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Dieser Artikel behandelt die 1930 veroffentlichte Schuloper von Kurt Weill Elisabeth Hauptmann und Bertolt Brecht Zur US amerikanischen Filmkomodie von 2008 siehe Der Ja Sager Die Schuloper Der Jasager ist ein von Kurt Weill Elisabeth Hauptmann und Bertolt Brecht fur die Veranstaltung Neue Musik Berlin 1930 entwickeltes Lehrstuck auf der Basis eines japanischen Nō Theater Stucks aus dem 15 Jahrhundert Zentrales Thema ist die Frage ob ein Mensch damit einverstanden sein muss sich fur eine Gemeinschaft zu opfern DatenOriginaltitel Der JasagerGattung Schuloper LehrstuckOriginalsprache deutschAutor Bertolt Brecht Elisabeth HauptmannLiterarische Vorlage Komparu Zenchiku Taniko Arthur Waley Taniko The Valley HurlingMusik Kurt WeillErscheinungsjahr 1930Urauffuhrung 23 Juni 1930Ort der Urauffuhrung Zentralinstitut fur Erziehung und Unterricht BerlinPersonenDer Lehrer Bariton Der Knabe Tenor oder Knabenstimme Die Mutter Mezzosopran Die drei Studenten 2 Tenore 1 Bariton Der grosse Chor SATB Orchester 1 und 2 Klavier Harmonium Violine I und II Violoncello Kontrabass Flote ad lib Zupfinstrument ad lib Schlagzeug ad lib Klarinette in B ad lib Altsaxophon in Es ad lib Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Entstehung 3 Taniko Feudale Ethik der Opferbereitschaft 4 Bearbeitung des Textes fur den Jasager 5 Auffuhrung und Wirkung 6 Adoleszenzprobleme als Strukturprinzip 7 Kurt Weills Komposition 8 Textausgaben 9 Tonaufnahmen 10 Sekundarliteratur 11 Weblinks 12 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDas Lehrstuck erzahlt in 10 musikalischen Blocken eine einfache Geschichte Ein Junge beteiligt sich trotz einiger Bedenken seines Lehrers an einer Expedition zu den grossen Arzten jenseits des Gebirges um Medizin und Rat fur seine kranke Mutter zu bekommen Auf dem Weg wird der Junge krank und kann weder selber weitergehen noch getragen werden Mit seinem Einverstandnis wird der Junge nach dem Grossen Brauch ins Tal und damit in den Tod gesturzt Das Einverstandnis des Jungen mit seiner Hinrichtung wurde und wird ausserst verschieden interpretiert als Zeichen einer religiosen Uberzeugung als Opfer fur eine Gemeinschaft als Kadavergehorsam gegenuber sinnlosen Normen und Autoritaten als Samurai Tradition aber auch als Aufforderung an das Publikum diesem Einverstandnis zu widersprechen In einer zweiten Fassung hat Brecht dem Jasager nach einer Reihe von Diskussionen mit Schulern und Arbeitern einen Neinsager zur Seite gestellt Als Schuloper hatte der Jasager Ziele im Sinne der Reformpadagogik Das gemeinsame Musizieren und Spielen sollte Gemeinschaftserlebnisse und musikalische Schulung verbinden 1 Tatsachlich wurde und wird das Stuck immer wieder an Schulen und Universitaten von Laien inszeniert Dieser Funktion kommt die ans Nō Theater anknupfende Einfachheit der Buhne und der Form entgegen Das Stuck steht im Zusammenhang mit einer musikalischen Avantgardebewegung Die Komponisten Paul Hindemith Kurt Weill und spater Hanns Eisler teilten mit Bertolt Brecht die Uberzeugung dass der traditionelle Opern und Konzertbetrieb nur noch sinnentleerte Reprasentationsveranstaltungen fur reiche Burger produzierte Dem wollten sie in Zusammenarbeit mit Padagogen die neue und experimentelle Form des Lehrstucks entgegensetzen Die Trennung von Musikern Sangern und Publikum sollte aufgehoben werden Laien sollten die Stucke erarbeiten die Zuschauer im Stil des epischen Theaters mitdenken und urteilen teilweise wurden sie in den Gesang des Chores einbezogen In enger Zusammenarbeit mit den neuen Medien Film und Rundfunk wollte man ein Publikum erreichen das vom traditionellen Kulturbetrieb de facto ausgeschlossen war 2 Entstehung Bearbeiten nbsp Shugendō Ritual in den japanischen Bergen 2006Textgrundlage ist das Nō Theater Stuck Tanikō aus dem 15 Jahrhundert das dem japanischen Autor Komparu Zenchiku zugeschrieben wird 1 Elisabeth Hauptmann erinnert sich dass sie 1928 oder 29 Interesse fur die traditionellen japanischen Nō Stucke entwickelt habe Sie erklarte 1972 in einem Interview dass ihr aufgrund ihrer geringen Theatererfahrung die Einfachheit der Fabel gefallen habe 3 Fur Brecht war das Nō vor allem durch die extreme Stilisierung interessant Wie im epischen Theater arbeitet der japanische Darsteller mit genau uberlegten einfachen Gesten Das Nō Theater verzichtet auf realistische wirklichkeitsnahe Darstellung es gibt artistische Elemente Musik und Tanzeinlagen Der Chor ubernimmt erzahlende Aufgaben und verbindet die Teile der Handlung Die Verstandlichkeit des Wortes und der Handlung hat Vorrang vor der Musik Die einfache Buhne verzichtet auf Kulissen Elisabeth Hauptmann ubersetzte neun Texte aus Arthur Waleys Nachdichtung The No Plays of Japan das ein Bekannter ihr aus London mitgebracht hatte Kurt Weill zeigte Interesse an dem Stoff und gewann Bertolt Brecht fur eine Bearbeitung des Textes 4 Aus der Ubersetzung von Taniko oder Der Wurf ins Tal wurde das Lehrstuck Der Jasager 5 Obwohl das Stuck zum Grossteil aus der Ubersetzung Elisabeth Hauptmanns besteht wurde sie damals nicht als Mitautorin erwahnt und bis heute erscheint als Autor meist nur Bertolt Brecht In einem Interview von 1972 gab Hauptmann an Brechts Hauptbeitrage seien die Idee vom Einverstandnis des Knaben mit seiner Hinrichtung und der veranderte Schluss gewesen Elisabeth Hauptmann fuhrt die Nichtnennung auf den Zeitdruck vor den Berliner Festwochen zuruck Fur die Publikation in der Publikationsreihe Versuche habe sie selbst vergessen ihren Namen anzugeben Taniko Feudale Ethik der Opferbereitschaft Bearbeiten nbsp Samurai um 1890Nō ist eine japanische Theaterform aus dem 14 Jahrhundert Das Original des von Arthur Waley bereits gekurzten Nō Theaterstucks Taniko das Elisabeth Hauptmann ubersetzt hatte steht in einer Tradition feudalen Theaters Nur Samurai durften in dieser klassischen Form auftreten oder zuschauen Zur Ideologie der Samurai gehorte eine spezifische Auslegung des Buddhismus die das irdische Leben als verganglich und den Tod als bedeutungslos betrachtete Zu den feudalen Wertvorstellungen gehorte die Bereitschaft fur den Herrn zu sterben 6 Dem Taniko Stuck liegt eine altere Legende zu Grunde die aus der religiosen Stromung des Shugendō stammt Deren Anhanger Shugenja oder Yamabushi 山伏 in den Bergen verborgen waren fur religiose Rituale in den Bergen bekannt Der Ubersetzer Johannes Sembritzki gibt an dass der Begriff Taniko ein Menschenopfer bezeichne Taniko jemanden dem Brauch des Talwurfs unterwerfen 7 Die englische Nachdichtung Waleys aus dem Jahre 1921 liess den religiosen Hintergrund weg und beendet seinen Text mit dem Tod des Knaben und der Schuldzuweisung an die Tater So blieben die religios symbolische Bedeutung der Krankheit sowie die Motivation fur den Tod im Dunkeln Laut Johannes Sembritzki handelt es sich bei der Reise durchs Gebirge im Original um eine rituelle Wallfahrt unter strenger Askese und mit rituellen Regeln Die Totung des Knaben sei gerechtfertigt durch die symbolische Bedeutung der Krankheit die als gottliches Zeichen interpretiert werde Sie beschliessen dem Grossen Gesetz zu folgen Erkrankt ein Pilger unterwegs so ist das ein gottlicher Hinweis auf seine Unreinheit Er gefahrdet damit seine Mitpilger und den Erfolg der Wallfahrt Um sich selbst zu retten mussen sie ihn toten Johannes Sembritzki Anmerkungen des Ubersetzers Zitiert nach Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 244 Das Original endet jedoch nicht mit dem Tod des Knaben Nachdem die Pilger unter grossem Leid und vom Chor uberzeugt von der Bedeutungslosigkeit des irdischen Lebens das Ritual durchgefuhrt haben will sich auch der trauernde Meister dem Ritual des Talwurfs unterziehen Seine Begleiter flehen daraufhin den mythischen Grunder En no Gyōja und die Damonen an den Knaben ins Leben zuruckzurufen was auch geschieht Der Meister erweist sich als Reinkarnation des En no Gyōja 8 Bearbeitung des Textes fur den Jasager Bearbeiten nbsp Nō Maske nbsp Nō Maske nbsp Nō MaskeDer Text des Brechtstuckes besteht zu etwa 90 aus der Ubersetzung Elisabeth Hauptmanns 9 Dennoch wird aus den wenigen Anderungen Brechts eine Tendenz sichtbar Zunachst werden in Arthur Waleys Nachdichtung noch enthaltene religiose Motive entfernt aus der Pilgerfahrt wird eine Forschungsreise 10 zu den grossen Arzten 11 und auch der Knabe will nicht fur seine Mutter beten sondern bessere Medikamente und arztlichen Rat suchen Eingefugt wird dafur ein neues Motiv das Einverstandnis des Knaben mit seiner Hinrichtung Damit greift Brecht ein Motiv des Badener Lehrstucks vom Einverstandnis 1929 wieder auf Bedeutet dort das Einverstandnis noch Akzeptanz fur die Gesetze von Natur und Gesellschaft geht es hier um die Bereitschaft fur ein Prinzip oder eine Gruppe in den Tod zu gehen 12 Kurt Weill interpretiert im Sinne der Opferbereitschaft dass der Knabe mit der Aufgabe konfrontiert werde fur eine Gemeinschaft oder fur eine Idee der er sich angeschlossen hat alle Konsequenzen auf sich zu nehmen 13 Zu Beginn des Stuckes ubernimmt der Chor die Aufgabe die Frage des Einverstandnisses ins Zentrum des Interesses zu rucken Laut Partitur soll dieser Eingangschor zwischen den Akten und am Ende wiederholt werden 14 Der Grosse ChorWichtig zu lernen vor allem ist EinverstandnisViele sagen ja und doch ist da kein EinverstandnisViele werden nicht gefragt und vieleSind einverstanden mit Falschem Darum Wichtig zu lernen ist Einverstandnis GBA Band 3 S 49 Der Lehrer stellt sich vor und berichtet von seinen Reiseplanen durchs Gebirge zu den grossen Lehrern Er erfahrt von der Krankheit der Mutter Mutter und Lehrer sind dagegen dass der Junge mit dem Lehrer reist Der Junge besteht aber trotz aller Warnungen auf seinem Willen durch die gefahrliche Reise Medikamente und Beratung fur die kranke Mutter bei den grossen Arzten 11 zu erlangen Der Lehrer und die Mutter beziehen am Ende des ersten Akts den Entschluss des Sohnes noch einmal auf die Thematik des Einverstandnisses Der Lehrer die MutterOh welch tiefes Einverstandnis Viele sind einverstanden mit Falschem aber erIst nicht einverstanden mit der Krankheit sondernDass die Krankheit geheilt wird GBA Band 3 S 51 Am Anfang des zweiten Aktes fasst der Chor die Ereignisse der Reise zusammen Sie sind schnell gegangen und der Junge wird krank Zuerst versucht der Lehrer die Krankheit als Mudigkeit zu interpretieren aber seine Begleiter halten hartnackig an der Diagnose fest Die drei Studenten untereinander Wir sprechen es mit Entsetzen aus aber seit alters her herrscht hier ein grosser Brauch die nicht weiter konnen werden in das Tal hinabgeschleudert GBA Band 3 S 53 Das Ritual schreibt weiterhin vor dass der Kranke gefragt werden musse ob man seinetwegen umkehren solle Die Antwort des Kranken ist aber ebenfalls vorgeschrieben Ihr sollt nicht umkehren 15 So fuhren die drei Studenten die Tat aus Der grosse Chor berichtet Dann nahmen die Freunde den KrugUnd beklagten die traurigen Wege der WeltUnd ihr bitteres GesetzUnd warfen den Knaben hinab Fuss an Fuss standen sie zusammengedrangtAn dem Rande des AbgrundsUnd warfen ihn hinab mit geschlossenen AugenKeiner schuldiger als sein NachbarUnd warfen ErdklumpenUnd flache SteineHinterher GBA Band 3 S 53Auffuhrung und Wirkung Bearbeiten nbsp Auffuhrung des Jasagers 1946 im Hebbel Theater in Berlin nbsp Buhnenbild fur den Jasager von Sylvain Lhermitte 2006 nbsp Nō Buhne in Otaru 2011 nbsp Nō Inszenierung mit Maske 2000Ursprunglich entstand Der Jasager als Auftragskomposition fur das bekannte Baden Badener Musikfestival das 1930 nach einem Skandal um Brechts und Hindemiths Lehrstuck die Unterstutzung der Stadt verloren hatte und nach Berlin verlegt worden war Im Zentrum des Interesses standen 1930 Schulmusikproduktionen Zu den alteren Absatzgebieten Konzert Theater sind jetzt hauptsachlich zwei neue hinzugekommen die Arbeiterchorbewegung und die Schulen Eine lohnende Aufgabe fur uns besteht darin fur diese neuen Gebiete nun auch Werke grosseren Umfangs zu schaffen Kurt Weill Uber meine Schuloper Der Jasager Zitiert nach Jurgen Schebera Kurt Weill Reinbek bei Hamburg Rowohlt 2000 S 71f Weil die Festivalleitung das ebenfalls angemeldete Stuck Die Massnahme eine Koproduktion von Brecht mit Hanns Eisler ablehnte zog auch Weill seinen Beitrag zuruck Weill und Brecht wollten ihre Auffuhrungen jetzt ausserhalb burgerlicher Institutionen durchfuhren 16 Dabei hatte Weill grosse Ziele im Auge Zum einen sollte die Schuloper auch professionelle Sanger zu Einfachheit und Naturlichkeit im Gesang zwingen 17 Die neuen Weill Opern sollten weiterhin als Muster fur einen neuen Kompositionsstil dienen Eine Oper kann zunachst Schulung fur den Komponisten oder fur eine Komponisten Generation sein Gerade in dieser Zeit wo es sich darum handelt die Gattung Oper auf neue Grundlagen zu stellen und die Grenzen dieser Gattung neu zu bezeichnen ist es eine wichtige Aufgabe Urformen dieser Gattung herzustellen In diesem Sinne konnte man auch die Dreigroschenoper als Schuloper bezeichnen Kurt Weill Uber meine Schuloper Der Jasager Zitiert nach Susanne Fischer Quinn Vom Gebrauch der Gebrauchsmusik Bertolt Brechts Kollaboration mit Paul Hindemith und Kurt Weill im Lehrstuck und im Jasager Mercer University 2007 Athens Georgia S 41 Am 23 Juni 1930 fand die Urauffuhrung des Jasagers bei einer Veranstaltung des Berliner Zentralinstituts fur Erziehung und Unterricht in der Aula statt und wurde direkt im Radio ubertragen 18 Die Auffuhrung wurde von Studenten der Staatlichen Akademie fur Kirchen und Schulmusik durchgefuhrt 19 Unter Leitung von Heinrich Martens ubernahmen Schuler verschiedener Berliner Schulen die Gesangsrollen ein Oberprimaner dirigierte Brecht und Weill engagierten sich bei den Proben die im Mai begonnen hatten 20 Die Ausstattung war spartanisch Eine zweigeteilte Buhne mit beschrifteten Tafeln die den jeweiligen Ort nannten keine gesonderte Buhnenbeleuchtung 21 Auch damit knupfte man an die Nō Tradition an die mit einer Buhne ohne Kulissen arbeitete Anders als im Nō verzichtete man auf Kostume Der Jasager wurde zu einem grossen Erfolg in der Schulmusikbewegung Am 7 Dezember 1930 wurde die Oper mit den gleichen Mitwirkenden in der Krolloper noch einmal aufgefuhrt Die Angaben zu Auffuhrungszahlen divergieren Die Universal Edition meldete bis zum Oktober 1932 200 Inszenierungen an Schulen Laut Brecht Gesamtausgabe wurde das Stuck bis 1932 60 Mal inszeniert 21 Die Kritiken waren voller Gegensatze Walter Dirks 22 und Siegfried Gunther 23 interpretierten die Opferbereitschaft als religiose Aussage In der Oper kamen metaphysische und religiose Motive zum Ausdruck 21 Frank Warschauer dagegen sah in der Weltbuhne das Stuck als Verteidigung von Kadavergehorsam und sinnloser Autoritat 24 Bis heute ist umstritten wie die Aussage zum Kernthema des Einverstandnisses zu interpretieren ist Klaus Dieter Krabiel vertritt im neuen Brecht Handbuch die These Kernaussage des Jasagers sei die Notwendigkeit des Opfers fur Gemeinschaft Eine soziale Gemeinschaft kann dauerhaft nur Bestand haben wenn im Konfliktfall die einzelner Glieder dem Ganzen Opfer zu bringen bereit sind wenn dem Gesamtinteresse Vorrang vor den Partikularinteressen eingeraumt wird Dieser hochst unbequeme auch gefahrliche da missbrauchbare gleichwohl kaum abweisbare Gedanke liegt dem Lehrstuck zugrunde Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 246 Das seltsame Ritual dass das potenzielle Opfer um seine Zustimmung fur seine Hinrichtung gebeten wird aber laut Konvention in jedem Fall bejahend antworten muss bezieht Krabiel auf Friedrich Engels der Freiheit im Anschluss an Hegel als Einsicht in die Notwendigkeit interpretierte 25 Krabiel betont die Ablehnung des personlichen Opfers fur die Anspruche der Gemeinschaft andere nichts sie zeige lediglich die Asozialitat dessen an der sich ihnen entzoge 26 Eine Schuldzuweisung an die Tater lehnt Krabiel mit drei Argumenten ab Erstens wurden sie nur die uber ihren Fortbestand entscheidenden Prinzipien der Gemeinschaft vertreten zweitens seien sie keine Personen im Sinne des realistischen Theaters und drittens fuhrten sie die Tat mit Entsetzen durch 26 Klaus Dieter Krabiel sieht seine Auffassung der Textintention allerdings im Jasager nur unvollstandig realisiert Das Parabelstuck motiviere das Opfer des Jungen nicht ausreichend das Gemeinwesen sei nicht gefahrdet und es bestehe auch keine Eile An einem aufs Ausserste zugespitztem Modellfall sollte Einverstandnis mit den berechtigten Anspruchen der Gemeinschaft demonstriert und gelernt werden aber die Unumganglichkeit des Opfers fur die Gemeinschaft leuchtete nicht ein So konnte der Eindruck entstehen es werde blinde Gefolgschaft gefordert Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 247 Die Zustimmung Krabiels zum Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum bis zu dessen Vernichtung ist nicht unumstritten Helmuth Kiesel setzt mit Freude an der Provokation die Auffassung Krabiels aus dem neuen Brecht Handbuch in Beziehung zum Denken Ernst Jungers der 1932 in seinem Werk Der Arbeiter Herrschaft und Gestalt in Bezug auf den Arbeiter ausfuhrte die grossen Aufgaben der Zukunft erforderten dass Freiheit und Gehorsam identisch seien und eine grosse Zahl menschlicher Opfer unter Zustimmung selbst der Leidenden vollzogen wurden 27 Anders als die neueste Brechtforschung hatten die Berliner Schuler die die ersten Auffuhrungen sahen die Zumutung der eigenen Vernichtung zuzustimmen zuruckgewiesen was Brecht zur 2 Fassung motiviert habe in der der Neinsager dem Urteil erfolgreich widerspricht 28 Aus der Sicht von Sabine Kebir soll das sinnlose und brutale Opfer des Jungen legitimiert lediglich durch einen alten Brauch bei Mitspielern und Publikum zum Widerspruch fuhren und das Bewusstsein auslosen dass alte Brauche nicht einfach ubernommen werden durfen dass es nutzlich sein kann einen neuen Brauch zu begrunden 29 Kebir bezeichnet diese Forderung an den Zuschauer der etwas verstehen soll was den Figuren auf der Buhne unverstandlich bleibt als Courage Effekt Brecht war selber unsicher welche Wirkung das Stuck bei den Zuschauern erreichte An der Karl Marx Schule Berlin Neukolln wurde das Stuck im November 1930 aufgefuhrt und von den Schuler diskutiert Am 9 Dezember erhielt Brecht vom Lehrer die Diskussionsprotokolle 30 Auf der Basis dieses Feedbacks und der Kritiken entwickelte Brecht das Gegenstuck den Neinsager um den Schulern die Intention deutlicher zu vermitteln und entwickelte auch die erste Fassung weiter Auszuge aus den Anregungen der Schuler 31 liess Brecht im Heft 4 der Versuche zusammen mit dem modifizierten Stuck veroffentlichen Sabine Kebir sieht ihre Interpretation bestatigt dass Brecht die Zuschauer dazu anregen wollte gegen den Tod des Jungen zu protestieren Dieses auch schon in der ersten Fassung intendierte aber als Gehirnarbeit von Mitspielern Publikum gedachte Ziel wird nun als Textvorgabe geliefert Keine Frage dass die im Jasager und Neinsager konzipierte Dialektik und Kollektiv nicht das Erschlagen des ersteren durch das zweite zulassen wollte und damit sowohl gegen das faschistische als auch gegen das stalinistische Verstandnis des Kollektiven opponierte Sabine Kebir Ich fragte nicht nach meinem Anteil S 153 Helmuth Kiesel halt die Interpretation dass Brecht und Weill ebenso Eisler im Fall der Massnahme mit diesen geradezu rituelle gestalteten Stucken Nachdenken initiieren und Widerstand provozieren wollten fur falsch 28 Trotz der Kritik am Text sei der Jasager relativ problemlos uber die Buhne gegangen was aber an der Narkosewirkung der Musik gelegen habe Es sei Brecht Weill und Eisler nicht darum gegangen Widerstand zu lehren sondern Einverstanden Sein In den Stucken geht es vorrangig um das Einverstandnis mit der Liquidation eines Menschen durch seine Freunde Angehorigen oder Genossen und nur nebenbei einmal um das Einverstandnis mit dem Lauf der Welt und dem Gang der Geschichte 32 nbsp Auffuhrung des Jasagers 1946 im Hebbel Theater in Berlin nbsp Auffuhrung durch Studenten der Buchmann Mehta School of Music in Tel Aviv im Juni 2010 nbsp Auffuhrung in Tokyo 2010Das altere Brecht Handbuch weist darauf hin dass der Begriff Einverstandnis bereits in der ersten Fassung das Nicht Einverstandnis einschliesst 33 Lehrer und Mutter bezeichnen die Tatsache dass der Knabe mit der Krankheit der Mutter nicht einverstanden ist als tiefes Einverstandnis 34 Die Kritik richtet sich auch hier in Anschluss an Peter Szondi gegen die Konstruktion der Gemeinschaft in der ersten Fassung Es fehlten gemeinsame Interessen die Begrundung durch einen alten Brauch uberzeuge nicht In der zweiten Fassung korrigiert Brecht diese Fehler Die Gemeinschaft ist nun auf einer wichtigen Hilfsaktion die Krankheit des Jungen gefahrdet nun die gesamte Aktion 35 Brecht selber hat das Verhaltnis zwischen Individuum und Gesellschaft in einem Typoskript das um 1930 entstand reflektiert Kollektive bildeten sich schon in der Tierwelt So sei auch der Mensch nicht vorstellbar ohne menschliche Gesellschaft 36 selbst das individuelle Denken sei durch die Sprache an die Gesellschaft gebunden Ein Kollektiv ist nur lebensfahig von dem Moment an und so lang als es auf die Einzelleben der in ihm zusammengeschlossenen Individuen nicht ankommt Fragezeichen im Text Leute sind wertlos fur die GesellschaftMenschliche Hilfe ist nicht ublichTrotzdem wird ihnen Hilfe gegeben und obwohl der Tod des einzelnen rein biologisch fur die Gesellschaft uninteressant ist soll das Sterben gelehrt werden GBA Band 21 S 401f Der Kommentar der Gesamtausgabe legt eine Deutung dieses Zitats als literarischen Versuch nahe 37 Die drei Fragezeichen stellten den absoluten Vorrang des Kollektivs vor dem Individuum in Frage Dennoch wurden und werden die Lehrstucke genau in diesem Sinne interpretiert Die Partei darf gegebenenfalls das Opfer des Lebens verlangen so konnte in Anlehnung an Carl Schmitt der Inhalt der Lehrstucke zusammengefasst werden Erst in der Massnahme wird das Inkognito des Kollektivs geluftet Es ist das Kollektiv konstituiert einzig und allein nach den Massgaben des repressiven Staats der sich inhaltlich in der Partei formal im Chor Kontrollchor verkorpert Adorno hat in seinen Vorlesungen aus den sechziger Jahren nicht zufallig gerade auf dieses Stuck von 1930 hingewiesen um das morderische Potential einer marxistischen Moral die sich dem repressiven Kollektiv also dem objektiven Interesse ruckhaltlos verschreibt kenntlich zu machen Michael Ley Leander Kaiser Von der Romantik zur asthetischen Religion Fink 2004 ISBN 3 7705 4019 0 S 92 Aus dieser Perspektive verbirgt sich hinter Brechts Rede vom Sterben lehren die Lehre von der Bereitschaft zum Opfer und Selbstopfer 38 Das Einverstandnis ware dann Rationalisierung des Opfers und dessen Vollzug im Inneren des zum Opfer Erwahlten 39 Michael Ley und Leander Kaiser sehen hier eine unbewusste Anknupfung an das Frauenopfer des burgerlichen Trauerspiels So wie sich in Emilia Galotti die Tochter opfern will um Tugend und Familienehre zu retten seien es bei Brecht Schuler und junger Genosse Aus der Figur des Vaters sei die kommunistische Partei geworden 40 Das Kollektiv das beschworen wird besteht formlich darin dass das Subjekt durchgestrichen wird und sich selber durchstreicht Michael Ley Leander Kaiser Von der Romantik zur asthetischen Religion S 94 W Anthony Sheppard zeigt verschiedene Widerspruche als Hinweise auf die Ambivalenz der Aussage des Jasagers Zunachst sei in der zweiten Fassung die Figur des Neinsagers eingefuhrt die den blinden Gehorsam in Frage stelle Die Lehre des Neinsagers konne aber ebenfalls kommunistisch als Vermittlung einer kritischen Haltung gegenuber bourgeoisen Traditionen gedeutet werden 41 Weitere Hinweise auf die Ambivalenz der Botschaft sieht Sheppard in der Rezeption Einige pro faschistische Reaktionen seien positiv ausgefallen wahrend einige Linke das Stuck verdammt hatten 42 Helmuth Kiesel weist auf eine weitere Deutung des Einverstandnisses bei Brecht hin etwa im Badener Lehrstuck vom Einverstandnis in den Keuner Geschichten oder im Galilei Durch scheinbares Einverstandnis mit Gewalt und Macht konne man die Phase der Unterdruckung uberleben um dann seine Ziele weiter zu verfolgen 43 In der Zeit des Totalitarismus sei das Interesse an kasuistischen Geschichten gross gewesen die von Zustanden handeln in welchen das uberlebensnotwendige Handeln problematisch wird weil es mit elementaren ethischen Normen kollidiert 44 Als klassisches Beispiel zitiert Kiesel die Problemstellung vom Brett des Karneades Was wird der Starkere tun wenn nach einem Schiffbruch ein Schwacherer das einzige rettende Brett ergriffen hat Im Konflikt zwischen Uberleben und Gerechtigkeit empfiehlt der antike Autor den Schwacheren zu toten weil man sonst gerecht aber ein Tor sei Der Unterschied der antiken Geschichte zu Brechts Lehrstucken sei zunachst dass Brecht die Moral nicht der Selbsterhaltung opfere sondern dem Willen zum politischen Erfolg Deutlich uber Karneades hinaus geht Brecht aber indem er von dem der in einer solchen lebensbedrohlichen Situation geopfert werden soll das Einverstandnis verlangt Helmuth Kiesel Denken auf Leben und Tod 2004 S 189 Kiesel halt diesen Schritt nicht fur spezifisch fur kommunistische Bewegungen sondern fur Gemeinbesitz der Mobilisierungsbewegungen der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts 45 Brecht habe dieses Motiv lediglich in der Massnahme besonders radikal gefasst 46 Adoleszenzprobleme als Strukturprinzip Bearbeiten nbsp Auffuhrung des Jasagers 1946 im Hebbel Theater in BerlinGunter Thimm sieht Adoleszenzprobleme als ein zentrales Strukturprinzip des Jasagers Der Gegensatz von Familie und Kultur werde durch die beiden Raume der Buhne symbolisiert Thimm beschreibt akribisch den langsamen Wechsel des Jungen von der Geborgenheit des Raumes mit der Mutter in den anderen Raum der den Abschied von der Familie symbolisiere Dabei erscheine die Kultur einerseits als vielversprechend die Stadt jenseits der Berge die grossen Arzte Hoffnung auf Heilung andererseits sei der Weg dorthin gefahrlich 47 Der Lehrer erscheint aus dieser Sicht in der Rolle des Vaters der als dritte Person d h durch Triangulierung im Sinne der Psychoanalyse dem Jungen ermoglicht Abstand von der Mutter zu gewinnen Brecht gestalte den inneren Konflikt des Jungen durch das Gegensatzpaar stehen und sitzen Die drei StudentenBist du krank vom Steigen Der KnabeNein Ihr seht ich stehe doch Wurde ich mich nicht setzenWenn ich krank ware Pause Der Knabe setzt sich GBA Band 3 S 70 Thimm interpretiert das Sich Hinsetzen als Regression die den Wunsch zur Ruckkehr in die Familie zeige 48 Thimm systematisiert des Weiteren den Kontrast zwischen Anziehungskraften der Familie und denen der Kultur Die Krankheit der Mutter und die Gefahren des Weges stehen dabei dem zunachst unspezifischen Wunsch die Familie zu verlassen gegenuber In ahnlichem Sinne fragt Friedrich Dieckmann in Bezug auf den Jungen will er ihr wirklich helfen Wenn die Hilfsexpedition des Lehrers und der Studenten erfolgreich ware wurde der Mutter ohnedies geholfen Nicht um der Mutter willen bricht der Knabe auf er will sich selbst helfen und zwar von der Mutter er will sich durch die Reise gen Utopia emanzipieren 49 Thimm interpretiert den Tod des Jungen als adoleszente Phantasie Weder der Abschied von der Mutter noch das Ankommen in der Kultur gelinge vollstandig Der Zwischenraum erscheine jedoch als bedrohlich Thimm sieht diese Struktur des Jasagers als typisch fur Brechts Werk Die typische Familiensituation Abwesenheit des Vaters Wunsch aus der mutterlich dominierten Familie auszubrechen zeige sich wie im Jasager auch in der Mutter Courage den Gewehren der Frau Carrar oder der Mutter Zudem erscheine regelmassig ein Abholwesen 50 das wie im Marchen den Abschied von der Mutter ermogliche etwa der Werber in der Mutter Courage oder hier der Lehrer Im Zwischenraum zwischen Familie und ertraumtem Ziel finde der Heranwachsende oft eine Gruppe etwa Gleichaltriger im Jasager reprasentiert durch die drei Studenten Im Uberqueren des Gebirgspasses sieht Thimm ein typisches Initiationsritual 51 Kurt Weills Komposition BearbeitenDie Komposition des Jasagers war das letzte gemeinsame Projekt von Brecht und Weill in Deutschland 1933 begegneten sich die beiden schon auf der Flucht noch einmal in Frankreich und erarbeiteten das Songspiel Die sieben Todsunden im schnoddrig schmissigen und zugleich bewusst sentimentalen Dreigroschenoper und Mahagonny Stil 52 Die musikalische Qualitat der Schuloper Jasager wird unterschiedlich bewertet Jost Hermand vertritt die Meinung dass die wesentlich sprodere Musik 53 die dem Lehrstuckcharakter entsprach nicht zu Weills Stil passte Die Vielschichtigkeit der Musik Weills sei in eine schlicht demonstrative Geste umgebogen 54 W Anthony Sheppard stellt die Frage ob Kurt Weills Komposition die Aussage des Stuckes in Richtung auf den Vorzug des Kollektivs vor dem Einzelnen und die Forderung der Opferbereitschaft unterstutzt oder unterminiert Sheppard sieht gleich im ersten Auftritt des Chors die klare musikalische Unterstutzung der brutalen Lehre vom Einverstandnis 55 The fugal character of this number imparts an air of solemnity as do the rigid plodding quarter notes of the vocal line These musical traits have led Gottfried Wagner to discuss this chorus in terms of Weill s musical propaganda Der Fugencharakter des ersten Chorauftritts vermittelt einen Hauch von Feierlichkeit wie die starren schwerfalligen Viertelnoten der Gesangsstimme Diese musikalischen Eigenschaften haben Gottfried Wagner dazu gefuhrt diesen Chor in Bezug auf musikalische Propaganda Weills zu diskutieren W Anthony Sheppard Revealing Masks S 91 Sheppard vertritt die Auffassung dass Weill entgegen Brechts Vorstellung dass die Musik im Sinne des Verfremdungseffekts im Kontrast zum Text stehen solle im Jasager eher die Aussage des Stuckes betont 56 Auch Susanne Fischer Quinn interpretiert Weills Komposition als Bestatigung des Einverstandnisses des Jungen mit seiner Hinrichtung Allein die zweimalige vollig unveranderte Wiederholung des Eingangschors Wichtig zu lernen vor allem ist Einverstandnis an exponierter Stelle hebe die Kraft dieser Idee hervor 57 Das Einverstandnis dokumentiere sich aber auch in der Komposition selbst Melodiefragmente aus dem Orchestervorspiel wurden von verschiedenen Stimmen aufgenommen im Eingangschor werde nach einem ahnlichen Prinzip die Melodie von einer Stimme kanonartig an andere weitergereicht Durch die Imitation des melodischen und rhythmischen Materials entsteht so auch musikalisch ein Einverstandnis 58 Um den Eindruck der Banalitat des Einverstandnisses zu vermeiden vermeide Weill trotz der Gruppierung von Sopran und Tenor bzw Alt und Bass im Chor reine Unisono Partien Nach dem Chor wird die Anfangsmelodie vom Orchester wieder aufgenommen Den Tod des Jungen Hor gut zu begleitet keine verklarende Musik sondern eine vom Klavier eingeleitete mehrfach wiederholte einfache Figur Eindringlich wird in der Klavierstimme lediglich eine immer wiederkehrende eintaktige und einstimmige Figur wiederholt die durch die Sekundspannung D E die Tragik und Schwierigkeit der Szene in einem einzigen Intervall auszudrucken vermag Rezitativartig losen sich Begleitung und Stimme jeweils ab die Konzentration liegt somit stets klar getrennt entweder auf der Sing oder der Klavierstimme nur gehaltene ganze Noten im Piano begleiten den Sanger vereinzelt und andeutungsweise Susanne Fischer Quinn im Anschluss an Weills Darstellung der Komposition Vom Gebrauch der Gebrauchsmusik S 52 Bis zur Frage des Lehrers Verlangst Du dass man umkehren soll deinetwegen 59 behalt die Komposition den beschriebenen Charakter Die Bedeutung der Entscheidungsfrage wird durch ein kurzes Fortissimo des Orchesters hervorgehoben was sich bei der zweiten Entscheidungsfrage des Lehrers wiederholt Verlangst du also dass Dir geschieht wie allen geschieht 59 Bei der Antwort des Jungen setzt die Begleitung des Orchesters aus 60 Wenn die Entscheidung gefallen ist setzt eine fast marschahnliche Begleitmusik ein die die unabanderliche Tatsache ausdruckt dass die Gemeinschaft weiter fortschreitet um die ihr gestellte Aufgabe zu erfullen 61 Der dreistimmige leise Gesang der Studenten soll die Trauer der Studenten bei der Hinrichtung des Jungen zum Ausdruck bringen Krabiel fuhrt den Erfolg des Jasagers vor allem auf Weills Komposition zuruck Damit folgt er seiner alteren Einordnung der Lehrstucke als vokalmusikalische Gattung in Abgrenzung zur dramatischen Literatur 62 Daruber hinaus hebt er den Anteil Weills am Text hervor Er sieht die besondere musikalische Qualitat des Jasagers in der um optimale Verstandlichkeit bemuhten rhythmischen Fixierung des Textes 63 und der von Laien zu bewaltigenden leicht singbaren Form nbsp Paul Hindemith 1923Susanne Fischer Quinn sieht das musikalische Engagement Weills und Hindemiths in der Gebrauchsmusik fur die Lehrstucke als Glucksfall Die Schuloper wie Weill den Jasager nannte und das Lehrstuck sind Werke die an Klarheit und Eindringlichkeit kaum zu uberbieten sind Beide stellen Zeugnisse eines heute undenkbaren Glucksfalles dar als zwei der bekanntesten und begabtesten Komponisten ihrer Zeit strebten Paul Hindemith und Kurt Weill die Demokratisierung der Musik an und schrieben bewusst Musik die von musikalischen Laien und Schulern aufgefuhrt werden konnte oder verwandelten wie beim Lehrstuck das Publikum in Mitwirkende Susanne Fischer Quinn Vom Gebrauch der Gebrauchsmusik Bertolt Brechts Kollaboration mit Paul Hindemith und Kurt Weill im Lehrstuck und im Jasager Mercer University 2007 Athens Georgia Sie verweist aber auch auf Konfliktpotentiale zwischen Brecht und Weill weil es Brecht gelungen sei auch bei musikalisch gepragten Werken stets im Vordergrund zu stehen Ab und an betonte Weill seinen Anteil am Werk Brecht ist ein Genie aber fur die Musik in unseren gemeinsamen Werken dafur trage ich allein die Verantwortung 64 Gemeinsam waren Weill und Brecht die Abkehr vom burgerlichen Musiktrieb und das Interesse an den neuen Massenmedien Film und Rundfunk die ein anderes Publikum erreichten als der Opernbetrieb Weill erstellte seit 1924 Beitrage fur den Rundfunk und beschaftigte sich wie Brecht mit Radiotheorien Eine fur das Lehrtheater bedeutsame Konsequenz daraus waren Kompositionen die auch Laien und Jugendliche spielen konnten Dass der Inhalt die Gemeinschaft der Form die Erziehung zur Gemeinschaft durch gemeinsames Musikmachen hier so vollkommen entspricht mochte einer der grossten Reize fur Brecht und Weill gewesen sein mit der Arbeit an dem Stuck zu beginnen Noch viele Jahre spater in den USA beteuerte Weill dass der Jasager das wichtigste Werk seiner Karriere war Susanne Fischer Quinn Vom Gebrauch der Gebrauchsmusik Bertolt Brechts Kollaboration mit Paul Hindemith und Kurt Weill im Lehrstuck und im Jasager Mercer University 2007 Athens Georgia S 43 Die Lehrstucke verkorpern neue Moglichkeiten Gemeinschaft in einem musikalischen Projekt zu erleben Zu diesem Zweck war die Komposition Weills insgesamt relativ einfach gehalten mit wenigen Modulationen und einfachem 3 4 oder 4 4 Metrum Dabei verzichtet das Lehrstuck aber auf Improvisation die Proben stellen die Gemeinschaft eher durch Disziplin her 65 Im Anschluss an die Urauffuhrung und Diskussionen mit einer weiteren Inszenierung hat Brecht den Text des Stuckes weiterentwickelt Da Weill aufgrund vielfaltiger Belastungen die Komposition zu diesen Veranderungen nicht mehr gestalten konnte halten sich viele musikalische Inszenierungen an die erste Fassung wahrend in der Literaturwissenschaft oft die zweite Fassung diskutiert wird Textausgaben BearbeitenElisabeth Hauptmann Ubersetzung Taniko oder Wurf ins Tal in Der Scheinwerfer Stadtische Buhnen Essen Spielzeit 1929 30 H 6 7 Elisabeth Hauptmann Ubersetzung Taniko oder Wurf ins Tal Funkfassung fur Radio Berlin gesendet am 23 Juni 1930 Erstdruck in der Zeitschrift Die Musikpflege 1930 31 H 1 S 53 58 Vorabdruck aus dem 4 Heft Versuche Berlin Gustav Kiepenheuer 1930 Bertolt Brecht Grosse kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe Band 3 Stucke 3 S 47 58 Frankfurt am Main 1988 zitiert als GBA Bertolt Brecht Autor Peter Szondi Herausgeber Elisabeth Hauptmann Ubersetzer Der Jasager und Der Neinsager Vorlagen Fassungen Materialien Frankfurt am Main edition suhrkamp 1999 ISBN 3 518 10171 4 Kurt Weill Der Jasager Schuloper in 2 Akten Klavierauszug Schott Music 2003 ISMN 979 0 00801667 7 Suche im DNB Portal Kurt Weill Der Jasager Klavierauszug englisch Universal Edition 2003 ISMN 979 0 00806207 0 Suche im DNB Portal Tonaufnahmen BearbeitenKurt Weill Komponist Bertolt Brecht Autor Die Jasager Audio CD Music Alliance Membran GmbH Kurt Weill Komponist Bertolt Brecht Autor Die Jasager Audio CD Polydor CD 839 727 2 auch bei Line Music CD 5 00991 und Membran Music 232579 mit Joseph Protschka Lys Bert Willibald Vohla Siegfried Kohler Kurt Weill Komponist Bertolt Brecht Autor Die Jasager Audio CD Capriccio CD CD 60 020 1 Fredonia Chamber Singers Kammerchor der Universitat Dortmund Orchester Campus Cantat 90 Willi Gundlach Kurt Weill Komponist Bertolt Brecht Autor Die Jasager Audio CD FONO CD FCD 97 734 Chor und Orchester des Alexander von Humboldt Gymnasiums Konstanz Peter BauerSekundarliteratur BearbeitenAlbrecht Dumling Der Jasager und der Neinsager Brecht Weills Schuloper an der Karl Marx Schule Neukolln 1930 31 In D Kolland Hrsg Rixdorfer Musen Neinsager und Caprifischer Musik und Theatergeschichte aus Rixdorf und Neukolln Berlin 1990 S 124 130 ISBN 3 926175 78 8 Heinz Geuen Von der Zeitoper zur Broadway Opera Kurt Weill und die Idee des musikalischen Theaters Sonus Schriften zur Musik Band 1 Edition Argus 1997 ISBN 3 931264 02 5 Jan Knopf Brecht Handbuch Theater Metzler Stuttgart 1986 ungekurzte Sonderausgabe ISBN 3 476 00587 9 Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager In Jan Knopf Brecht Handbuch Band 1 Stucke Neuausgabe Metzler Stuttgart 2001 ISBN 3 476 01829 6 S 242 253 Klaus Dieter Krabiel Brechts Lehrstucke Entstehung und Entwicklung eines Spieltyps Stuttgart 1993 ISBN 3 476 00956 4 Klaus Dieter Krabiel Das Lehrstuck Brechts Theorie einer politisch asthetischen Erziehung Frankfurt am Main 1995 ISBN 3 86099 250 3 Jurgen Schebera Theater der Zukunft Brecht Weills Der Jasager Brecht Eislers Die Massnahme Eine vergleichende Studie In Musik und Gesellschaft 34 1984 H 3 S 138 145 Jurgen Schebera Kurt Weill Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2000 ISBN 3 499 50453 7 Rainer Steinweg Lehrstuck und episches Theater Brechts Theorie und die theaterpadagogische Praxis Frankfurt am Main 1995 Rainer Steinweg Das Lehrstuck Brechts Theorie einer politisch asthetischen Erziehung Metzler Stuttgart 1976 ISBN 3 476 00352 3 Gunter Thimm Das Chaos war nicht aufgebraucht Ein adoleszenter Konflikt als Strukturprinzip von Brechts Stucken Konigshausen amp Neumann 2002 ISBN 3 8260 2424 9 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Der Jasager Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Kurt Weill Foundation for Music Erlauterungen mit MusikbeispielenEinzelnachweise Bearbeiten a b Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 245 vgl etwa die konzeptuellen Bemerkungen Brechts in GBA Band 21 S 396ff vgl Sabine Kebir Ich fragte nicht nach meinem Anteil S 149 vgl Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 242 Sabine Kebir Ich fragte nicht nach meinem Anteil S 150ff vgl Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 243 zitiert nach Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 243 vgl Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 244 vgl GBA Band 3 S 421 GBA Band 3 S 49 a b GBA Band 3 S 50 vgl GBA Band 3 S 421f Kurt Weill Uber meine Schuloper Der Jasager zitiert nach GBA Band 3 S 422 vgl Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 245 GBA Band 3 S 54 GBA Band 3 S 423 Susanne Fischer Quinn Vom Gebrauch der Gebrauchsmusik Bertolt Brechts Kollaboration mit Paul Hindemith und Kurt Weill im Lehrstuck und im Jasager Mercer University 2007 Athens Georgia S 41 Susanne Fischer Quinn Vom Gebrauch der Gebrauchsmusik Bertolt Brechts Kollaboration mit Paul Hindemith und Kurt Weill im Lehrstuck und im Jasager Mercer University 2007 Athens Georgia S 44 Jurgen Schebera Kurt Weill S 74 vgl Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 248 a b c vgl GBA Band 3 S 424 Rhein Mainische Volkszeitung vom 30 Dezember 1930 Die Musik Stuttgart und Berlin 1930 31 Heft 7 Die Weltbuhne Berlin 1930 Nr 28 zitiert nach GBA Band 3 S 424 Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 246 Bezug Friedrich Engels Anti Duhring 1 a b Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 246 Ernst Junger Der Arbeiter Herrschaft und Gestalt S 155 und 274 zitiert nach Helmuth Kiesel Denken auf Leben und Tod Literarische Reflexionen einer ethisch politischen Problemkonstellation in der Zeit des Totalitarismus Brecht Junger Bergengruen In Lutz Hagestedt Hrsg Ernst Junger Politik Mythos Kunst Gruyter 2004 ISBN 3 11 018093 6 S 183 a b vgl Helmuth Kiesel Denken auf Leben und Tod 2004 S 183 Sabine Kebir Ich fragte nicht nach meinem Anteil S 152 GBA Band 24 S 484 GBA Band 24 S 92ff Helmuth Kiesel Denken auf Leben und Tod 2004 S 183 Jan Knopf Brecht Handbuch Theater Stuttgart Metzler 1986 S 90 GBA Band 3 S 51 GBA Band 3 S 91 GBA Band 21 S 401 GBA Band 21 S 755 Michael Ley Leander Kaiser Von der Romantik zur asthetischen Religion S 93 Michael Ley Leander Kaiser Von der Romantik zur asthetischen Religion S 93 vgl Michael Ley Leander Kaiser Von der Romantik zur asthetischen Religion S 93f W Anthony Sheppard Revealing Masks Exotic Influences and Ritualized Performance in Modernist Music Theater California Studies in 20th Century Music University of California Press 2001 ISBN 978 0 520 22302 8 S 94 englisch W Anthony Sheppard Revealing Masks S 95 vgl Helmuth Kiesel Denken auf Leben und Tod 2004 S 183f Helmuth Kiesel Denken auf Leben und Tod 2004 S 189 Helmuth Kiesel Denken auf Leben und Tod 2004 S 190 Helmuth Kiesel Denken auf Leben und Tod 2004 S 190 vgl Gunter Thimm Das Chaos war nicht aufgebraucht Ein adoleszenter Konflikt als Strukturprinzip von Brechts Stucken Konigshausen amp Neumann 2002 ISBN 3 8260 2424 9 S 14 vgl Gunter Thimm Das Chaos war nicht aufgebraucht Ein adoleszenter Konflikt als Strukturprinzip von Brechts Stucken 2002 S 18 Friedrich Dieckmann Hilfsmittel wider die alternde Zeit Leipzig Weimar 1990 S 153 zitiert nach Gunter Thimm Das Chaos war nicht aufgebraucht Ein adoleszenter Konflikt als Strukturprinzip von Brechts Stucken 2002 S 17 Friedrich Dieckmann Hilfsmittel wider die alternde Zeit S 21 Gunter Thimm Das Chaos war nicht aufgebraucht Ein adoleszenter Konflikt als Strukturprinzip von Brechts Stucken 2002 S 22 Urauffuhrung 7 Juni 1933 in Paris Theatre des Champs Elysees Jost Hermand Die Toten schweigen nicht Brecht Aufsatze Peter Lang 2010 ISBN 978 3 631 60002 3 S 36 Jost Hermand Die Toten schweigen nicht S 36 Jost Hermand Die Toten schweigen nicht S 36 W Anthony Sheppard Revealing Masks S 91 W Anthony Sheppard Revealing Masks S 93 vgl Susanne Fischer Quinn Vom Gebrauch der Gebrauchsmusik S 50f Susanne Fischer Quinn Vom Gebrauch der Gebrauchsmusik S 51 a b GBA Band 3 S 54 Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 247 Susanne Fischer Quinn Vom Gebrauch der Gebrauchsmusik S 53 vgl Klaus Dieter Krabiel Brechts Lehrstucke S 3f Klaus Dieter Krabiel Der Jasager Der Neinsager S 247 Kurt Weill 1934 zitiert nach Jurgen Schebera Kurt Weill Reinbek bei Hamburg Rowohlt 2000 S 75 vgl etwa Joy H Calico Brecht at the Opera Berkeley University of California Press 2008 S 23 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Jasager amp oldid 235839620