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Ibn ar Rawandi mit vollem Namen Abu l Hasan Ahmad ibn Yahya ibn Ishaq ar Rawandi arabisch أبو الحسن أحمد بن يحيى بن إسحاق الراوندي DMG Abu l Ḥasan Aḥmad b Yaḥya b Isḥaq ar Rawandi war ein islamischer Theologe des 9 Jahrhunderts der zunachst zur Muʿtazila gehorte sich dann aber von deren Lehre abwandte und Werke verfasste in denen er kritische Einwande nicht nur gegen die muʿtazilitische Theologie sondern auch gegen den Islam und die Offenbarungsreligionen insgesamt vortrug Die spateren islamischen Theologen betrachteten ihn als Haretiker Seine Werke sind nur aus Zitaten in Werken die zu seiner Widerlegung abgefasst wurden bekannt In der westlichen Forschung wird Ibn ar Rawandi heute unterschiedlich bewertet Wahrend Sarah Stroumsa in ihm einen religionskritischen Freidenker sieht meint Josef van Ess dass Ibn ar Rawandi sich die in seinen Werken vorgetragenen Thesen nicht allen Ernstes zu eigen gemacht habe 1 sondern sich nur einen Spass daraus gemacht habe den selbstzufriedenen Theologen zu zeigen auf welch unsicherem Boden sie sich bewegten 2 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 2 1 Das Buch des Smaragds 2 2 Das Buch der Krone 3 Literatur 4 Trivia 5 BelegeLeben BearbeitenIbn ar Rawandis Lebensdaten sind nicht geklart bekannt ist jedoch dass er aus Chorasan stammte und sich die meiste Zeit in Bagdad aufhielt 3 Nach seinem Bruch mit der Muʿtazila Schule wandte er sich zunachst der Schia zu und verkehrte dann in dem Kreis des dem Manichaismus nahestehenden Denkers Abu ʿisa al Warraq 4 Er verliess Bagdad wohl um einer Verfolgung zu entgehen Werke BearbeitenDas Buch des Smaragds Bearbeiten Von Ibn ar Rawandis Buchern hat vor allem das Buch des Smaragds Kitab az Zumurrud grossere Bekanntheit erlangt in dem seine rationalistische und religionskritische Position besonders heftig zum Ausdruck kommt Ibn ar Rawandi negierte in diesem Buch die Existenz prophetischer Offenbarung und ruhrte damit an einem Grundpfeiler des Islams Paul Kraus hat dieses Werk aus Zitaten in der alteren Literatur rekonstruiert Die meisten Textstellen aus dieser Schrift entdeckte er in der Predigtsammlung von al Muʾaiyad fi d Din asch Schirazi dem obersten Fuhrer der ismailitischen Daʿwa zur Zeit des fatimidischen Kalifen al Mustansir Dessen Schriften traten zu Anfang des 20 Jahrhunderts in einer indischen Privatbibliothek zutage Weitere Zitate fand Kraus bei den Gelehrten Ibn al Dschauzi und Abu l Husain al Chayyat Aus diesen Fragmenten versuchte Kraus die ursprungliche Komposition der Schrift zu erschliessen wobei er zu folgendem Ergebnis kam das Buch war in drei Hauptteile gegliedert wovon der erste den Primat der Vernunft vor der Offenbarung herausstellen sollte Im zweiten wurde Kritik am Islam vorgebracht Ein dritter Teil der die These vom ursprunglichen der die These vom prophetischen Ursprung der menschlichen Begabungen widerlegen sollte schloss das Buch ab Die Gedanken werden in der Form von Rede und Gegenrede zwischen Vertretern der Brahmanen und der Muslime vorgebracht Gegen die Offenbarungsreligionen ganz allgemein war wohl die im ersten Teil vorgebrachte Aussage uber die Propheten gerichtet wo es heisst Es steht fest dass die Vernunft die grosste Wohltat Gottes ist Wenn daher der Gesandte gekommen ist um das Urteil uber Gut und Bose die Verpflichtung und das Verbot die schon an und fur sich in der Vernunft gegeben sind zu bestatigen so sind wir dessen ledig uns um seine Autoritat zu kummern und seiner Mission Folge zu leisten Denn durch das was in der Vernunft gegeben ist konnen wir jenes entbehren 5 Der Ausgangspunkt der Ausfuhrungen Ibn ar Rawandis ist also die menschliche Vernunft an deren Massstab die Offenbarung gemessen und anschliessend fur uberflussig erklart wird Im dritten Teil des Buches geht Ibn ar Rawandi gegen die verbreitete Auffassung an dass die Menschen Musik Astronomie und Sprachen von Gott uber die Propheten durch ubermenschliche Belehrung empfangen haben 6 Am blasphemischsten hat auf rechtglaubige Muslime wahrscheinlich der zweite Teil gewirkt in dem Ibn ar Rawandi zu scharfen Angriffen gegen die islamischen Kultvorschriften und die Lehre von Mohammeds Wundern ausholt Diese Wunder galten schon fruhzeitig als ein wichtiger Beweis seiner Prophetie und standen gerade in der ersten Halfte des 9 Jahrhunderts im Mittelpunkt der theologischen Diskussion 7 So fragt Ibn ar Rawandi zum Beispiel wo denn die Engel am Tag der Schlacht von Uhud geblieben seien als Mohammed halbtot bedeckt von Erschlagenen dalag und warum sie ihm in dieser Situation nicht zu Hilfe kamen 8 Auch den Koran kritisierte Ibn ar Rawandi und erklarte die Sprache altarabischer Dichter stehe hoher als die seinige Er ging sogar soweit zu behaupten es seien Sprachfehler im Koran 9 Im gleichen Teil bemangelt Ibn ar Rawandi auch die islamische Uberlieferungstradition und den Idschmaʿ Konsens der Gemeinde und spricht ihnen jeglichen Wert fur die Rechtsfindung ab Er fuhrt sie durch den Hinweis ad absurdum dass die in einer religiosen Frage oder in einer Uberlieferung ubereinstimmenden Muslime nur eine verachtlich kleine Schar seien im Vergleich zu der Gesamtheit der anderen Religionsgemeinschaften 10 Ibn ar Rawandi soll sein Buch deswegen Buch des Smaragds genannt haben weil der Smaragd die Eigenschaft haben soll dass die Ottern und alle ubrigen Schlangen wenn sie ihn sehen blind werden Seine Absicht so wird von ihm uberliefert sei es gewesen mit seinen Zweifeln die er in seinem Buch niedergelegt habe die Argumente seiner Gegner auf die gleiche Weise blind zu machen 11 Auch wenn die scharfe Kritik des Ibn ar Rawandi in einigen Punkten Parallelen zu der Haltung anderer Muʿtaziliten aufweist so erregte er doch damit grosses Aufsehen bei seinen Zeitgenossen und auch bei den folgenden Generationen Dies lasst sich besonders deutlich an der Zahl der gegen ihn gerichteten Widerlegungsschriften ablesen Kraus 12 zahlt insgesamt 14 Autoren die gegen ihn schriftlich polemisiert haben darunter solch namhafte Gelehrte wie al Kindi Abu l Hasan al Aschʿari al Farabi und Alhazen Das Bild das Paul Kraus anhand der von ihm edierten Zumurrud Fragmente von Ibn ar Rawandi gezeichnet hat wurde spater von Josef van Ess in Frage gestellt Er hatte andere Ibn ar Rawandi Zitate bei Abu Mansur al Maturidi und Qadi ʿAbd al Dschabbar gefunden in denen Ibn ar Rawandi als Verteidiger der Prophetie erscheint Hieraus schloss er dass auch im Zumurrud Buch nicht die Aussagen der prophetiefeindlichen Brahmanen Ibn ar Rawandi zugerechnet werden mussen sondern diejenigen der Muslime die die Prophetie verteidigen 13 Allerdings hat er sich mit dieser Sichtweise auf Ibn ar Rawandi in der Wissenschaft bisher nicht durchgesetzt Sarah Stroumsa Daniel de Smet und Ilkka Lindstedt die sich in den letzten Jahren mit Ibn ar Rawandi beschaftigt haben halten weiter daran fest dass er ein anti religioser Freidenker war Das Buch der Krone Bearbeiten Ein weiteres Werk Ibn ar Rawandis war das Buch der Krone Kitab at Taǧ Darin kritisierte er den Gottesbeweis des Muʿtaziliten Abu l Hudhail der von der Verganglichkeit der Akzidentien auf die Notwendigkeit der Existenz Gottes geschlossen hatte Hiergegen wandte Ibn ar Rawandi ein dass die Verganglichkeit der Akzidenzien nicht unbedingt die Verganglichkeit der Korper einschliesse vielmehr gabe es gute Grunde die fur die Ewigkeit der Korper sprachen denn aus nichts konne auch nichts hervorgehen Dies hat Ibn ar Rawandi spater den Ruf eingetragen die ketzerische Lehre von der Ewigkeit der Welt qidam al ʿalam zu vertreten 14 Literatur BearbeitenJosef van Ess Theologie und Gesellschaft im 2 und 3 Jahrhundert Hidschra Eine Geschichte des religiosen Denkens im fruhen Islam Band IV Berlin New York 1997 S 295 352 Josef van Ess Ibn ar Rewandi or the Making of an Image in Al Abhath Beirut 27 1978 79 5 26 Josef van Ess Al Farabi und Ibn al Rewandi in Hamdard Islamicus 3 4 1960 3 15 Mehmet Karabela Ibn al Rawandi in Ibrahim Kalin Hrsg The Oxford Encyclopedia of Philosophy Science and Technology in Islam New York Oxford University Press 2014 Paul Kraus Beitrage zur Islamischen Ketzergeschichte Das Kitab az Zumurrid des Ibn ar Rawandi in Rivista degli Studi Orientali 14 1933 34 94 129 335 379 Ilkka Lindstedt Anti Religious Views in the Works of Ibn al Rawandi and Abu l Ala al Ma arri in Studia Orientalia 2011 111 131 158 Daniel De Smet Al Mu ayyad fi d Din as Sirazi et la polemique ismaelienne contre les Brahmanes d Ibn ar Rawandi in Urbain Vermeulen Daniel De Smet eds Egypt and Syria in the Fatimid Ayyubid and Mamluk Eras Orientalia Lovaniensia Analecta 73 Louvain 1995 S 85 97 Sarah Stroumsa Freethinkers in medieval Islam Ibn al Rawandi Abu Bakr al Razi and their impact on Islamic Thought Brill Leiden 1999 Trivia BearbeitenIbn ar Rawandi und seine Lehren spielen eine Rolle in dem Roman von Agnes Imhof Das Buch des Smaragdes Piper Munchen 2006 Belege Bearbeiten Vgl van Ess TuG IV 336 Vgl van Ess TuG IV 343 Vgl van Ess TuG IV 295 300 Vgl dazu Stroumsa 40 46 Kraus 111 unter Punkt 3 Vgl Kraus 116 Vgl Kraus 124 Vgl Kraus 116 Punkt 13 Vgl Kraus 119 Vgl Kraus 115 Punkt 12 Vgl Kraus 119 Punkt 21 S 360ff Vgl van Ess 315 335 Vgl van Ess TuG IV 335f Normdaten Person GND 102413304 lobid OGND AKS LCCN n99833056 VIAF 79259027 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Ibn ar RawandiALTERNATIVNAMEN Abu l Hasan Ahmad ibn Yahya ibn Ishaq ar Rawandi أبو الحسن أحمد بن يحيى بن إسحاق الراوندي arabisch KURZBESCHREIBUNG Haretiker und Kritiker des IslamGEBURTSDATUM um 825GEBURTSORT ChorasanSTERBEDATUM 9 Jahrhundert oder 10 Jahrhundert Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ibn ar Rawandi amp oldid 214688620