Eine Granatwaffe ist eine Schusswaffe, welche Granaten in einer größeren Entfernung, mit höherer Präzision sowie Kadenz feuert, als es von Hand eines Soldaten (siehe Handgranaten) möglich wäre. Im Unterschied zu Geschützen, welche ebenfalls Granaten verschießen, jedoch als Artilleriewaffe gelten, werden Granatwaffen von der Infanterie bzw. motorisierten Einheiten eingesetzt und sind dementsprechend kompakt, leicht und meist (in Teilen zerlegt) tragbar konstruiert.
Terminologie Bearbeiten
Unter dem Begriff Granatwaffe sammeln sich sehr viele Schusswaffen, welche in irgendeiner Art und Weise Granaten verschießen. Des Weiteren haben sich entweder die Hersteller von solchen Waffen oder die jeweiligen Waffenämter bei einer etwas anders gestalteten Granatwaffe nicht selten einen neuen Namen einfallen lassen, um sie von bestehenden Granatwaffen abzugrenzen und um die Verschussweise schon im Namen erkennbar zu machen. Weiterhin änderten sich im Laufe der Zeit die Bedeutungen von Begriffen, z. B. Mörser und Mine.
Im deutschsprachigen Raum existieren rund um die Schusswaffen, welche Granaten verschießen, die Bezeichnungen:
- Granatwaffe
- Granatwerfer
- Minenwerfer
- Mörser
- Ladungswerfer
- Granatpistole
- Granatgewehr
- Gewehrgranate
- Gewehrgranatgerät
- Gewehrgranatwerfer
- Granatkanone
- Granatmaschinenwerfer
- Granatmaschinenwaffe
- Maschinengranatwerfer
- diverse Suggestivnamen, wie z. B. 'Kampf- oder Sturmpistole', 'Schießbecher', 'Sturmbüchse'
Die Bezeichnung Granatwaffe als Oberbegriff vereint alle derartigen Waffen. Im Weiteren wird die unübliche Bezeichnung Granatkanone nicht betrachtet.
Geschichte Bearbeiten
Als Mine wird seit dem Zweiten Weltkrieg ausschließlich eine versteckte Ladung mit Selbstauslösung verstanden. In der Zeit um den Ersten Weltkrieg und früher wurden darunter auch Granaten verstanden, welche in irgendeiner Weise verschossen wurden und mit Minenwirkung explodieren. Aus diesem Grund wurden die ersten 'Vorderlader-Steilfeuergeschütze der Infanterie' auch als Minenwerfer bezeichnet; in der Schweiz bis heute noch. In Deutschland wurden ab 1914 sogenannte „Granatenwerfer“ entwickelt und eingeführt (Modelle 14, 15 und 16; auch „Priesterwerfer“ oder „Priester“ genannt) die Splittergranaten verschossen. Im Gegensatz zu den englischen Konstruktionen handelt es sich dabei aber um sogenannte Zapfenwerfer, d. h. die Granate wird nicht aus einem Rohr verschossen, sondern auf den Stiel des Werfers mit ihrem hohlen Schaft aufgesetzt.
Mit Beginn der Einführung von „Grenade Launchers“ (engl. für Granatwerfer) mit Kalibergeschossen Mitte des 20. Jahrhunderts (Bsp. M203) wurde dieser Begriff wörtlich ins deutsche übersetzt und für diese Art Waffe angewandt. Allerdings wurde bereits im deutschsprachigen Raum ein 'Vorderlader-Steilfeuergeschütz der Infanterie' als Granatwerfer bezeichnet. Es handelt sich zwar bei beiden um Granatwaffen, jedoch um völlig verschiedene Arten. Der Begriff Granatwerfer ist daher doppelt belegt.
In der Vergangenheit wurden nur großkalibrige Steilfeuergeschütze als Mörser beschrieben, die der Infanterie mit Granatwerfer (die offizielle Definition eines Granatwerfers beschreibt immer noch ein Vorderlader-Steilfeuergeschütz der Infanterie). Mit der Doppelbelegung des Begriffs Granatwerfer wurde im deutschen Raum zur besseren Abgrenzung der Begriff Mörser, wie im englischsprachigen Raum, auch auf die 'Vorderlader-Steilfeuerwaffen der Infanterie' ausgedehnt und mit Granatwerfer die handgeführten Granatwaffen beschrieben. Als 'Granatwerfer' versteht man demzufolge in unterschiedlichen Zeitepochen verschiedene Granatwaffen.
Alle anderen oben genannten Bezeichnungen entstanden in der Geschichte zur Abgrenzung der Funktion bzw. dem Aufbau der Waffe von bestehenden Waffensystemen.
Bei der Wehrmacht wurden nicht nur Granatwaffen aus Deutschland, sondern auch Beutewaffen anderer Ländern genutzt. Eine Übersicht dazu findet sich in der Liste von Granatwerfern gemäß den Kennblättern fremden Geräts D 50/3.
Differenzierung Bearbeiten
Eine Unterteilung der Granatwaffen kann nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen:
- Größe:
- tragbare Handfeuerwaffe
- nichttragbare Granatwaffe
- Schussfolge:
- Einzelschuss
- halbautomatisch
- Automatische Waffe
- Ladetyp:
- Vorderlader
- Hinterlader
- Geschossart:
- Überkalibergeschoss
- Kalibergeschoss
- Geschossstabilisierung:
- Drall (Eigenrotation)
- Flügel (Aerodynamische Leitwerke)
- Flugbahn:
- flache ballistische
- steile ballistische
Granatwaffentypen/Integrierung Bearbeiten
Mit den oben getroffenen Unterteilungen lassen sich die verschiedenen Granatwaffen in ihren Eigenschaften beschreiben und einordnen:
- Granatpistole: eigenständige Handfeuerwaffe, welche im Einzelfeuer Kalibergeschosse in relativ steiler Flugbahn verfeuert, bedingt durch die geringe Mündungsgeschwindigkeit; Hinterlader; Drallstabilisiert; Granatpistolen zählen zur Gruppe der Granatwerfer; Pistole wegen der kompakten Abmessungen; im Zweiten Weltkrieg in Deutschland auch Kampf- oder Sturmpistole genannt, wobei hier Überkalibergeschosse (Vorderlader) verwendet wurden;
- Gewehrgranate: keine Waffe, sondern eine Überkalibergeschoss; wird aus einem normalen Gewehr mit steiler Flugbahn abgefeuert; Vorderlader; der spezielle Aufsatz für das Gewehr wurde im Zweiten Weltkrieg in Deutschland offz. Gewehrgranatgerät sowie inoffz. Schießbecher genannt; eine andere Bezeichnung hierfür ist Gewehrgranatwerfer; drall- als auch flügelstabilisiert
- Granatwerfer: eigenständige Handfeuerwaffe sowie Anbauwaffe einer Handfeuerwaffe, welche im Einzelfeuer oder Halbautomatisch Kalibergeschosse in relativ flacher Flugbahn verschießt; Hinterlader; Drallstabilisiert; ein Granatgewehr ist eine frühe Form eines Granatwerfers; früher wurden Mörser als Granatwerfer bezeichnet
- automatische Granatwerfer: auch Granatmaschinenwerfer, Granatmaschinenwaffe oder Maschinengranatwerfer genannt; nichttragbare automatische Granatwaffe, welche mit kurzen Feuerstößen Kalibergeschosse in flacher Flugbahn verschießt; Hinterlader; Drallstabilisiert; zählt zur Gruppe der Granatwerfer
- Mörser: nichttragbare Vorderlader-Granatwaffe; verschießt Granaten im Einzelschuss im Steilfeuer; Glattrohr (flügelstabilisiert); in der Schweiz als Minenwerfer bezeichnet; offiziell als Granatwerfer bezeichnet; früher wurden nur große Steilfeuergeschütze der Artillerie als Mörser bezeichnet
- Ladungswerfer: nichttragbare Vorderlader-Granatwaffe; flügelstabilisiert; verschießt Überkalibergeschosse im Steilfeuer
- Granaten mit Rückstoßantrieb: eigenständige, von einer Person bedienbare Granatwaffe, welche im Einzelfeuer Kaliber- oder Überkalibergeschosse abfeuert; im englischen umgangssprachlich als „Rocket-Propelled-Grenades“ (RPG) bezeichnet; Vorderlader oder Hinterlader, manche jedoch auch als Einwegwaffe konstruiert; größtenteils Flügelstabilisiert
Einsatz Bearbeiten
Mit Granatwaffen soll es der Infanterie ermöglicht werden Ziele außerhalb der Reichweite der Handgranaten sowie unter größtmöglicher Wahrung der eigenen Deckung zu bekämpfen. Gleichzeitig soll die Waffe handgeführt bzw. leicht transportabel sein, um die Infanterie in der Bewegung nicht einzuschränken. Da Granatwaffen, unabhängig von der Art, relativ langsame Mündungsgeschwindigkeiten aufweisen, basiert die Geschosswirkung rein auf der Sprengkraft der Granate. Dies unterscheidet z. B. die automatischen Granatwerfer maßgeblich von den Maschinenkanonen. Durch die vielfache Steilfeuerflugbahn ist es weiterhin möglich, Gegner hinter Deckungen zu bekämpfen.
Je nach Art der Waffe bzw. je nach Verwendungszweck können verschiedene Arten von Granaten verschossen werden (aufgegliedert nach Wirkung, siehe Granate):
- panzerbrechende Granaten,
- Sprenggranaten,
- Splittergranaten,
- Rauch/Nebelgranaten,
- Brandgranaten,
- Kampfstoffgranaten,
- Blendgranaten.
Die größte Verbreitung finden dabei Splittersprenggranaten (HE) mit kombinierter Spreng- und Splitterwirkung gegen Personen (siehe Minenwirkung, Schrapnell).
Literatur Bearbeiten
Illa Schaidurow: Russische Nahkampfmittel: Typen, Technik. 1. Auflage. Motorbuch, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-613-03974-2.
Einzelnachweise Bearbeiten
- Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn 2014, ISBN 978-3-8252-8551-7, S. 722 f. (Der Erfinder dieser Geräte war ein Geistlicher, der ungarische Seminardirektor „Vécer“, weshalb sie auch unter dem Namen „Priesterwerfer“ bekannt wurden).