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Friedrich Ruhs 1 Marz 1781 in Greifswald 1 Februar 1820 in Florenz war ein deutscher Historiker und Hochschullehrer Er lehrte zunachst an der Universitat Greifswald in Schwedisch Pommern ab 1810 dann an der Friedrich Wilhelms Universitat Berlin Er befasste sich mit skandinavischer und germanischer Geschichte In der Zeit der Befreiungskriege trat er mit xenophoben frankreichfeindlichen Schriften als Nationalist hervor und verfasste judenfeindliche Texte die in die Fruhgeschichte des volkischen Antisemitismus eingeordnet werden Friedrich Ruhs Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Schulbesuch und Studium 1 2 Privatdozent und ao Professor in Greifswald 1 3 Professor in Berlin 1 4 Fruher Antisemit und Nationalist 1 5 Geschichtstheoretiker 1 6 Historiograf Preussens 2 Schriften 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelbelegeLeben BearbeitenSchulbesuch und Studium Bearbeiten Friedrich Ruhs wuchs in Greifswald auf das damals zu Schwedisch Pommern gehorte Er stammte aus einer alten Greifswalder Kaufmannsfamilie sein Vater Joachim Ruhs 1811 war Kaufmann und Ratsherr in Greifswald Ruhs besuchte zunachst die Greifswalder Stadtschule Ruhs begann 1797 sein Studium an der Universitat Greifswald wo er unter anderem Geschichte bei Johann Georg Peter Moller und bei Thomas Thorild horte Im Jahre 1800 wechselte er an die Georg August Universitat Gottingen wo er bei August Ludwig von Schlozer promoviert wurde Er verfasste damals eine erste Schrift uber Skandinavien Versuch einer Geschichte der Religion Staatsverfassung und Cultur der alten Skandinavier Gottingen 1801 die von Friedrich David Grater als zu deklamierend und zu wenig untersuchend kritisiert wurde Privatdozent und ao Professor in Greifswald Bearbeiten Im Herbst 1801 kehrte Ruhs in seine Heimatstadt Greifswald zuruck In dieser Epoche war die Universitat Greifswald von schwedischer Wissenschaftspolitik gepragt und die Stadt war Sitz der obersten Gerichts und Kirchenbehorden fur Schwedisch Pommern Ruhs wurde Vizebibliothekar an der Universitatsbibliothek Greifswald und nach seiner Habilitation 1802 Privatdozent Ruhs bot sich als Ubersetzer fremdsprachiger Schriften an und erhielt 1802 als schwedischer Untertan den koniglichen Auftrag als Berater an der deutschen Ubersetzung der Schwedenreise des Italieners Joseph Acerbi mitzuwirken Dieser hatte den Schwedenkonig Gustav IV Adolf als engstirnigen Zensor des Geisteslebens in seinen Landern dargestellt 1803 erschien die Berliner Ausgabe des Reiseberichts ohne Angriffe auf Schweden die Ruhs getilgt hatte Er wurde nicht namentlich genannt Damit hatte sich Ruhs das Vertrauen des schwedischen Konigshauses erworben und erhielt weitere Auftrage Er ubersetzte in den Folgejahren eine Gegenschrift zu Acerbi Carl Gustaf af Leopolds Briefe uber Schwedens neueste Verhaltnisse 1804 ferner dessen Vermischte prosaische Schriften Rostock Leipzig 1805 und die Werke von Gustav III in drei Banden Berlin 1805 1808 Er veroffentlichte auch eigene Werke zur nordischen Geschichte und Philologie etwa uber Finnland und seine Bewohner 1809 Sehr positiv aufgenommen und breit rezipiert insbesondere auch in Skandinavien wurde Ruhs funfbandige Geschichte Schwedens Im Jahre 1808 wurde Ruhs ausserordentlicher Professor an der philosophischen Fakultat in Greifswald Er folgte in diesem Amt seinem Freund Ernst Moritz Arndt der vor den Truppen Napoleons nach Schweden ausgewichen war Professor in Berlin Bearbeiten 1810 wurde Ruhs bei der Grundung der Friedrich Wilhelms Universitat Berlin auf den dortigen Lehrstuhl fur Geschichte berufen Heinz Duchhardt zufolge war die Wahl des 30jahrigen Greifswalders eine mutige Entscheidung die man in Berlin aber nie zu bereuen hatte 1 In Berlin setzte Ruhs seine skandinavischen Forschungen fort und ubersetzte 1812 noch vor den Brudern Grimm die Edda ins Deutsche Die Ubersetzung erschien nebst einer Einleitung uber die nordische Poesie und Mythologie und war in Prosa Form gehalten Ruhs stutzte sich dabei auf eine danische Ausgabe des Edda Forschers Rasmus Nyerup den er 1810 in Stockholm besucht hatte Seine Ubertragung stiess jedoch auf Kritik aus der sich ein Edda Streit entwickelte Ruhs wurden Ubersetzungsfehler aus mangelnder Kenntnis des Altnordischen vorgeworfen Dafur hatte der Dane Rasmus Rask 1811 ein Worterbuch herausgegeben das Ruhs nicht benutzt hatte Dennoch fand Ruhs mit Unterstutzung des aus Greifswald stammenden Verlegers Georg Andreas Reimer 1776 1842 neue Aufgaben 1813 erschien Uber den Ursprung der Islandischen Poesie Spater verfasste er unter anderem noch eine funfbandige Schwedische Geschichte die 1823 ins Schwedische ubersetzt wurde und Anklang auch bei dem schwedischen Historiker Erik Gustaf Geijer fand Fruher Antisemit und Nationalist Bearbeiten Ruhs gewann uber seinen Verleger in Berlin das Vertrauen des Historikers und Politikers Barthold Georg Niebuhr der ihn zur Mitarbeit am Preussischen Correspondenten bewegte In der Folge trat Ruhs mit betont nationalistischen Schriften hervor Nachdem Greifswald 1815 an Preussen gefallen war kritisierte er die dortige Schwedenzeit in einem als Brief fingierten Aufsatz scharf Im selben Jahr erschien seine sehr emotionale Schrift Historische Entwicklung des Einflusses Frankreichs und der Franzosen auf Deutschland die diese als Erzfeind und ewige Bedranger darstellte 2 Ebenfalls 1815 erschien das radikal antijudische Pamphlet Uber die Anspruche der Juden auf das deutsche Burgerrecht Darin sprach Ruhs den Juden das deutsche Burgerrecht ab falls sie nicht bereit waren zum Christentum uberzutreten Er folgte einer volkischen und antijudaistischen Argumentation die vor ihm Johann Gottlieb Fichte vertreten hatte 3 Ein fremdes Volk kann nicht Rechte erlangen welche die Deutschen zum Teil nur durch das Christentum geniessen Der zukunftige deutsche Staat werde wieder christlich germanisch sein Wie im Hochmittelalter solle man die Juden wieder mit einer Kleiderordnung kenntlich machen damit ein Deutscher selbst sei er durch Aussehen Verhalten und Sprache irregefuhrt seinen hebraischen Feind erkenne Mit dem Ubertritt zum milden Charakter des Christentums sollten sich die Juden die deutschen Volkseigentumlichkeiten aneignen um auf diese Arte den Untergang des judischen Volks mit der Zeit zu bewirken Damit wandte sich Ruhs von den Grundgedanken der Aufklarung ab und zeigte sich als Gegner der Judischen Emanzipation die damals in Preussen auf der politischen Tagesordnung stand Ruhs stand mit solchen Forderungen nicht allein 1815 1819 erreichte eine Welle antijudischer und antiemanzipatorischer Hetzschriften im 19 Jahrhundert ihren ersten Hohepunkt 4 So schloss sich der Philosoph Jakob Friedrich Fries aus Jena 1816 mit einem eigenen Traktat Ruhs an forderte aber uber den Untergang der judischen Religion durch Konversion hinaus dass diese Kaste mit Stumpf und Stiel ausgerottet werde 1818 antwortete Graf Karl Christian Ernst von Bentzel Sternau auf beide Traktate mit einer Satire unter dem Titel Anti Israel Eine Vorlesung in der geheimen Akademie zum grunen Esel als Eintrittsrede gehalten von Horatius Cocles Geschichtstheoretiker Bearbeiten Mit seinem 1811 veroffentlichten Entwurf einer Propadeutik des historischen Studiums legte Ruhs ein zu seiner Zeit sehr innovatives Buch auf dem Feld der sich gerade erst konstituierenden Geschichtsmethodik bzw theorie vor Ruhs stand hier in der Tradition von Johann Gottfried Herder und wandte sich wie dieser gegen die Geschichtsphilosophie der Aufklarung da diese die Vergangenheit lediglich nach den Wertmassstaben der eigenen Zeit beurteile Demgegenuber betonte Ruhs bspw die Wichtigkeit der methodisch geleiteten Quellenkritik und forderte dass die Geschichte als wissenschaftliche Disziplin die von ihr untersuchte Vergangenheit historisieren musse 5 Historiograf Preussens Bearbeiten Ruhs veroffentlichte in den Folgejahren ein Handbuch der Geschichte des Mittelalters 1816 und ein Buch uber Das Verhaltnis Holsteins und Schleswigs zu Deutschland und Danemark 1817 Im selben Jahr wurde er zum Historiografen des preussischen Staates berufen Er widmete sich nun verstarkt Forschungen zum germanischen Altertum und war massgeblich an Vorarbeiten zu der 1819 gegrundeten Gesellschaft fur Deutschlands altere Geschichtskunde beteiligt Die Initiative dazu ging von Heinrich Friedrich Karl vom Stein aus Nach dem Tod von Ruhs ging daraus die Generaldirektion der Monumenta Germaniae Historica hervor 1819 wurde er Mitglied der Preussischen Akademie der Wissenschaften 6 Ruhs erkrankte 1820 wahrend einer Italienreise mit seinem Neffen Karl Gustav Homeyer 1795 1874 Er starb in dessen Obhut in Florenz Sein Neffe ubernahm die Pflege seines Werkes und betonte die Notwendigkeit nordischer Studien an der Universitat in Berlin Friedrich Ruhs war mit Eleonore Hyppolithe Kriebel verheiratet einer Tochter des Wolgaster Propstes Johann August Kriebel Er war Ritter des schwedischen Nordstern Ordens Schriften BearbeitenGeschichte Schwedens 5 Bande Gebauer Halle 1803 1814 Digitalisat Band 1 Band 2 Band 3 Band 4 Band 5 Schwedische Ubersetzung erschien 1823 1825 Finnland und seine Bewohner Goschen Greifswald 1809 Digitalisat Entwurf einer Propadeutik des historischen Studiums 1811 Neuauflage als Band 7 der Reihe Wissen und Kritik herausgegeben und eingeleitet von Dirk Fleischer und Hans Schleier Waltrop 1997 Ueber den Ursprung der islandischen Poesie aus der angelsachsischen nebst vermischten Bemerkungen uber die nordische Dichtkunst und Mythologie Berlin 1813 Digitalisat Historische Entwickelung des Einflusses Frankreichs und der Franzosen auf Deutschland und die Deutschen Nicolai Berlin 1815 Digitalisat Uber die Anspruche der Juden auf das deutsche Burgerrecht Realschulbuchhandlung Berlin 1815 Digitalisat Die Rechte des Christenthums und des deutschen Volks verteidigt gegen die Anspruche der Juden Berlin 1816 Digitalisat Das Verhaltniss Hollsteins und Schleswigs zu Deutschland und Danemark Reimer Berlin 1817 Digitalisat Handbuch der Geschichte des Mittelalters Realschulbuchhandlung Berlin 1816 Digitalisat Neue verbesserte Auflage Arnold Stuttgart 1840 Als Herausgeber Carl Gustaf af Leopold Autor Schwedens neueste Verhaltnisse Greifswald 1804 Carl Gustaf af Leopold Autor Vermischte prosaische Schriften Rostock Leipzig 1805 Gustav III Autor Werke in drei Banden Berlin 1805 1808 Die Edda nebst einer Einleitung uber die nordische Poesie und Mythologie Berlin 1812 Online Literatur BearbeitenLudwig Biewer Friedrich Ruhs In Dirk Alvermann Nils Jorn Hrsg Biographisches Lexikon fur Pommern Bd 2 Veroffentlichungen der Historischen Kommission fur Pommern Reihe V Forschungen zur Pommerschen Geschichte Bd 48 2 Bohlau Koln u a 2015 ISBN 978 3 412 22541 4 S 228 233 Peter Fasel Revolte und Judenmord Hartwig von Hundt Radowsky 1780 1835 Biografie eines Demagogen Metropol Berlin 2010 ISBN 978 3 938690 23 9 Ruhs passim Rezension Die Zeit Beilage Literatur Nr 12 Marz 2010 S 69 f Theodor Pyl Ruhs Friedrich In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 29 Duncker amp Humblot Leipzig 1889 S 624 626 Hans Schleier Ruhs Friedrich In Neue Deutsche Biographie NDB Band 22 Duncker amp Humblot Berlin 2005 ISBN 3 428 11203 2 S 221 f Digitalisat Weblinks BearbeitenWerke von und uber Friedrich Ruhs in der Deutschen Digitalen Bibliothek Literatur von und uber Friedrich Ruhs im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Literatur uber Friedrich Ruhs in der Landesbibliographie MV Digitalisate der Werke Friedrich Ruhs in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg VorpommernEinzelbelege Bearbeiten Heinz Duchhardt Fachhistorie und politische Historie der Mediavist Landeshistoriker Kulturhistoriker und Publizist Friedrich Ruhs In Paul Joachim Heinig u a Hrsg Reich Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit Festschrift fur Peter Moraw Historische Forschungen Bd 67 Berlin 2000 S 715 730 hier S 718 Vgl dazu Michael Rohrschneider Der Historiker Christian Friedrich Ruhs und die Franzosen Eine Studie zum deutschen Frankreichbild im fruhen 19 Jahrhundert In Francia Forschungen zur westeuropaischen Geschichte Bd 33 2006 Heft 2 S 129 146 zitiert nach LOTTA Nr 11 97 1815 1848 1933 Deutsche Revolutionen Vgl Michael F Scholz Der Historiker Christian Friedrich Ruhs und die Ambivalenz der fruhen deutschen Nationalbewegung In Deutsch Finnische Gesellschaft e V Hg Pro Finlandia 2001 Festschrift fur Manfred Menger Reinbek 2001 S 125 139 Michael Czolkoss Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Universitat Greifswald 1765 1863 In Niels Hegewisch Karl Heinz Spiess Thomas Stamm Kuhlmann Hg Geschichtswissenschaft in Greifswald Festschrift zum 150jahrigen Bestehen des Historischen Instituts der Universitat Greifswald Beitrage zur Geschichte der Universitat Greifswald 11 Stuttgart 2015 S 9 52 hier S 42 49 Heinz Duchhardt Friedrich Ruhs und die Berliner Akademie der Wissenschaften In Dieter Hein Klaus Hildebrand Andreas Schulz Hg Historie und Leben Der Historiker als Wissenschaftler und Zeitgenosse Festschrift fur Lothar Gall zum 70 Geburtstag Munchen 2006 S 15 20 Normdaten Person GND 104359714 lobid OGND AKS LCCN n88659667 VIAF 27298922 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Ruhs FriedrichALTERNATIVNAMEN Ruhs Friedrich Christian Ruhs Christian FriedrichKURZBESCHREIBUNG deutscher Historiker und HochschullehrerGEBURTSDATUM 1 Marz 1781GEBURTSORT GreifswaldSTERBEDATUM 1 Februar 1820STERBEORT Florenz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Friedrich Ruhs amp oldid 236211970