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Der Colmarer Dominikanerchronist 1221 um 1305 in Colmar war ein Dominikaner in den Konventen zu Basel und Colmar im 13 Jahrhundert und gilt als Autor eines bedeutenden historiographisch chronistischen Werkes Blatt aus den Annales Basileenses Fol 16 der sogenannten Stuttgarter Handschrift um 1540 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werkuberlieferung 3 Werkbedeutung 4 Uberlieferung 5 Gedruckte Quellen 6 Literatur 7 AnmerkungenLeben BearbeitenDie wenigen bekannten Lebensdaten des Annalisten sind ausnahmslos Selbstzeugnisse die er an zwei Textstellen unvermittelt in das chronistische Werk einfugt Geboren wurde er demnach im Jahr 1221 trat 1238 in den Dominikanerorden ein gehorte ab 1260 zum Konvent des Predigerordens in Basel und ab 1278 zum Grundungskonvent des Dominikanerklosters in Colmar heute Bibliotheque de la ville an der Dominikanerkirche Unabhangige Quellentexte die dies bestatigen konnten existieren nicht oder sind nicht uberliefert Das Todesjahr ist ebenso wenig bekannt doch lasst es sich aufgrund des chronologischen Abbruchs sowohl der sogenannten Grossen Colmarer Annalen Annales Colmarienses maiores als auch der Colmarer Chronik Chronicon Colmariense 1305 erschliessen Werkuberlieferung BearbeitenIn der von einer insgesamt ungunstigen Uberlieferungssituation gepragten Editionsgeschichte der Colmarer Dominikaner Geschichtsschreibung des 13 Jahrhunderts ist als bedauerlicher Umstand zu verzeichnen dass das umfangreiche in mittellateinischer Sprache verfasste Korpus lediglich in Abschriften des 16 Jahrhunderts uberliefert ist Die originale n Handschrift en aus dem 13 Jahrhundert mussen seit dem 18 Jahrhundert als verloren gelten Von einem klaren Werkbild kann aufgrund einer von wechselnden Editionsgrundsatzen gepragten Geschichte der Abschriften und Drucklegungen nicht gesprochen werden So erschien zwar bereits 1585 eine erste Druckfassung durch den Basler Spathumanisten Christian Wurstisen 1544 1588 doch wurden darin ebenso sorglos wie willkurlich zahlreiche Veranderungen am Manuskripttext vorgenommen Wurstisen kurzte die ihm vorliegende Abschrift des ursprunglichen Handschriftentexts nicht nur um etwa ein Drittel sondern nahm auch sonst eigenmachtige stilistische wie strukturelle Veranderungen vor Auch die heute immer noch massgebliche Druckausgabe die von Philipp Jaffe im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica Script Band XVII 1861 veroffentlichte Edition des Colmarer Korpus weist strukturelle Veranderungen gegenuber der Vorlage auf Wie schon die Wurstisen Ausgabe stutzt sie sich auf die um etwa 1540 entstandene massgeblich in der Hand des Basler Humanisten Nikolaus Briefer 1548 uberlieferte Abschrift die nach ihrem spateren Aufbewahrungsort in der Wurttembergischen Landesbibliothek sogenannte Stuttgarter Handschrift Signatur WLB Stuttgart cod Hist 4 145 Das Original des 13 Jahrhunderts aus der Klosterbibliothek in Colmar muss Briefer offensichtlich als Grundlage gedient haben Jaffe gliederte das unubersichtliche Gesamtbild der Brieferschen Abschrift editorisch in folgende Werkteile die er mit eigenen Titeln versah Annales Colmarienses minores die kleinen Kolmarer Annalen 1211 1298 Abfassungszeit des Originalmanuskripts vermutlich um 1298 Annales Basileenses und Annales Colmarienses maiores die zwei grossen Annalen uber die Jahre 1266 1305 synchron zunachst in Basel und ab 1278 in Colmar gefuhrt Nichtannalistische Texte um 1300 die Jaffe in einen Text uber Elsassische Zustande Anfang des 13 Jahrhunderts und zwei topographische Beschreibungen des Elsass und Deutschlands aufteilt Chronicon Colmariense die Kolmarer Chronik der Jahre 1242 1304 behandelt die Geschichte Rudolfs I und Albrechts von Habsburg sowie Adolfs von Nassau bis 1304 Abfassungsbeginn in den 90er Jahren des 13 Jahrhunderts und gilt als das Hauptwerk der Colmarer Historiographie uberhaupt Die bislang einzige vollstandige Ubersetzung des Stuttgarter cod Hist 4 145 ins Deutsche wurde auf Grundlage der MGH Edition von Hermann Pabst besorgt und erschien 1867 Folgeauflagen 1897 und 1940 In jungerer Zeit wird die Autorschaft des Colmarer Chronisten auch fur die bislang dem sonst nicht belegten Dominikaner Abt Rudolf des Konvents in Schlettstadt zugeschriebenen Historiae memorabiles insgesamt 56 dazu 54 weitere in einer Sigmaringer Handschrift dem Codex 64 der Sigmaringer Hofbibliothek Wunder Geister Teufels und Prophetie Geschichten des 13 Jahrhunderts diskutiert bzw nachgewiesen deren Uberlieferung ebenso nur in Abschriften aus dem 16 Jahrhundert besteht 1 Werkbedeutung BearbeitenDie Werke des Colmarer Chronisten gelten seit Beginn ihrer Editionsgeschichte als nicht nur lokalgeschichtlich bedeutsame Aufzeichnungen sondern werden zu den wesentlichen geschichtlichen Quellentexten aus der zweiten Halfte des 13 Jahrhunderts gezahlt besonders hinsichtlich ihrer Abschnitte zu Person und Regentschaft Rudolfs I von Habsburg Sie reprasentieren beispielhaft die seit dem 12 Jahrhundert sich abzeichnende andere Geschichtsschreibung in der grundsatzlichen Abkehr von konventionell gebundener Historiographie der grossen reichsgeschichtlichen Zusammenhange hin zu einer eher lokal begrenzten episodischen auf mittelbare Informationsquellen Monche Kriegsmanner fahrende Spielleute sich stutzenden Ereignisgeschichte die Aspekte des Epischen Anekdotischen und Erbaulichen aufweist Die chronistischen Schriften des Colmarers zeichnet eine lebendige Fulle von Vorkommnissen und Nachrichten aus die im Sinne einer Alltagsgeschichte die unmittelbare Umwelt Erlebniswelt und das Wirklichkeitsverstandnis der Menschen jener Zeit und Region plastischer zu vermitteln vermag als die bis dato einzig als literaturfahig geltenden Reichsgeschichten Insbesondere die annalistischen Werke des Colmarers die Annales Colmarienses maiores und Annales Basileenses bieten in dieser Hinsicht ein buntes ja verwirrendes Neben und Nacheinander von selbst Erlebtem oder geruchteweise nur Gehortem Anscheinend wahllos und ohne Gewichtung sammelt der Chronist alle Nachrichten deren er nur habhaft werden kann Was ihm dabei irgendwie merkwurdig und interessant zu sein scheint zeichnet er ohne offenkundigen Versuch sachlicher oder inhaltlicher Ordnung auf Kaiserkronungen Konventsgrundungen Kriegsereignisse Brandkatastrophen Belagerungen Todesfalle in den Reihen des Klerus Totungsdelikte Frevel und Diebstahle unter Rittern Burgern und Bauern Naturerscheinungen und katastrophen Verwustungen Beobachtungen aus der heimischen Tier und Pflanzenwelt Wetter und Klimaverhaltnisse warme Winter und kalte Sommer Erntezeiten und Ernteguten Wein und Getreidepreise Nachrichten uber Monstra und Krankheiten diabolische Geschichten und vielerlei Curiosa Das additive Verfahren des Colmarers berichtet dabei in fast jedem neuen Satz auch ein neues Ereignis oder eine neue Beobachtung und liefert eine gegenseitig konterkarierende Abfolge von alltaglich Belanglosem mit reichsgeschichtlich Bedeutsamem 1288 Der Abt von Murbach vertrieb aus dem Flecken Gebweiler sammtliche Edle weil sie sich gegenseitig auf hinterlistige Weise verwundet haben Ein Sohn Konig Rudolfs der Landgraf des Elsasses und Herzog von Baiern rastete mit hundert Rossen im Hof der Schwestern unter der Linde zu Kolmar Am 22 Januar stiessen bei Mumpelgard grosse Schwarme von Vogeln aufeinander und lieferten sich eine Schlacht in welcher nach der Erzahlung mehrerer Leute uber dreihundert umkamen In gleicher Weise kamen bei demselben Orte Scharen von zahmen Schweinen zusammen und toteten sich durch gegenseitige Bisse Am Tage vor Agathen leuchteten Blitze Die Juden gaben dem Konig Rudolf zwanzigtausend Mark damit er ihnen gegen die von Oberwesel und Boppard Recht verschaffte In der Stadt Bern besiegte ein Weib einen Mann im Zweikampf Um der Jungfrau Reinigung kam ein Sturm der einen grossen Wald bei Hohenack von Grund auf verwustete Konig Rudolf sammelte ein Heer um eine vom Mainzer Erzbischof belagerte Burg zu entsetzen 2 Der dabei entstehende unruhige ja sprunghafte Charakter der Aufzeichnungen scheint in der Natur dieses Werkes begrundet und war mit einiger Sicherheit bereits der Urschrift eigen Dass der Colmarer haufig zentrale und periphere Geschichtsereignisse des 13 Jahrhunderts gleichgewichtig aufeinander folgen lasst das anscheinend Belanglose mitunter in epischer Breite behandelt das uberregional Bedeutsame aber nicht selten in lakonischer Knappheit nur eben erwahnt oder vollig ubergeht kann seiner Geschichtsschreibung nur auf den ersten Blick als mangelnde formale wie inhaltliche Stoffbewaltigung vorgeworfen werden bei genauer Hinsicht wird hier ein wenn auch unbewusster literarischer Stil pragend dessen suggestive Kraft den damaligen wie heutigen Leser zu beeindrucken vermag Die Unbefangenheit narrativen Sammelns machen die Aufzeichnungen des Colmarers wie kaum eine andere Historiographie ihres Jahrhunderts zu einem literarischen Dokument alltaglicher Geschichte Mittelalterliche Lebens und Denkwirklichkeiten Wahrnehmungsmuster regionales wie allgemeines Geschichtsverstandnis der Menschen um 1300 und in dieser Region kommen darin exemplarisch zur Sprache Uberlieferung BearbeitenStuttgarter Handschrift S Wurttembergische Landesbibliothek Stuttgart Cod hist 4 145 um 1540 Colmarer Handschrift C Auszug auf fol 183v fol 188r Stadtbibliothek Colmar cod 248 um 1462 1463 Donaueschinger Handschrift olim cod 704 D Auszug aus der redigierten Colmarer Chronik auf fol 174r fol 193v Wurttembergische Landesbibliothek Stuttgart Cod Don 704 um 1545 Digitalisat Gedruckte Quellen BearbeitenErich Kleinschmidt Hrsg Rudolf von Schlettstadt Historiae Memorabiles Zur Dominikanerliteratur und Kulturgeschichte des 13 Jahrhunderts Bohlau Koln und Wien 1974 Hermann Pabst Annalen und Chronik von Kolmar Nach der Ausgabe der Mon Germ ubersetzt Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit XIII Jahrhundert Band 7 Duncker Leipzig 1867 Volltextdigitalisat in der Google Buchsuche Annales Colmarienses minores et maiores Annales Basileenses Chronicon Colmariense in Georg Heinrich Pertz u a Hrsg Scriptores in Folio 17 Annales aevi Suevici Hannover 1861 S 183 270 Monumenta Germaniae Historica Digitalisat Literatur BearbeitenErich Kleinschmidt Art Colmarer Dominikanerchronist In Wolfgang Stammler Karl Langosch Kurt Ruh Hrsg Die deutsche Literatur des Mittelalters Verfasserlexikon Band 1 Berlin 1978 Sp 1295 1296 Erich Kleinschmidt Die Colmarer Dominikaner Geschichtsschreibung im 13 und 14 Jahrhundert Neue Handschriftenfunde und Forschungen zur Uberlieferungsgeschichte In Deutsches Archiv fur Erforschung des Mittelalters 28 1972 S 371 496 Karl Koster Die Geschichtsschreibung der Kolmarer Dominikaner des 13 Jahrhunderts In Elsass Lothringisches Jahrbuch 22 1952 S 1 100 Ottokar Lorenz Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter Von der Mitte des dreizehnten bis zum Ende des vierzehnten Jahrhunderts Hertz Berlin 1870 hier S 10 16 babel hathitrust orgAnmerkungen Bearbeiten Klaus Graf Handschriftenforschung im Internet 18 Marz 2003 archiviert vom Original am 30 Mai 2012 abgerufen am 30 April 2018 Annales Colmarienses maiores zit nach Hermann Pabst Annalen und Chronik von Kolmar Nach der Ausgabe der Mon Germ ubersetzt In Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit XIII Jahrhundert Band 7 Duncker Leipzig 1867 S 59 Normdaten Person GND 102570582 lobid OGND AKS VIAF 2861980 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Colmarer DominikanerchronistKURZBESCHREIBUNG deutscher Dominikaner ChronistGEBURTSDATUM 1221STERBEDATUM um 1305STERBEORT Colmar Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Colmarer Dominikanerchronist amp oldid 237444719