r in mathbb Q nbsp ein einstelliges Funktionssymbol skalare Multiplikation mit r displaystyle r nbsp sei Es ist klar dass man mit diesen Symbolen die Axiome fur Q displaystyle mathbb Q nbsp Vektorraume hinschreiben kann Man beachte allerdings dass man nicht uber alle Skalarmultiplikationen r Q displaystyle r in mathbb Q nbsp quantifizieren kann man muss stattdessen mit unendlichen Folgen von Axiomen arbeiten zum Beispiel xy r xy rxry displaystyle forall x y r x y equiv rx ry nbsp fur jedes Funktionssymbol r displaystyle r nbsp was man suggestiver naturlich als xy r x y rx ry displaystyle forall x y r x y rx ry nbsp schreibt Man erhalt so die Theorie TQV F displaystyle T mathbb Q V Phi vDash nbsp wobei F displaystyle Phi nbsp die Menge aller obigen Axiome der Q displaystyle mathbb Q nbsp Vektorraume ist 4 Fur naturliche Zahlen 0 lt n lt m displaystyle 0 lt n lt m nbsp sind Qn displaystyle mathbb Q n nbsp und Qm displaystyle mathbb Q m nbsp zwei nicht isomorphe Modelle fur TQV displaystyle T mathbb Q V nbsp derselben Machtigkeit ℵ0 displaystyle aleph 0 nbsp die Theorie ist daher nicht ℵ0 displaystyle aleph 0 nbsp kategorisch TQV displaystyle T mathbb Q V nbsp ist aber k displaystyle kappa nbsp kategorisch fur jede Kardinalzahl k gt ℵ0 displaystyle kappa gt aleph 0 nbsp denn man kann zeigen dass Basen von Q displaystyle mathbb Q nbsp Vektorraumen der Machtigkeit k gt ℵ0 displaystyle kappa gt aleph 0 nbsp ebenfalls diese Machtigkeit haben und die Isomorphieklassen von Vektorraumen durch die Machtigkeit der Basis eindeutig bestimmt sind Nicht ℵ0 kategorisch und nicht ℵ1 kategorisch Diskrete Ordnungen Bearbeiten Eine Theorie die keine endlichen Modelle hat und nicht vollstandig ist ist nach dem Kriterium von Vaught s u in keiner Kardinalzahl kategorisch Eine vollstandige Theorie die in keiner Kardinalzahl kategorisch ist ist die Theorie der diskreten Ordnung ohne Extrema Sie besteht aus allen Aussagen der Sprache LI lt displaystyle L I lt nbsp die in Z displaystyle mathbb Z nbsp gelten Z Z displaystyle mathbb Z times mathbb Z nbsp und Z displaystyle mathbb Z nbsp sind zwei nicht isomorphe abzahlbare Modelle R Z displaystyle mathbb R times mathbb Z nbsp und 2w Z displaystyle 2 omega times mathbb Z nbsp sind zwei nicht isomorphe Modelle der Machtigkeit 2ℵ0 displaystyle 2 aleph 0 nbsp Jeweils mit der lexikographischen Ordnung 2w displaystyle 2 omega nbsp ist eine wohlgeordnete Ordinalzahl Eine nicht vollstandige aber kategorische Theorie ohne endliche Modelle Bearbeiten Dieses Beispiel zeigt dass im Kriterium von Vaught nicht auf die Abzahlbarkeitsvoraussetzung verzichtet werden kann Sei I displaystyle I nbsp eine uberabzahlbare Index Menge a b I displaystyle a b notin I nbsp Fur jede naturliche Zahl n displaystyle n nbsp sei f n displaystyle varphi geq n nbsp der Satz f n x1 xn 1 k lt l n xk xl displaystyle varphi geq n exists x 1 dots x n bigwedge 1 leq k lt l leq n neg x k doteq x l nbsp der aussagt dass es mindestens n displaystyle n nbsp unterschiedliche Elemente gibt Die von der uberabzahlbaren Menge ca cb ca cj ci cj ca cb ci cj i j I i j f n n N displaystyle c a doteq c b rightarrow c a doteq c j wedge c i doteq c j wedge neg c a doteq c b rightarrow neg c i doteq c j i j in I i neq j cup varphi geq n n in mathbb N nbsp erzeugte Theorie hat keine endlichen Modelle und ist w displaystyle omega nbsp kategorisch denn in einem abzahlbaren Modell mussen alle Konstanten gleich interpretiert werden Die Theorie ist aber nicht vollstandig da die Aussage ca cb displaystyle c a doteq c b nbsp weder widerlegt noch bewiesen werden kann Verallgemeinerungen BearbeitenDie Spektralfunktion I l T displaystyle mathrm I lambda mathrm T nbsp ordnet einer Theorie und einer Kardinalzahl die Anzahl der nicht isomorphen Modelle dieser Kardinalzahl zu Das Spektralproblem besteht darin die Werte dieser Funktion zu finden Es wird also nicht nur untersucht wann eine Theorie kategorisch ist sondern uberhaupt gefragt wie viele nicht isomorphe Modelle einer bestimmten Machtigkeit eine Theorie hat Einzelnachweise Bearbeiten Wilfrid Hodges First Order Model Theory In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Wolfgang Rautenberg Einfuhrung in die Mathematische Logik Vieweg Teubner Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 8348 0578 2 Bemerkung nach Kapitel 5 2 Wolfgang Rautenberg Einfuhrung in die Mathematische Logik Vieweg Teubner Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 8348 0578 2 Bemerkung nach Kapitel 5 2 Beispiel 4 Wolfgang Rautenberg Einfuhrung in die Mathematische Logik Vieweg Teubner Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 8348 0578 2 Bemerkung nach Kapitel 5 5 Satz 5 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kategorizitat amp oldid 223847449