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Die Ebstorfer Weltkarte war die grosste und umfangreichste bisher bekannt gewordene Weltkarte aus dem Mittelalter Die Radkarte mit Jerusalem als Mittelpunkt sowie mehr als 2 300 Text und Bildeintragen bestand aus 30 zusammengenahten Pergamentblattern und hatte einen Durchmesser von ca 3 57 m Sie verbrannte 1943 infolge Kriegseinwirkung und ist nur noch in Reproduktionen erhalten die das Original jedoch nicht vollstandig wiedergeben konnen 1 Foto einer Nachbildung der Ebstorfer WeltkarteDie Karte wurde nach ihrem Fundort dem Benediktinerinnenkloster von Ebstorf in der Luneburger Heide benannt wo sie wahrscheinlich auch angefertigt wurde Als die Konventualin Charlotte von Lassberg sie 1830 in einer Abstellkammer entdeckte waren zwei Abschnitte bereits durch Mausefrass zerstort darunter auch die Darstellung des heutigen Brandenburg Zudem wurde aus ungeklarten Grunden kurz nach der Wiederentdeckung ein ca 50 60 cm grosses Kartenstuck im oberen rechten Viertel herausgeschnitten auf dem das Gebiet des heutigen Indien dargestellt war Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Inhalte 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenGeschichteAls Urheber der Karte wurde lange Zeit Gervasius von Tilbury angenommen ein anglo normannischer Kleriker der seine Werke u a Prinz Heinrich dem Jungeren von England und Kaiser Otto IV widmete Neuere insbesondere palaographische Untersuchungen kommen zu anderen Erkenntnissen die Gervasius als Autoren ausschliessen Jurgen Wilke argumentierte 2001 basierend auf einem uberzeugenden Handschriftenvergleich mit Schriftstucken aus dem Klosterarchiv fur eine Entstehung um 1300 und betonte dass es keinen Beleg fur eine Verbindung der Karte oder des Klosters mit Gervasius von Tilbury gebe Hartmut Kugler stutzte diese Datierung ausgehend von Untersuchungen im Rahmen der Neuausgabe im Jahr 2007 und arbeitete heraus dass die Karte auch keinen nachweisbaren Bezug zu den otia imperialia des Gervasius von Tilbury biete Er sprach sich ausserdem dafur aus keine grossformatige Vorlage fur die Karte anzunehmen sondern argumentierte dass bestimmte Schreibfehler auf der Karte besser zu erklaren seien wenn man sich als Vorbild buchformatige Karten denke deren Verfugbarkeit in Ebstorf zudem wahrscheinlicher sei Armin Wolfs Vorschlag einer alteren fur Otto IV bestimmten Vorlage kann jedoch nicht ausgeschlossen werden Der Welfe Otto IV war von 1212 1213 bis zu seinem Tod 1218 faktischer Regent des Luneburger Landes da der Welfenerbe Otto das Kind noch minderjahrig war Die 1830 aufgerollt im Kloster Ebstorf gefundene Karte wurde seit 1835 im Landesarchiv Hannover verwahrt wo sie wahrend des Zweiten Weltkrieges im Oktober 1943 bei einem Luftangriff auf Hannover verbrannte Von 1950 bis 1953 wurde anhand alter Faksimileausgaben von 1891 und 1896 eine farbige Nachbildung in Originalgrosse in vier Exemplaren in Kloster Ebstorf Hannover Luneburg und auf der Plassenburg bei Kulmbach geschaffen Eine digitale Rekonstruktion ist an der Universitat Erlangen Nurnberg erarbeitet worden und Ende 2006 in Buchform erschienen Der Herausgeber Kugler schatzt dass diese uber Jahre recherchierte Neuausgabe ca 80 des Originals wiedergebe Eine interaktive Ausgabe der Karte ist von der Leuphana Universitat Luneburg fur das Internet aufbereitet worden siehe Weblink samtliche lateinischen Texte sind ubersetzt worden Inhalte nbsp Kartenausschnitt linker unterer Quadrant mit Braunschweig und dem Braunschweiger Lowen 2 Die Karte stellt das Rund der Erde dar und ist so ausgerichtet dass der Osten oben liegt Dort befindet sich auch die bildliche Darstellung des irdischen Paradieses Im Zentrum der Karte liegt Jerusalem Die Karte geht auf das Grundmuster des Orbis terrarum tripartites zuruck des dreigeteilten Erdkreises der Kontinente Asien Afrika und Europa Asien nimmt die obere Kreishalfte ein und ist grosser als die beiden anderen Kontinente zusammen Europa wird im linken unteren Viertel dargestellt Dort findet man Stadte wie z B Nienburg Saale Soest Luneburg Braunschweig Meissen Aachen Koln Kulmbach und Rom Im Mittelmeer finden sich Kreta Delos Karpathos und die neun Aolischen Inseln aus ungeklarten Grunden doppelt abgebildet Die ausgefullte Flache von 12 74 m zeigt 1 500 Texteintrage 534 Stadte 500 Gebaude 160 Gewasser 60 Inseln und Gebirge 45 Menschen und Fabelwesen sowie ca 60 Tiere 3 4 Die kreisrunde Erdflache ist vom Weltmeer und den Winden umgeben Die Absicht des Autors war es nicht eine geographisch korrekte Karte der Welt anzufertigen Die Stadt Rom ist zum Beispiel fast ebenso gross wie die Insel Sizilien Vielmehr spiegelt die Karte das historische mythologische und theologische Wissen dieser Zeit wider Die Welt selbst wird mit dem Leib Christi verglichen zu erkennen an Kopf Handen und Fussen an den Randern der Karte Wurde man den Kopf und die Fusse sowie die beiden Hande miteinander verbinden so ergabe sich zudem die Form eines Kreuzes Die zentrale Lage Jerusalems die Arche Noah und das im Osten nahe dem Kopf Christi gelegene Paradies und der Turm zu Babel zeigen die heilgeschichtliche Konzeption Auf der Mythologie und antiken Sagen beruht beispielsweise die Darstellung der Amazonen Neben schriftlichen Quellen sind vermutlich mehrere Vorgangerkarten in das Werk eingegangen So vertritt eine neue jedoch umstrittene Untersuchung die Auffassung die Konzeption des geometrischen Rasters auf der die Struktur und Systematik der Karte basiert konnte auf der Reichenau entstanden sein 5 Eine erste Bearbeitung sei dann vermutlich in Braunschweig unter Heinrich dem Lowen erfolgt und eine weitere im 13 Jahrhundert moglicherweise 1243 unter Otto dem Kind von Luneburg Diese letzte Version sei die direkte Vorlage der Ebstorfkarte wobei als Zeitpunkt fur die Ubertragung die Auffindung der Martyrergraber oder die Phase der wachsenden Popularitat ihrer Verehrung anzunehmen sei Von den vermuteten Bearbeitungsstufen fehlt aber jede Spur Jungste Untersuchungen machen es wahrscheinlich dass die Karte um 1300 im Kloster Ebstorf angefertigt wurde Fur eine spate Entstehung spricht auch der 2020 publizierte Befund des langjahrigen Leiters der Kolner Domgrabung Georg Hauser wonach der auf der Karte dargestellte bauliche Zustand des Kolner Domes recht genau auf die Jahre von 1320 bis um 1325 30 datiert werden kann Demzufolge durfte die Ebstorfer Weltkarte in den 1320er oder allenfalls fruhen 1330er Jahren entstanden sein Siehe auchHereford KarteLiteraturJoachim G Leithauser Mappae Mundi Die Geistige Eroberung der Welt mit 18 Farbtafeln 73 Kunstdrucktafeln und 40 Abbildungen im Text Berlin 1958 Armin Wolf Ebstorfer Weltkarte In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 3 Artemis amp Winkler Munchen Zurich 1986 ISBN 3 7608 8903 4 Sp 1534 f Ernst Andreas Friedrich Das Kloster Ebstorf In Wenn Steine reden konnten Band I Landbuch Verlag Hannover 1989 ISBN 3 7842 0397 3 S 152 155 Hartmut Kugler Die Ebstorfer Weltkarte Ein europaisches Weltbild im deutschen Mittelalter In Zeitschrift fur deutsches Altertum und deutsche Literatur 116 Bd H 1 1987 S 1 29 JSTOR 20657751 Hartmut Kugler in Zusammenarbeit mit Eckhard Michael Hrsg Ein Weltbild vor Columbus Die Ebstorfer Weltkarte Interdisziplinares Colloquium 1988 Weinheim 1991 ISBN 3 527 17670 5 Hartmuth Kugler unter Mitarbeit von Sonja Glauch und Antje Willing Hrsg Die Ebstorfer Weltkarte Kommentierte Neuausgabe in zwei Banden Digitale Bildbearbeitung Thomas Zapf Bd 1 Atlas 175 S Bd 2 Untersuchungen und Kommentar Akademie Verlag Berlin 2007 ISBN 978 3 05 004117 9 dazu auch die Rezension von Martina Stercken in sehepunkte 8 2008 Nr 5 vom 15 Mai 2008 Jurgen Wilke Die Ebstorfer Weltkarte Veroffentlichungen des Instituts fur Historische Landesforschung der Universitat Gottingen 39 Text und Tafelband Bielefeld 2001 ISBN 3 89534 335 8 Rezension Datierung um 1300 Brigitte Englisch Ordo orbis terrae Die Weltsicht in denMappae mundides fruhen und hohen Mittelalters Vorstellungswelten des Mittelalters 3 Berlin 2002 Brigitte Englisch Mappa dicitur forma Inde mappa mundi est forma mundi Konzept und Systeamtik der Ebstorfer Weltkarte In Nathalie Kruppa Hrsg Kloster und Bildung im Mittelalter Gottingen 2006 S 523 545 Armin Wolf Gervasius von Tilbury arelatischer Marschall Ottos IV und die Ebstorfer Weltkarte In Bernd Ulrich Hucker Joachim Leuschner Hrsg Otto IV Kaiser und Landesherr Burgen und Kirchenbauten 1198 1218 Salzgitter Jahrbuch 29 Salzgitter 2009 S 157 187 Georg Hauser Die Ebstorfer Weltkarte und der Kolner Dom In Kolner Domblatt 85 2020 S 229 241 Weblinks nbsp Commons Ebstorfer Weltkarte Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ebstorfer Weltkarte Leuphana Universitat Luneburg Ebstorfer Weltkarte im Denkmalatlas Niedersachsen Eine Kopie der Ebstorfer Weltkarte auf der Plassenburg ob Kulmbach Landschaftsmuseum Obermain Von Monstern und Mirabilien Das mittelalterliche Weltbild in Literatur und Kartographie Simone Hacke auf literaturkritik de Anmerkungen H Kugler Hrsg Die Ebstorfer Weltkarte Bd II Berlin 2007 12 Gerd Spies Hrsg Braunschweig Das Bild der Stadt in 901 Jahren Geschichte und Ansichten Band 2 Braunschweigs Stadtbild Braunschweig 1985 S 17 J Wilke Die Ebstorfer Weltkarte Bielefeld 2001 11 mit Anm 14 Haus der Bayerischen Geschichte Herzoge und Heilige Das Geschlecht der Andechs Meranier im europaischen Hochmittelalter Regensburg 1993 Ausstellungskatalog Nr 10 ISBN 3 7917 1386 8 Brigitte Englisch Ordo orbis terrae Die Weltsicht in den Mappae mundi des fruhen und hohen Mittelalters Vorstellungswelten des Mittelalters 3 Berlin 2002 S 464 495Normdaten Werk GND 4273614 6 lobid OGND AKS VIAF 184658836 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ebstorfer Weltkarte amp oldid 236059742