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Als Geisterfotografien englisch spirit photographs werden fotografische Aufnahmen bezeichnet auf denen scheinbar Geister zumeist Abbilder Verstorbener zu sehen sind Die Geisterfotografie wurde in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts und im fruhen 20 Jahrhundert von kommerziellen Fotografen und Spiritisten betrieben und war besonders in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Konigreich popular Die Frage ob sie als paranormales Phanomen betrachtet werden konnten forderte das Interesse daran In Wahrheit handelte es sich immer um Fotomanipulationen Alteres Ehepaar mit dem Geist einer jungen Frau Geisterfotografie von William Hope um 1920 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Anfange 1 2 Vereinigte Staaten 1 3 England 1 4 Beispiele historischer Geisterfotografien 2 Moderne Varianten 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAnfange Bearbeiten nbsp Fotografisches Portrat des britischen Prinzen Arthur von 1854 Am rechten Bildrand ist Arthurs Kinderfrau zu sehen die kurz ins Bild trat um ihn festzuhalten 1 Die ersten Geisterfotografien entstanden in der Fruhzeit der Fotografie durch die langen Belichtungszeiten bei Aufnahme des Motivs Objekte die wahrend der Aufnahme bewegt wurden oder Personen die kurz in den Bildraum hineintraten wurden als Schemen oder nur schwach sichtbar auf dem fertigen Foto dargestellt 1 Man erkannte schnell dass man diese unbeabsichtigt misslungenen Bilder als Kuriositat vermarkten konnte Im Jahr 1856 beschrieb der schottische Physiker David Brewster detailliert wie man scheinbar ubernaturliche Effekte bei stereoskopischen Aufnahmen erzielen konnte indem man Personen erst kurz vor Ende der Belichtungszeit in den Bildraum eintreten lasst Diese geisterhaften Erscheinungen waren zur Belustigung gedacht 2 Vereinigte Staaten Bearbeiten nbsp William H Mumler 1869Das wachsende Interesse am Spiritismus auf der einen Seite und das Erstarken der religiosen Erweckungsbewegungen auf der anderen Seite sorgten verbunden mit dem Schrecken des Amerikanischen Burgerkriegs dafur dass die Menschen zunehmend daran glaubten dass die Geisterfotografie tatsachlich ubersinnlichen Ursprungs ware 3 Der Erste der erfolgreich Geisterfotografien als Beleg fur die Existenz von Gespenstern vermarktete war der US Amerikaner William H Mumler Eine versehentliche Doppelbelichtung einer bereits verwendeten und nicht grundlich gereinigten Fotoplatte liess Mumler glauben den Geist seiner verstorbenen Cousine auf einem Selbstportrat zu erkennen 4 Basierend auf dieser Erfahrung richtete Mumler 1862 in Boston ein eigenes Fotostudio ein in dem er zusammen mit seiner Ehefrau seine Dienste als Medium und Ersteller echter Geisterfotografien anbot Seine Fotografien wurden zu einer Sensation uber die auch in Europa berichtet wurde 5 Mumlers Geschaft erwies sich als ausserst lukrativ doch es mehrten sich die Stimmen die seine Bilder als Falschungen bezeichneten Mumler verliess 1868 Boston und eroffnete ein Atelier in New York Auch dort sah er sich Skeptikern gegenuber In einem Aufsehen erregenden Prozess wurde er 1869 unter anderem von P T Barnum des Betrugs angeklagt Das Gericht sah aber keinen schlussigen Beweis fur die Falschung der Fotografien 6 Zu Mumlers beruhmtesten Aufnahmen zahlt eine um 1872 angefertigte Fotografie von Mary Todd Lincoln der Witwe des 1865 ermordeten US Prasidenten Abraham Lincoln Obwohl sie Mumler unter einem anderen Namen vorgestellt wurde und er ihre Identitat vorgeblich nicht kannte konnte Mumler ein Foto anfertigen auf dem scheinbar Abraham Lincoln und ihr im Vorjahr verstorbener Sohn Tad hinter der Frau standen 7 Mumlers Fotografien fanden zahlreiche Nachahmer in den 1860er und 1870er Jahren Fotografen boten sogar Bibeln mit Geisterfotografien von Mose Abraham und weiteren alttestamentlichen Propheten an 8 Die Popularitat solcher Bilder schwand in den Vereinigten Staaten Ende des 19 Jahrhunderts als immer mehr spiritistische Medien als Schwindler entlarvt wurden Artikel in fotografischen Journalen beschrieben detailliert verschiedene Methoden wie Doppelbelichtungen oder Retusche mit denen jeder Amateurfotograf Geisterfotografien erstellen konnte 9 England Bearbeiten nbsp Fotografie Edouard Isidore Buguets von 1875 mit der er seine angebliche Fahigkeit zur Telekinese darstellteBereits 1851 soll der Brite Richard Boursnell erste Geisterfotografien erstellt haben doch sind keine Aufnahmen aus dieser Zeit erhalten Erst in den 1890er Jahren wurden Spiritisten auf seine angeblichen fruhen Werke aufmerksam 10 Wahrscheinlicher ist es dass Boursnell wie auch andere Zeitgenossen erst durch die Arbeiten William H Mumlers inspiriert wurde eigene Fotos anzufertigen Die fruhesten publizierten Beispiele von Geisterfotografien in England wurden 1872 von Frederick Hudson angefertigt Hudson profitierte von dem anhaltenden Interesse an Spiritismus und Spukhausern im spaten viktorianischen Zeitalter und versprach seinen Klienten mit Hilfe von Medien wie Georgiana Houghton und Agnes Guppy Fotografien mit dem Extra echter Geister zu erstellen 11 Zu Hudsons bekanntesten Kunden zahlte der Naturforscher Alfred Russel Wallace 12 Bereits nach seinen ersten veroffentlichten Fotos wurde Hudson des Betrugs beschuldigt jedoch nie uberfuhrt Hudson hat sich vermutlich verschiedener Tricks bedient unter anderem soll er mit einer praparierten Kamera gearbeitet haben die bereits ein Bild des vermeintlichen Geistes als Positiv enthielt 13 Andere Fotografen waren weniger erfolgreich im Verbergen ihrer Tricks Der franzosische Fotograf Edouard Isidore Buguet der selbst als Medium zuerst in London und spater in Paris auftrat wurde 1875 wegen Betrugs angeklagt Er gab die Falschung der Geisterfotografien zu Zudem fand die Polizei bei der Durchsuchung seines Ateliers lebensgrosse Puppen falsche Barte und mehrere hundert praparierte Fotografien Buguet wurde zu einem Jahr Gefangnis und einer Geldstrafe verurteilt Seine Anhanger unter ihnen der englische Geistliche William Stainton Moses vermuteten allerdings eine Verschworung der katholischen Kirche gegen den Spiritisten Buguet 14 Auch der in den 1890er Jahren aktive schottische Geisterfotograf David Duguid 15 und der um die Jahrhundertwende in Kalifornien wirkende Brite Edward Wyllie 16 wurden des Betrugs uberfuhrt Nach Angaben von Arthur Conan Doyle der 1926 eine History of Spiritualism veroffentlicht hatte gab es 20 bis 30 Spiritisten alleine im Vereinigten Konigreich die Ende des 19 Jahrhunderts als Geisterfotografen aktiv waren 17 Ihre Fotos unterschieden sich in der Gestaltung der Geistererscheinung manche Geisterfotografien zeigten anstelle von Personen geometrische Muster als Leuchterscheinung 18 William Stainton Moses bezeichnete solche abstrakteren Geisterbilder als eine Manifestation von Ektoplasma 19 nbsp Portrat von Harry Price mit einem angeblichen Geist Diese Aufnahme von 1922 trug dazu bei William Hope als Betruger zu uberfuhren Eine Wiederbelebung der Geisterfotografie gab es Anfang des 20 Jahrhunderts durch William Hope Hope hatte 1905 per Zufall eine Geisterfotografie erstellt Zusammen mit funf Freunden grundete er daraufhin in Crewe einen spiritistischen Zirkel Der Zirkel hielt Seancen ab und spezialisierte sich auf Geisterfotografien die zunehmend an Popularitat gewannen Wahrend des Ersten Weltkriegs stieg die Nachfrage nach Geisterfotografien da sich viele erhofften ein letztes Andenken an im Krieg gefallene Angehorige zu bekommen 20 Bereits 1908 erschienen erste Berichte die Hopes Fotos als Falschungen entlarvten Die Entdeckung der Rontgenstrahlung hatte in spiritistischen Kreisen aber den Glauben verstarkt dass die Technik der Fotografie die ansonsten unsichtbare Geisterwelt sichtbar machen konnte 21 Als 1916 der beruhmte Forscher William Crookes ein Foto von Hope erhielt auf dem scheinbar der Geist seiner verstorbenen Ehefrau zu sehen war konnte er Oliver Lodge nachweisen dass das Bild von Lady Ellen Crookes aus einer zehn Jahre alten Fotografie heraus montiert wurde Dessen ungeachtet verteidigte der an Spiritismus glaubende Crookes Hopes Fotografien 22 Zur endgultigen Enttarnung Hopes kam es 1922 als der britische Parapsychologe Harry Price im Auftrag der Society for Psychical Research Hopes Methoden untersuchte und ihm durch Verwendung von vorher markierten Fotoplatten nachweisen konnte dass die Geisterfotografien manipuliert waren 23 24 Hopes Entlarvung als Schwindler loste einen Streit unter den Anhangern des Spiritismus aus Der Schriftsteller Arthur Conan Doyle glaubte trotz der vorliegenden Beweise an die Authentizitat der Fotografien und verfasste sogar eine Verteidigungsschrift mit dem Titel The Case for Spirit Photography 25 Doyle galt als einer der prominentesten Anhanger der Geisterfotografie Er stand im Kontakt zu mehreren Fotografen und sorgte fur die Veroffentlichung der ahnlich wie die Geisterfotos gefalschten Fotografien der Cottingley Fairies Erst 1932 endete die Diskussion um Hope und seine Geisterfotografien als bei einem Vortrag vor der Society for Psychical Research die Erstellung solcher Fotos vorgefuhrt wurde 26 Neben William Hope wurden in den 1920er Jahren weitere Geisterfotografen von Harry Price als Betruger entlarvt Price fasste 1936 die Ergebnisse seiner Untersuchungen zusammen Es gibt keinen guten Beweis dass jemals eine Geisterfotografie gelungen war 27 Unterstutzung erhielt Price dabei von weiteren Parapsychologen und Buhnenmagiern wie Harry Houdini 28 Weitere Veroffentlichungen in Journalen wie Scientific American 29 und die zunehmende Bewertung von Spiritismus als Pseudowissenschaft sorgten dafur dass das allgemeine Interesse an Geisterfotografien Ende der 1920er Jahre schwand Beispiele historischer Geisterfotografien Bearbeiten nbsp William H Mumlers Fotografie von Mary Lincoln um 1872 nbsp Frederick Hudsons Fotografie von Lady Helena Newenham mit dem Geist ihrer Tochter 1872 nbsp Geisterfotografie von Edward Wyllie um 1897 nbsp William Hopes Fotografie von Gustav Geley und Stanley De Brath 1919 Moderne Varianten Bearbeiten nbsp Geisterfleck auf einer Taglichtaufnahme 2011Nach dem Ende der Spiritismusbewegung tauchten nur noch vereinzelt Geisterfotografien in den Medien auf Anders als die Atelieraufnahmen von Mumler oder Hope sind die meisten neueren Fotos mit Aufnahmen in Spukhausern verbunden wie die beruhmte Aufnahme der Brown Lady in Raynham Hall im Jahr 1936 oder ein 2015 veroffentlichtes Foto einer Touristin aus dem Hampton Court Palace auf dem der Geist von Sibell Penn zu sehen sein soll 30 Die meisten dieser Aufnahmen konnen auf Doppelbelichtungen verschmutzte Kameralinsen oder im Fall digitaler Fotos auf Sensorflecken zuruckgefuhrt werden Auch Staubpartikel konnen auf den ersten Blick unerklarliche Lichtreflexionen Ruckstreuung bei digitalen Aufnahmen verursachen sogenannte Orbs oder Geisterflecken 31 In esoterischen und parapsychologischen Kreisen werden auch heute noch durch spiritistische Medien erstellte Geisterfotografien als authentische Werke verbreitet Eine ernsthafte wissenschaftliche Diskussion wie zu Beginn des 20 Jahrhunderts ist damit aber nicht mehr verbunden 32 Literatur BearbeitenCyril Permutt Beyond the Spectrum A Survey of Supernormal Photography Stephens Cambridge 1983 ISBN 0 85059 620 3 Clement Cheroux Andreas Fischer Pierre Apraxine Denis Canguilhem Sophie Schmit The Perfect Medium Photography and the Occult Yale University Press New Haven 2005 ISBN 0 300 11136 3 Martyn Jolly Faces of the Living Dead The Belief in Spirit Photography British Library London 2006 ISBN 0 7123 4899 9 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Spirit photography Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien The spirit photographs of William Hope Album mit historischen Aufnahmen aus der Sammlung des National Science and Media Museum Einzelnachweise Bearbeiten a b Colin Harding G is for Ghosts The Birth and Rise of Spirit Photography Webseite des National Science and Media Museum abgerufen am 17 Oktober 2020 David Brewster The Stereoscope Its History Theory and Construction John Murray London 1856 S 205 206 Clive Bloom Gothic Histories The Taste for Terror 1764 to the Present Continuum London 2010 ISBN 978 1 8470 6050 1 S 153 Jennifer Tucker Nature Exposed Photography as Eyewitness in Victorian Science Johns Hopkins University Press Baltimore 2005 ISBN 0 8018 7991 4 S 73 74 Fur einen zeitgenossischen Bericht uber das Aufsehen in London siehe Regenburger Zeitung vom 7 Dezember 1862 S 1346 1347 Louis Kaplan Ghosts Just for Laughs Spirit Photography and Debunking Humor In Photography Performing Humor Mieke Bleyen Liesbeth Decan Hrsg Leuven University Press Leuven 2019 ISBN 978 94 6270 165 6 S 98 101 Jason Emerson Mary Lincoln for the Ages Southern Illinois University Press Carbondale 2019 ISBN 978 0 8093 3675 3 S 42 91 f 117 R Gregory Lande Psychological Consequences of the American Civil War McFarland Jefferson 2017 ISBN 978 1 4766 6737 9 S 85 Oliver Kruger Die mediale Religion Probleme und Perspektiven der religionswissenschaftlichen und wissenssoziologischen Medienforschung transcript Bielefeld 2012 ISBN 978 3 8376 1874 7 S 18 Molly Whittington Egan Mrs Guppy Takes A Flight Neil Wilson Castle Douglas 2015 ISBN 978 1 906000 87 5 S 134 Molly Whittington Egan Mrs Guppy Takes A Flight Neil Wilson Castle Douglas 2015 ISBN 978 1 906000 87 5 S 128 129 Molly Whittington Egan Mrs Guppy Takes A Flight Neil Wilson Castle Douglas 2015 ISBN 978 1 906000 87 5 S 129 130 Milbourne Christopher Mediums Mystics amp the Occult Cromwell New York 1975 ISBN 0 690 00476 1 S 115 116 Martyn Jolly Faces of the Living Dead The Belief in Spirit Photography British Library London 2006 ISBN 0 7123 4899 9 S 20 22 Harry Price Confessions of a Ghost Hunter Causeway Books New York 1974 ISBN 0 88356 031 3 S 168 Martyn Jolly Faces of the Living Dead The Belief in Spirit Photography British Library London 2006 ISBN 0 7123 4899 9 S 51 Arthur Conan Doyle The History of Spiritualism Volume 2 Echo Press Teddington 2006 ISBN 978 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Erscheinungen Conan Doyle und die Photographie S Fischer Frankfurt am Main 2014 ISBN 978 3 10 075145 4 S 228 Massimo Polidoro Photos Of Ghosts The Burden Of Believing The Unbelievable In Skeptical Inquirer Volume 35 No 4 2011 S 20 22 Harry Price Confessions of a Ghost Hunter Putnam London 1936 S 172 Louis Kaplan Ghosts Just for Laughs Spirit Photography and Debunking Humor In Photography Performing Humor Mieke Bleyen Liesbeth Decan Hrsg Leuven University Press Leuven 2019 ISBN 978 94 6270 165 6 S 102 James Black The Spirit Photograph Fraud In Scientific American Vol 126 127 Oktober 1922 S 224 225 286 Howard Timberlake The intriguing history of ghost photography BBC Future 30 Juni 2015 abgerufen am 19 Oktober 2020 Annette Hill Paranormal Media Audiences Spirits and Magic in Popular Culture Routledge Abingdon 2011 ISBN 978 0 415 54462 7 S 45 Siehe zum Beispiel Thomas Bergmann Bewertung von Geisterfotografien Twilight Line Verlag Wasungen 2018 ISBN 978 3 94431 575 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geisterfotografie amp oldid 224772072