www.wikidata.de-de.nina.az
Der Bernsteinelch von Weitsche ist eine im Spatpalaolithikum hergestellte Figur eines Elches aus Bernstein dessen einzelne Teile zwischen 1994 und 2004 nahe dem Luchower Ortsteil Weitsche in Niedersachsen gefunden wurden Die fast 14 000 Jahre alte Figur wird im Niedersachsischen Landesmuseum in Hannover ausgestellt Sie gilt als fruheste Darstellung eines Elches und als erste Tierdarstellung in der nordeuropaischen Tiefebene Bernsteinelch von Weitsche Inhaltsverzeichnis 1 Fundstelle 2 Beschreibung 3 Entdeckung und Ausgrabungen 4 Bedeutung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseFundstelle BearbeitenDie Fundstelle liegt im hannoverschen Wendland im Landkreis Luchow Dannenberg in der Talaue der Jeetzel zwischen Dannenberg und Luchow Im engeren Sinne ist dies ein Bereich zwischen Grabow und Weitsche an der Alten Jeetzel einem maandrierenden und parallel fliessenden Nebenarm Dort finden sich in einem 20 ha grossen Gelande Uberreste von mehr als 100 steinzeitlichen Lagerplatzen Die 30 einzelnen Teile des Bernsteinelchs wurden auf dem Lagerplatz Weitsche 1 gemeinsam mit etwa 20 weiteren Fragmenten von bearbeitetem Bernstein gefunden was laut dem Urgeschichtler Stephan Veil auf eine steinzeitliche Bernsteinwerkstatt schliessen lasst 1 Daruber hinaus fanden sich Tausende von Artefakten aus Feuerstein in dem Areal Die Fundstelle liegt im grundwassernahen Flussbereich und war bis zur Regulierung der Jeetzel in den 1950er Jahren regelmassig im Fruhjahr uberschwemmt Erst danach gab es eine landwirtschaftliche Nutzung der Flachen Die Fundstucke wurden alle in der obersten Bodenschicht einem etwa 25 cm machtigen Pflughorizont geborgen 2 Um die Landschaftssituation am Ende der letzten Eiszeit zu rekonstruieren kam es an der Fundstelle von 2007 bis 2012 zu geowissenschaftlichen Untersuchungen des Instituts fur Geosysteme und Bioindikation der TU Braunschweig 3 Sie erfolgten als interdisziplinares Projekt mit anderen Forschungseinrichtungen wie dem Institut fur Geobotanik der Universitat Hannover dem Helmholtz Zentrum Potsdam und dem Niedersachsischen Institut fur historische Kustenforschung 4 Beschreibung Bearbeiten nbsp Der im Jahr 2004 gefundene ElchkopfDie Elchfigur ist etwa handtellergross und hat eine Lange von ca zehn cm Sie zeigt ein Tier mit tief zum Boden gesenktem Kopf der rund vier cm lang ist Die Bernsteinoberflache war ursprunglich honiggelb und poliert Im Laufe der Jahrtausende wurde sie rotbraun patiniert und matt Trotzdem ist das Fundmaterial ausserordentlich gut erhalten was auf die feuchte Lagerung unter luftdichten Lehmschichten und Lichtabschluss zuruckzufuhren ist Die einzelnen Korperpartien wie Beine Rumpf Kopf und der Hals mit Wamme erscheinen realistisch proportioniert Ein Schwanz ist nicht vorhanden Wahrend Rumpf und Beine schematisch wirken ist der Kopf sorgfaltiger gearbeitet An ihm sind die Augen Gehorgange und Nustern naturnah und plastisch wiedergegeben Der Mauleinschnitt ist auf jeder Korperseite mit acht eingebohrten Lochern markiert Der Nacken ist mit einem eingravierten Rautenband verziert das die Mahne darstellen soll Wegen des fehlenden Geweihansatzes wird das Tier als Elchkuh angesehen Typologisch wird die Figur im Vergleich mit anderen datierten Funden dem Spatpalaolithikum 12 500 9700 v Chr zugeordnet Eine technische Datierung erfolgte mittels Radiokarbonmethode wobei nicht das Material der Figur sondern Knochenkohle aus dem unmittelbaren Fundkontext untersucht wurde Dies ergab eine Zeitstellung von etwa 11 700 v Chr Die fruhere Funktion der Elchfigur ist nicht bekannt Prahistoriker vermuten dass es sich um den Aufsatz eines Stabes gehandelt haben konnte Derartige Darstellungen finden sich auf nacheiszeitlichen Felsbildern in Skandinavien Ahnlichkeiten des Bernsteinelchs von Weitsche bestehen mit der aus Geweih gefertigten Elchskulptur die 1914 bei Bonn im etwa 14 000 Jahre alten Doppelgrab von Oberkassel entdeckt wurde Eine ahnliche Bernsteinskulptur eines Elches wurde 2015 am Strand von Naesby an der Westkuste der Insel Seeland in Danemark gefunden Entdeckung und Ausgrabungen BearbeitenMitte der 1980er Jahre unternahm der Berliner Hobbyarchaologe Klaus Breest in der Talaue der Jeetzel bei Weitsche Feldbegehungen Dabei stiess er auf Spuren steinzeitlicher Lagerplatze die durch das Pflugen an die Oberflache gelangt waren Seine Funde waren ab 1991 Anlass einer systematischen Prospektion nach Feuersteinwerkzeugen und abfallen Sie erfolgte durch die Urgeschichtliche Abteilung des Niedersachsischen Landesmuseums unter dem Prahistoriker Stephan Veil Es konnten etwa 100 Lagerplatze von Federmesser Gruppen gefunden werden die hier am Ubergang von der letzten Eiszeit zur Nacheiszeit vor etwa 13 000 bis 14 000 Jahren als fruhe Waldjager lebten Bei einer Feldbegehung im Mai 1994 wurde ein bearbeitetes Stuck Bernstein gefunden Eine Ausgrabung im August 1994 fuhrte zum Auffinden mehrerer Artefakte aus Bernstein die zusammengesetzt den Rumpf eines Tieres ergaben bei dem die Forscher zunachst von einem Wildpferd ausgingen Bei Folgegrabungen in den Jahren 1995 und 1996 wurden weitere Teile darunter die Hinterbeine und der Hals geborgen 5 Der Kopf wurde seinerzeit nicht gefunden sodass es zur weiteren Suche Sponsoren fur die Grabungskosten in Hohe von 50 000 DM bedurfte 6 Bei einer erneuten Grabungskampagne im Jahr 2004 konnte der fehlende Kopf der Figur gefunden werden Wegen der kleinen Fundstucke erforderten die archaologischen Massnahmen ein Schlammen und Sieben der fundfuhrenden Erdschicht was maschinell erfolgte Bis zum Fund des Kopfes wurden auf diese Weise etwa 700 m Erdreich untersucht 7 Bedeutung BearbeitenDer Bernsteinelch von Weitsche mit einem Alter von fast 14 000 Jahren ist das alteste Kunstwerk Niedersachsens und die fruheste Tierdarstellung aus Bernstein unter einem Dutzend bekannter Tierfiguren aus diesem Material Die Figur entstand am Ende der Eiszeit als sich durch die Klimaerwarmung Walder gebildet hatten in denen die ersten Waldjager Elche jagten Die Waldjagerkultur loste die Kultur der Steppenjager des vorangegangenen Magdaleniens ab in deren Bilderwelt Rentiere und Mammute vorkamen Prahistoriker sehen im Bernsteinelch von Weitsche einen Schlusselfund zum Verstandnis der spateiszeitlichen Kunstentwicklung Die kulturgeschichtliche Bedeutung der Elchfigur beruhe darauf dass von den Menschen dieser Zeitstellung Federmesser Gruppen nur wenige kunstlerische Ausserungen bekannt sind Meist handelt es sich um abstrakt geometrische Muster auf Fels Darstellungen von Mensch und Tier sind sehr selten Die vorangegangenen Steppenjagerkulturen waren dagegen kunstfreudiger und malten Hohlen wie Altamira in Spanien oder Ignatievka im Ural mit Bildern aus Daraus schloss die wissenschaftliche Forschung bisher auf eine kunstlerische Verarmung der Waldjagerkulturen wobei das qualitatsvoll gearbeitete Bernsteintier diese Einschatzung in einem anderen Licht erscheinen lasst Literatur BearbeitenStephan Veil Weitsche FStNr 16 Gde Stadt Luchow Ldkr Luchow Dannenberg Reg Bez Luneburg in Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 66 1997 Fundchronik Niedersachsen 1996 S 359f Stephan Veil J Altenbernd Klaus Breest Weitsche FStNr 16 Gem Stadt Luchow Ldkr Luchow Dannenberg Reg Bez Luneburg in Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte Beiheft 1 1998 Fundchronik Niedersachsen 1997 S 15 17 Online Stephan Veil Archaologie als Fortsetzungsroman Die Entdeckung des Bernsteintieres von Weitsche 1994 1996 in Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 1 1997 Stephan Veil Klaus Breest Der archaologische Befund der Kunstgegenstande aus Bernstein auf dem Federmesser Fundplatz Weitsche Die Grabungen 1994 1998 In Die Kunde NF 51 2000 S 179f Stephan Veil Klaus Breest Kunst im Wandel zwischen Eiszeit und Warmzeit Bernsteingegenstande fruher Waldjager aus Weitsche Ldkr Luchow Dannenberg In Mamoun Fansa Frank Both Henning Hassmann Herausgeber Archaologie Land Niedersachsen 400 000 Jahre Geschichte Landesmuseum fur Natur und Mensch Oldenburg 2004 Seite 352 354 Stephan Veil Klaus Breest Bernsteinobjekte aus Weitsche Die Kunst der ausgehenden Eiszeit in Michael Baales Thomas Terberger Herausgeber Welt im Wandel Leben am Ende der letzten Eiszeit Sonderheft 10 2016 der Zeitschrift Archaologie in Deutschland S 67 77 8 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Bernsteinelch von Weitsche Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Bernsteinelch von Weitsche auf Kulturerbe Niedersachsen Ratsel um den Bernsteinelch von Weitsche im Elchkinderbuch Blog Kurzbeschreibung der Ausgrabung 1997 durch einen HobbyarchaologenEinzelnachweise Bearbeiten Simon Benne Der alteste Elch der Welt Memento vom 31 Oktober 2016 im Internet Archive in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 22 September 2012 Stephan Veil Antje Schwalb Falko Turner Johann Friedrich Tolksdorf Exkursionspunkt Grabow Weitsche Eine spatpalaolithische Fundlandschaft mit Bernsteinverarbeitung in Programm zur 56 Tagung der Gesellschaft in Braunschweig und Schoningen vom 22 26 April 2014 der Hugo Obermaier Gesellschaft S 69 74 PDF Interdisziplinare geowissenschaftliche und archaologische Untersuchungen zu den Bernsteinfunden vom Federmesser Fundplatz Weitsche Ldkr Luchow Dannenberg Memento vom 31 Oktober 2016 im Internet Archive Palaookologische Untersuchungen zur spatglazialen und holozanen Entwicklung der Auenlandschaft im Flusssystem von Jeetzel und mittlerer Elbe Memento vom 4 November 2016 im Internet Archive Stephan Veil Die Entdeckung des Bernsteintiers von Weitsche 1994 1996 Memento vom 9 Juni 2010 im Internet Archive beim Niedersachsischen Landesverein fur Urgeschichte Ekkehard Bohm Nicht langer kopflos Das alteste Ross des Landes soll vollstandig gerettet werden Memento vom 10 Juni 2010 im Internet Archive in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 23 Februar 2000 Stephan Veil Langjahrige Suche nach 14 000 Jahre altem Bernsteinkopf erfolgreich Memento vom 10 Juni 2010 im Internet Archive beim Niedersachsischen Landesverein fur Urgeschichte Titelblatt des Sonderheftes Archaologie in Deutschland 10 2016 auf aid magazin de53 01231 11 12797 Koordinaten 53 0 44 3 N 11 7 40 7 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bernsteinelch von Weitsche amp oldid 231981820