www.wikidata.de-de.nina.az
Der Bau von Geschlechterturmen ist eine im Hochmittelalter in Oberitalien entstandene Bauweise die es reichen und einflussreichen stadtischen Familien ermoglichte beim Hausbau sowohl Wohn als auch Verteidigungszwecke zu erfullen Wie auf einigen alten Stadtansichten in der Schedelschen Weltchronik zu erkennen wurde die Turm Bauweise am Ende des 13 Jahrhunderts nordlich der Alpen in einigen durch Handel mit Italien reich gewordenen Handelsstadten wie Nurnberg Konstanz Regensburg und Reichenhall 1 kopiert 2 Die Turme dienten aber in den Stadten nordlich der Donau nicht Verteidigungszwecken sondern hatten reprasentativen Charakter und dienten der offentlichen Darstellung von Reichtum Bedeutung und Einfluss der Familie In Deutschland haben sich in Regensburg einige Geschlechterturme erhalten darunter zwei mit Turmen in ursprunglicher Hohe der Goldene Turm in der Wahlenstrasse und der Baumburger Turm in der Strasse Am Watmarkt Die Geschlechterturme in San Gimignano Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Stadte mit Geschlechterturmen 2 1 Italienische Stadte 2 2 Deutsche Stadte 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Die zwei Turme Asinelli und Garisenda in BolognaDie Geschlechterturme entstanden in Oberitalien seit dem 11 vor allem aber im 12 und im fruhen 13 Jahrhundert in Deutschland hingegen meist erst im spaten 13 und im 14 Jahrhundert Die italienischen Geschlechterturme entlehnten ihre Form den zeitgleich entstandenen Bergfrieden landlicher Burgen aufgrund der fehlenden Hohenlage sowie der Enge in den Stadten aber oft hoher und schlanker In den suddeutschen Handelsstadten kamen meist Elemente eines Wohnturms hinzu wie er hier schon langer auch in Stadten gebrauchlich war so etwa um 1100 der Frankenturm in Trier Eine Veranlassung fur die Errichtung solcher Bauten war dass im fruhen Hochmittelalter Stadtmauern noch selten oder wenig effektiv waren Erst ab dem 12 Jahrhundert begann in Stadten der Bau von zuverlassigeren Befestigungsanlagen die dann im Lauf der Jahrhunderte mit dem Aufkommen von Feuerwaffen noch verstarkt wurden Der oberitalienische Landadel der bislang Ministerialendienst auf den Burgen oder Festen Hausern seiner Lehnsherren geleistet hatte und von Anteilen erhobener Zolleinnahmen sowie von eher bescheidenen Abgaben der Leibeigenen Horigen und Hintersassen gelebt hatte fuhlte sich durch den wachsenden Wohlstand der burgerlichen Fernhandler in den Stadten herausgefordert und ubersiedelte seinerseits schon fruh seit dem 11 Jahrhundert in die Stadte Dort begann man sich ebenfalls kommerziell zu betatigen und Handelshauser oder Bankgeschafte aufzubauen Fernhandler mit burgerlicher und ritterlichen Herkunft verschmolzen bald zur Kaste der Patrizier was auch nordlich der Alpen etwa im Nurnberger Patriziat und auch im Patriziat Regensburg geschah Gleichwohl behielten die adligen Familien anfangs ihre ritterliche fehdegewohnte Lebensweise bei und brachten zwischen 1150 und 1250 mit ihren Geschlechterturmen die fortifikatorische Bauweise von Bergfried Turmburg und Wohnturm und damit ihre feudalen Macht und Statussymbole in die Enge der innerstadtischen Gassen Burgerliche Kaufleute und Bankiers versuchten mitzuhalten und errichteten fur ihre Bedurfnisse ebenfalls ahnliche Turme Die Geschlechterturme bestanden anfangs wie die Wohnturme oft nur aus wenigen Stockwerken uberragten aber dennoch die damals in der Regel niedrige Bebauung der Gassen Sie dienten der Verteidigung bei Fehden gegen innerstadtische Rivalen und als Ruckzugsorte bei Angriffen von aussen auf die Stadt wenn der Feind die Stadtmauern uberwunden hatte und das Plundern und Brandschatzen begann Da die Turme nicht nur Wehrfunktion hatten sondern auch Statussymbole waren wurden sie oft im Laufe der Generationen aufgestockt was in Erdbebengebieten Italiens kein geringes Wagnis war Bei Stadtbranden boten die Turme allerdings ebenfalls einen gewissen Schutz wobei eine grossere Hohe von Vorteil war Die Grundflache der Turme ist meist quadratisch die Hohen waren unterschiedlich Je nach Region wurden die Turme uberwiegend aus Backstein oder Feldstein errichtet Die engen Turme Italiens wurden in der Regel nur im Verteidigungsfall bezogen Die in Friedenszeiten genutzten Hauser waren aber den Turmen unmittelbar benachbart Im Inneren waren die Turme fortifikatorisch ausgebaut Man gelangte in das jeweils hohere Stockwerk das meist nur einen Raum hatte mit Hilfe von Leitern oder Strickleitern die im Belagerungsfall nach oben gezogen werden konnten Es gab auch Bauten nur mit Hocheingangen Spatere ebenerdige Zugange entstanden nachtraglich in der Neuzeit In den oberen Stockwerken wurden Waffen Pfeile und Bogen Armbruste Steinbuchsen Pech Wasser und Vorrate gelagert im Fehdefall wohl auch die Munzreserven Teilweise sind die Turme auch mit Pechnasen Wehrerkern versehen aus denen Angreifer oder Belagerer mit heissem Ol oder Pech kochendem Wasser Steinen und Ahnlichem von einer Ersturmung des Turms abgehalten werden sollten Die heute oft freistehenden Turme waren im Mittelalter eng umbaut direkt neben ihnen befanden sich die Wohngebaude der Besitzer Palazzi aus Stein oder bescheidenere Hauser aus Holz oder Fachwerk Die meisten Turme in Italien sind um 1200 entstanden Schon im Verlauf des 13 und 14 Jahrhunderts wurden viele Turme wieder zerstort entweder durch Schleifung nach Fehden oder wegen Baufalligkeit Einsturz oder stadtischen Auflagen in spaterer Zeit oft auch zur Gewinnung von Baumaterial Nach dem Mittelalter dienten die verbliebenen Turme als Lager Wohnungen oder Geschafte oder wurden als Kerker genutzt Zu diesen Zwecken wurden sie im Inneren oft umgebaut in vielen Fallen auf Firsthohe gekurzt und in die unteren Etagen neuer Hauser integriert In Florenz wo die Turme wegen der vielen innerstadtischen gewaltsamen Fehden um 1250 abgetragen werden mussten sind bei genauem Hinsehen noch viele solcher Turmstumpfe zu erkennen die sich in die umgebende Bebauung einfugen sich aber aus den Fassaden hervorheben Noch im Zweiten Weltkrieg wurden bei Bombenangriffen viele bis dahin erhaltene Turme zerstort Stadte mit Geschlechterturmen BearbeitenItalienische Stadte Bearbeiten nbsp Bologna im 13 Jahrhundert mit rund 180 Geschlechterturmen Modell von 1917 nbsp Perugia 1454 Fresko von Benedetto Bonfigli Die Stadt mit den meisten in voller Hohe erhaltenen Geschlechterturmen ist San Gimignano in der Toskana mit 15 schon von weither sichtbaren Turmen In Florenz gab es einst etwa 200 Turme viele von ihnen sturzten aber ein da die Erbauer zu hoch bauten teilweise uber 70 Meter Erdbeben taten das ihre um instabile Konstruktionen zum Einsturz zu bringen Die Stadtverwaltung sah sich bereits im Jahr 1250 gezwungen die Hohe der Turme auf 27 5 Meter was etwa 9 Stockwerken entspricht zu begrenzen was daruber lag musste auf diese Hohe gekurzt werden Ferner wurde den Besitzern aufgegeben die Turme zu bewohnen damit sie nicht als Waffenmagazine genutzt wurden Etwa 40 solcher Turmstumpfe sind in Florenz noch vorhanden In Bologna sind von ursprunglich 180 noch 20 Turme bzw deren Stumpfe erhalten zwei der bekanntesten sind die schiefen Due Torri Asinelli 97 m und Garisenda 48 m In Siena sind noch etwa 15 Geschlechterturme zu sehen in Volterra sechs in Pisa drei Von den einst 250 Turmen in Lucca ist der beruhmte Guinigiturm erhalten Die 50 Turme in Perugia mussten bis auf einen nach einer Rebellion 1531 auf papstliche Anordnung niedergelegt werden Auch in Rom gibt es einige wenige erhaltene Geschlechterturme beispielsweise die Torre dei Capocci oder die Torre Caetani In Pavia stehen von etwa funfzig Turmen noch drei in voller Hohe ein vierter Turm die Torre Civica aus dem 11 Jahrhundert ist 1989 eingesturzt wobei vier Menschen ums Leben kamen Einsturze waren bereits im Mittelalter nicht selten nbsp Die Turme in Pavia nbsp Turme am Corso Donati Florenz nbsp Torre Forteguerri Siena nbsp Turmstumpf in Siena nbsp Torre dei Capocci RomDeutsche Stadte Bearbeiten In Deutschland sind Geschlechterturme und Reste von Turmen noch in Regensburg anzutreffen Dort hatte sich im 13 Jahrhundert das durch Handel wohlhabend gewordene reichsstadtische Regensburger Patriziat die Turme in Italien zum Vorbild genommen um Reichtum Weltgewandtheit Einfluss und Bedeutung nach aussen hin zu prasentieren Bis auf wenige Ausnahmen Goldener Turm Baumburger Turm wurden auch in Regensburg viele Turme Braunelturm Kappelmayerturm Kastenmayerturm Zanthausturm spater meist bis auf Firsthohe gekappt In Esslingen am Neckar hat sich ein dreistockiger Geschlechterturm als gut erkennbarer Kern des spater vergrosserten Gebaudes Hafenmarkt 9 erhalten das heute Stadtmuseum ist Von den um 1430 in Nurnberg existierenden 65 Geschlechterturmen ist lediglich das Nassauer Haus noch erhalten 2 Dieser spater aufgestockte Bau aus dem 13 Jahrhundert ist anders als die schlanken Wehrturme in italienischen Stadten gross genug um bewohnt zu werden er verfugte wie die meisten anderen deutschen Geschlechterturme auch uber Fenster Handelsgut konnte hier ebenfalls in grosseren Mengen sicher gelagert werden Diese Doppelfunktion als Statussymbol und Nutzbau unterscheidet die deutschen Turme von den alteren italienischen Turmen Allerdings finden sich in Handelsstadten wie Florenz ebenfalls bewohnbare Turme nbsp Nassauer Haus Nurnberg nbsp Gelbes Haus in Esslingen Stadtmuseum nbsp Goldener Turm Regensburg nbsp Baumburger Turm Regensburg nbsp Zanthaus West Turm von Suden Gesandtenstrasse Regensburg nbsp Zanthaus West Turm nbsp Braunelturm am Watmarkt RegensburgSiehe auch BearbeitenWohnturm Turmburg Kaukasischer WehrturmLiteratur BearbeitenKlaus Tragbar Vom Geschlechterturm zum Stadthaus Studien zu Herkunft Typologie und stadtebaulichen Aspekten des mittelalterlichen Wohnbaus in der Toskana um 1100 bis 1350 Beitrage zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 10 Rhema Verlag Munster 2003 ISBN 3 930454 22 X Kerstin Pollath Ein sonderbar Zierd dieser Stadt ist die Meng vieler hoher Turm Profane mittelalterliche Turme in Regensburg Studien zu ihrer Geschichte und Funktion Regensburger Studien Band 25 hrsgg vom Amt fur Archiv und Denkmalpflege der Stadt Regensburg Stadt Regensburg 2019 ISBN 978 3 943222 49 4 Weblinks BearbeitenJoachim Zeune Geschlechterturme In Historisches Lexikon BayernsEinzelnachweise Bearbeiten Johannes Lang Geschichte von Bad Reichenhall Ph C W Schmidt Neustadt Aisch 2009 S 227 a b Geschlechterturme auf historisches lexikon bayerns de abgerufen am 3 Februar 2020Normdaten Sachbegriff GND 4139791 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschlechterturm amp oldid 237823203