www.wikidata.de-de.nina.az
Das Weltgericht komponiert von Friedrich Schneider nach einem Text von August Apel war eines der bedeutendsten Oratorien der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts Es hat entscheidend die Entwicklung dieses Genres beeinflusst Die offentliche Urauffuhrung fand am 6 Marz 1820 im Leipziger Gewandhaus statt Das Oratorium besteht aus einer Einleitung und drei Teilen mit insgesamt 30 Nummern Komponiert wurde es fur grossen gemischten Chor der in verschiedene Teilchore zu teilen ist sowie fur mindestens vier Solisten S A T B Da der Chor wesentlicher Trager der Handlung ist enthalt das Oratorium nur zwei Arien fur T und B und ein langeres Ensemble Weitere kurze Soli konnen von Chorsolisten ubernommen werden Friedrich Schneider Stahlstich um 1855 von L Sichling nach einem Portrat von G Volkerling 1852 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Text 3 Musik 4 Rezeption 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEntstehung Bearbeiten nbsp Titelblatt der Erstausgabe der Partitur zum Oratorium Das Weltgericht nbsp Widmungsblatt der Erstausgabe der Partitur zum Oratorium Das WeltgerichtAugust Apel heute vor allem noch bekannt als Verfasser der Textvorlage zu Carl Maria von Webers Oper Der Freischutz schrieb das Libretto des Weltgerichts mit der Absicht einen modellhaften Gegenentwurf zu Louis Spohrs erstem Oratorium Das Jungste Gericht zu schaffen Apel hatte 1812 eine Auffuhrung des Stucks in Leipzig gehort Er war sich mit den Kritikern einig dass das Stuck auch aufgrund seines schwachen Textes durchgefallen sei 1815 horte er eine Messe von Schneider und entschied dem jungen Komponisten sein Textbuch anzubieten In einem kurzen Beitrag zum Intelligenzblatt zur allgemeinen musikalischen Zeitung vom Marz 1826 schildert Schneider den weiteren Fortgang der Entstehung Am 10 Marz 1816 habe er das Textbuch von Apel bekommen 1 Die Komposition begonnen im Dezember 1818 sei am 21 Februar 1819 beendet worden Die Zeitung fur die elegante Welt berichtet von einer ersten nicht offentlichen Auffuhrung am 3 Juni 1819 2 Die Urauffuhrung fand am 6 Marz 1820 statt Schon im April kundigte Schneider in einer Subscriptionsanzeige den Druck des Werkes an 3 Text BearbeitenDas Textbuch nimmt seinen thematischen Ausgangspunkt in der biblischen Uberlieferung des Jungsten Gerichts in Matthaus 24 25 und der Offenbarung des Johannes Apel gibt die dort erzahlte Handlung jedoch nicht wieder sondern spielt lediglich auf ausgewahlte bekannte biblische Bilder und Formulierungen an die er mit Elementen der Volksfrommigkeit der Mythologie und Figuren aus anderen Teilen der Bibel erganzt Hieraus formt er einen eigenstandigen Dialog in dem zahlreiche Personengruppen Hollengeister Glaubige Eroberer etc und Einzelpersonen Satan Maria Eva Erzengel ihre Gedanken ausdrucken Rein narrative Abschnitte weist der Text im strengen Sinn nicht auf das Libretto besteht aus einer Reihung expressiver Momente Die Handlung muss indirekt uber die Ausserungen der Figuren erschlossen werden Besonders in den Choren stellt Apel kontrastierende Typen und ihre Gefuhle und Gedanken einander gegenuber Hierdurch wird der Text sehr kleingliedrig Ursprunglich hatte Apel den drei Teilen seines Librettos die Uberschriften Tod Auferstehung und Gericht gegeben Der erste Teil wird vom Librettisten an drei verschiedenen Schauplatzen verortet dem Himmel der Holle und der Erde Das Textbuch beginnt mit der Ankundigung des Jungsten Gerichts durch die Engel Angesichts des Chaos triumphieren die Hollengeister doch Satan unterbricht sie und schildert wie er versucht habe mit Schopferkraft den Menschen die Freiheit zu bringen Doch sei er an den naturlichen Schwachen der Menschen gescheitert die fur die Freiheit nicht reif zu Sundern geworden seien Dadurch seien sowohl die Menschen als auch Satan um das Heil gebracht worden In der anschliessenden Nummer lasst Apel den Chor der Glaubigen auf einen Chor der Eroberer treffen Wahrend die Glaubigen naiv fromm dargestellt werden verkorpern die Eroberer die gescheiterte Freiheitsidee Satans Der stolze Held ist frei unterdruckt die Schwacheren und stellt sich uber das Recht und sogar die Gotter Im zweiten Teil des Librettos konzentriert sich Apel auf die Darstellung der Reaktionen der Menschen angesichts des drohenden Gerichts und nimmt ihre kontraren emotionalen Verfassungen in den Blick Die Gerechten freuen sich uber die bevorstehende Auferstehung wohingegen bei den Ungerechten Angst und Verzweiflung vorherrschen Der dritte Teil schildert schliesslich das eigentliche Gericht Hier ist aus dramaturgisch analytischer Sicht eine durch Apel angelegte dreigliedrige Steigerung erkennbar Zunachst fragen sich die Menschen wie sie trotz ihrer Sunden und ihrer Schuld erlost werden konnen Die Spannung wird weiter gesteigert und entladt sich letztlich auf dem Hohepunkt in einem durch die Erzengel ausgesprochenen Verdammungsurteil Der eigentliche Wendepunkt der Erlosung fur alle bedeutet wird durch die Figur der Maria verkundet Sie verweist auf das Kreuzesopfer Jesu das allen Menschen Heil bringt 4 Apel verbildlicht die klassisch christliche Satisfaktionslehre deren zentrales Element Jesu Suhneopfer darstellt vertritt jedoch durchweg eine ausserkirchliche weltliche Religiositat Insbesondere die Anlage der dem Oratorium eigentlich fremden Figur des Satans wurde diskutiert und neu interpretiert Ronald Muller deutet die Figur im zeitgeschichtlichen Kontext des Jahres 1814 dem Zeitpunkt der Entstehung des Librettos Die Franzosische Revolution hatte 25 Jahre zuvor begonnen die Volkerschlacht bei Leipzig lag ein Jahr zuruck und der Wiener Kongress begann gerade zu tagen welcher Ausloser fur die Restauration der politischen Verhaltnisse werden sollte Die Ausgestaltung der Figur des Satans sei deshalb fur das Jahr 1814 besonders auffallig Wahrend Rochlitz 1820 in seiner Rezension der Urauffuhrung den Satan einzig als gewaltigen consequenten Rebell gegen den Allmachtigen 5 versteht erkennt Muller in der Figur Parallelen zu Napoleon 6 Wie Satan im Weltgericht wurde der franzosische Konsul und spatere Kaiser von den Zeitgenossen zunachst als Bringer einer Freiheit gefeiert die sich schnell zum Negativen wendete Die Figur des Satans so suggeriert der Text laut Muller muss wie auch Napoleon gesturzt werden Apels Text wird haufig kritisiert Dabei entspricht er in Vielem der Asthetik des Oratoriums wie sie Gottfried Wilhelm Fink 1827 formulierte Fink beschrieb das Libretto eines Oratoriums als eine Form die fast vollstandig auf narrative Elemente und entwickelnde Handlung verzichtet und lediglich emotionale und reflektierende Momente reihend gegenuberstellt Die Zusammenhange herzustellen sei Aufgabe der Horer weshalb der Librettist bekannte Stoffe wahlen solle 7 Die haufig kritisierte Zusammenhanglosigkeit und Verworrenheit des Weltgericht Librettos ist letztlich Konsequenz dieser Idee die dem Horer das Herstellen der Zusammenhange uberlasst zugunsten einer auf die blosse Reflexion und das Gefuhl reduzierten auf Wirkung zielenden Darstellung Um angesichts der Kleinteiligkeit des Textes den dramaturgischen Gesamtzusammenhang zu wahren und einen grossen Spannungsbogen zu schaffen war der Komponist Schneider in besonderem Masse gefordert mit musikalischen Mitteln die von Apel vorgegebenen Wechsel der Schauplatze der Rollen und der erzahlerischen Kontraste zu verdeutlichen und so dem Horer den Zugang zum Text zu erleichtern 8 Musik BearbeitenSchneiders Komposition von Apels Text macht das Weltgericht zu einem Schlusselwerk der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts Viele typische Merkmale des Oratoriums dieser Zeit finden sich im Weltgericht viele das erste Mal Nach der Zahlung in der von Schneider selbst herausgegebenen Partitur weist das Stuck 30 Nummern und eine Einleitung genannte Ouverture auf Genauer betrachtet fassen etliche Nummern jedoch in Besetzung und Charakter sehr unterschiedliche Abschnitte zusammen so dass die eigentliche Zahl der Nummern auch wesentlich hoher liegen konnte Schneiders Zahlung ist das offensichtlichste Zeichen fur seine Absicht das Oratorium nicht als Reihung einzelner unabhangiger Teile zu verstehen sondern als einheitliche Grossform Damit greift er innovativ fur das Oratorium eine Tendenz auf die in der Oper schon langer diskutiert im 19 Jahrhundert zu einem zentralen Gedanken der Musikasthetik wurde So achtet Schneider in seiner Komposition darauf Ubergange zu komponieren wie z B instrumentale Uberleitungen oder Kadenzen die die Tonart des folgenden Stucks vorbereiten In der Einleitung fuhrt Schneider ein sechs Takte langes pragnantes vierstimmiges Motiv ein das solistisch von den Posaunen vorgetragen wird Dieses Motiv kehrt im ersten und dritten Teil insgesamt dreimal wieder a cappella jeweils mit ahnlichem Text gesungen von den vier Erzengeln Als Erinnerungsmotiv gemahnt es an verschiedenen Stellen der Handlung an die Ewigkeit des Reiches Gottes und wirkt gleichzeitig als musikalische Klammer der Grossteile Ahnlich verweist ein weiteres Motiv der Einleitung auf den Chor der Glaubigen Nr 5 im ersten Teil und ein drittes auf den Chor der Martyrer Nr 21 im dritten Teil sowie auf einen textlich ahnlich auf das Martyrium verweisenden Abschnitt in Nr 7 Wahrend das Ewigkeitsmotiv mit Posaunen bzw a cappella Gesang assoziiert ist wird die Melodie der Glaubigen von Streichern die der Martyrer von Holzblasern begleitet Richtungsweisend fur das 19 Jahrhundert ist auch Schneiders extreme Betonung des Chores als Trager der Handlung die allerdings von Apels Text vorgegeben wurde Das Stuck enthalt lediglich zwei Arien und ein grosseres Ensemble auch Rezitative sind selten Damit entsprach Schneider sowohl der Idee seiner Zeit von einer Tradition des Oratoriums die vor der Wiederauffuhrung von Bachs Matthaus Passion 1829 vor allem die Oratorien Handels und hier v a die Werke mit grosser Beteiligung des Chores v a Messiah als Ausgangspunkt definierte Er folgte aber auch der zeitgenossischen Asthetik des Oratoriums die allen Anklangen an die Oper kritisch gegenuberstand Schliesslich entsprach er auch der Nachfrage eines neu entstehenden Marktes einer Literatur fur grosse Laienchore Schneiders Komposition wird von diesen drei genannten Einflussen gepragt Das Vorbild Handel hort man vor allem in den funf Fugen wovon drei jeweils einen Teil abschliessen und zwei an besonders markanten Stellen die Gott loben zu finden sind Die Fuge im Chor der Engel und Menschen Halleluja Nr 9 und die Fuge im Chor der Erstandenen Ewig schallen Jubellieder sind Doppelfugen wobei in der ersten Fuge die zwei Themen beide im Chor vorgestellt und in der zweiten Fuge die Themen auf Chor und Orchester verteilt werden Schneiders Fugen sind gekennzeichnet durch die fast durchgehende colla parte Funktion des Orchesters Manche beinhalten eine stretto Passage zum Ende hin Nr 9 Nr 30b und alle besitzen homophone Abschnitte mit denen die Fugen wirkungsvoll enden Abgesehen von formalen Ahnlichkeiten mit Fugen aus Handels Oratorien lassen sich auch thematische Parallelen entdecken So erinnert das erste Fugenthema aus Nr 9 an das des Halleluja aus dem Messiah Bezeichnend an diesem Beispiel ist auch die textlich inhaltliche Ahnlichkeit Abgesehen von den Fugen sind die Chore weitestgehend homophon gesetzt Die Stimmen werden colla parte von Instrumenten begleitet um musikalischen Laien die Ausfuhrung zu erleichtern Allerdings macht Schneider kaum Gebrauch von der Moglichkeit den Chorklang zu verandern indem er unterschiedliche Stimmgruppen gegeneinanderstellt Seine Teilchore sind meistens vierstimmig fur S A T B gesetzt Zeitgenossische Kritiker verglichen das Weltgericht gelegentlich mit Carl Maria von Webers ein Jahr spater uraufgefuhrter Oper Der Freischutz Ein Rezensent wollte sogar gegenseitige Abhangigkeiten gehort haben wogegen sich Schneider heftig wehrte 9 Ein Vergleich des Chores der Hollengeister aus dem Oratorium mit der Wolfsschluchtszene der Oper zeigt dass Schneider sich zwar um eine ausdrucksstarke Orchestrierung bemuht jedoch hinter der Farbigkeit des Weber schen Orchesters zuruckbleibt Dabei gelingen Schneider durchaus eindrucksvolle Stellen wie z B der vierstimmige Posaunenchor des Ewigkeitsmotivs oder der Sologesang mit Chor der Mutter und Kinder Nr 23 der von drei Celli Flote und Fagott begleitet wird Auch die Harmonik des Weltgerichts ist typisch fur das Oratorium der Zeit wesentlich konservativer und noch eher klassischen Vorbildern verpflichtet als in die Romantik weisend Innerhalb des Weltgerichts nimmt die Arie des Satans Nr 4 eine Sonderstellung ein Sie ist neben der Arie von Raphael die einzige Arie dieses Oratoriums Besonders ist sie aber in einigen Aspekten ihrer musikalischen Konzeption Schneider schreibt keine wie manchmal unterstellt 10 Bravourarie im italienischen Stil Die Singstimme Satans hat grosse Intervallsprunge abwechselnd mit Tonrepetitionen oder kleineren Intervallen aber keine nennenswerten Verzierungen Mit diesen Stilmitteln lasst Schneider Satan als beeindruckende Figur erscheinen Im harmonischen wie musikalisch formalen Kontext gibt es weitere Unterschiede im Vergleich zu den restlichen Nummern des Oratoriums Schneider verwendet eine ausgesprochen chromatische Harmonik die teilweise weit in die Romantik vorweist Gleichzeitig besteht das instrumentale Vorspiel aus einem regelmassigen Satz klassischen Modells Dies unterscheidet es von der sonst unregelmassigen auf kombinierten Dreier und Vierergruppen aufbauenden formalen Gestaltung der restlichen Nummern siehe z B die Ouverture Aufgrund dieser Merkmale hat die Arie einen deutlich exponierten Platz im musikalischen Verlauf des Weltgerichts den schon die zeitgenossischen Rezensenten bemerkt und lobend erwahnt haben 11 Der grosse Erfolg beim zeitgenossischen Publikum und der geringe Erfolg bei den Autoren der Musikgeschichten ist vor allem darauf zuruckzufuhren dass Schneider sich als psychologisch ausserordentlich geschickter Komponist erweist Die Musik des Weltgerichts versucht nicht die Bedeutungsschwere des Textes mit musikalischen Mitteln zu einem Werk zu erganzen das Tiefgrundigkeit und Interpretationsbedarf vermittelt Sie zielt vielmehr ganz direkt auf Wirkung auf einen unmittelbaren emotionalen Effekt beim Publikum Dramaturgisch geschickt steuert Schneider die Gefuhle der Zuhorer Geck weist darauf hin dass regelmassig einer maestoso zu spielenden pathetischen kraftvollen Nummer eine ruhige gefuhlvolle Nummer dolce folgt Hohepunkte eines jeden Teils des Oratoriums bilden die abschliessenden Fugen 12 Absichtlich oder unabsichtlich weckt Schneider an vielen Stellen seiner Komposition den Schein des Bekannten J A P Schulz Zeitgenossische Rezensenten erwahnen nicht nur Reminiszenzen an Handel und Haydn Rochlitz z B verweist in seiner Besprechung der Urauffuhrung zur Beschreibung der Arie Satans auf Cherubinis fruhen Kompositionsstil in seiner Oper Lodoiska 11 Ein Kritiker der Neuen Berliner Musikzeitung fuhlt sich 1851 an Spontini Weber und Beethoven erinnert 13 Rezeption BearbeitenSchneiders Weltgericht war ein Erfolg von Anfang an Bereits am 15 April wiederholte er die Auffuhrung in der Leipziger Universitatskirche Noch im selben Jahr wurde Das Weltgericht in Berlin Gera Leipzig Prag und Quedlinburg unter Leitung Louis Spohrs gegeben 1821 wurde das Weltgericht als das zentrale Werk des vierten Niederrheinischen Musikfests in Koln aufgefuhrt Im selben Jahr stand das Oratorium im Mittelpunkt des ersten Vorfestes der Elbmusikfeste 14 Bis 1840 weist Martin Geck fast 80 Auffuhrungen nach 15 Viele Auffuhrungen dirigierte Schneider selbst Angesichts der Zahl der Besprechungen in der Presse 16 ist davon auszugehen dass das Werk im 19 Jahrhundert und vor allem in dessen erster Halfte lange Zeit zu den am haufigsten aufgefuhrten Oratorien gehorte ubertroffen zunachst nur von den Klassikern des Oratorienrepertoires die sich zu Schneiders Zeit bereits etabliert hatten Handels Messias Haydns Schopfung und Jahreszeiten und Grauns Tod Jesu Zu der raschen Verbreitung trug auch Schneider selbst bei der bereits ein Jahr nach der Urauffuhrung eine selbstfinanzierte Partitur drucken und bei Breitkopf und Hartel in Leipzig verlegen liess Das Subscribendenverzeichnis liest sich wie ein Who is who des zeitgenossischen Musiklebens Neben zahlreichen Leitern von Musikvereinen und Choren zwischen Stockholm und Wien Amsterdam und Prag finden sich u a die Namen der Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy damals 12 Jahre alt Carl Friedrich Zelter Johann Gottfried Schicht Peter Joseph von Lindpaintner und Joseph A F Elsner des Mitbegrunders der Allgemeinen Musikalischen Zeitung Johann Friedrich Rochlitz und des Schweizer Musikpadagogen und Leiters der Allgemeinen Musikgesellschaft Zurich Hans Georg Nageli Mit Spohr und Mendelssohn erreichte und beeinflusste es schon kurz nach seiner Entstehung zwei Komponisten die fur die Entwicklung des Oratoriums in der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts von grosser Bedeutung waren Das Weltgericht entsprach in vielerlei Hinsicht den Vorstellungen und Erwartungen seiner Zeit Deutsche Autoren verstanden das Oratorium als wichtigstes Genre bei der Definition einer nationalen Vokalmusik deren Tradition sie auf Bach und Handel zuruckfuhrten Besonders in der Zeit der Restauration wurde dem Chorwesen und besonders dem Oratorium identitatsstiftende Wirkung zugeschrieben So entwickelten sich in der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts zahlreiche gemischte Chore die ein reprasentatives Repertoire suchten Ausserdem entstanden zahlreiche Musikfeste deren Programme jeweils ein Oratorium als zentrales Werk enthielten Schneider gelang es mit seinem Weltgericht diesen Bedurfnissen und Idealen genau zu entsprechen So setzte er den Schwerpunkt nicht auf virtuose Solonummern die viele zeitgenossische Kritiker mit dem Gegenbild der italienischen Oper assoziierten sondern vielmehr auf wirkungsvolle aber trotzdem Laiensanger nicht uberfordernde Chore Der Kritiker der Urauffuhrung Rochlitz lobt zum Beispiel dass Schneider die Fugen in Haydns bzw Handels Weise komponiert habe dass er aber auch moderne Stilmittel verwende wie z B eine ausdrucksstarke Instrumentation 17 Besonders heben Kritiker immer wieder die moderne Tonsprache des Chors der Hollengeister aus dem 1 Teil hervor der mehrfach mit Webers Freischutz verglichen wird 18 Bereits fruh findet man in Besprechungen allerdings auch Kritik die sich zunachst vor allem auf das Libretto bezieht Schon Rochlitz deutet in seiner Besprechung der Urauffuhrung die Problematik des Textbuchs an dem er eine schwierige Form bescheinigt Die zahlreichen Teilchore die haufig sehr gegensatzliche Charaktere verkorpern seien nur schwer zu differenzieren da es an einer deutlichen Individualisierung fehle Spatere Rezensenten sprechen gar von einer Zusammenhanglosigkeit 19 Seinen Grund hatte der ungewohnliche Eindruck den das Werk hervorrief in der neuen Richtung welche der Componist einschlug Es war ein Werk welches gegenuber den klassischen Arbeiten eines Handel und Bach mehr an der Oberflache des religiosen Gefuhls anhafte unmittelbar und leicht verstanden wurde 19 Richard Wagner schrieb 1834 20 Denn ist es nicht eine offenbare Verkennung der Gegenwart wenn einer jetzt Oratorien schreibt an deren Gehalt und Form keiner mehr glaubt Wer glaubt denn an die lugenhafte Steifheit einer Schneiderschen Fuge eben gerade weil sie jetzt von Friedrich Schneider komponiert ist Das was uns bei Bach und Handel seiner Wahrheit wegen ehrwurdig erscheint muss uns jetzt bei Fr Schneider notwendig lacherlich werden denn noch einmal sei s gesagt man glaubt es ihm nicht da es auch auf keinen Fall seine eigene Uberzeugung ist Wir mussen die Zeit packen und ihre neuen Formen gediegen auszubilden suchen und der wird der Meister sein der weder italienisch franzosisch noch aber auch deutsch schreibt Im 20 Jahrhundert geriet das Stuck in Vergessenheit In den letzten Jahren hat es eine erste Einspielung gegeben sowie eine moderne Urtext Edition beim Pfefferkorn Musikverlag die die Faksimileausgabe von Volker Kalisch und Thomas Kohlhase 21 nach dem Erstdruck von 1821 erganzt Das Weltgericht ist das Abbild verschiedener Spannungsfelder seiner Zeit Musikalisch steht es zwischen Klassik und Romantik doch wird die formale Klarheit und Leichtigkeit der Klassiker durch einen sehr nach aussen getragenen romantischen Bedeutungswillen gestort dem aber noch die Ausdrucksmittel fehlen wie sie gleichzeitig von Weber fur seinen Freischutz entwickelt wurden Mit seiner Verneigung vor der Tradition der Oratorien Handels und Haydns trug Schneider zum Prozess der Kanonisierung dieser Werke als Hohepunkte einer deutschen nationalen Musik bei setzte sich aber gleichzeitig dem Vorwurf fehlender Eigenstandigkeit aus Im Spannungsfeld zwischen Kunstanspruch und Breitenwirkung setzte Schneider eindeutig auf letztere so dass er auch aus diesem Grund nicht in die Musikgeschichten aufgenommen wurde Auch im Spannungsfeld zwischen Religiositat und weltlichem politischem Anspruch entschied er sich mit dem Libretto Apels fur einen Stoff dem kaum uberzeitliche Bedeutung zuzuschreiben ist Der Text enthalt die wichtigen Schlagworte der Zeit des Vormarz Freiheit in einem bis zur Unverstandlichkeit mit Bedeutung aufgeladenen Libretto Als jedoch im zwanzigsten Jahrhundert mit dem Niedergang der Chorvereine die Oratorienpflege auf mit Laien besetzte Kirchenchore uberging und das Oratorium wieder wie im 18 Jahrhundert in der Regel zu religiosen Festtagen in der Kirche aufgefuhrt wurde verlor das Weltgericht mit seiner sehr weltlichen Religiositat die Grundlage seines Erfolgs Zuvor hatte schon die Grundung des Deutschen Reichs 1871 die Bedeutung und die politische Funktion der Oratorienpflege verandert und neue andere Werke notwendig gemacht Schliesslich ubernahmen Wagners Opern vom Oratorium die Funktion der musikalischen Werke die das kulturelle Selbstverstandnis der Nation ausdruckten Die Musikwissenschaft des 20 Jahrhunderts hat das Weltgericht als Gebrauchsmusik bezeichnet die besonders dem Laienmusizierbereich zugute kam 22 Pragend fur die Einschatzung der Rolle Schneiders fur das Oratorium des 19 Jahrhunderts blieb bis heute ein fruher Aufsatz von Martin Geck in dem er die Funktionsmechanismen des Weltgerichts einer kritischen teilweise harschen Analyse unterzieht und ihm Trivialitat unterstellt 23 Im Marz 2011 wurde das Oratorium erstmals seit dem Erstdruck von 1821 wieder neu aufgelegt und zwar vom Leipziger Pfefferkorn Musikverlag in einer quellenkritischen Urtextausgabe 24 Eine darauf beruhende Auffuhrung fand am 20 November 2011 im Greifswalder Dom St Nikolai mit Martina Ruping Sopran dem Greifswalder Domchor und dem Philharmonischen Orchester Vorpommern unter der Leitung von KMD Prof Jochen A Modess statt Literatur BearbeitenGottfried Wilhelm Fink Uber Cantate und Oratorium im Allgemeinen in Allgemeine musikalische Zeitung 37 12 Sept 1827 Sp 625 632 books google und Allgemeine musikalische Zeitung 38 19 Sept 1827 Sp 641 649 books google Martin Geck Friedrich Schneiders Weltgericht Zum Verstandnis des Trivialen in der Musik in Studien zur Trivialmusik des 19 Jahrhunderts Hrsg von Carl Dahlhaus Regensburg 1967 S 97 109 Dieter Gutknecht Der herzoglich anhaltinische Hof Kapellmeister Dr Friedrich Schneider Weltgericht Schneider Vom Vergessen von Musik in Elisabeth Theresia Hilscher Hg Osterreichische Musik in Osterreich Beitrage zur Musikgeschichte Mitteleuropas Tutzing 1998 Helmut Lomnitzer Das musikalische Werk Friedrich Schneiders 1786 1853 insbesondere die Oratorien Marburg 1961 Ronald Muller Gedanken zu einer gt gt Weltgerichts lt gt Dramaturgie in Frank Kreissler Hg Zwischen Worlitz und Mosigkau Schriftenreihe zur Geschichte der Stadt Dessau und Umgebung 57 Vortrage anlasslich des 150 Todestages von Friedrich Schneider Dessau 2004 Friedrich Rochlitz Das Weltgericht in Allgemeine musikalische Zeitung Nr 11 15 Marz 1820 Sp 173 182 books google Howard E Smither A History of the Oratorio Volume 4 Chapel Hill 2000 p 127 137 books googleEinzelnachweise Bearbeiten Friedrich Schneider Erklarung in Intelligenzblatt zur allgemeinen musikalischen Zeitung Nr 4 Marz 1826 books google Zeitung fur die elegante Welt Nr 136 vom 15 Juli 1819 Sp 1084 f books google Friedrich Schneider Subscriptionsanzeige in Intelligenzblatt zur allgemeinen musikalischen Zeitung Nr 4 April 1820 books google Ronald Muller 2004 96 Friedrich Rochlitz 1820 177 Ronald Muller 2004 97 Gottfried Wilhelm Fink Ueber Cantate und Oratorium im Allgemeinen In Allgemeine musikalische Zeitung 37 1827 Sp 628 f Ronald Muller 2004 98 Stuttgart im Januar in Allgemeine musikalische Zeitung 28 Jahrgang Nr 9 1 Marz 1826 Sp 147 9 books google und Friedrich Schneider Erklarung Fussnote 1 Frankfurt den 22sten April 1821 in Allgemeine musikalische Zeitung 23 Jahrgang 1821 Nr 1 Sp 365 7 Bravourarie Satans Sp 367 books google a b Friedrich Rochlitz 1820 Martin Geck 1967 104 Otto Lange Berlin Musikalische Revue Neue Berliner Musikzeitung 25 18 Juni 1851 S 194 f books google Dieter Gutknecht 1998 352 Martin Geck Deutsche Oratorien von 1800 bis 1840 Verzeichnis der Quellen und Auffuhrungen Wilhelmshaven 1927 29 Howard Smither 2000 4 Friedrich Rochlitz 1820 176 177 180 Stuttgart im Januar Fussnote 9 a b Otto Lange Fussnote 14 194 Die deutsche Oper in Zeitung fur die elegante Welt Nr 111 vom 10 Juni 1834 hier nach Carl Friedrich Glasenapp Das Leben Richard Wagners in 6 Buchern Band 1 Leipzig Breitkopf amp Hartel 1905 S 203 http www zeno org nid 20007750315 Friedrich Schneider Das Weltgericht Faksimile des Originaldruckes nebst Kritischem Bericht Nach den Vorarbeiten von Helmut Lomnitzer herausgegeben von Volker Kalisch und Thomas Kohlhase Munchen 1981 Dieter Gutknecht 1998 357 Martin Geck 1967 109 Partitur auf der Homepage des Verlages Memento des Originals vom 24 September 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www pfefferkorn verlag com Normdaten Werk GND 1032058056 lobid OGND AKS LCCN no97075101 VIAF 181658454 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Das Weltgericht Friedrich Schneider amp oldid 186496457