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Aufwertungsrechtsprechung bezeichnet eine Reihe von Entscheidungen die wahrend der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg vom deutschen Reichsgericht gefallt wurden Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Reichsgericht 3 Konflikt mit dem Gesetzgeber 4 Nachwirkung 5 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenAls Folge des verlorenen Krieges insbesondere in den Jahren 1922 und 1923 kam es im Deutschen Reich zu einer Hyperinflation die zu einer erheblichen Verringerung der Kaufkraft der Mark fuhrte Deutsche Inflation 1914 bis 1923 Dies machte eine Anpassung von Schulden die aus der Zeit vor der Inflation stammten notwendig da ansonsten Schuldner ihre alten Verbindlichkeiten mit nahezu wertlosem Geld hatten zuruckzahlen konnen und so die Glaubiger dieser Schulden um den ursprunglichen Wert ihrer Forderungen geprellt worden waren Eine gesetzliche Reaktion hierauf war nicht zu erwarten da der Staat das Deutsche Reich selbst als Schuldner der Kriegsanleihen von der Situation profitierte 1 Reichsgericht BearbeitenDas Reichsgericht damals oberstes Gericht in Deutschland reagierte am 28 November 1923 in einem Fall in dem ein Glaubiger als Klager von seinem Schuldner als Beklagtem forderte eine Hypothek fur ein Grundstuck im ehemaligen Sudwestafrika mit Goldmark anstatt mit Papiermark zu begleichen mit einer Entscheidung in der es heisst An eine wesentliche Entwertung des Papiergeldes noch dazu an eine derart hohe wie sie nach dem unglucklichen Ausgange des Weltkriegs und nach dem Umsturz immer mehr Wirklichkeit geworden ist hat also der Gesetzgeber beim Erlass der Vorschrift nicht gedacht 2 Hieraus leitete das Reichsgericht die Befugnis ab den zahlenmassigen Betrag einer Schuld selbst ohne entsprechende Klausel im Vertrag dem veranderten Geldwert anzupassen d h aufzuwerten Dies war historisch bemerkenswert da die damalige positivistische Auffassung im Recht davon ausging dass Rechtsfortbildung Sache des Gesetzgebers nicht aber der Gerichte sei 3 Die Rechtsprechung entwickelte sich zum mittlerweile im BGB 313 kodifizierten Institut des Wegfalls der Geschaftsgrundlage fort 4 allerdings wahlte das Reichsgericht in Ermangelung anderer Moglichkeiten 242 Treu und Glauben zum Anknupfungspunkt fur diese Rechtsprechung 5 Konflikt mit dem Gesetzgeber BearbeitenDa diese Rechtsprechung den Interessen des Staates zuwiderlief kam es zu Geruchten uber eine bevorstehende gesetzliche Regelung Diesen trat der Vorstand des Richtervereins entgegen indem er am 8 Januar 1924 erklarte dass sollte der Gesetzgeber die Entscheidung des Reichsgerichts umstossen dieses dem Gesetzgeber die Gefolgschaft verweigern und das Gesetz nicht anwenden werde 6 nach damaligem positivistischem Verstandnis ein unerhorter Vorgang Zwar distanzierte sich der Prasident des Reichsgerichts wie auch andere Richter von dieser Erklarung 7 Als aber der Gesetzgeber die Aufwertungsfrage zunachst durch Verordnung spater durch Gesetz regeln wollte nahm das Reichsgericht in zwei Urteilen 8 eine Uberprufung der Rechtmassigkeit und damit Gultigkeit der Rechtsnormen vor 9 Begrundet wurde dies wie folgt Da die Reichsverfassung selbst keine Vorschrift enthalt nach der die Entscheidung uber die Verfassungsmassigkeit der Reichsgesetze den Gerichten entzogen und einer bestimmten anderen Stelle ubertragen ware muss das Recht und die Pflicht des Richters die Verfassungsmassigkeit von Reichsgesetzen zu uberprufen anerkannt werden Nachwirkung BearbeitenDas deutsche Recht kannte damals anders als etwa das US amerikanische vgl die bahnbrechende Entscheidung Marbury v Madison keine Befugnis von Gerichten ein Gesetz auf Verfassungsmassigkeit zu uberprufen und gegebenenfalls zu verwerfen Das Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland weist diese Befugnis dem Bundesverfassungsgericht zu Die Aufwertungsrechtsprechung kann damit neben ihrer zivilrechtlichen Bedeutung auch als Vorlaufer der modernen deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit gesehen werden Einzelnachweise Bearbeiten Dieter Grimm NJW 1997 S 2724 RGZ 107 78 Hillgruber in Maunz Durig Kommentar zum Grundgesetz 57 Auflage 2010 Art 97 Rdnr 65 Dieter Medicus Burgerliches Recht 20 Auflage 2004 Rdnr 152 Kritisch hierzu etwa Bernd Ruthers Die unbegrenzte Auslegung 6 Aufl 2005 S 69 ff 86 ff Deutsche Richterzeitung 1924 Spalte 7f Simons Deutsche Richterzeitung 1924 Spalte 424 deutlicher etwa Matthiesen Deutsche Richterzeitung 1924 Spalte 41f RGZ 107 370 fur die Verordnung RGZ 111 320 fur das Gesetz Dieter Grimm NJW 1997 S 2725 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aufwertungsrechtsprechung amp oldid 210385171