Die Rede Adolf Hitlers vor dem Deutschen Reichstag am 1. September 1939 wurde von Hitler aus Anlass des deutschen Überfalls auf Polen gehalten. In ihr begründete Hitler den Angriff auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg in Europa begann. Aus der Rede stammt auch das bekannte Zitat „Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen!“.
Allgemein Bearbeiten
Die Sitzung wurde drei Uhr in der Frühe einberufen und begann um 10 Uhr in der Krolloper. Hitler trug statt der üblichen braunen Parteiuniform Feldgrau. 100 Abgeordnete konnten an der Sitzung nicht teilnehmen. Die Rede wurde im Großdeutschen Rundfunk übertragen. Sie wurde auch über Lautsprecher nach draußen übertragen, wo sich einige hundert Menschen versammelten.
In der Pressekonferenz der Reichsregierung am selben Tag, erging an die versammelten Journalisten die Sprachregelung: „Keine Überschriften, in denen das Wort Krieg enthalten ist! Nach der Rede des Führers schlagen wir nur zurück.“
Inhalt Bearbeiten
Hitler sprach kürzer als gewöhnlich. Hitler suchte in einer längeren Darstellung die Genese des Kriegsausbruchs darzustellen und die Schuld der polnischen Seite zuzuschreiben. Er begann seine Rede damit, das alle Deutschen unter der durch den „Versailler Diktat“ geschaffenen Freien Stadt Danzig und dem Danziger Korridor leiden würden. Hitler beklagte die durch das „Versailler Diktat“ geschaffenen „unerträglichen Zustände“ für Deutschland und das deutsche Volk. Er habe durch „friedliche Vorschläge“ oftmals versucht, diese Zustände zu ändern, was von Polen abgelehnt worden sei. Anschließend behauptete er, dass Polen seit Monaten einen Kampf gegen die Freie Stadt Danzig führe und dass die deutsche Minderheit in Polen entrechtet und misshandelt werde. Laut Hitler habe es in der letzten Zeit immer wieder „Grenzzwischenfälle“ gegeben und in der Nacht vor seiner Rede habe es drei sehr schwere Grenzzwischenfälle gegeben. Mit den drei schweren waren nach Lothar Gruchmann offensichtlich, der in Wirklichkeit von der SS vorgetäuschte, Überfall auf den Sender Gleiwitz, und die ebenso fingierten Anschläge auf das Zollhaus Hochlinden (Kreis Ratibor) und das Forthaus Pitschen (Kreis Kreuzburg in Oberschlesien) gemeint. Anschließend äußerte er Unverständnis darüber, dass sich die westeuropäischen Staaten – gemeint waren Großbritannien und Frankreich – in den Konflikt einmischten. Außerdem dankte er dem faschistischen Italien, das ihn die ganze Zeit unterstützt habe. Im Anschluss lobte er den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt und begründete ihn zum einen damit, dass weder Deutschland noch die Sowjetunion vorhätten, ihre Ideologie in das jeweils andere Land zu exportieren, und zum anderen damit, dass „Russland und Deutschland im Weltkrieg gegeneinander gekämpft [hatten] und dass beide letzten Endes die Leidtragenden“ gewesen seien. Anschließend erklärte er, dass die Wehrmacht „nicht den Kampf gegen Frauen und Kinder“ führen wolle und dass die Luftwaffe sich auf militärische Ziele beschränken wolle; Polen solle daraus aber keinen Freibrief ableiten.
Hitler sprach von seiner „Friedensliebe“ und seinem „endlosen Langmut“ die nun zu Ende seien.
Es folgte der wohl bekannteste Teil der Rede:
„Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten! Wer mit Gift kämpft, wird mit Giftgas bekämpft. Wer selbst sich von den Regeln einer humanen Kriegsführung entfernt, kann von uns nichts anderes erwarten, als dass wir den gleichen Schritt tun. Ich werde diesen Kampf, ganz gleich, gegen wen, so lange führen, bis die Sicherheit des Reiches und bis seine Rechte gewährleistet sind.“
Unter stürmischem Beifall erklärte Hitler, dass Deutschland deutlich besser auf den Krieg vorbereitet sei als 1914, und dass es niemals kapitulieren werde. Er sagte sogar, dass er entweder siegen oder das Kriegsende nicht erleben werde.
Als seine Ziele gab er an:
„Ich bin entschlossen: 1. die Frage Danzig, 2. die Frage des Korridors zu lösen und 3. dafür zu sorgen, daß im Verhältnis Deutschlands zu Polen eine Wendung eintritt, die ein friedliches Zusammenleben sicherstellt!“
Er beschwor die am besten ausgerüstete Armee der Welt. Trotz der sonst in Rüstungsfragen geübten strengen Geheimhaltung gab Hitler dabei die für die Aufrüstung der Wehrmacht aufgewandte Summe bekannt:
„Über sechs Jahre habe ich nun am Aufbau der deutschen Wehrmacht gearbeitet. In dieser Zeit über 90 Milliarden für den Aufbau unserer Wehrmacht aufgewendet worden. Sie ist heute die am besten ausgerüstete der Welt und steht weit über jedem Vergleich mit der des Jahres 1914!“
Ferner ernannte er Hermann Göring und Rudolf Heß zu seinen Nachfolgern, falls ihm etwas zustoßen sollte.
Am Ende der Rede wies Hitler die Reichstagsabgeordneten darauf hin, dass sie für die Stimmung in ihrem Gebiet verantwortlich seien. Vor stehendem Plenum schloss er die Rede:
„Wenn wir diese Gemeinschaft bilden, eng verschworen, zu allem entschlossen, niemals gewillt zu kapitulieren, dann wird unser Wille jeder Not Herr werden. Ich schließe mit dem Bekenntnis, das ich einst aussprach, als ich den Kampf um die Macht im Reich begann. Damals sagte ich: Wenn unser Wille so stark ist, dass keine Not ihn mehr zu zwingen vermag, dann wird unser Wille und unser deutscher Stahl auch die Not meistern! Deutschland – Sieg Heil!“
Gegenüber Frankreich und Großbritannien äußerte er nichts ausdrückliches Feindseliges. Hitler blickte mehrmals während der Rede in die Diplomatenloge, wo Vertreter der beiden Länder saßen.
Nach Abschluss der Rede bekam Hitler stehende Ovationen.
Im Anschluss an die Rede beschloss der Reichstag einstimmig das vom NSDAP-Fraktionschef und Reichsinnenminister Wilhelm Frick eingebrachte „Gesetz zur Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem Deutschen Reich“.
Am Ende der Sitzung betonte Hermann Göring in seiner Funktion als Reichstagspräsident, das deutsche Volk sei vom Sieg in diesem Krieg überzeugt. Zum Abschluss der Sitzung wurden das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied gesungen.
Selbstinszenierung Hitlers Bearbeiten
Hitler stilisierte sich als „erste[r] Soldat des Deutschen Reiches“ Diese Rolle beruhte auf einer besonderen Nähe zur kämpfenden Truppe. Er stellte sich dabei als „Kamerad unter Kameraden“ dar, der die Mühen, Entbehrungen und Gefahren der Soldaten angeblich teilte. Als historische Vorbilder hierfür können Caesar, Alexander der Große oder Napoleon gelten, insbesondere aber auch Friedrich der Große, der seine Truppen als roi connétable ins Feld begleitete. Um seine neue Rolle optisch zu unterstreichen, legte Hitler an diesem Tag erstmals eine eigens für ihn geschneiderte feldgraue Uniform ohne Rangabzeichen an. Dazu sagte er:
„Ich habe damit wieder jenen Rock angezogen, der mir einst selbst der heiligste und teuerste war. Ich werde ihn nur ausziehen nach dem Sieg, oder ich werde dieses Ende nicht erleben!“
Zwei Tage später, am 3. September 1939, begab sich Hitler in seinem Sonderzug nach Polen, um seine neue Rolle als „erster Soldat“ durch eine Reihe sogenannter „Frontfahrten“ im September und Oktober 1939 mit Leben zu füllen.
Bewertung Bearbeiten
Für Jochen Böhler war es aus historischer Distanz betrachtet eine Komödie, die der „Führer“ der Weltöffentlichkeit vorspielte, in dem er behauptete er sei bis zum Schluss zum Einlenken bereit gewesen, aber die polnische Seite habe mit Grenzverletzungen geantwortet. Nichtsdestotrotz glaubten ihm viele Reichsbürger die am Volksempfänger lauschten jedes Wort.
Für Hermann Graml erwähnte Hitler, in der mit Lügen und Verdrehungen vollgestopften Rede, in der nicht mal die Uhrzeit 5:45 stimmte, nur seltsam beiläufig den Überfall auf den Sender Gleiwitz und den 16-Punkte-Plan.
Nach Willi A. Boelcke ist die Zahl von 90 Milliarden Reichsmark die Hitler für die aufgewandte Summe für die Aufrüstung nannte, nicht völlig aus der Luft gegriffen, wenn man darunter die Gesamtkosten der Militarisierung und Mobilisierung von Wirtschaft und Gesellschaft für den Kriegseinsatz begreift. Nach Hitlers Vorstellungen dienten im Grunde alle Ausgabensteigerungen seit 1933 der Aufrüstung, und dabei kam man tatsächlich rein rechnerisch auf die Summe von 90 Milliarden.
Literatur Bearbeiten
- Christoph Raichle: Hitler als Symbolpolitiker. Kohlhammer, Stuttgart 2014. ISBN 978-3-17-025193-9
Weblinks Bearbeiten
- „Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen“ – Hitler erklärt Kriegsbeginn und Pakt mit Stalin. In: SWR2 Archivradio. 1. September 2022 .
- Adolf Hitler: Rede vor dem Reichstag am 1. September 1939, Volltext Georg Elser-Arbeitskreis
- Verhandlungen des Deutschen Reichstags 4. Wahlperiode 1939, Sitzung vom 1. September 1939 reichstagsprotokolle.de
- Adolf Hitler, Erklärung der Reichsregierung vor dem Deutschen Reichstag, 1. September 1939 auf 1000dokumente.de
- Tondokument in zwei Teilen auf der Website des Imperial War Museum
Fußnoten Bearbeiten
- ↑ Adolf Hitler: Rede vor dem Reichstag am 1. September 1939, Volltext Georg Elser-Arbeitskreis, abgerufen am 13. November 2023
- ↑ Richard Overy: Die letzten zehn Tage. Europa am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. München 2009, S. 74 ff.
- ↑ Ralf Georg Reuth: Hitler. Eine politische Biographie. München 2005, S. 457 f.
- Wolfram Wette: Ideologien, Propaganda und Innenpolitik als Voraussetzungen der Kriegspolitik des Dritten Reiches. In: Wilhelm Deist, Manfred Messerschmidt, Hans-Erich Volkmann, Wolfram Wette: Ursachen und Voraussetzungen des Zweiten Weltkriegs. Frankfurt am Main 1989, S. 164.
- ↑ Manfred Overesch: Das III. Reich 1939-1945. Ein Tageschronik der Politik • Wirtschaft • Kultur. Augsburg 1991, S. 9.
- Lothar Gruchmann: Der Zweite Weltkrieg. Kriegführung und Politik. München 2005, S. 22.
- Zit. n. Rolf-Dieter Müller: Hitlers Wehrmacht 1935 bis 1945. München 2012, S. 160.
- ↑ Willi A. Boelcke: Die Kosten von Hitlers Krieg. Kriegsfinanzierung und finanzielles Kriegserbe in Deutschland 1933-1948. Paderborn 1985, S. 26 f.
- Jochen Böhler: Der Überfall. Deutschlands Krieg gegen Polen. Frankfurt am Main 2009, S. 71.
- Hermann Graml: Europas Weg in den Krieg. München 1990, S. 303.