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Die Geschichte der Bildungsbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland durchlief verschiedene Phasen In der Nachkriegszeit war der Grossteil der Kinder aus den unteren Schichten von einem Studium praktisch ausgeschlossen Hieran anderte auch das Dusseldorfer Abkommen 1955 nicht sehr viel welches in erster Linie der einheitlichen Gestaltung des westdeutschen Bildungssystems diente und nur geringe Verbesserungen fur die Situation von Schulern mit niedriger sozialer Herkunft vorsah Mit der Konstatierung der Bildungskatastrophe und dem Hamburger Abkommen Mitte der 1960er Jahre wurden Weichen gestellt die das Schulsystem durchlassiger gestalteten Anfang und Mitte der 1970er Jahre kam es zu weitgehenden Veranderungen des Schulsystems unter dem Motto Bildung fur alle welches zu deutlichen Verschiebungen zugunsten der bis dahin bildungsbenachteiligten Schulern fuhrte Seit Mitte der 1980er Jahre ist allerdings wieder ein relativer Ruckgang der unteren sozialen Schichten im Bildungssystem zu verzeichnen Inhaltsverzeichnis 1 Die Bildungsbeteiligung bis zur Diskussion der Bildungskatastrophe 2 Reform der unteren Schulform ab Mitte der 1960er Jahre 3 Reform der Gymnasien 4 Reform der Hochschulen 5 Finanzierungsfragen 6 Systemkritik 7 Siehe auch 8 Quellen 9 LiteraturDie Bildungsbeteiligung bis zur Diskussion der Bildungskatastrophe BearbeitenDas Bildungssystem der Kaiserzeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus forderte eine heterogene Bildungspolitik wobei die Schuler in Schultypen entsprechend ihrer vermeintlichen Leistung einsortiert werden An der Reichsschulkonferenz 1920 konnten sich die Positionen der Linksparteien nach einer Uberwindung des dreigliedrigen Schulsystems und der Zuordnung des Kindergartens zur Schule das heisst verpflichtend fur alle Kinder und mit einem Bildungsauftrag statt zur Jugendwohlfahrt nicht durchsetzen 1 Professor Binder als Befurworter der Beibehaltung der Gymnasien ausserte sich hier folgendermassen Je langer die geistig Kraftigsten und Anspruchsvollsten mit allen anderen auch den Mittelmassigen und den praktisch nicht wissenschaftlich Begabten zusammen unterrichtet werden um so mehr werden sie geistiger Zuchtlosigkeit und Schlaffheit verfallen 2 Nach der Befreiung vom nationalsozialistischen Regime setzen die Alliierten eine Kommission ein die ergrunden sollte inwiefern das deutsche Bildungssystem dazu beigetragen hat dass sich der Nationalsozialismus in Deutschland entfalten konnte Die Zook Kommission kam zu dem Schluss dass die sehr fruhe Einteilung des dreigliedrigen Schulsystems ein Standesdenken fordere welches eine Untertanenmentalitat hervorbringe Daher empfahl die Kommission Direktive 54 der Alliierten Kontrollbehorde den Aufbau eines sozial gerechten Schulsystems mit gleichen Bildungsmoglichkeiten fur alle unentgeltliche Bildungsangebote und Unterstutzung fur Bedurftige die Ersetzung des alten Schultyps durch eine Einheitsschule Diese sollte aus einer sechsjahrigen Grundschule und darauf aufeinanderfolgende Abschnitte bestehen jedoch nicht aus verschiedenen Schulformen die gesamte Lehrerausbildung sollte an einer Universitat oder einem Padagogischen Institut von Universitatsrang erfolgen 3 Soziale Herkunft der Studenten im Vergleich zur sozialen Schichtung der Gesamtbevolkerung 1955 56Soziale Schichten Gesamtbevolkerung StudentenschaftObere Mittelschicht 4 6 47 2 Untere Mittelschicht 38 6 47 4 Obere Unterschicht 13 3 5 0 Untere Unterschicht 38 6 0 4 Unklassifizierbar 4 9 R Dahrendorf Arbeiterkinder an deutschen Universitaten 1965 S 9 In den West Sektoren wurde dieser Empfehlung nur sehr sporadisch nachgegangen und schliesslich einigten sich 1955 die Kultusminister in der jungen Bundesrepublik fur die Beibehaltung des alten Schulsystems In der Regel hiess es fur Arbeiterkinder damit weiterhin dass sie zur Volksschule gingen um dann mit 14 einem Beruf als Arbeiter oder Arbeiterin nachzugehen Wahrend 1955 56 die Untere Unterschicht in der Bundesrepublik Deutschland 38 6 Prozent der Bevolkerung ausmachte konnten innerhalb der Studierendenschaft nur 0 5 Prozent dieser Schicht zugeordnet werden Eine ethnologische Untersuchung der kalifornischen Stanford University kam zu dem Schluss dass der Unterricht fur Arbeiterkinder Anfang der 1960er Jahre in Baden Wurttemberg im Einuben normativer Sinnspruche bestand Diskretion und Takt von Lehrern gegenuber Arbeiterkindern gab es nur in Ausnahmefallen Die Auswertung ergab weiterhin dass Schuler in den Volksschulen regelmassig geohrfeigt wurden fur schlampige Hausarbeiten Streit Widerworte verschmutzte Kleidung ungewolltes Beschadigen von Schulmaterial schlechte Tischmanieren oder langsames Essen Georg Picht brachte 1964 in einer Zeitschrift den Begriff Bildungskatastrophe 4 ein welcher fur viel Wirbel sorgte und die Bildungsreform einlautete Ralf Dahrendorf machte Mitte der 1960er Jahre auf diese Bildungsbenachteiligung in seiner Untersuchung Arbeiterkinder an deutschen Universitaten 5 aufmerksam Wissenschaftstheoretische Grundlage der einsetzenden Reformen war vor allem die Soziolinguistik insbesondere die Sprachbarrierenforschung Basil Bernsteins und in der BRD von Ulrich Oevermanns Zudem wurde auf Grundlage des Schichtenmodells und der Rollentheorie argumentiert 6 Mit der Rezession ab 1974 bildete sich das Bedurfnis der Wirtschaft nach einer gebildeten Unterschicht aufgrund der beginnenden Massenarbeitslosigkeit zuruck und angesichts leerer Kassen in den Kommune Lands und Bundesverwaltungen wurden Reformprojekte beendet 7 Reform der unteren Schulform ab Mitte der 1960er Jahre BearbeitenIn den 1960ern begann eine Professionalisierung der Lehrkrafte an Grund und Volksschulen Mit dem Hamburger Abkommen von 1964 wandelte sich die Oberstufe der Volksschule zur Hauptschule Statt von den klassischen Allround Volksschullehrern wurden die Schuler fortan von Fachlehrern unterrichtet Daruber hinaus wurde Englisch als Pflichtfach eingefuhrt Die achtjahrige Volksschule wurde aufgelost in die vierjahrige Grundschule und die funfjahrige Hauptschule Schulerzahlen der Volksschul Oberstufe und HauptschuleSchuljahr 1952 53 1962 63 1969 70 1995 96Schulerzahlen in Prozent 79 3 68 4 ca 50 28 7 Herbert Gudjons Padagogisches Grundwissen 8 Auflage Bad Heilbrunn 2003 Die Zahl der Volksschuler bzw Hauptschuler hat sich seit den 1950er Jahren dramatisch verandert Gingen Anfang der 1950er Jahre noch 4 5 der Schuler zur Volksschule waren es Mitte der 1990er Jahre nicht einmal mehr ein Drittel Allerdings sind die regionalen Unterschiede beachtlich 1995 waren in Bayern 40 2 der Schuler Hauptschuler wahrend dies in Berlin nur fur 8 2 zutrifft Hier druckt sich neben unterschiedlichen Schulkonzeptionen auch eine Stadt Land Problematik aus In manchen Landern wie beispielsweise in Baden Wurttemberg besteht in der letzten Klasse der Hauptschule dort die 9 Klasse eine Abwahlmoglichkeit fur Englisch Reform der Gymnasien BearbeitenMit dem Dusseldorfer Abkommen 1955 wurde Englisch statt Griechisch und Latein an Gymnasien verpflichtend Dies fuhrte zu einer gesellschaftlichen Offnung 1962 wurde auch an Gymnasien das Schulgeld abgeschafft Mit der Reformierten Oberstufe und den damit entstehenden Aufbaugymnasien und Berufsgymnasien entstand fur Schuler die nicht ab der funften Klasse ins Gymnasium wechselten eine weitere Offnung des Gymnasiums Auch ermoglichte die Vielzahl der moglichen Kurswahlen in der Reformierten Oberstufe eine individuellere Berucksichtigung der personlichen Bildungsbiografie insbesondere starker Einbringung von Vorkenntnissen im naturwissenschaftlichen Bereich Erlernen einer 2 Fremdsprache beginnend mit Klasse 11 und Belegung von Fachern die erst in Jahrgangsstufe 11 beginnen wie z B Erziehungswissenschaften oder Psychologie Dies stellte fur Quereinsteiger in die Oberstufe eine deutliche Vereinfachung dar Anfang der 1970er Jahre wurden in einigen SPD regierten Bundeslandern auch Gesamtschulen eingefuhrt Hierbei unterschieden sich die Gesamtschulen zwischen Koop Gesamtschulen und Integrierten Gesamtschulen An einem Volksbegehren 1978 in NRW scheiterte das Koop Modell der Gesamtschule Zudem wurden in einigen Landern ab der 5 Klasse die zweijahrigen Orientierungsstufen angeboten Diese wurden allerdings ab den 1990er Jahren zum Teil wieder ruckgangig gemacht beispielsweise in Niedersachsen 2004 Die in den 1970ern eingefuhrte BAfoG Forderung von Schulern der Gymnasialen Oberstufe wurde noch unter Helmut Schmidt 1981 weitgehend zuruckgenommen Reform der Hochschulen BearbeitenBis 1970 bestanden daruber hinaus Studiengebuhren die ebenfalls Arbeiterkinder von der Universitat abschreckten Erst die Bildungsreformen der 70er Jahre fuhrten dazu dass sich allmahlich die Anzahl der Arbeiterkinder an Hochschulen von 6 1963 auf den Hohepunkt von 18 1982 steigerte 1977 wurde der sogenannte Offnungsbeschluss fur Hochschulen vereinbart 1971 in Hessen und 1972 NRW wurden Gesamthochschulen aufgebaut welche eine Kombination von Universitaten und Fachhochschulen darstellten Motivation hierfur war die Uberwindung unterschiedlicher Zugangsvoraussetzungen Abitur und Fachhochschulreife Ursprunglich sollten in NRW samtliche Hochschulen durch Gesamthochschulen ersetzt werden Hiervon wurde jedoch bereits in den 1970ern Abstand genommen 2003 wurden in NRW die Gesamthochschulen in Universitaten oder Fachhochschulen uberfuhrt Ausbildung der Lehrer In Baden Wurttemberg werden Grund Haupt und Realschullehrer an Padagogischen Hochschulen ausgebildet in den ubrigen Bundeslandern findet die hochschulische Lehramtsausbildung ausschliesslich an Universitaten und gleichgestellten Hochschulen statt Trotzdem werden Lehrkrafte die nicht in der Sekundarstufe II unterrichten dem gehobenen Dienst zugeordnet Finanzierungsfragen BearbeitenBAfoG nach dem Bundesausbildungsforderungsgesetz erhielten ab Anfang der 1970er Jahre Studierende und Schuler der Oberstufen BAfoG Das Oberstufen BAfoG wurde jedoch seit 1981 fast vollig abgeschafft Unter Bildungsminister Jurgen Mollemann wurde das nunmehr fast ausschliesslich Studierenden zustehende BAfoG in ein Volldarlehen umgestellt Weitgehende Einschrankungen des BAfoG wurden 1995 durch den Zukunftsminister Jurgen Ruttgers vorgenommen 8 Diese Einschrankungen fuhrten dazu dass die Regelforderdauer in einigen Studienfachern kurzer als die Regelstudienzeit war 1998 war das BAfoG nur noch fur 13 Prozent der Studierenden eine Teil Finanzierungsquelle Fur die Studienabschlussfinanzierung wurden dann lediglich verzinsliche Kredite angeboten In Kombination mit den Langzeitstudiengebuhren konnten die BAfoG Schulden die bei 10 000 gedeckelt wurden zur erheblichen finanziellen Belastung werden Systemkritik BearbeitenDas dreigliedrige Schulsystem wird seit den ersten PISA Studien 2003 international kritisiert Kritik erfolgte von der UNICEF der UNESCO dem PISA Koordinator dem OECD Prasidenten der EU Kommission und der EU Bildungsministerin und vom Menschenrechtsbeobachter fur Bildung von den Vereinten Nationen Dennoch stieg laut dem Bundesamt fur Statistik die Zahl der Schuler und Schulerinnen die ihre Schulbildung im dreigliedrigen Schulsystem erhalten von 2000 bis 2007 um 18 an 9 Siehe auch BearbeitenBildungsbenachteiligung in der Bundesrepublik Deutschland Geschichte der PadagogikQuellen Bearbeiten Sigrid von den Steinen Einfuhrung in die Padagogik der fruhen Kindheit Archivlink Memento des Originals vom 12 Dezember 2007 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www uni koblenz de Binder in Reichsministerium des Inneren 1920 S 88 zitiert in Peter Heyer Renate Valtin Hrsg Die sechsjahrige Grundschule in Berlin Verlag Grundschulverband Arbeitskreis Grundschule Frankfurt am Main 1991 ISBN 3 930024 27 6 S 14 Peter Lundgreen Sozialgeschichte der deutschen Schule im Uberblick Teil II 1918 1980 Kleine Vandenhoeck Reihe Gottingen 1981 ISBN 3 525 33454 0 S 24f Georg Picht Die deutsche Bildungskatastrophe Analyse und Dokumentation Freiburg i Br 1964 Ralf Dahrendorf Arbeiterkinder an deutschen Universitaten Mohr Siebeck Verlag 1965 ISBN 3 16 517471 7 Siegfried Jager Kritische Diskursanalyse Ein Einfuhrung Dissertation Duisburg 2001 ISBN 3 927388 40 8 S 28ff Siegfried Jager Kritische Diskursanalyse Ein Einfuhrung Duisburg 2001 ISBN 3 927388 40 8 S 32f Das aus der Zusammenlegung des Bundesministeriums fur Bildung und Wissenschaft und des Bundesministeriums fur Forschung und Technologie wurde seinerzeit oft als Zukunftsministerium bezeichnet Destatis Trend zum dreigliedrigen Schulsystem halt an Pressemitteilung Oktober 2007 Archivlink Memento des Originals vom 12 Oktober 2007 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www destatis deLiteratur BearbeitenRalf Dahrendorf Arbeiterkinder an deutschen Universitaten Mohr Siebeck Verlag 1965 ISBN 3 16 517471 7 Herbert Gudjons Padagogisches Grundwissen 8 Auflage Verlag Julius Klinkhardt Bad Heilbrunn 2003 Peter Heyer Renate Valtin Hrsg Die sechsjahrige Grundschule in Berlin Verlag Grundschulverband Arbeitskreis Grundschule Frankfurt am Main 1991 ISBN 3 930024 27 6 Peter Lundgreen Sozialgeschichte der deutschen Schule im Uberblick Teil II 1918 1980 Kleine Vandenhoeck Reihe Gottingen 1981 ISBN 3 525 33454 0 Georg Picht Die deutsche Bildungskatastrophe Analyse und Dokumentation 2 Auflage Freiburg i Br 1964 Munchen 1965 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Entwicklung der Bildungsbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland amp oldid 232071283