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Die Fusswaschung durch den Regenten war in Bayern ein von Herzog Wilhelm den Frommen eingefuhrter Brauch mit dem der jeweilige Herrscher gemass dem Vorbild Jesu Christi alljahrlich am Grundonnerstag im Rahmen eines Staatsaktes seine Demut bezeugen sollte Die altesten Manner Bayerns in ihren Apostelkleidern bei der Hoffusswaschung in Munchen ca 1905 Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Der Hofbrauch in Bayern 3 Ablauf 4 Berichte 5 Weblinks 6 Literatur 7 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenBeim letzten Abendmahl am Vorabend seines Kreuzestodes wusch Jesus gemass dem Johannesevangelium Joh 13 1 5 EU seinen Jungern die Fusse und trocknete sie mit einem Tuch In der Fusswaschung gab Christus den Aposteln ein Beispiel Ausserdem nahm die Handlung Bezug auf die Lehre die er ihnen gemass dem Matthausevangelium Mt 20 25 28 EU bereits fruher erteilt hatte Ihr wisst dass die Herrscher ihre Volker unterdrucken und die Machtigen ihre Macht uber die Menschen missbrauchen Bei euch soll es nicht so sein sondern wer bei euch gross sein will der soll euer Diener sein und wer bei euch der Erste sein will soll euer Sklave sein Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen um sich dienen zu lassen sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Losegeld fur viele In der Liturgie der romisch katholischen Kirche ist in der Messe vom Letzten Abendmahl am Grundonnerstag die Fusswaschung vorgesehen In Kathedralkirchen und Abteien ist dieser Ritus verpflichtend Der Zelebrant der Heiligen Messe wascht dabei zwolf zuvor bestimmten Glaubigen die Fusse der Ritus gehort zu den Sakramentalien In der Diozese Mailand praktizierte man zur Zeit des hl Ambrosius die Fusswaschung als Teil des Sakraments der Taufe Im Mittelalter bildete sich der Brauch heraus dass nicht nur Priester sondern auch Fursten und Konige als Zeichen demutiger Gesinnung in der Nachfolge Jesu Christi ihren Untertanen am Grundonnerstag die Fusse wuschen Der Hofbrauch in Bayern Bearbeiten nbsp Prinzregent Luitpold bei der Fusswaschung im Herkulessaal der Munchner ResidenzIm Deutschen Reich fuhrte zunachst Kaiser Karl V diesen Brauch ein und er wurde am Hof der Habsburger bis zum Ende der Monarchie im Jahr 1918 praktiziert siehe Ritus der Fusswaschung im Hofzeremoniell Eine Generation spater ubernahm auch Herzog Wilhelm V der Fromme die Gepflogenheit in Bayern und auch hier wurde sie bis zur Abschaffung der Monarchie aufrechterhalten In der Neuzeit hielten nur noch die Herrscher von Spanien Frankreich Osterreich und Bayern am Brauchtum der Fusswaschung durch den Regenten fest In Grossbritannien entwickelte sich daraus eine Geldgabe die Maundy ceremony An dem Ritus Fusswaschung durch den Regenten sollten in Bayern die zwolf altesten und wurdigsten armen Manner des Landes teilhaben Analog zum kirchlichen Ritus der Fusswaschung wurden auch sie Apostel genannt da sie die zwolf Apostel reprasentierten denen Jesus die Fusse wusch Laut Ministerialerlass vom 30 April 1870 wahlte der konigliche Oberhofmeisterstab die zwolf Greise aus Es hiess in der Verordnung prazisierend Die Gesuche um Zulassung zur Fusswaschung sind bei den Bezirksamtern oder unmittelbaren Magistraten in deren Amtsbezirk der Gesuchsteller seinen standigen Wohnsitz hat einzureichen Erforderliche Belege sind Tauf und Geburtszeugnis Vermogens und Leumundszeugnis amtsarztliches Zeugnis uber Gesundheit und Rustigkeit des Gesuchstellers im allgemeinen und insbesondere daruber ob derselbe mit keinem Fussleiden behaftet ist Die Gesuche mussen samt Belegen und Bericht von den obengenannten Behorden direkt in den Einlauf des koniglichen Oberhofmeisterstabes und zwar funf Wochen vor dem Ostersonntage gelangen 1 Gleichzeitig erging auch Einladung an zwolf bedurftige Madchen denen jedoch nicht die Fusse gewaschen wurden Die alten Manner wurden auf Staatskosten mit einem neuen schwarzen Apostelgewand und einem violetten Apostelhut eingekleidet Auch die Madchen erhielten neue Kleider auf Kosten der Staatskasse Jedem der alten Manner hangte der Herrscher nach geschehener Fusswaschung einen ledernen Zugbeutel mit einem Geldgeschenk von 40 Mark um Ausserdem wurde ihnen bis zum Lebensende eine Leibrente gezahlt Erika von Watzdorf Bachoff 1878 1963 konstatiert in ihren Erinnerungen man scherze deshalb dass man in den Bergen die alten Manner gut behandele damit sie zum Geldsegen fur die Familie noch Apostel werden konnten Die Madchen erhielten neben einem neuen Gewand nach der Zeremonie bei der Oberstkammererkasse einen Betrag von je 15 Mark ausbezahlt Traditionell fand der Staatsakt im Herkulessaal der Munchner Residenz mit grossem Geprange statt Jede Gemeinde oder Familie rechnete es sich zur hochsten Ehre an wenn aus ihrem Kreise ein Mann zur jahrlichen Fusswaschung durch den Regenten in Munchen auserwahlt wurde Ablauf BearbeitenIn der Gedenkbiografie von Hans Heidelbach zum 70 Geburtstag des Prinzregenten Luitpold ist 1891 der Ablauf einer solchen Fusswaschung detailliert geschildert Der Prinzregent hatte um 11 Uhr dem Hochamt in der nahen Allerheiligen Hofkirche beigewohnt und war in feierlicher Prozession in die Residenz zuruckgekehrt In der dortigen Hofkapelle wurde die Vesper gesungen und der Regent zog dann in den Herkulessaal ein Langs der sudlichen Langseite dieses Saales sassen auf einer dunkelrot ausgeschlagenen Estrade die zur Zeremonie der Fusswaschung bestimmten zwolf alten Manner in schwarzer Gewandung auf dem Kopfe ein violettes Barett Weiter zuruck standen ihre Anverwandten und zwolf Madchen welch letztere wie die zwolf Greise auf Kosten des Hofes neu gekleidet worden waren Nachdem die Hofgeistlichkeit das Evangelium gesungen und das Evangelienbuch den koniglichen Hoheiten zum Kusse gereicht worden war ubergab der Prinzregent den diensttuenden Kammerern seinen Hut und Sabel und begab sich zu dem altesten der Manner Der Obersthofmeister uberreichte dem Prinzregenten die Kanne der Subdiakon hielt das vorhandene Becken unter den entblossten Fuss Der Regent begoss den entblossten Fuss jedes alten Mannes mit Wasser und trocknete denselben mit dem uberreichten Tuche ab Nach Beendigung der Fusswaschung liess sich Seine Konigliche Hoheit die Hande begiessen und zum Abtrocknen derselben ein Tuch von seinem altesten Sohn dem Prinzen Ludwig reichen Nachdem der Regent den Sabel wieder umgelegt hatte begab er sich alsdann zuruck zum altesten Manne und hangte einem jeden dieser sogenannten Apostel einen Zugbeutel mit 40 Mark um den Hals wahrend den Madchen spater je ein Geschenk von 15 Mark ausbezahlt wurde Seine Konigliche Hoheit hatten fur jeden Einzelnen der alten Manner freundliche Worte wie auch fur deren Anverwandte 2 Prinz Adalbert von Bayern halt in seinem Buch Als die Residenz noch Residenz war 1967 fest es habe sich um weiss blaue Lederbeutel mit je 20 frisch gepragten Zweimarkstucken gehandelt die den alten Mannern umgehangt wurden 3 Berichte Bearbeiten nbsp Der 102 jahrige Peter Huter aus Ensheim nahm zweimal an der Hoffusswaschung in Munchen teilAus Ensheim damals zur bayerischen Rheinpfalz heute zum Saarland gehorig nahm der uber 100 jahrige Peter Huter zweimal an der Munchner Fusswaschung durch den Prinzregenten Luitpold teil 4 Nach dem morgendlichen Gottesdienst in der St Peterskirche tranken die Leute im Cafe Greif ihren Morgenkaffee und traten den Weg zur koniglichen Residenz an Wahrend einige der alten schon recht wackeligen Manner bereitgestellte Kutschen benutzten marschierte der hundertjahrige Peter Huter aus Ensheim flotten Schrittes zur Residenz Es folgte eine photographische Aufnahme und dann gings in den Goldenen Saal wo den Leuten Wein Bier oder Kaffee mit einem kleinen Imbiss serviert wurde Einige zogen den kalten Getranken eine warme Brennsuppe vor Jedem wurde jetzt das violette Apostelkleid gereicht eine Art Talar mit Gurt der violette Apostelhut der wie ein Kardinalshut aufgesetzt wurde Hierauf erfolgte die Fusswaschung 5 Auch der Berchtesgadener Handelsmann Anton Adner nahm 1818 und 1819 an der Hoffusswaschung in Munchen teil bestieg bei diesem Anlass am 9 April 1819 noch den Turm der Frauenkirche 6 und lebte fortan von der Leibrente Konig Maximilians I der auch seine arztliche Versorgung sicherstellte Dies ist auf seinem von Konig Ludwig I gestifteten Grabdenkmal in Berchtesgaden mit folgender Inschrift angedeutet Ein heiteres Ende des langen Lebens dessen grossten Theil er als Trodler mit Berchtesgadener Waaren auf Reisen zugebracht gewahrten ihm die Wohltaten des Konigs 7 Das 1827 publizierte Buch Charakterzuge und Anekdoten als Bilder der Gute und Wohlthatigkeit aus dem Leben Maximilian Josephs I Konigs von Bayern berichtet uber Anton Adners Teilnahme an der Hoffusswaschung Den von dem Monarchen ihm geschenkten Hut zierte er auf der Stelle nach Landessitte mit Gemsbart und Gemsgeierfedern und vernahm alsbald dass sein erhabenster Wohlthater ihn auch fur die Fusswaschung am Grundonnerstage in Munchen unter die 12 Apostel des Landes gewahlt habe Als dieser feierliche Kirchenfesttag an welchem der Konig nach uralter Sitte der Regenten Bayerns mit den zwolf altesten armen Mannern des Landes unter der feierlichsten Hof Ceremonie im Jahre 1818 die Fusswaschung ebenfalls unternahm herannahte liess er schon fruhe genug den Alten von Berchtoldsgaden auf konigliche Kosten abholen und da der Weg von diesem Grenzgebirge bis zur Residenz ziemlich weit ist in langsamen funf Reisestationen in einer bequemen Chaise nach Munchen fuhren Im hundertdreizehnten Lebensjahre schritt der alte Gebirgsmann mit seinen andern eilf Mitgenossen nach Hof und zur Kirche mit einer Munterkeit und Raschheit als wenn er ein Jungling unter den Andern ware Wahrend seines Aufenthaltes wanderte er froh und guten Muthes durch die Strassen sah den Wachparaden zu und ging sogar einmal auf Einladung des Konigs in das Hoftheater wo er das erstemal in seinem Leben ein Theater sehend sich ganz sonderbar verwunderte Alle Jahre bei dem Apostelfeste ward derselbe mit gleicher Gnade von dem Konige empfangen 8 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Fusswaschung durch den Regenten Bayern Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienLiteratur BearbeitenVolker D Laturell Volkskultur in Munchen Aufsatze zu Brauchtum musikalische Volkskultur Volkstanz Trachten Volkstheater in einer Millionenstadt Buchendorfer Verlag Munchen 1997 ISBN 3 927984 63 9 S 180 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Werner K Blessing Staat und Kirche in der Gesellschaft institutionelle Autoritat und mentaler Wandel in Bayern wahrend des 19 Jahrhunderts In Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Band 51 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1982 ISBN 3 525 35709 5 S 81 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Beschreibung der Hoffeierlichkeiten zu Karwoche in Munchen und die Munchener Reprint von 1905 Munchen 2008 ISBN 9780559834905 Friedrich Wilhelm Bruckbrau Charakterzuge und Anekdoten als Bilder der Gute und Wohlthatigkeit aus dem leben Maximilian Josephs I Konigs von Bayern Munchen 1856 S 101 107 Digitalisat in der Google Buchsuche Andreas Muller Fusswaschung In Lexikon des Kirchenrechts und der romisch katholischen Liturgie Band 2 2 umgearbeitete sehr vermehrte Auflage Etlinger Wurzburg 1838 S 913 f Digitalisat in der Google Buchsuche Einzelnachweise Bearbeiten Ministerialerlass vom 30 April 1870 in Verfassung und Verwaltung samtlicher Religionsgesellschaften in Bayern von Isidor Silbernagl 1883 S 300 f Hans Heidelbach Biografie Prinzregent Luitpold 1891 S 202 Prinz Adalbert von Bayern Als die Residenz noch Residenz war Prestel Verlag Munchen 1967 S 334 Peter HUTER der Hundertjahrige Huter In ensheim saar de Abgerufen am 27 Marz 2018 Helmut Wilhelm Alexander Wilhelm Hrsg Ensheim Wechselvolle Geschichte unseres Dorfes im Wandel der Zeiten 1977 Anton Mayer Die Domkirche zu U L Frau in Munchen J G Weiss Munchen 1868 S 363 Digitalisat in der Google Buchsuche Anton Adner Der alteste Berchtesgadner In Enzianbrennerei Grassl Hrsg Enzianbote Nr 5 2009 S 2 PDF 874 kB Charakterzuge und Anekdoten als 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