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Die christlichen Gewerkschaften waren von 1903 bis 1934 in Osterreich bestehende Gewerkschaften Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Grundung als Abteilungen der Arbeitervereine 3 Selbstandige Gewerkschaft 3 1 Organisationsstruktur 3 2 Rahmenbedingungen in der Monarchie 3 3 Rahmenbedingungen in der Ersten Republik 3 4 Ende im Standestaat 4 Literatur 5 EinzelnachweiseVorgeschichte Bearbeiten nbsp Leopold Kunschak Grunder des Christlichsozialen ArbeitervereinsDie christliche Arbeiterbewegung in Osterreich begann mit der Grundung eines Gesellenvereins nach dem Vorbild von Adolph Kolping durch den spateren Erzbischof von Wien Anton Gruscha im Jahr 1852 Gruscha versuchte dieses Konzept auch auf die Arbeiter zu ubertragen Die Vereins und Versammlungsfreiheiten der Dezemberverfassung 1867 begunstigten die Grundung katholischer Arbeitervereine in ganz Osterreich Durch Karl von Vogelsangs Monatszeitschrift fur christliche Socialreform wurde auch wohlhabenderen Gesellschaftsschichten die Lage der Arbeiter vor Augen gefuhrt Die vom mahrischen Landpfarrer Anton Tschorner publizierten umfangreichen Statistiken uber die Lebensverhaltnisse der osterreichischen Arbeiterschaft losten einen Sturm der Emporung aus der den Diskurs uber die sozialen Probleme befruchtete Aus Furcht vor einer Radikalisierung der Arbeiter wurden in den 1880er Jahren in Osterreich wie in ganz Europa auch Sozialgesetze eingefuhrt wie die allgemeine Unfallversicherung und eine Krankenversicherung Pater Anton Maria Schwartz und sein Kalasantinerorden grundeten Vereine zur Unterstutzung junger Arbeiter und Lehrlinge 1891 nahm Papst Leo XIII in Rerum Novarum der ersten umfassenden Enzyklika zur Katholischen Soziallehre zur Situation der Arbeiter Stellung Darin forderte der Papst unter anderem die Grundung von Arbeitervereinen und die Sonn und Feiertagsruhe Ermutigt durch die Sozialenzyklika kam es zu einer Welle von Vereinsgrundungen Leopold Kunschak grundete 1892 den Christlichsozialen Arbeiterverein fur Niederosterreich als politischen Verein um die Interessen der Arbeiter besser vertreten zu konnen Ab 1894 wurden fur einzelne Berufsgruppen auch Fachvereine gegrundet die als unmittelbare Vorganger der christlichen Gewerkschaften angesehen werden konnen Mit 31 Dezember 1900 gab es in Osterreich 6 931 Arbeitervereine davon waren mehr als die Halfte sozialistisch etwa 24 waren christlichsozial organisiert Um die Jahrhundertwende bilden sich auch Zusammenfassungen von Arbeiterverbanden in Landesverbanden Ein Dachverband entstand 1902 mit dem Reichsverband der nichtpolitischen Vereinigungen christlicher Arbeiter Osterreichs Grundung als Abteilungen der Arbeitervereine BearbeitenAuf der ersten Konferenz am 1 Februar 1903 beschloss der Reichsverband ein grundsatzliches Bekenntnis zur gewerkschaftlichen Organisation was den Beginn der christlichen Gewerkschaft in Osterreich markiert Auf der zweiten Konferenz am 15 August 1903 wurde der entsprechende erweiterte Tatigkeitsbereich des Reichsverbands beschlossen wie Rechtsschutz fur Mitglieder 1904 wurde die Schaffung einer Jugendorganisation beschlossen und ab diesem Jahr wurde mit Der christliche Gewerkschafter von Franz Spalowsky auch eine monatlich erscheinende Zeitschrift publiziert Der Reichsverbandstag im September 1906 in Wien stand ganz im Zeichen der Gewerkschaften Eine neu gegrundete Reichsgewerkschaftskommission sollte die einzelnen Ortsgruppen miteinander verbinden Die Fachverbande wurden als uberholt angesehen und sollten durch Gewerkschaftsorganisationen abgelost werden In den ersten Jahren wurde viel uber die Organisationsform diskutiert Vorerst waren die Gewerkschaften noch den Arbeitervereinen eingegliedert ihre Entschlusse konnten durch Einspruch der Landesorganisationen fur ungultig erklart werden 1908 war man ubereingekommen die Gewerkschaften als selbstandige Organisationen auszugliedern als Zeitpunkt der Trennung von den Arbeitervereinen wurde der 1 Janner 1909 beschlossen Wahrend die christlichen Gewerkschaften kunftig die politische Vertretung ihrer Mitglieder als zentrale Aufgabe wahrnahm lag die Rolle der weiterhin bestehenden christlichen Arbeitervereine im Unterstutzen kranker und arbeitsloser Mitglieder im Unterrichtswesen der Organisation von Vereinsbibliotheken und Vereinssparkassen und besonders in der religiosen Unterstutzung ihrer Mitglieder Selbstandige Gewerkschaft BearbeitenOrganisationsstruktur Bearbeiten Als oberste Instanz fungierte die Zentralkommission der christlichen Gewerkschaften die mit der Fuhrung der ganzen Bewegung betraut war Ihr waren zwischen 20 und 30 Zentralverbande als Fachgewerkschaften angeschlossen Diese untergliederten sich wiederum sachlich in Branchen oder Betriebsgruppen und Fachsektionen sowie territorial nach Landes Bezirks und Ortsgruppen Zur Koordination auf Landesebene kamen noch Landeskartelle die der Zentralkommission angegliedert waren und die einzelne Bezirks und Ortsgruppen auf der Ebene der Bundeslander koordinierten Als zweite Spitzenorganisation ubte die Kontrollkommission Uberwachungs und Kontrollfunktionen aus Die Strukturen waren stark foderal gepragt Verwaltungs und Finanzhoheit lag bei den Fachgewerkschaften die Spitzenorganisationen waren von diesen abhangig Alle zwei Jahre wurde von der Zentralkommission der Kongress der christlichen Gewerkschaften einberufen seine Tagesordnungspunkte wurden auch von der Zentralkommission festgelegt International vernetzt war man durch die Mitgliedschaft der Zentralkommission in der Christlichen Gewerkschaftsinternationalen und der Fachgewerkschaften in den entsprechenden Fachinternationalen Rahmenbedingungen in der Monarchie Bearbeiten Die christlichen Gewerkschaften hatten mit allerlei Widerstanden zu kampfen Die sozialistischen Gewerkschaften bestanden schon langer konnten somit auf mehr Erfahrung zuruckgreifen und hatten etwa vier bis funf Mal so viele Mitglieder wie die christlichen Gewerkschaften Finanziell hatte man erst wenig Rucklagen aufgebaut vom Staat war keine Unterstutzung zu erwarten und obwohl man im Gegensatz zu sozialistischen Gewerkschaften den Klassenkampf ablehnte wurde die Gewerkschaft von Unternehmerseite als klassenkampferische Organisation angesehen Dennoch gab es positive Entwicklungen Die Mitgliederzahl stieg von 18 164 im Jahr 1906 auf 30 072 im Jahr 1909 und 44 603 im Jahr 1912 wobei die Mehrheit der Mitglieder aus Wien und Niederosterreich stammte Politisch arbeitete man sehr eng mit der Christlichsozialen Partei zusammen Man forderte Kollektivvertrage vertrat allerdings im Gegensatz zu den sozialistischen Gewerkschaften einen gemassigteren Kurs insofern man Rucksicht auf die Nationalokonomie als auch auf die wirtschaftliche Situation der jeweiligen Branche nahm Ein fur September 1914 angekundigter Kongress der christlichen Gewerkschaften konnte aufgrund des Kriegsausbruch nicht mehr abgehalten werden Der Krieg traf die Arbeiterschaft hart Bedingt durch das Kriegsleistungsgesetz von 1912 wurden viele Betriebe staatlich geschutzt ihre Mitarbeiter unterstanden als Kriegsleister plotzlich militarischer Leitung und dem Militarstrafrecht Der Lohndruck stieg und gleichzeitig wurde die Versorgungslage schlechter Erst die Einrichtung von Beschwerdestellen in Wien und Niederosterreich 1915 in den anderen Landern 1917 brachte Abhilfe die Gewerkschaften wurden in dieser Kommission als Arbeitnehmervertreter anerkannt Alle Gewerkschaften verzeichneten wahrend des Krieges starke Ruckgange in den Mitgliederzahlen im Gegensatz zu den sozialistischen Gewerkschaften hatten die christlichen Gewerkschaften aber auch zu wenig personelle Ressourcen um die verwaltungsorganisatorisch notwendigen Stellen zu besetzen 1918 gab es nur noch 20 556 Mitglieder wahrend die sozialistischen Gewerkschaften mit ungefahr 413 000 fast den 20 fachen Mitgliederstand hielt Rahmenbedingungen in der Ersten Republik Bearbeiten In den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach dem Krieg kam es zu einer Hyperinflation und somit zu einer Finanzkrise in der jungen Republik die erst durch eine Volkerbundanleihe und die Einfuhrung des Schillings als Wahrung beendet werden konnten Grundlage fur die Anleihe waren die Genfer Protokolle in denen sich Osterreich zu sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Massnahmen verpflichtete wie der Streichung von Ausgaben fur soziale Zwecke und die Reduktion des Budgetdefizits Dadurch sank zwar der Handlungsspielraum der Gewerkschaften allerdings halfen die Massnahmen der Regierung von Ignaz Seipel auch die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und die Hyperinflation zu beenden Organisatorisch war die Gewerkschaft stark mit dem personellen Wiederaufbau ihrer Strukturen beschaftigt inhaltlich dominierte eine starke Antikriegshaltung und eine Starkung des inneren Zusammenhalts gegen die sozialistischer Gewerkschaften die angesichts revolutionarer Vorgange in Deutschland eine Chance auf eine soziale Revolution in Osterreich sahen und im Kampf dafur in manchen Betrieben handgreiflich gegenuber christlich organisierten Gewerkschaftern wurden sogenannter Roter Terror Bei steigenden Mitgliederzahlen wurde besonderer Wert auf die Bildungsarbeit gelegt Dazu wurde ein Bildungshaus gegrundet und zahlreiche Schriften zu sozialen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Themen wurden herausgegeben 1925 betrugen die Ausgaben fur Bildung ein Sechstel der Gesamtausgaben der Gewerkschaft nbsp Haus der christlichen Gewerkschaften in Wien Josefstadt1926 wurde das Haus in der Wiener Laudongasse 16 gekauft um alle gewerkschaftlichen Organisationen darin unterzubringen heute Sitz des OAAB und der FCG 1927 wurde mit dem Freiheitsbund auch ein eigener Wehrverband gegrundet 1 Im Jahr 1928 wurde erstmals ein Mitgliederstand von mehr als 100 000 verzeichnet Auf dem letzten christlichen Gewerkschaftskongress 1929 wurden die Weichen in Richtung Zentralisierung gestellt Nach einigen wirtschaftlich verhaltnismassig stabilen Jahren lautete der New Yorker Borsenkrach von 1929 die Weltwirtschaftskrise ein Zeitgleich geriet in Osterreich die Boden Credit Anstalt in schwerste wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde von der Credit Anstalt fur Handel und Gewerbe ubernommen die 1931 selbst zahlungsunfahig wurde Die wirtschaftliche Lage am Tiefpunkt der Krise zeigt sich im Bruttoinlandsprodukt das 1933 real nur 81 5 des Niveaus des Jahres 1913 betrug Der wirtschaftliche Produktionsruckgang hatte steigenden Lohndruck Abbau von Sozialleistungen Anstieg der Arbeitslosenzahlen und damit eine zunehmende Verelendung der Arbeiterschaft zur Folge Auch die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften sanken in diesen Jahren der Fokus der Gewerkschaften lag nun auf dem Erhalt der bestehenden sozialen Errungenschaften In dieser wirtschaftlich gespannten Phase grundeten auch die Heimwehren eigene Gewerkschaftsorganisationen die Unabhangigen Gewerkschaften die anfanglich grosse Erfolge fur sich verbuchen konnten Die christlichen Gewerkschaften distanzierten sich von den nach dem Korneuburger Eid eindeutig anti demokratischen Heimwehrorganisationen Ende im Standestaat Bearbeiten Im Marz 1933 nutzte Bundeskanzler Dollfuss eine momentane Beschlussunfahigkeit des Nationalrates zur Ausschaltung des Parlaments Wahrend der Februarkampfe wurden am 13 Februar 1934 die sozialistischen Gewerkschaften verboten Kurze Zeit konnte sich die christliche Gewerkschaft uber einen Mitgliederstand von uber 200 000 freuen sie wurde aber selbst mit der Errichtung der standestaatlichen Einheitsgewerkschaft am 1 Mai 1934 abgeschafft Durch Umwandlung ihrer Organisationen in kulturelle Vereinigungen entging sie zwar der Auflosung musste aber auf gewerkschaftliche Agitation verzichten Viele Personlichkeiten aus den christlichen Gewerkschaften traten zur Einheitsgewerkschaft uber zum Beispiel wurde Johann Staud als ehemaliger Generalsekretar der christlichen Gewerkschaften Prasident der Einheitsgewerkschaft Literatur BearbeitenLudwig Reichhold Geschichte der christlichen Gewerkschaften Osterreichs Verlag des Osterreichischen Gewerkschaftsbundes Wien 1987 ISBN 3 7035 0325 4 Paul Bernhard Wodrazka Die Christliche Arbeiterbewegung von ihren Anfangen bis zur Gegenwart Hrsg Peter Autengruber Martin Bolkovac Politik und Zeitgeschehen Band 15 2007 Skriptum zu Bildungsveranstaltungen des OGB Einzelnachweise Bearbeiten Peter Autengruber Geschichte der osterreichischen Gewerkschaftsbewegung bis 1945 Hrsg OGB Gewerkschaftskunde Band 2 Verlag des OBG GmbH Wien 2017 S 92 f Skriptum zu Bildungsveranstaltungen des OGB Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Christliche Gewerkschaft Osterreich amp oldid 213715709