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Die Christianslegende ist eine mittelalterliche Quelle zur Geschichte Bohmens Sie schildert die Christianisierung des Landes sowie das Leben und den Tod der Heiligen Ludmilla und Wenzel Die Legende wurde lange fur eine spatmittelalterliche Falschung gehalten Die Forschung ist sich jedoch mittlerweile weitgehend einig dass sie am Ende des 10 Jahrhunderts entstand Erste Seite eines Auszugs der Christianslegende Mitte 12 Jahrhundert Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Quellen und Sprache 3 Verfasser 4 Uberlieferung und Forschung 5 Ausgaben 6 LiteraturInhalt BearbeitenDas Werk wird nach seinem Anfangssatz auch Vita et passio sancti Wenceslai et sancte Ludmile ave eius Leben und Tod des heiligen Wenzel und seiner Grossmutter der heiligen Ludmilla genannt ist also in erster Linie eine Heiligenlegende Im Prolog tut der Verfasser seine Absicht kund die Geschichte vom Leben und Martyrertod der beiden ersten Heiligen des Landes zu schildern In den folgenden zehn Kapiteln nimmt das Werk jedoch eher den Charakter einer Chronik an Das erste Kapitel beschaftigt sich mit der Mission der Slawenapostel Kyrill und Methodius in Mahren das zweite erzahlt die Abstammungssage der Premysliden die Berufung des Pflugers Premysl auf den Furstenthron und schildert die Taufe des Fursten Borivoj in Mahren und den nachfolgenden Aufstand in Bohmen gegen die neue Religion Erst im dritten und vierten Kapitel kommt der Verfasser auf Ludmilla und ihren Tod in Tetin zu sprechen Das funfte bis siebte Kapitel ist dem Leben ihres Enkels Wenzel und dem Brudermord in Stara Boleslav gewidmet das achte bis zehnte dann den Wundern die sich nach seinem Tod ereigneten Die Abstammungssage der Premysliden taucht bei Christian erstmals in der schriftlichen Uberlieferung auf Doch auch fur wesentliche Fakten der fruhen bohmischen Geschichte beispielsweise die Furstentaufe in Mahren oder die Unruhen und Machtkampfe die den Aufstieg der Premysliden Dynastie zu Beginn des 10 Jahrhunderts begleiteten ist die Christianslegende die erste manchmal sogar die einzige Quelle Die Frage nach ihrer Echtheit ist daher fur die historische Forschung von entscheidender Bedeutung Quellen und Sprache BearbeitenIm Prolog gibt der Autor an einige altere sich widersprechende Quellen mit Schilderungen von Augenzeugen abgleichen zu wollen Tatsachlich sind Spuren alterer Legenden in dem Werk wiederzufinden Der Tod Ludmillas ist nach ihrer altesten erhaltenen Legende Fuit in provincia Boemorum geschildert die Passagen uber Wenzel folgen der altesten lateinischen Wenzelslegende Crescente Fide entstanden um 975 und der Wenzelslegende des Gumpold von Mantua um 983 Moglicherweise lagen auch altkirchenslawische Quellen dem Verfasser vor Fur grosse Teile des Werkes sind jedoch keine schriftlichen Vorlagen bekannt Die mundliche Familienuberlieferung die Christian als mutmasslichem Angehorigen des regierenden Furstenhauses offenbar zur Verfugung stand ist von ausserordentlichem Quellenwert Sprachlich ist das Werk vor allem durch die Bibel beeinflusst Die Sprache ist eng an die Sprache der Vulgata angelehnt dagegen scheint der Verfasser die Schriften der romischen Klassiker nicht gekannt zu haben Sein Stil zeichnet sich durch eine Vorliebe fur das rhetorische Mittel des Hyperbaton ungewohnliche Satzstellung und durch eine seltene feierliche Wortwahl aus Der Stil ist so charakteristisch dass er immer wieder als Argument im Streit um die Echtheit angefuhrt wurde Verfasser BearbeitenIm Prolog bezeichnet sich der Verfasser als Monch namens Christian frater solo nomine Christianus und er widmet das Werk Bischof Adalbert von Prag den er als seinen Neffen bezeichnet Ein Monch namens Christian wird auch in zwei Adalbertslegenden erwahnt namlich in der Legende des Canaparius um 1000 und bei Bruno von Querfurt 1004 Dieser Monch soll ein Sohn Herzog Boleslavs I gewesen sein und 992 eine diplomatische Mission nach Rom angefuhrt haben Cosmas von Prag nennt schliesslich den Sohn des Premyslidenherzogs Strachkvas und gibt an er sei am Todestag des Heiligen Wenzel geboren und spater in einem Regensburger Kloster ausgebildet worden Die Gleichsetzung der drei Personen Christian als Legendenautor Christian als Bruder Boleslavs II und Strachkvas gilt trotz einiger Unsicherheiten als weitgehend unstrittig Uberlieferung und Forschung BearbeitenDie Christianslegende ist in 14 Handschriften und Fragmenten erhalten Die altesten Auszuge stammen aus dem 12 Jahrhundert die alteste komplette Fassung findet sich in einem Manuskript das in den Jahren 1329 1342 angefertigt wurde Das erste Kapitel veroffentlichten die Bollandisten in den Acta Sanctorum im Jahr 1668 Sie hielten die Erzahlung von der grossmahrischen Mission fur eine selbstandige Legende und erkannten nicht dass es nur ein Fragment eines grosseren Werkes war Bohuslav Balbin fand 1645 in einem Archiv der Stadt Trebon ein komplettes Manuskript das er 1677 im Rahmen seiner Geschichte Bohmens abdruckte Er sprach der Legende einen hohen Wert zu und datierte sie noch in die Zeit in die sie sich selbst meldet namlich das spate 10 Jahrhundert Zweifel ausserten erst die Gelehrten der Aufklarungszeit die den Heiligenlegenden als historischen Quellen skeptisch gegenuberstanden Der Streit um die Echtheit Christians begann mit Gelasius Dobner Seine Argumente sind in einer Schrift aus dem Jahr 1772 erhalten und zielen hauptsachlich auf die behaupteten Verwandtschaftsverhaltnisse ab Ein Sohn Boleslavs I habe schlecht eine Legende uber Wenzel schreiben konnen in der sein eigener Vater als Brudermorder auftreten musste Die Legende bezeichnete Dobner als Falschung des 12 Jahrhunderts und schrieb sie einem Kanzler des Konigs Ottokar I Premysl zu Der Augustiner Barfusser Pater Athanasius a s Iosepho Elias Sandrich gab noch 1769 eine neue kommentierte Ausgabe heraus die auch eine Polemik mit Dobner enthielt und die Echtheit verteidigte Beiden Gelehrten war die zweite Edition der Bollandisten nicht bekannt die 1760 erschien Constantin Suysken lagen alle wichtigeren Wenzelslegenden vor aus denen er ausgerechnet das Werk Christians als das wichtigste und zuverlassigste auswahlte Doch seit Josef Dobrovskys Schrift Boriwoy s Taufe von 1803 war die Christianslegende vollends diskreditiert Dobrovsky misstraute dem Bericht uber den mahrischen Einfluss in Bohmen Er glaubte ausserdem in der Legende den Einfluss Dalimils und Cosmas nachweisen zu konnen womit das Werk als wertlose Kompilation des 14 Jahrhunderts abgestempelt war Die Zweifel am Einfluss des slawischen Christentums in Bohmen beseitigte erst die sogenannte 1 altkirchenslawische Wenzelslegende die der russische Gelehrte Aleksandr Vostokov 1827 entdeckte und Wilhelm Wattenbach fand 1849 ein Fragment der Christianslegende der zweifelsfrei aus dem 12 Jahrhundert stammt Die Rehabilitierung begann aber erst Josef Pekar mit seinem Werk Die Wenzels und Ludmilla Legenden und die Echtheit Christians von 1903 Als Gegner Pekars trat in den 1920er Jahren Vaclav Novotny auf Er sah in dem Werk eine Auftragsarbeit die um 1143 am St Georgskloster in Prag entstanden sei um den Kult der Heiligen Ludmilla zu fordern Auch in der Folgezeit hat sich die uberwiegende Mehrheit der tschechischen Mediavisten mit der Frage nach dem Quellenwert der Christianslegende beschaftigt Von besonderer Bedeutung waren dabei die Filiation also die Beziehungen der Wenzelslegenden untereinander und vermeintliche Anachronismen die der Legende angelastet wurden Die Auseinandersetzung endete vorlaufig in den 1970er Jahren als mit Zdenek Fiala der letzte Widersacher Christians widerlegt wurde Seitdem ist die Echtheit der Christianslegende allgemein anerkannt Ihr genaues Entstehungsdatum ist weiterhin ungeklart Ihre momentane Datierung in die Jahre 992 993 bleibt eine weitgehend anerkannte jedoch unbewiesene Hypothese Ausgaben BearbeitenActa Sanctorum Martii II 24 25 zum 9 Marz 1 Kapitel 1668 Bohuslav Balbin Epitome historica rerum bohemicarum I 10 Prag 1677 S 66 90 Constantin Suysken in den Acta Sanctorum September Band VII erschienen 1760 ab S 770 Digitalisat Athanasius a s Iosepho Vita S Ludmillae et S Wenceslai auctore Christiano monacho 1769 Josef Emler ed Fontes rerum Bohemicarum I Vitae Sanctorum et aliorum quorundam pietate insignium Prag 1873 verfugbar online kyrillisch und tschechisch Abgerufen am 2 Januar 2017 Josef Pekar Nejstarsi kronika ceska Prag 1903 Jaroslav Ludvikovsky Legenda Christiani Vita et passio sancti wenceslai et sancte ludmile ave eius Kritische Ausgabe und tschechische Ubersetzung Vysehrad Prag 1978 E Text der lateinischen Ausgabe Memento vom 27 September 2007 im Internet Archive Literatur BearbeitenVerwendete Literatur Jiri Hosna Druhy zivot svateho Vaclava ISV Prag 1997 ISBN 80 85866 27 7 David Kalhous Kristianova legenda a pocatky ceskeho politickeho smysleni Dissertation Brno 2005 pdf Herman Kolln Die Wenzelslegende des Monchs Christian Historisk filosofiske Meddelelser 73 Munksgaard Copenhagen 1996 ISBN 87 7304 273 0 Petr Kubin Znovu o Kristiana In Od knizat ke kralum Sbornik u prilezitosti 60 narozenin Josefa Zemlicky Lidove Noviny Prag 2007 S 63 71 ISBN 978 80 7106 896 9 Jaroslav Ludvikovsky Nachwort und Anmerkungen zur Textausgabe von 1978 Dusan Trestik Pocatky Premyslovcu Lidove noviny 1998 ISBN 80 7106 138 7Weiterfuhrende Literatur chronologisch Gelasius Dobner Wenceslai Hagek a Liboczan Annales Boemorum IV Prag 1772 Josef Dobrovsky Kritische Versuche die altere bohmische Geschichte von spatern Erdichtungen zu reinigen Boriwoy s Taufe Zugleich eine Probe wie man alte Legenden fur die Geschichte benutzen soll Band 1 Haase u Widtmann 1803 Josef Pekar Die Wenzels und Ludmilla Legenden und die Echtheit Christians Prag 1906 Vaclav Novotny Cesky knize Vaclav Svaty Zivot pamatka ucta Prag 1929 Vaclav Chaloupecky Prameny 10 stoleti Legendy Kristianovy o sv Vaclavu a sv Ludmile Prag 1939 Zavis Kalandra Ceske pohanstvi Prag 1947 Rudolf Urbanek Legenda t zv Kristiana ve vyvoji predhusitskych legend vaclavskych a ludmilskych I Prag 1947 Zdenek Fiala Hlavni pramen legendy Kristianovy Prag 1974 Oldrich Kralik Kosmova kronika a predchozi tradice Prag 1976 Dusan Trestik Deset tezi o Kristianove legende Folia Historica Bohemica 2 1980 S 7 33 Jan Kalivoda Historiographie oder Legende Christianus monachus und sein Werk im Kontext der mitteleuropaischen Literatur des 10 Jahrhunderts In Beitrage zur Altertumskunde Band 141 Munchen Leipzig K G Saur Verlag 2001 S 136 154 E Text Memento vom 27 September 2007 im Internet Archive David Kalhous Legenda Christiani and Modern Historiography Leiden Boston Brill 2015 Google Books Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Christianslegende amp oldid 239410320