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Frau Stuckhatorin ist die Behelfsbezeichnung fur eine namentlich nicht sicher bekannte Frau die fur die unsignierten Scagliola Arbeiten der Chorgestuhlruckwande Dorsale des Kastulusaltars sowie an sechs Eckpilastern der von 1652 bis 1748 gebauten Stifts und Pfarrkirche St Lorenz in Kempten verantwortlich war Diese ungeklarte Meisterfrage beschaftigt seit Jahrzehnten zahlreiche Historiker 2 Die Handwerkerin ist eine der wenigen Stuckateurinnen des 17 Jahrhunderts und eine der wenigen Frauen die an der Gestaltung der Kirche beteiligt waren Sie wirkte in einer Zeit in der Manner und Frauen nicht gleichberechtigt waren und Frauen in Zunften kein Mitglied sein durften sie waren hochstens als gering bedeutend in Textilzunften Weber und andere Textilzunfte beteiligt 3 Scagliola Antependium einer gewissen Frau Stuckhatorin im Kastulusaltar Unterhalb der oktogonformigen Kuppel befinden sich die Scagliola Arbeiten Die Dorsale 1 des Chorgestuhls sowie die Eckpilaster hier links tragen Scagliola Zur Identifizierung der historischen Person hinter der Behelfsbezeichnung wird meist die Munchner Meisterin Barbara Hackl vorgeschlagen aber auch eine Maria Salome Freismich ist genannt worden Inhaltsverzeichnis 1 Quellen des Behelfsnamens Frau Stuckhatorin 2 Meisterfrage 3 Werke 3 1 Dorsale im Chorgestuhl 3 2 Kastulusaltar 3 3 Wandfullungen in Eckpilastern 4 Einzelnachweise 5 Literatur 6 WeblinksQuellen des Behelfsnamens Frau Stuckhatorin BearbeitenAb 1660 begann der Innenausbau der Stiftskirche In Vermessungen aus dem Jahr 1666 des Baumeisters Johann Serro findet sich offenbar erstmals in diesem Zusammenhang die Bezeichnung Stuckhatorin ein Name wird dabei nicht genannt Im Oktober 1669 klagte eine Frau Stuckhatorin gegen den Rechnungsfuhrer der Hofkammer des Furststifts Kempten Im Januar 1670 verlangte sie monatlich acht Gulden als Honorar fur ihre von April bis Dezember 1669 geleistete Arbeit und fragte ob man sie in ihrem Handwerk weiter beschaftigen mochte da das benotigte Material wie Gips Farben und Alabaster abgesehen von einem Bergblau noch vorhanden sei Insbesondere war der Chorstuhl des Kardinals Bernhard Gustav von Baden Durlach noch nicht fertig Zunachst gelang keine Ubereinkunft Bald gab die Hofkammer den Forderungen nach Spater reichte die weiterhin namentlich unbekannte Stuckhatorin ein Verzeichnis ihrer von 1668 bis 4 Februar 1670 gefertigten Arbeiten ein Weitere Auftrage erhielt sie nicht da die Baukosten bereits sehr hoch waren und das Furststift mit der Grossbaustelle bestehend aus der neuen Kirche und der Residenz hoch verschuldet war Die Platten fur das Chorgestuhl sind aufgrund der Wichtigkeit fur den ausschliesslich adeligen Klerus fertiggestellt worden 4 Meisterfrage Bearbeiten nbsp Blumenkomposition mit Wappen des Furststifts nbsp Architektur dar stel lung hier eine Kirche nbsp Architektur dar stel lung mit Durchblick auf eine LandschaftDer Kunsthistoriker Norbert Lieb 1907 1994 schrieb 1957 im Kunstmagazin Das Munster als erster die Scagliola Arbeiten einer Barbara Fistulator zu 5 Lieb weist darauf hin dass in Suddeutschland die Scagliola Kunst eng mit dem Munchner Hof und der Familie Fistulator verbunden war die vom Hof bezahlt wurde und hauptsachlich mit Arbeiten fur die Munchner Residenz beschaftigt war Seit 1613 hatte der Bayerische Hof das Monopol fur Scagliola Arbeiten und die Scagliola Technik unterlag der Geheimhaltung so dass kein Unberufener diese Technik ausuben konnte Es kamen fur diese Tatigkeit also nicht viele Frauen infrage In den Kemptener Archivalien wird mehrmals eine Frau Stuckhatorin mit dem Vornamen Barbara genannt ein weiterer Hinweis auf Barbara Fistulator 6 Es handelte sich um die aus Munchen stammende Stuckateurmeisterin Barbara Hackl Ab 1624 hatte Hackl als Gesellin am Munchner Hofe die von Herzog Maximilian I privilegierte Scaliogla Technik bei Blasius Pfeiffer erlernt der auch als Blasius Fistulator um 1585 Juni 1622 bekannt war Fistulator ist die Latinisierung des Namens Pfeiffer Im Jahr 1621 heiratete Barbara Hackl dessen Sohn Wilhelm Pfeiffer Wilhelm Fistulator 10 Januar 1669 woraufhin sie auch Barbara Fistulator genannt wurde Mit Wilhelm Pfeiffer hatte sie mit den Sohnen Franciscus 1626 1660 und Ferdinand 1640 1679 sowie der Tochter Maria Theresia 1634 1707 insgesamt drei Kinder Maria Theresia soll spater mit ihrem Ehemann Andreas Romer eventuell bei der Scagliola Tatigkeit mitgeholfen haben Die beiden Sohne waren zumindest zeitweise als Stuckateure der Fistulatoren Familie in Munchen tatig Um 1665 soll Barbara Hackl nach Kempten gekommen sein und in der neuen Stifts und Pfarrkirche St Lorenz in Kempten Allgau die Scagliola Arbeiten am Chorgestuhl und an den Eckpilastern im oktagonformigen Chor geschaffen haben 5 Bei den Fruchtgehangen und Blumenranken im Herzkabinett der Munchner Residenz gibt es Ahnlichkeiten mit den Kemptener Arbeiten und ebenso bei der Wandverkleidung des Grottenzimmers verglichen mit den ovalen Scagliolaplatten in den Kartuschen im Aufsatz des Chorgestuhls 7 1958 59 wurden die Arbeiten der ab 1652 in Kempten nachweisbaren mutmasslich einheimischen Maria Salome Freismich 10 Februar 1695 zugeschrieben gelegentlich taucht auch die Variation des Nachnamens Freitmich und Freutmich in den Kirchenbuchern auf Maria Salome Freismich war die Ehefrau des weniger bekannten Bildhauers Georg Schmolz Schmelz mit dem sie spater drei Kinder hatte 8 Eventuell hat Barbara Hackl ihr diese als aufwendig geltende Handwerkskunst beigebracht und Freismich lediglich die in geringerer Qualitat und unterschiedlichen Formaten gefertigten Medaillons im Holzaufsatz erstellt Denn ein Medaillonrahmen enthalt auf der Ruckseite die eingeschnitzte Zahl 1678 was auf eine spatere Aufstellung der Medaillons auf dem Gestuhl hindeutet Moglich ist aber auch dass die Medaillons eingelagert waren 9 Frau Freismich wird nur von einem Autor in Erwagung gezogen und in der weiteren Forschung nicht mehr erwahnt Da wird stets Barbara Hackl als sehr wahrscheinliche Urheberin genannt Ihre letzten Arbeiten in Kempten fuhrte sie 1670 aus Laut Pfarrmatrikel ist Hackl am 4 Mai 1674 beerdigt worden 7 10 11 Im Bereich der Johanneskirche in Kempten Haubenschloss erhielt in einem Wohngebiet ein Verkehrsweg den Namen Barbara Hackl Strasse 47 71633 10 30137 Werke Bearbeiten nbsp Orientierungsplan Standort des Chorgestuhls bis 1844 bzw 1848 rot Standort seit spatestens 1848 grun Eckpilaster blau Kastulusaltar braun nbsp Der Kastulusaltar seitlich zwei Eckpilaster mit Scagliola Fullungen nbsp Eine der beiden Tafeln im Kastulusaltar aus der ehemaligen Kanzel Frau Stuckhatorin arbeitete in dem Verfahren Scagliola mischia italienisch fur gemischter Stuckmarmor Diese Technik bedient sich der Kunst des Stuckmarmors in dem durch Schichten aus unterschiedlichen Werkstoffen organisch und anorganisch und das Schleifen der Oberflache eine Vielfarbigkeit erreicht wird die Gestein Pietra dura simuliert 12 Der Kunsthistoriker Norbert Lieb bezeichnete diese Scagliola Arbeiten als einzigartig 5 Dorsale im Chorgestuhl bis 1670 35 von 40 erhalten Sechs Wandfullungen in den Eckpilastern des Chors ca 1666 Antependium vor 1668 und zwei Blumenvasendarstellungen 1669 70 im KastulusaltarDorsale im Chorgestuhl Bearbeiten Auffallig ist bei den Scagliola Arbeiten in den Dorsalen des Chorgestuhls der Stiftskirche St Lorenz dass sie keine religiosen oder christlichen Motive zeigen Motivisch lassen sich die Arbeiten in Landschaftsdarstellungen Architekturdarstellungen hierbei mit einem Durchblick in eine Landschaft und Blumenkompositionen kategorisieren In den bizarren Phantasielandschaften 13 sind haufig Personen erkennbar am Ufer ein Fischer mit Angelrute zwei Personen auf einem Floss oder einem Boot zwei Monche in Kutte oder ein Wanderer mit einem Hund Es sind Ruinen Burgen Brucken und Kirchen abgebildet Im Hintergrund sind Silhouetten von Siedlungen erkennbar Manchmal sind diese Ausfuhrungen von quasi architektonischen Ornamentalrahmen umgeben Einige wenige Arbeiten zeigen das Wappen des Furststifts Kempten mit dem Kopf der Stifterin Hildegard der Frau Karls des Grossen Zwei weitere Platten tragen die Wappen der Furstabte Roman Giel von Gielsberg und Bernhard Gustav von Baden Durlach seines Koadjutors 14 Das Chorgestuhl bestand ursprunglich aus 40 Sitzen die 1844 oder 1848 vollstandig abmontiert und zerteilt wurden Bis zu diesem Zeitpunkt standen die mit zwei Reihen zu je 19 Sitzen leicht oval vor dem Hochaltar Marienaltar Separat war der Stuhl des Furstabts sowie seines Stellvertreters des Priors 9 Spatestens 1848 wurden nur 28 Sitze ihrem Ursprungszweck entfremdet hinter den vier Pfeilern des Oktogons an den Wandschragen aufgestellt vier Stallen mit Scagliola befanden sich zunachst in der Kirche verteilt Seit der Kirchenrestaurierung 1994 befinden sich die vier Stallen in der Empore der Chorkuppel Drei Einzelplatten sind in musealer Verwendung funf gingen verloren Sybe Wartena stellte im Jahr 2010 die Hypothese auf dass ein Teil der seit 1848 als Ruckwande des Gestuhls Dorsale genutzten Platten ursprunglich keine Dorsale waren wie man bisher angenommen hatte sondern als vertikale Platten bei der vorderen Reihe unterhalb des Pults angebracht waren Ginge man stattdessen von der bisherigen Annahme aus ware in der zweiten Reihe die Sicht versperrt bzw musste diese Reihe auf einem hohen Podest mit steiler Treppe gestanden haben was laut Wartena nicht nachvollziehbar sei 9 Kastulusaltar Bearbeiten Die Scagliola Arbeiten im Kastulusaltar stammen von Frau Stuckhatorin wie der Stilvergleich zeigt Im Antependium mit dem Marienmonogramm in der Mitte ranken sich Blumen und Blatter auf schwarzem Grund Es gehorte ursprunglich zu einem fruheren 1668 aufgestellten Hauptaltar Spater wurde dieser ersetzt Das Antependium wurde 1684 in den neuen Altar eingebaut Die davon seitlich gelegenen Scagliola Einlagen zeigen amphorenartige Gefasse mit Pflanzenrankwerk auf schwarzem Grund Diese beiden Einlagen stammen von der 1685 ersetzten Kanzel aus dem Jahr 1670 15 Wandfullungen in Eckpilastern Bearbeiten Die sechs hohen lisenenartigen Fullungen in den Eckpilastern seitlich der drei Chorarme Nord Ost Sudchorarm eine davon 1666 eingesetzt folgen dem gestalterischen Konzept im Kastulusaltar Aus Vasen steigt ein Rankenwerk aus Bluten und Blattern auf schwarzem Grund 16 Einzelnachweise Bearbeiten die Ruckwand im Chorgestuhl Alexander Herzog von Wurttemberg Stadt Kempten Bayerisches Landesamt fur Denkmalpflege Hrsg Denkmaler in Bayern Band VII 85 Verlag Schnell amp Steiner Munchen Zurich 1990 ISBN 3 7954 1003 7 S 102 Margret Wensky Frau C Die Frau in der mittelalterlichen Gesellschaft III Die Frau in der stadtischen Gesellschaft In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 4 Artemis amp Winkler Munchen Zurich 1989 ISBN 3 7608 8904 2 Sp 864 f Martha Roediger Die Stiftskirche St Lorenz in Kempten Ein Beitrag zur Geschichte der suddeutschen Barockarchitektur August Hopfer Burg bei Magdeburg 1938 S 74 76 a b c Norbert Lieb Die Frau Stuckhatorin der Stiftskirche in Kempten In Das Munster 10 Jg Heft 3 4 Schnell und Steiner Munchen 1957 S 124 f Elena Agnini Anne Marie Haagh Christensen Gabi Schmidt Ingrid Stummer Herstellung Technik und Restaurierung von Stuckmarmorarbeiten Die Scagliola Platten im Chorgestuhl von St Lorenz in Kempten In Restauro Zeitschrift fur Kunsttechniken Restaurierung und Museumsfragen 102 Jg Heft 2 Callwey Verlag Munchen 1996 ISSN 0933 4017 S 102 a b Michaela Liebhardt Die Munchner Scagliolaarbeiten des 17 und 18 Jahrhunderts Dissertation Munchen 1987 S 160 Rudolf Schmid Vergessene Mitarbeiter melden sich In Heimatverein Kempten Hrsg Allgauer Geschichtsfreund Kempten 1958 1959 S 51 53 a b c Sybe Wartena Die Suddeutschen Chorgestuhle von der Renaissance bis zum Klassizismus Dissertation an der LMU Munchen Munchen 2008 Kapitel 15 1 Kempten S 349 369 904 S deutsche digitale bibliothek de Memento des Originals vom 14 Marz 2018 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www deutsche digitale bibliothek de PDF 600 kB abgerufen am 13 Marz 2018 Erwin Emmerling Zur Ausstattung der ehem Benediktinerstifts und Pfarrkirche der heutigen Stadtpfarrkirche St Lorenz in Kempten In Die Restaurierung der Basilika St Lorenz in Kempten Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes fur Denkmalpflege Band 72 Edition Lipp Munchen 1994 ISBN 3 87490 542 X S 97 Anmerkung In gewissen Publikationen wird wiederum behauptet Hackl sei 1678 auf eigenen Wunsch nach Wien umgezogen Burgerfleiss und Furstenglanz Reichsstadt und Furstabtei Kempten Haus der Bayerischen Geschichte Augsburg 1998 ISBN 3 927233 60 9 S 284 Wanja Wedekind Scagliola Auf den Spuren zu moglichen Ursprungen und Verbreitungen einer europaischen Kunsttechnik In ICOMOS Hefte des Deutschen Nationalkomitees Bd 50 Munchen 2010 ISSN 2365 5623 S 213 221 Josef Focht Das Gloria der Engel im Furststift Kempten Kunstverlag Peda Passau 1998 ISBN 3 89643 098 X S 32 Hugo Naumann Kempten Basilika St Lorenz Kunstverlag Peda Passau 2011 ISBN 978 3 89643 836 2 S 17 f Michaela Liebhardt Die Munchner Scagliolaarbeiten des 17 und 18 Jahrhunderts Dissertation Munchen 1987 S 149 f Michael Petzet Stadt und Landkreis Kempten Bayerische Kunstdenkmale Band 5 Deutscher Kunstverlag Munchen 1959 DNB 453751636 S 10 15 f Literatur BearbeitenWanja Wedekind Scagliola Auf den Spuren zu moglichen Ursprungen und Verbreitungen einer europaischen Kunsttechnik In ICOMOS Hefte des Deutschen Nationalkomitees Band 50 Munchen 2010 ISSN 2365 5623 S 213 221 Sybe Wartena Die Suddeutschen Chorgestuhle von der Renaissance bis zum Klassizismus Dissertation an der LMU Munchen Munchen 2008 Kapitel 15 1 Kempten S 349 369 904 S deutsche digitale bibliothek de PDF 600 kB abgerufen am 13 Marz 2018 Michaela Liebhardt Die Munchner Scagliolaarbeiten des 17 und 18 Jahrhunderts Dissertation Munchen 1987 Elena Agnini Anne Marie Haagh Christensen Gabi Schmidt Ingrid Stummer Herstellung Technik und Restaurierung von Stuckmarmorarbeiten Die Scagliola Platten im Chorgestuhl von St Lorenz in Kempten In Restauro Zeitschrift fur Kunsttechniken Restaurierung und Museumsfragen 102 Jg Heft 2 Callwey Verlag Munchen 1996 ISSN 0933 4017 S 100 107 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Chorgestuhl in der Basilika St Lorenz in Kempten Sammlung von Bildern nbsp Dieser Artikel wurde am 4 Juni 2018 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen PersonendatenNAME Frau StuckhatorinKURZBESCHREIBUNG StuckateurinGEBURTSDATUM 17 JahrhundertSTERBEDATUM 17 Jahrhundert Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Frau Stuckhatorin amp oldid 228503808