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Als Idiopragieformel von griechisch ἰdiopragia idiopragia Betreiben seiner eigenen Angelegenheiten bezeichnet man in der modernen philosophiegeschichtlichen Fachliteratur die von Platon stammende Definition der Gerechtigkeit Danach besteht Gerechtigkeit darin dass jeder nur seine eigenen Aufgaben erfullt Inhaltsverzeichnis 1 Platons Begriffsverwendung 2 Idiopragie als Gerechtigkeit 3 Literatur 4 AnmerkungenPlatons Begriffsverwendung BearbeitenDas Wort Idiopragie ist wohl von Platon neu gepragt worden 1 Platons Begriffsverwendung unterscheidet sich aber fundamental von der modernen Das Wort ist bei ihm nur an einer einzigen Stelle im Dialog Nomoi belegt 2 Dort verwendet er es nicht zur Bezeichnung der Gerechtigkeit sondern in einem gegenteiligen negativen Sinn Betreiben eigener Angelegenheiten als Tatigkeit eines egoistischen Machthabers der seine personlichen Interessen auf Kosten des Gemeinwohls verfolgt Solche Idiopragie ist fur Platon der Inbegriff der Ungerechtigkeit Erst in der modernen Fachliteratur hat Idiopragie die entgegengesetzte Bedeutung angenommen Betreiben eigener Angelegenheiten im Sinne einer gerechten Beschrankung auf den eigenen Zustandigkeitsbereich also eines Verzichts auf Ubergriffe Diese Wortbedeutung gibt zwar Platons Vorstellung von Gerechtigkeit wieder steht aber in scharfem Gegensatz zu seiner Verwendung des Begriffs Idiopragie Idiopragie als Gerechtigkeit BearbeitenPlaton erlautert sein Gerechtigkeitskonzept in seinem Dialog Politeia Nach seinem heute als Idiopragieformel bezeichneten Grundsatz ist innerhalb einer Ganzheit des Kosmos des Staats oder der Seele dann Gerechtigkeit gegeben wenn zwischen den Teilen der Ganzheit ein angemessenes naturgemasses Verhaltnis besteht Dies ist dann der Fall wenn jeder Teil nur genau die Funktion erfullt die ihm gemass seiner besonderen Beschaffenheit zukommt Dazu gehort insbesondere dass der von Natur aus zur Lenkung des Ganzen befahigte Teil tatsachlich die Fuhrung ubernimmt und dass sich ihm die ubrigen Teile unterordnen Wenn ein Teil sich etwas anmasst was ihm von Natur aus nicht zusteht und sich in fremde Zustandigkeiten einmischt resultieren Zerwurfnis Unordnung und Verwirrung Das ist Ungerechtigkeit Wenn jeder Teil seiner spezifischen Bestimmung nachkommt erhalt das Ganze einen harmonischen Charakter und kann seinerseits seine Bestimmung als Ganzes optimal erfullen 3 Im Kosmos dessen Bestandteile ein weiser Schopfer der Demiurg umsichtig geordnet hat ist die Gerechtigkeit auf vorbildliche Weise eingerichtet 4 Dem Menschen obliegt es in seinem Zustandigkeitsbereich ebenfalls die optimale Ordnung unter den einzelnen Elementen zu verwirklichen Dies gilt sowohl fur das Verhaltnis der verschiedenen Teile der menschlichen Seele untereinander als auch fur die Beziehungen zwischen den Staatsburgern in der Polis 5 In dem utopischen vom Gerechtigkeitsprinzip geleiteten Idealstaat den Platon im Dialog Politeia schildert ist Gerechtigkeit im Sinne der Idiopragieformel durch die Standeordnung verwirklicht Die Burgerschaft ist in drei Stande gegliedert den Handwerker und Bauernstand den Stand der Wachter und den Stand der Philosophenherrscher Jeder Burger erfullt nur die Aufgaben die seinem Stand entsprechen Die Standeszugehorigkeit ist nicht erblich sondern jeder wird dem Stand zugeteilt der seiner Veranlagung und Befahigung entspricht Wenn jeder sich an die Idiopragieformel halt kommen alle Ertrage der Arbeit reichlicher schoner und leichter zustande 6 Davon profitiert sowohl das Gemeinwesen als auch der einzelne Burger Aristoteles kritisiert zwar Platons Entwurf eines Idealstaats stimmt aber der Idiopragieformel grundsatzlich zu indem er feststellt dass in einem optimal eingerichteten Staat jeder Burger die ihm zugewiesene Aufgabe gut verrichten musse 7 Literatur BearbeitenOtfried Hoffe Zur Analogie von Individuum und Polis Buch II 367a 374d In Otfried Hoffe Hrsg Platon Politeia 3 Auflage Akademie Verlag Berlin 2011 ISBN 978 3 05 004978 6 S 51 69Anmerkungen Bearbeiten Klaus Schopsdau Platon Nomoi Gesetze Buch VIII XII Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2011 S 348 Platon Nomoi 875b Platon Politeia 433a 435c 443b 444d Zum kosmischen Vorbild siehe Platon Timaios 89d 90d Siehe dazu Thomas Szlezak Psyche Polis Kosmos In Enno Rudolph Hrsg Polis und Kosmos Darmstadt 1996 S 26 42 Fur Einzelheiten der Analogie zwischen Polis und Seele siehe Norbert Blossner Dialogform und Argument Stuttgart 1997 S 152 213 und Otfried Hoffe Zur Analogie von Individuum und Polis Buch II 367a 374d In Otfried Hoffe Hrsg Platon Politeia 3 Auflage Berlin 2011 S 51 69 Fur den Zusammenhang zwischen kosmischer und menschlicher Ordnung siehe Tatjana Alekniene Kosmios kai theios In Freiburger Zeitschrift fur Philosophie und Theologie 46 1999 S 369 387 Platon Politeia 370c Aristoteles Politik 1276b Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Idiopragieformel amp oldid 238166014