www.wikidata.de-de.nina.az
Dieser Artikel behandelt die hebraische Bibelhandschrift von 1008 Zu weiteren Handschriften aus St Petersburg siehe Codex Petropolitanus Der Codex Petropolitanus B19a oder Codex Leningradensis L ist die alteste bekannte vollstandige und datierte Handschrift der Hebraischen Bibel Sie wurde 1008 oder 1009 geschrieben und befindet sich in der Russischen Nationalbibliothek in Sankt Petersburg zeitweise Leningrad mit der Bibliothekssignatur EVR I B 19A 1 Der Codex L ist eines der besten Beispiele fur den masoretischen Text Der Codex Leningradensis Schmuckseite mit Angaben uber den Schreiber im Davidstern Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Datierung 2 Das weitere Schicksal der Handschrift 3 Bezeichnungen 4 Inhalt 5 Bedeutung 6 Westminster Leningrad Codex 7 Siehe auch 8 Literatur 8 1 Ausgaben Text und Masora 8 2 Sekundarliteratur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseEntstehung und Datierung BearbeitenDie Handschrift wurde von Samuel ben Jakob Schmuel ben Jaakob in der Stadt Agyptens also wohl Alt Kairo angefertigt Das ist dem ersten Kolophon vor Beginn der Genesis zu entnehmen 2 Ebendort datiert der Schreiber die Vollendung seiner Handschrift gleich funffach 3 Auf den Monat Siwan im Jahr der Schopfung 4770 auf das Jahr 1444 nach der Verbannung des Konigs Jojachin 4 das Jahr 1319 der griechischen Herrschaft d h der 311 v beginnenden seleukidischen Ara das Jahr 940 der Zerstorung des zweiten Tempels und das Jahr 399 des kleinen Horns vgl Dan 7 8 EU gemeint ist die Hedschra Die Angaben passen leider nicht genau zusammen Der Siwan 4770 wurde auf Mai Juni 1010 n Chr weisen das Jahr 1319 der seleukidischen Ara aber auf 1008 das islamische Jahr 399 auf eine Zeitspanne vom 5 September 1008 bis zum 24 August 1009 n Chr 5 In der Sekundarliteratur finden sich deshalb fur das Entstehungsjahr verschiedene Angaben Wer der Rechnung nach der seleukidischen Ara am ehesten traut gibt das Jahr 1008 an 6 Andere vermuten dass die Angabe der muslimischen Ara wahrscheinlich korrekt gewesen sei weil der Schreiber in einem muslimischen Land lebte Sie pladieren fur 1009 als Entstehungsjahr 7 Das spateste mogliche Datum 1010 ergibt sich wenn man der zuerst genannten Angabe nach der ublichen judischen Zeitrechnung folgt 8 Trotz dieser kleinen Unsicherheit bleibt die Handschrift L in jedem Falle die alteste datierte Handschrift der vollstandigen hebraischen Bibel Der Codex von Aleppo und die Handschrift Sassoon 1053 sind zwar alter als L 10 Jahrhundert und umfassten ursprunglich ebenfalls alle 24 Bucher der Hebraischen Bibel aber sie enthalten keine Datierung Andere datierte Bibelhandschriften wie der Codex Babylonicus Petropolitanus EVR I B 3 aus dem Jahr 916 der die hinteren Propheten enthalt und die ebenfalls in St Petersburg befindliche Pentateuchhandschrift des Salomo ben Buya a aus dem Jahr 930 EVR II B 17 sind zwar alter und datiert aber sie haben nie die ganze Hebraische Bibel enthalten Die Handschrift enthalt weitere Kolophone einige davon auf besonders prachtig gestalteten Schmuckseiten die moglicherweise einmal am Anfang der Handschrift eingebunden waren nun aber am Ende der Handschrift zu finden sind 9 Einer enthalt ein vierstrophiges Gedicht dessen 15 Zeilen mit den Anfangsbuchstaben von Samuel ben Jakob der Schreiber שמואל בן יעקב הספר beginnen 10 Ein anderer Kolophon enthalt die Angabe dass Samuel ben Jakob seiner Handschrift die korrigierten Bucher des gelehrten Aaron ben Mosche ben Ascher der im Garten Eden ruhen moge zugrunde gelegt hat 11 Diese Notiz ist von doppelter Bedeutung Zum einen weil sie die biographische Information enthalt dass Aaron ben Ascher bereits gestorben war als Samuel ben Jakob diese Seite schrieb und zum anderen weil sie wesentlich zum Ansehen des Codex L in der Neuzeit beitrug So schreibt Rudolf Kittel 1929 in seinem Vorwort zur dritten Auflage seiner Biblia Hebraica So wird denn in dieser Ausgabe an Stelle des Textes des ben Chaijim oder irgendeines anderen auf Handschriften des 13 und 14 Jahrhunderts n Chr ruhenden Masoretentextes erstmals der um Jahrhunderte altere Text des ben Ascher in der Gestalt in der ihn die Handschrift L gibt dargeboten 12 Das weitere Schicksal der Handschrift BearbeitenDer Auftraggeber und wahrscheinlich erste Besitzer der Handschrift L ist laut mehreren Kolophonen ein Mevorach ben Josef haKohen der Priester uber den ansonsten nichts bekannt ist Jungere Vermerke in der Handschrift geben daruber Auskunft dass sie im 16 Jahrhundert nach Damaskus verkauft worden ist Der Karaer Abraham Firkowitsch hat die Handschrift schliesslich auf einer seiner Orientreisen erworben Sie befand sich seit 1839 zunachst in Odessa Dort konnte sie Ephraim Moses Pinner 1845 begutachten seine Beschreibung im Anhang zu einem Katalog der Odessaer Sammlung machte erstmals die breite wissenschaftliche Offentlichkeit auf die Handschrift aufmerksam 13 Im Rahmen des Ankaufs der Sammlung Firkowitsch durch den russischen Zaren gelangte die Handschrift 1863 in die Kaiserliche offentliche Bibliothek von St Petersburg 14 Dort bekam sie in der ersten Abteilung fur hebraische Handschriften die Signatur B 19A 15 Die ausfuhrliche Beschreibung im von Abraham Harkavy und Hermann Leberecht Strack herausgegebenen Katalog der Petersburger hebraischen Bibelhandschriften legt erstmals besonderes Augenmerk auf die masoretischen Listen im Anhang des Codex 16 Bezeichnungen BearbeitenNach ihrem Aufbewahrungsort Sankt Petersburg wurde die Handschrift nach 1863 zunachst meist als Codex Petropolitanus bezeichnet Um sie von den zahlreichen anderen wertvollen Petersburger Bibelhandschriften unterscheiden zu konnen musste man aber die Signatur oder das Entstehungsjahr hinzufugen 17 Fur Teile der Masora insbesondere die Dikduke haTeamim war die Handschrift allerdings konkurrenzlos Hier wurde deshalb einfach das Kurzel P verwendet 18 Nach der Umbenennung der Stadt lautete die korrekte Bezeichnung spater Codex Leningradensis B 19A oder kurz Codex L Im Vorwort der von 1929 an erscheinenden dritten Auflage der BHK die erstmals den Text dieser Handschrift zur Grundlage einer Bibelausgabe machte ist meist von L oder der Handschrift L die Rede 19 Das Kurzel L wurde spater auch in der BHS sowie in der Hebrew University Bible verwendet und wird obwohl die Stadt seit 1991 wieder Sankt Petersburg heisst auch in der BHQ aus konventionellen Grunden beibehalten Siglum hier ML Seit 1991 wird die Handschrift auch wieder Codex Petropolitanus genannt was aber ohne die Signatur leicht zur Verwechslung mit der ebenso bezeichneten hebraischen Handschrift von 916 mit dem Text der hinteren Propheten Signatur Heb B 3 und anderen Petersburger Handschriften fuhren kann 20 Daneben gab und gibt es auch die Bezeichnung als Handschrift Firkowitsch 21 Da aber alle wichtigen Petersburger hebraischen Bibelhandschriften aus den Sammlungen von Abraham Firkowitsch stammen und auch zur Leningrader Bibliothek gehort haben ist jede dieser Bezeichnungen erklarungsbedurftig Die korrekte vollstandige Bezeichnung der Handschrift kann heute nur lauten Ms EVR I B 19A der Russischen Nationalbibliothek St Petersburg Inhalt BearbeitenDer Codex Leningradensis umfasst alle Bucher der Hebraischen Bibel in einer Reihenfolge die im Allgemeinen den gedruckten judischen Bibelausgaben Tanach entspricht Allerdings steht im Codex L ebenso wie im Codex von Aleppo dem Musterkodex des Aaron ben Mosche ben Ascher die Chronik nicht am Ende sondern am Beginn der Schriften Ketuvim Der Text ist in drei Kolumnen eingeteilt in einigen poetischen Buchern Psalter Hiob Proverbia in zwei Kolumnen An den rechten und linken Seitenrandern sowie zwischen den Kolumnen befindet sich die Masora Parva die vorwiegend wortstatistische Informationen enthalt An den oberen und unteren Seitenrandern befinden sich die Listen der Masora Magna Zwischen den Kanonteilen sowie am Ende der Handschrift findet sich umfangreiches weiteres masoretisches Material einschliesslich 16 dekorierter Seiten Bedeutung BearbeitenTrotz zahlreicher hebraischer Handschriften und Fragmente seit dem 3 Jahrhundert v Chr vgl Liste der Bibelhandschriften vom Toten Meer ist der Codex Leningradensis die alteste bekannte vollstandige und durch Kolophone datierte Handschrift der hebraischen Bibel Daruber hinaus enthalt der Kodex reiches masoretisches Material und ist eine der besten Quellen fur die Aaron ben Ascher zugeschriebenen grammatischen Traktate Dikduke HaTeamim Zusammen mit einigen anderen unvollstandigen Handschriften dient er bis heute als wichtigste Grundlage fur mehrere gedruckte Ausgaben hebraischer Bibeln Der Grund dafur liegt nicht zuletzt darin dass es sich hier seit dem teilweisen Verlust des Codex von Aleppo um das alteste vollstandig erhaltene und datierte Manuskript handelt welches den Masoretischen Text in der Tradition der Masoreten Familie Ben Ascher die im 9 10 Jahrhundert in Tiberias wirkte enthalt Sie ist eine gute wenn auch nicht die beste Bezeugung des Ben Ascher Textes und stellt die Grundlage mehrerer heute in der Wissenschaft gangiger hebraischer Bibelausgaben wie der Biblia Hebraica Stuttgartensia und der im Erscheinen begriffenen Biblia Hebraica Quinta dar Westminster Leningrad Codex BearbeitenWestminster Leningrad Codex WLC ist der Name einer digitalen Edition des Codex Leningradensis Es geht dabei nicht um das Aussehen der Handschrift sondern um ihren genauen Inhalt Der WLC ist im Web frei verfugbar zum Teil mit Werkzeugen zur Suche fur Konkordanzen oder zur morphologischen Analyse Heute wird eine Codierung in Unicode verwendet Da der Codex L der gedruckten Biblia Hebraica Stuttgartensia BHS zugrunde liegt ging man von dieser aus um zu einem maschinenverarbeitbaren Text zu gelangen In den 1980er Jahren wurde die BHS unter der Leitung von H Van Dyke Parunak University of Michigan und Richard E Whitaker Claremont Graduate University Kalifornien auf Computern erfasst wobei die hebraischen Schriftzeichen durch uberall verfugbare Schriftzeichen dargestellt wurden Betacode Diese Textversion hiess nach den beiden Universitaten Michigan Claremont Text Robert Kraft University of Pennsylvania Emanuel Tov Hebraische Universitat Jerusalem und J Alan Groves Westminster Theological Seminary Pennsylvania uberarbeiteten den Text weiter und stellten die genaue Ubereinstimmung mit dem handschriftlichen Original des Codex L sicher ausserdem wurden weitere textkritische Details hinzugefugt Das J Alan Groves Center for Advanced Biblical Research fuhrt nach dem Tod von Groves im Jahr 2007 diese Arbeit weiter Der WLC ist das Ergebnis nach Konvertierung in Unicode Siehe auch BearbeitenCodex CairensisLiteratur BearbeitenAusgaben Text und Masora Bearbeiten Biblia Hebraica Kittel BHK3 Biblia Hebraica Stuttgartensia BHS Biblia Hebraica Quinta BHQ Aron Dotan Thesaurus of the Tiberian Masora A Comprehensive Alphabetical Collection of Masoretic Notes to the Tiberian Bible Text of the Aaron Ben Asher School Sample Volume The Masora to the Book of Genesis in the Leningrad Codex Tel Aviv 1977 Aron Dotan Biblia Hebraica Leningradensia Prepared according to the vocalization accents and masora of Aaron ben Moses ben Asher in the Leningrad Codex Leiden 2001 Gerard E Weil Massorah Gedolah iuxta codicem Leningradensem B 19 a Rom 1971 Sekundarliteratur Bearbeiten S Baer H L Strack Hrsg Die Dikduke ha Teamim des Ahron ben Moscheh ben Ascher und andere alte grammatisch massorethische Lehrstucke zur Feststellung eines richtigen Textes der hebraischen Bibel Leipzig 1879 hebrewbooks org M Beit Arie C Sirat M Glatzer Codices Hebraicis Litteris Exarati Quo Tempore Scripti Fuerint Exhibentes Vol 1 Jusqu a 1020 Monumenta Palaeographica Medii Aevi Series Hebraica Brepols 1997 S 114 131 David Noel Freedman Astrid B Beck James A Sanders Hrsg The Leningrad Codex A Facsimile Edition Eerdmans u a Grand Rapids MI u a 1998 ISBN 9 00 410854 8 Christian David Ginsburg Introduction to the Massoretico Critical Edition of the Hebrew Bible London 1897 archive org A Harkavy H L Strack Catalog der hebraischen Bibelhandschriften der kaiserlichen offentlichen Bibliothek St Petersburg Leipzig 1875 archive org David Marcus Scribal Wit Aramaic Mnemonics in the Leningrad Codex Texts and Studies 3 10 Gorgias Press Piscataway NJ 2013 ISBN 978 1 61143 904 5 E M Pinner Prospectus der der Odessaer Gesellschaft fur Geschichte und Alterthumer gehorenden altesten hebraischen und rabbinischen Manuscripte Odessa 1845 sammlungen ub uni frankfurt de PDF 29 9 MB Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Codex Leningradensis Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Westminster Leningrad Codex Der Text des Codex Leningradensis in Unicode aufgearbeitet benotigt JavaScript Digitalisierte Version Scan des Codex L Inhaltsverzeichnis des Codex LEinzelnachweise Bearbeiten EVR steht fur russisch evrejskij jevreijskij die Abteilung mit den hebraischen Handschriften fol 1r Zeilen 1 2 fol 1r Zeilen 2 6 Die ersten beiden Daten entsprechen der traditionellen judischen Zeitrechnung nach der z B fur die Achamenidenherrschaft statt 200 nur etwa 35 Jahre berechnet werden Vgl Harkavy Strack Catalog S 265 hebraischer Text und deutsche Ubersetzung Beit Arie Sirat Glatzer Codices S 117 119 hebraischer Text franzosische Ubersetzung und Diskussion So Paul Kahle Masoreten des Westens Stuttgart 1927 sowie Beit Arie Sirat Glatzer Codices S 114 118 Fur 1009 votierten bereits Harkavy Strack Catalog S 268 sowie Ginsburg Introduction 2 sowie in jungerer Zeit Aron Dotan Biblia Hebraica Leningradensia Leiden 2001 S ix und Emanuel Tov Textual Criticism of the Hebrew Bible Third Edition Minneapolis 2012 S 45 73 Pinner Prospectus S 81 im Jahre 1010 beendigt Baer und Strack S XXIV spatestens im Sommer 1010 Paul Kahle Masoreten des Westens S 67 1008 1010 Beit Arie Sirat und Glatzer Codices S 114 119 fol 491r rechte Kolumne fol 479r in der Mitte der Seite Rudolf Kittel Biblia Hebraica 3 Auflage 1937 Pinner Prospectus S 81 92 sammlungen ub uni frankfurt de PDF 29 9 MB Harkavy Strack Catalog S XVIII Zur Signatur in der Handschrift siehe den Scan Internet Archive Harkavy Strack Catalog S 263 274 Scan Internet Archive So spricht Christian David Ginsburg regelmassig vom St Petersburg Codex dated A D 1009 Chr D Ginsburg Introduction to the Massoretico Critical Edition of the Hebrew Bible Band 1 1896 S 2 u o Scan Internet Archive Baer Strack Dikduke ha Teamim S XXIV XXVI hebrewbooks org Biblia Hebraica Hrsg von Rudolf Kittel Paul Kahle Albrecht Alt und Otto Eissfeldt 3 Auflage Privilegierte Wurttembergische Bibelanstalt Stuttgart 1937 Vgl Siegfried Kreuzer Codex Petropolitanus ist nicht Codex Leningradensis In Zeitschrift fur die alttestamentliche Wissenschaft 124 2012 S 107 110 So Adrian Schenker 1997 im Vorwort zur 5 Auflage der BHS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Codex Leningradensis amp oldid 238711058