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Geschossstabilisierung bedeutet in der Ballistik die Stabilisierung der Flugbahn von Geschossen In der Erdatmosphare unterliegen Geschosse dem Luftwiderstand was deren Reichweite beschrankt Langliche Korper z B Langgeschoss haben bei gleicher Masse einen geringeren Luftwiderstand als kugelformige z B Kanonenkugel geraten ohne Stabilisierung jedoch wahrend des Fluges in heftige Trudelbewegungen was die Flugrichtung und weite stark negativ beeinflusst 1 Der Grund dafur ist dass die Schwerkraft auf das Geschoss wirkt und in der Regel der Massemittelpunkt unter dem aerodynamischen Zentrum liegt was zur Folge hat dass das Geschoss sich hinten senkt und vorne hebt bis es sich uberschlagt Die Stabilisierung kann durch verschiedene Massnahmen erreicht werden 2 3 G Massenmittelpunkt c Aerodynamisches Zentrum a aktuelle Tangente der Flugbahn b Langsachse F Luftkraft Inhaltsverzeichnis 1 Drallstabilisierung 1 1 Folgsamkeit 1 2 Drallerzeugung 1 3 Lenkung 2 Dralllose Stabilisierung 3 Literatur 4 EinzelnachweiseDrallstabilisierung Bearbeiten nbsp 0 Schwerpunkt 1 Langsachse 2 Flugrichtung PS Anstellwinkel 3 Nutation 4 PrazessionBei der Drallstabilisierung auch Rotationsstabilisierung wird die Stabilisierung des Geschosses durch Rotation um die Langsachse erreicht 1 Versetzt man das Geschoss in Rotation um die Langsachse so verhalt es sich wie ein Kreisel Der gyroskopische Effekt wirkt stabilisierend siehe Kreiseltheorie Drallstabilisierung Ist die Winkelgeschwindigkeit gross genug so liegt der Drehimpulsvektor in der Langsachse Die Orientierung der Drehachse bleibt zunachst wegen ihres Dralls unverandert Drehimpulserhaltung Der Drehimpuls fuhrt zu einer Kreiselbewegung der Prazession bei der sich die Geschossspitze um die Bewegungsachse dreht Die Prazession wird uberlagert von einer schnelleren und kleineren Bewegung der Nutation 4 5 Die Nutation entsteht durch kleine Storungen beim Flug z B durch ungleichmassige Beschleunigung durch Treibsatzgase beim Verlassen der Mundung In der Regel klingt die Nutation im Flug langsam ab 3 Die Uberlagerung der beiden Bewegungen fuhrt dazu dass die Geschossspitze sich in Zykloidenbahnen bewegt 6 Durch die Prazession entsteht ein Anstellwinkel der zusammen mit dem Luftwiderstand zu einem Auftrieb des Geschosses unterhalb seiner Spitze fuhrt Der Auftrieb ist nicht konstant er andert sich je nachdem wie der Anstellwinkel zur Flugbahn liegt Der Auftrieb erzeugt ein Drehmoment zur einen Seite je nach Rotationsrichtung bei Rechtsdrall nach rechts Dieses bewirkt letztendlich eine zunehmende Seitenabweichung zur Bahntangente 6 Es wirken noch weitere Krafte vor allem der Magnus Effekt der gegensatzlich zu Prazession wirkt Diese weiteren Krafte beeinflussen die Drallstabilisierung in der Regel nur unwesentlich 5 Bei Geschossen liegt die Prazessionsfrequenz etwa bei einer Umdrehung pro Sekunde ist also oft grosser als die Flugdauer welche bei Artilleriegeschutzen im Durchschnitt etwa 20 Sekunden betragt 1 6 Folgsamkeit Bearbeiten Die Rotationsgeschwindigkeit und somit die Stabilitat des Geschosses muss auf den Anwendungsfall angepasst werden In der Regel soll die Langsachse des Geschosses der ballistischen Kurve folgen d h immer mit der Spitze voraus fliegen Ein nicht genugend stabilisiertes Geschoss wird ins Trudeln geraten ein uberstabilisiertes Geschoss wird hingegen seine Langsachse beibehalten und seitlich auf den Boden aufschlagen Ein wichtiger Parameter dabei ist der Startwinkel der ballistischen Kurve So kann ein Geschoss bei einem geringen Startwinkel direkter Schuss bzw Flachfeuer stabilisiert und folgsam sein bei einem hohen Startwinkel Steilfeuer wird es hingegen uberstabilisiert und kann der ballistische Kurve nicht mehr folgen 7 nbsp nbsp nbsp Drallerzeugung Bearbeiten nbsp Zuge und Felder in einer 9 mm Pistole in Schussrichtung gesehenEs gibt verschiedene Moglichkeiten den Drall zu erzeugen Grundsatzlich unterscheidet man die Drallerzeugung beim Abschuss oder im Flug Bei den meisten Rohrwaffen geschieht das uber in den Lauf schraubenformig eingeschnittene Zuge Die Umdrehungsgeschwindigkeit liegt je nach Kaliber zwischen 20 000 bis 180 000 min Geschosse mit kleinem Kaliber drehen sich dabei schneller als Geschosse mit grossem Kaliber 2 Es gilt U v 0 D displaystyle U frac v mathrm 0 D nbsp Hierbei ist U die Umdrehungsgeschwindigkeit v 0 displaystyle v mathrm 0 nbsp die Mundungsgeschwindigkeit und D die Dralllange Die Dralllange ist die Strecke die das Geschoss fur eine Umdrehung im Lauf benotigt Bei einem Speer kann der Drall durch einen kurzen Rollriemen der um den Schaft gewickelt ist hervorgerufen werden Beim Abwurf halt der Werfer den Riemen in der Hand der Riemen wickelt sich ab und versetzt den Speer in Rotation 8 Im Flug kann der Drall mit Hilfe des Luftwiderstandes erzeugt werden Dieses geschieht durch schrage Locher an der Spitze oder durch schrage Befiederung 8 Bei angetriebenen Geschossen wie den Raketen kann der Drall mit schragen Dusen erzeugt werden 9 Lenkung Bearbeiten Im Zweiten Weltkrieg wurde die Ruhrstahl X 4 als zukunftsweisender Lenkflugkorper entwickelt Lenkflugkorper die nach diesem Prinzip arbeiten werden aerodynamisch z B uber entsprechend geformte Leitflachen in Drehung versetzt und somit im Flug stabilisiert Die Lenkung geschieht uber Storklappen an den Leitflachen Diese Storklappen konnen entsprechend der Rotationsgeschwindigkeit des Lenkflugkorpers vibrieren Die Steuersignale rechts links und oben unten werden mittels einer Steuereinheit in Steuerungspulse umgesetzt Ein Kreiselinstrument versorgt die Steuereinheit mit der aktuellen Drehlage die Steuereinheit kann aufgrund dessen die entsprechenden Storklappen in entsprechende Richtung ablenken Die Stabilisierung mittels Rotation liess sich trotz der komplexeren Lenkung gegenuber einer dralllosen Stabilisierung einfacher realisieren weil die Anspruche an Fertigungstoleranzen weit weniger hoch waren was die Massenproduktion vereinfachte 10 11 Dralllose Stabilisierung BearbeitenGeschosse ohne Drall werden durch die Luftkraft welche durch den Luftwiderstand erzeugt wird stabilisiert Das Geschoss erreicht eine Stabilitat wenn das aerodynamische Zentrum hinter dem Massemittelpunkt liegt 4 Das Geschoss pendelt sich immer wieder auf die Flugbahn ein und folgt ihr mit der Nase voraus Eine Seitenabweichung wie bei der Drallstabilisierung ist nicht existent 2 Dralllose Stabilisierung kann konstruktiv durch folgende Massnahmen erreicht werden Pfeilstabilisierung Der Schwerpunkt wird durch Masseverteilung nach vorne verlagert 4 z B Feuerwerksrakete Congreve sche Rakete Der Luftangriffspunkt wird durch Einsatz der Luftkraft am Heck nach hinten verlagert 4 Flugelstabilisierung Stabilisierung erfolgt durch Leitwerk am Heck Das Leitwerk gibt es in zwei Varianten als Flugelleitwerk mit seitlichen Leitflachen sowie als Ringleitwerk Die Flugelstabilisierung wird meist bei stark gekrummten Flugbahnen oder bei kleinen Anfangsgeschwindigkeiten angewendet z B bei Morsergranaten Gewehrgranaten und Raketenwaffen 2 Widerstandsstabilisierung Dauerhafte Vergrosserung des Luftwiderstandes am Heck 4 z B Blasrohrpfeil In der Technik wird am meisten die Flugelstabilisierung verwendet 4 nbsp Pfeilstabilisierung nbsp Flugelstabilisierung nbsp WiderstandsstabilisierungLiteratur BearbeitenThomas Enke Grundlagen der Waffen und Munitionstechnik Walhalla Fachverlag 4 aktualisierte Auflage Regensburg 2023 ISBN 978 3 8029 6198 4 S 46 ff R Bohm Die Deutschen Geschutze 1939 1945 Herausgegeben von F M von Senger und Etterlin Bechtermunz Augsburg 2002 ISBN 3 8289 0524 2 S 18 Beat P Kneubuehl Ballistik Theorie und Praxis 2 Auflage Springer Nature Verlag Berlin 2022 ISBN 978 3 662 64792 9 C Cranz Lehrbuch der Ballistik Teubner Leipzig u a Band 1 Aussere Ballistik oder Theorie der Bewegung des Geschosses von der Mundung der Waffe ab bis zum Eindringen in das Ziel 1910 Band 2 Innere Ballistik Die Bewegung des Geschosses durch das Rohr und ihre Begleiterscheinung 1926 Band 3 Experimentelle Ballistik oder Lehre von den ballistischen Messungs und Beobachtungs Methoden 1913 Band 4 Atlas fur Tabellen Diagramme und photographische Momentaufnahmen 1910 Jurgen Gebauer Egon Krenz Marine Enzyklopadie 2 uberarbeitete Auflage Brandenburgisches Verlags Haus Berlin 1998 ISBN 3 89488078 3 S 194 S 296 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Drallstabilisierung in Spektrum de a b c d Heinz Dathan Waffenlehre fur die Bundeswehr 4 neu bearbeitete Aufl Mittler amp Sohn Verlag 1980 ISBN 3 87599 040 4 S 41 45 a b Beat Kneubuehl Hrsg Robin Coupland Markus Rothschild Michael Thali Wundballistik Grundlagen und Anwendungen 3 Auflage Springer Medizin Verlag 2008 ISBN 978 3 540 79008 2 S 78 79 1 a b c d e f Karl Sellier Beat P Kneubuehl Wundballistik und ihre ballistischen Grundlagen 2 vollig uberarbeitete und erganzte Auflage Springer Berlin u a 2001 ISBN 3 540 66604 4 S 142 146 2 a b Mark Denny Their Arrows Will Darken the Sun The Evolution and Science of Ballistics Johns Hopkins University Press 2011 ISBN 9780801899812 S 110 117 3 a b c Robert Wichard Pohl Einfuhrung in die Mechanik Akustik und Warmelehre Springer Verlag 1942 S 84 4 Hans Hermann Kritzinger Friedrich Stuhlmann Hrsg Artillerie und Ballistik in Stichworten Springer Verlag 1939 ISBN 9783642907944 S 108 109 5 a b Max Dreger Waffensammlung Dreger Mit einer Einfuhrung in die Systematik der Waffen Verlag Walter de Gruyter 1926 ISBN 9783111401676 S 68 6 Thomas Enke Landminen und Munition in Krisengebieten Sicherheitshandbuch fur Einsatz und Hilfskrafte Walhalla Fachverlag 2017 ISBN 9783802944956 S 50 7 Bill Gunston The Illustrated Encyclopedia of Rockets and Missiles Salamander Books Ltd 1979 S 212 213 239 Ian Hogg German Secret Weapons of the Secret World War The Missiles Rockets Weapons amp New Technology of the Third Reich Verlag Frontline Books 2015 ISBN 9781473877672 S 53 8 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschossstabilisierung amp oldid 238543399