www.wikidata.de-de.nina.az
Das unter dem Namen Grashaus bekannte Gebaude am Fischmarkt in Aachen ist nicht nur eines der altesten Hauser der Stadt sondern als erstes Aachener Rathaus auch von historischer Bedeutung Es wurde im Jahre 1267 fertiggestellt steht aber vermutlich auf noch alteren Grundmauern aus eventuell karolingischer Zeit Den Namen verdankt das Grashaus dem Gras einem mittelalterlichen Dorfanger auf dem sowohl Hinrichtungen als auch Volksfeste und angeblich auch die Beerdigungen der Hingerichteten stattfanden Grashaus Aachen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Aktuelles 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Erbauung fiel in eine Zeit gesellschaftlicher Veranderungen Die aufstrebende durch den Handel und die Herstellung von Tuchen reich gewordene Burgerschaft forderte von den in Aachen regierenden Kaisern und Konigen ab dem 12 Jahrhundert zunehmend Mitspracherechte ein Am 8 Januar 1166 kam es zur Verleihung der Stadtrechte durch Kaiser Friedrich I Barbarossa und auf Basis des so genannten Karlsprivilegs zu einer Befreiung samtlicher Einwohner von der Lehnshorigkeit sowie zur Zollfreiheit im Aachener Reich Ab dem Jahr 1250 ubernahm schliesslich ein Stadtrat mit zwei Burgermeistern an seiner Spitze die Verwaltungsgeschafte des koniglichen Schoffenstuhls der fortan vor allem fur die Gerichtsbarkeit zustandig war Die damit verbundene Errichtung eines Rathauses burgerhuys auch domus civium und burger grass genannt hatte also auch einen symbolischen Charakter und es war zugleich ein Ausdruck des Selbstbewusstseins einer aufstrebenden Burgerschaft Dieser Bau fand daruber hinaus die Zustimmung des 1257 in Aachen gekronten Konigs Richard von Cornwall der sich mit einer grosszugigen finanziellen Spende an den Kosten beteiligte Nachdem das Grashaus als Rathaus fur die vielen feierlichen Anlasse zu klein und nicht mehr ausreichend reprasentativ geworden war errichtete der amtierende Burgermeister Gerhard Chorus Mitte des 14 Jahrhunderts auf den Grundmauern der verfallenen Konigshalle der karolingischen Kaiserpfalz das neue Aachener Rathaus Das alte Burgerhaus diente fortan neben dem bereits bestehenden koniglichen Schoffengericht am Katschhof zunachst als weitere Gerichtsstatte sowie spater bis zur franzosischen Besatzungszeit auch als Gefangnis und Richtplatz Beim grossen Stadtbrand von Aachen am 2 Mai 1656 wurde das Grashaus stark in Mitleidenschaft gezogen und einige Jahre spater umfassend restauriert Uber die damalige Raumaufteilung in seinem Inneren ist nur wenig bekannt Der Ratssaal befand sich wahrscheinlich im Obergeschoss Gelegentlich wurde auch vermutet dass das Burgerhaus aus zwei weiteren Gebauden einem Flugelbau und einem schmalen Treppenturm bestanden habe zumal bei der spateren Renovierung des stark zerfallenen Gebaudes in den Jahren 1886 bis 1889 eine zugemauerte Durchgangstur und eine in Holz geschnitzte Zeichnung entdeckt wurden Hierbei konnte es sich allerdings auch um den Zugang zu einem Abort gehandelt haben der in einem Erker untergebracht war In einem Hintergebaude befanden sich vermutlich eine Kornkammer und ein Salzlager Ursprunglich gab es neben dem heutigen vermutlich im 16 Jahrhundert vergrosserten Torbogen zwei weitere Bogenoffnungen deren Umrisse im Mauerwerk noch deutlich zu erkennen sind Der Strassenboden liegt im Verhaltnis zur alten Grundmauer des Gebaudes heutzutage etwa einen Meter hoher als im Mittelalter Spater wurden im unteren und im 18 Jahrhundert auch im oberen Teil des Gebaudes Gefangniszellen eingerichtet die nicht zuletzt aufgrund der weitgehenden Vermauerung der drei Spitzbogenfenster sehr dunkel gewesen sein mussen Die Zellen trugen oft die Namen der zum Tode Verurteilten die dort auf die Vollstreckung warteten Die Haftbedingungen waren jedoch offenbar derart katastrophal dass die franzosische Verwaltung im Grashaus keine Untersuchungshaftlinge mehr unterbringen wollte und in dem 1802 aufgelosten Kloster der Minoriten bei St Nikolaus in der Grosskolnstrasse ein neues Gefangnis einrichten liess Im oberen Mauergeschoss befinden sich sieben Blendarkaden in deren Nischen sich Statuen befinden Lange Zeit ging man davon aus dass es sich bei diesen Figuren um die alteste Darstellung der sieben Kurfursten handelte die im Mittelalter bis zur fruhen Neuzeit den romisch deutschen Kaiser gewahlt haben Doch der Historiker Armin Wolf ehemals wissenschaftlicher Referent am Max Planck Institut fur europaische Rechtsgeschichte in Frankfurt vermutet dass hier jeweils drei geistliche und weltliche Fursten abgebildet seien die Rudolf I von Habsburg im Jahr 1273 zum Konig gewahlt haben 1 Dieser stelle selbst die Figur in der Mitte dar deren Arkade die ubrigen sechs deutlich uberrage Ausserdem halte er in seiner Hand als Konigssymbol die Heilige Lanze Auch die Entstehungszeit stellt Wolf in Frage Die Statuen seien nicht wie ursprunglich angenommen im Jahr 1267 unter Konig Richard von Cornwall aufgestellt worden sondern mindestens sechs Jahre spater da der Brite lediglich drei Stimmen erhalten habe jene der Erzbischofe von Koln und Mainz sowie des Pfalzgrafen bei Rhein Fur Rudolf von Habsburg hingegen votierten gemass Wolf im Jahr 1273 sechs Kurfursten und der siebte der Konig von Bohmen Ottokar II Premysl habe selbst das romisch deutsche Konigtum beansprucht und daher an dieser Wahl nicht teilgenommen Immerhin handele es sich so Wolf bei den Statuen um die alteste bekannte Darstellung der Konigswahler Die heute vorhandenen Figuren sind allerdings lediglich Nachbauten die 1882 im Rahmen einer umfassenden Restaurierung des Figurenfrieses nach Planen des Aachener Baumeisters Robert Ferdinand Cremer ersetzt wurden wobei die Figuren selbst vom Aachener Bildhauer Wilhelm Pohl zwischen 1886 und 1889 angefertigt wurden Die Originale gelten seit Ende des Zweiten Weltkriegs als verschollen lediglich die Uberreste einer einzigen Statue lagern noch in der Burg Frankenberg nbsp Eingangstor mit altem Torbogen und Inschrift unter dem SimsNach dem Ende der franzosischen Besatzungszeit fand sich keine Verwendung mehr fur das Grashaus sodass es immer mehr zur Ruine verfiel und im Jahr 1837 sogar abgerissen werden sollte Doch Aachener Kunstfreunde veranlassten fast funfzig Jahre spater eine vollstandige Restaurierung und Renovierung Lediglich die Frontseite blieb erhalten der Rest des Gebaudes musste nach alten Vorlagen neu errichtet aber auch mit einem neuen Seitenflugel erweitert werden 2 Ebenfalls um 1888 wurde die auf einem Steinband unterhalb des Gesims zum Obergeschoss angebrachte Inschrift erneuert die laut dem Aachener Chronisten Peter von Beeck offenbar bereits 1267 unter Konig Richard von Cornwall ins Grashaus eingemeisselt wurde und den Anfang der so genannten Aachen Hymne beschreibt VRBS AQUENSIS VRBS REGALIS REGNI SEDES PRINCIPALIS PRIMA REGUM CVRIA ubersetzt Stadt der Wasser Konigsstadt Hauptsitz der Konige erster Konigshof des Reiches 3 Diese Inschrift wurde erganzt durch die Worte HANC DOMVM FECIT MAGISTER HENRICVS ANNO DOMINI MCCLX SEPTIMO REGNANTE REGE RICARDO Dieses Haus hat Meister Heinrich im Jahre des Herrn 1267 unter der Regierung Richards erbaut Nach dieser grossen Umbauphase beherbergte das Grashaus das Stadtarchiv Aachen Aktuelles BearbeitenDas Stadtarchiv wurde 2012 aus Platzgrunden in das Gebaude der ehemaligen Rheinnadel GmbH am Reichsweg verlegt Seit 2015 ist das Grashaus die Station Europa des historischen Stadtrundganges Route Charlemagne Im Grashaus befindet sich jetzt das EUROPE DIRECT Informationsburo Aachen 4 die Initiative Europaische Horizonte die Karlspreisstiftung und das Europaische Klassenzimmer 5 Literatur BearbeitenEmil Fromm Festschrift aus Anlass der Eroffnung des Bibliotheksgebaudes der Stadt Aachen In Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Band 19 Verlag der Cremerschen Buchhandlung C Cazin Aachen 1897 Digitalisat Richard Pick Das Grashaus in Aachen In ders Aus Aachens Vergangenheit Beitrage zur Geschichte der alten Kaiserstadt Aachen 1895 S 213 269 Digitalisat Carl Rhoen Zur Baugeschichte des Grashauses In Aus Aachens Vorzeit 2 1889 S 81 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Grashaus Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eintrag bei baukunst nrw Informationen auf den Seiten zur Route Charlemagne Robert Cremer Das Grass in Aachen In Zeitschrift fur Bauwesen 2 1861 Text S 225 228 Digitalisat Zeichnungen Atlas zur Zeitschrift fur Bauwesen Blatter 33 34 Digitalisat Einzelnachweise Bearbeiten Armin Wolf Wer sind die sieben Statuen am Aachener Gras Brisante Konsequenzen fur die Rechtsgeschichte in MPG Spiegel Bd 2 1987 S 9 11 Joseph Laurent Das neuerrichtete Archiv und Bibliotheksgebaude der Stadt Aachen In Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd 19 1897 Heft 1 S 1 20 digitalisat Eintrag in Deutsche Inschriften Online Website des EUROPE DIRECT Informationsburos Aachen In diesen Mauern steckt jede Menge Europa Aachener Zeitung vom 15 Januar 2015 50 774527777778 6 08275 Koordinaten 50 46 28 3 N 6 4 57 9 O Normdaten Geografikum GND 4667294 1 lobid OGND AKS VIAF 240099801 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Grashaus amp oldid 228698370