Evolution (vom lateinischen evolvere = abwickeln, entwickeln; PPP evolutum) ist in der Systemtheorie ein Prozess, bei dem durch Reproduktion oder Replikation von einem System Kopien hergestellt werden, die sich voneinander und von ihrem Ursprungssystem durch Variation unterscheiden und bei dem nur ein Teil dieser Kopien auf Grund von Selektion für einen weiteren Kopiervorgang zugelassen werden.
Evolution im Allgemeinen Bearbeiten
Voraussetzungen der Evolution Bearbeiten
Die Evolution ist an drei notwendige Voraussetzungen gebunden:
- Das Vorhandensein von Replikatoren,
- eine schwankende Kopiergenauigkeit, Variation genannt, sowie
- eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeit einer jeden Variante, als Element in jene Stichprobe zu gelangen, aus der die nachfolgende Population zusammengesetzt wird: Selektion.
Diese Voraussetzungen sind hinreichend trivial, so dass man logisch ableiten kann, dass sie an vielen Orten und Gelegenheiten im Universum gegeben sind. Die Ansichten darüber, ob sich Leben daraus entwickeln muss, gehen jedoch weit auseinander.
Die Schwankung von Replikatorenhäufigkeiten in einer Population Bearbeiten
Als Evolution bezeichnet man heute allgemein jenen statistischen Vorgang, bei dem die Zusammensetzung einer Replikatoren-Population P2 aus einer Stichprobe einer zuvor bestehenden, anderen Replikatoren-Population P1 bestimmt wird. Wird aus P1 eine Stichprobe unterschiedlicher Replikatoren gezogen und aus ihr die Zusammensetzung von P2 bestimmt, so liegt Evolution vor. Läuft dieser Vorgang wiederholt ab, so weisen spätere Populationen – wie beispielsweise P5 oder P100 – jeweils schwankende Zusammensetzungen auf.
Eine evolutionsfähige Population ist eine Menge von Replikatoren. Letztere sind irgendwelche Objekte, von denen Kopien entstehen.
Die Evolution als statistischer Vorgang ist ein logisch und empirisch jederzeit beweisbares Faktum und in der Wissenschaft nicht bestreitbar. Evolution läuft niemals an Objekten, sondern immer nur an Häufigkeiten von Objekten ab. Er kann grundsätzlich an allen Mengen ablaufen, die nicht einmal den bekannten physikalischen Gesetzen gehorchen müssen.
Verlauf der Evolution auf der Erde Bearbeiten
Evolution im hier definierten Sinn findet auf der Erde im Reich der Lebewesen statt. Der Begriff „Evolution“ wird außerhalb der Biologie teilweise anders definiert, für Vorgänge, die nach anderen Gesetzmäßigkeiten als „Replikation –> Variation –> Selektion“ verlaufen. Dies betrifft beispielsweise die Entstehung und Entwicklung von Galaxien, Sternen und Planeten inklusive der Erde; in den Gesellschaftswissenschaften unter anderem die soziokulturelle Entwicklung des Menschen und in der Systemtheorie die Entwicklung von Computerprogrammen. Die Gemeinsamkeit aller Vorgänge beruht auf einer geschichtlichen Entwicklung und häufig einer Entwicklung in Richtung höherer Komplexität. Aus biologischer Sicht kann diese synonyme Begriffsverwendung leicht zu Missverständnissen führen und ist insofern misslich.
Teilbereiche der Evolution Bearbeiten
Evolution der unbelebten Materie Bearbeiten
Dieses Thema beschäftigt sich mit dem Ursprung und der Entwicklung des Universums, dessen Teilchen und Elementen. Folgende Artikel befassen sich mit der Thematik:
Evolution der Lebewesen Bearbeiten
Die Evolution der Lebewesen ist ihre Entwicklung im Laufe großer Zeitspannen innerhalb der Erdgeschichte.
Siehe dazu:
Evolution der Psyche Bearbeiten
Unter bestimmten Bedingungen führt die Evolution zu Organismen, die über ein Bewusstsein verfügen. Dieser Entwicklungsprozess ist Gegenstand der Evolutionären Psychologie.
Evolution des Geistes Bearbeiten
In der Philosophie über lebende Systeme betrachtet man die wissenschaftliche Entwicklung als eine Fortsetzung der biologischen Evolution und spricht von einer Evolution des Geistes:
Lebewesen seien Träger genetisch gespeicherter Informationen. In der Evolution sammle sich mehr und genauere Information in den Lebewesen an. Der Mensch sei als einziges Lebewesen in der Lage, seine geistigen, im Gehirn gespeicherten Informationen auch außerhalb des Körpers zu speichern, zum Beispiel in Büchern oder auf Disketten. Diese Informationen, unter anderem die wissenschaftlichen Ideen (als „geistige Gene“ betrachtet), könnten an alle Menschen und die Nachwelt „vererbt“ werden. Die Mittel der Evolution, nämlich Vermehrung mit Varianten und deren Selektion, setzten sich fort als wissenschaftliche Hypothesenbildungen und deren Prüfung im Versuch.
Evolution der Meme Bearbeiten
Aufgrund zahlreicher empirischer Belege glaubt man heute einheitlich, dass die Evolution auf unserem Planeten nicht immer an denselben Replikatoren abgelaufen sein muss. Die Welt der Lebewesen, wie wir sie heute kennen, basierte zwar auf weiten Strecken auf einem chemischen Replikator, der DNA, sie ist jedoch nicht der einzige Replikator. Als weitere Replikatoren erwiesen sich beispielsweise Kristallstrukturen, die ebenfalls Kopien von sich selbst herstellen können. Auch informationstragende Einheiten, die nicht an eine chemische, sondern an eine (bio-)informatische Grundlage gebunden sind, werden als Replikatoren begriffen und wurden von Richard Dawkins 1976 als Meme bezeichnet.
Evolutorische Ökonomik Bearbeiten
In Form der evolutorischen Ökonomik haben Gedanken der biologischen Evolution auch Eingang in die Wirtschaftswissenschaften gefunden. Hintergrund ist, dass durch freie Märkte eine Selektion unter konkurrierenden Produkten oder Produktionsverfahren stattfindet, in der sich erwünschtere Produkte und effizientere Verfahren gegen weniger gewünschte und ineffizientere durchsetzen. Ständige Produktinnovationen führen so zu einer ständigen Weiterentwicklung, die – wie in der biologischen Evolution – Untersuchungsgegenstand ist. Während in der Biologie aber die Variationen oder Mutationen nur als zufällig modelliert werden, sind sie in der evolutorischen Ökonomik ebenfalls Untersuchungsgegenstand.
Beispiele Bearbeiten
Kettenbriefe Bearbeiten
Bei Kettenbriefen, die als E-Mail verbreitet werden, entfällt die Kopierungenauigkeit. Es gibt für diese Art der Kettenbriefe noch keine Untersuchungen darüber, ob Empfänger den Text bewusst ändern, um ihrer Version eine größere Verbreitung zu ermöglichen.
Selbstreplizierende künstliche organische Moleküle Bearbeiten
Siehe auch Bearbeiten
Referenzen Bearbeiten
- Charles H. Bennett et al.: Die Evolution der Kettenbriefe. In: Spektrum der Wissenschaft. Januar 2004, S. 78 ff.
- Julius Rebek jr.: Künstliche Moleküle, die sich vermehren. In: Spektrum der Wissenschaft. September 1994, S. 67 ff.
Literatur Bearbeiten
- Klaus Dose: Chemische Evolution und der Ursprung lebender Systeme. In: W. Hoppe, W. Lohmann, H. Markl, H. Ziegler (Herausgeber): Biophysik. Springer-Verlag, Heidelberg, ISBN 3-540-11335-5.
- Werner Ebeling: Physik der Evolutionsprozesse. Akademie-Verlag, Berlin, ISBN 3-05-500622-4.
- Sven P. Thoms: Ursprung des Lebens. Frankfurt 2005.
Weblinks Bearbeiten
- Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Sarah Scoles: Leben auf anderen Welten. Auf: spektrum.de vom 9. Juli 2023, aktualisiert am 31. Juli 2023.