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Zur Aufnahme von RAF Aussteigern in der DDR kam es 1980 und 1982 Zehn Personen aus der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion RAF und deren Umfeld wurden mit Unterstutzung des Ministeriums fur Staatssicherheit MfS in der DDR ansassig und erhielten dort falsche Identitaten Kurz nach dem Ende der SED Diktatur in der DDR wurden sie enttarnt an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert vor Gericht gestellt und grosstenteils zu Freiheitsstrafen verurteilt Inhaltsverzeichnis 1 Ablauf 2 Film 3 Literatur 4 Horfunkbeitrage 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseAblauf BearbeitenIm Fruhjahr 1978 kam es auf dem Flughafen Berlin Schonefeld zur ersten Begegnung der Terroristin Inge Viett damals noch Mitglied der Bewegung 2 Juni mit Harry Dahl dem Chef der Terrorabwehr der DDR Staatssicherheit 1 Nachdem Viett zunachst mit gefalschten Papieren aufgefallen war durfte sie nach einem zweistundigen Gesprach mit Dahl nach West Berlin ausreisen Am 27 Mai 1978 befreite ein Kommando der Bewegung 2 Juni zu dem auch Viett gehorte Till Meyer aus dem Gefangnis Berlin Moabit 2 3 Die Terroristen wollten uber Ost Berlin und nach Bulgarien fluchten 4 An der Grenzubergangsstelle Friedrichstrasse fiel die Gruppe wegen gefalschter Passe auf ausserdem wurden bei Leibesvisitationen Waffen gefunden Viett berief sich auf ihr Treffen mit dem Mitarbeiter der Staatssicherheit was tatsachlich zur Aushandigung der Waffen und unbeeintrachtigten Einreise in die DDR fuhrte Die Gruppe reiste weiter nach Bulgarien Dort entgingen Viett Ingrid Siepmann und Regina Nicolai nur knapp dem Zugriff des Bundeskriminalamts und flohen weiter in die Tschechoslowakei in der die drei am 27 Juni 1978 vom tschechoslowakischen Geheimdienst verhaftet und nach Prag gebracht wurden 2 5 Viett nannte ihren Klarnamen und forderte eine Kontaktaufnahme mit den DDR Behorden Die Terroristinnen wurden von drei Mitarbeitern der DDR Staatssicherheit aus dem Gefangnis abgeholt und in die DDR gebracht 1 5 Dort hielten sie sich vom 28 Juni bis zum 12 Juli 1978 in einem Objekt der Staatssicherheit auf bevor ihnen dann uber Berlin Schonefeld der Abflug nach Bagdad ermoglicht wurde 4 Im Mai 1980 trafen Viett und Dahl sich erneut 6 diesmal in einem Haus nahe Konigs Wusterhausen Zunachst bat Viett um Mithilfe der DDR bei der Suche nach einem sozialistischen Land das acht zum Ausstieg entschlossene RAF Mitglieder aufnehmen wurde Nach weiteren Gesprachen machte das MfS das Angebot die Aussteiger in der DDR aufzunehmen 6 Diese reisten daraufhin zunachst uber verschlungene Umwege nach Prag 7 Dort trafen sie auf Inge Viett die sie uber das Untertauchen in der DDR informierte 7 Wahrend Viett in den Westen zuruckkehrte reisten die RAF Aussteiger am 1 September 1980 in die DDR ein 7 Zu dieser Gruppe der Aussteiger gehorten Ralf Friedrich und Sigrid Sternebeck die in Prag geheiratet hatten 7 Susanne Albrecht Monika Helbing und Ekkehard von Seckendorff Gudent Silke Maier Witt Werner Lotze sowie Christine Dumlein 4 Nach allen wurde auf den Fahndungslisten von Interpol weltweit gesucht Zunachst wurden sie im vom MfS als Objekt 74 bezeichneten Forsthaus Briesen 52 18 16 4 N 14 13 29 2 O 52 304546 14 224775 8 9 untergebracht und einige Wochen geschult um sie auf das Leben in der DDR vorzubereiten 10 Die Aussteiger erhielten neue legendierte Identitaten die sie dort auswendig lernten gefalschte Geburts und Heiratsurkunden Schul und Ausbildungszeugnisse und schliesslich Wohnungen und Arbeitsplatze in verschiedenen Stadten der DDR 10 Am 8 Oktober 1980 erhielten die Aussteiger die Staatsburgerschaft der DDR verliehen 7 nbsp In diesem Haus im Cottbuser Neubaugebiet Sachsendorf Madlow wohnte Susanne Albrecht unter dem Namen Ingrid Jager ab 1980 bis sie Anfang 1985 erkannt wurde Wahrend westdeutsche Behorden die Untergetauchten fur seit 1980 begangene Anschlage verantwortlich machten lebten die Aussteiger als Buchdruckerin Arzt Maschinist oder Fotografin in Ost Berlin Frankfurt Oder Senftenberg und Schwedt 5 1982 tauchte Henning Beer und 1983 schliesslich Inge Viett in der DDR unter 7 Der inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit und ehemalige Terrorist Till Meyer verbreitete in Artikeln und Gesprachen die gezielte Desinformation die Terroristen seien in Damaskus oder sonstwo im Nahen Osten untergetaucht 11 Das MfS uberwachte die Aussteiger bis zu deren Enttarnung vollstandig und erfasste die Vorgange im Operativvorgang Stern 2 Die Wohnungen der Aussteiger wurden verwanzt ihre Telefongesprache abgehort und ein bis zweimal im Monat fanden Treffen zwischen Betreuern und Betreuten statt 10 Kontakte untereinander waren den Aussteigern verboten In einem internen Bericht des MfS von 1985 steht von der Zehnergruppe gehe keine Gefahr mehr aus Wortlich heisst es Alle Personen haben sich fest in das berufliche und offentliche Leben eingegliedert 5 Einmal im Jahr fand ein Treffen der ersten acht Aussteiger im Briesener Forsthaus statt Unter Aufsicht des MfS feierte man den Jahrestag der Grundung der DDR Dass sich auch Inge Viett und Henning Beer in der DDR aufhielten erfuhren die Ubrigen erst im Sommer 1990 12 Im Laufe der Jahre wurden unter anderem Silke Maier Witt 13 Susanne Albrecht und Inge Viett von DDR Burgern erkannt oder von westlichen Geheimdiensten identifiziert und mussten ihre Identitaten teilweise sehr schnell wechseln Am 13 Dezember 1989 erhielt der Stasi Generalmajor Heinz Engelhardt die Desinformationsaufgabe die in westlichen Medien aufkommenden Vermutungen uber die Stasiunterstutzung fur die RAF zu zerstreuen 14 Nach dem Ende der SED Diktatur in der DDR wurde das MfS aufgelost die Aussteiger verloren damit auch ihre bisherigen Betreuer Das Bundeskriminalamt reichte nachdem es seit 1986 mehrere Hinweise auf den Aufenthalt Susanne Albrechts in der DDR bekommen hatte im Februar 1990 seine Erkenntnisse uber den Verbleib Albrechts und Silke Maier Witts an das Zentrale Kriminalamt in Ost Berlin weiter Daraufhin wurde bis Mitte Mai 1990 Albrechts derzeitiger Aufenthalt in Moskau ermittelt und sie am 6 Juni festgenommen nachdem sie in die DDR zuruckgekehrt war Inge Viett wurde nachdem im Zuge von Albrechts Verhaftung auch uber sie im Fernsehen berichtet worden war von einer Nachbarin erkannt und am 12 Juni verhaftet Die weiteren RAF Aussteiger wurden enttarnt da ihre erhalten gebliebenen Einburgerungsakten allesamt so aussergewohnlich waren sehr dunn und mit schwer nachprufbarem Hintergrund dass diese Akten anhand dieser Merkmale gefunden die Aussteiger identifiziert und zwischen dem 14 und 17 Juni verhaftet wurden 15 Susanne Albrecht Werner Lotze Monika Helbing Silke Maier Witt Henning Beer Inge Viett Sigrid Sternebeck und Ralf Friedrich wurden fur die von ihnen begangenen Straftaten zu Haftstrafen zwischen sechseinhalb und 13 Jahren verurteilt Die zwei weiteren Personen vorgeworfenen Straftaten waren in der Zwischenzeit verjahrt 5 Im Gegensatz zu den in der Bundesrepublik einsitzenden RAF Mitgliedern zeigten sich die sogenannten DDR Aussteiger in den Verfahren kooperativ sagten umfangreich aus und erhielten teilweise den Status von Kronzeugen 1990 wurde Erich Mielke unter anderem wegen seiner Mitwirkung verhaftet 1991 wurde ein Haftbefehl wegen versuchten Mordes durch Unterstutzung von RAF Terroristen erlassen 1998 wurden alle Verfahren gegen Mielke aus gesundheitlichen Grunden eingestellt 16 1997 wurden drei Offiziere des MfS angeklagt und teilweise wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt Der Bundesgerichtshof hob diese Urteile 1998 auf die Handlungen seien als Ausdruck staatlicher Souveranitat hinzunehmen 5 17 Die Frage inwieweit es uber das Aufnehmen der Aussteiger hinaus zur Unterstutzung der RAF durch das MfS kam und welche Rolle einzelne Personen hierbei spielten ist Gegenstand der Forschung 18 2017 veroffentlichte der Bundesbeauftragte fur die Stasi Unterlagen eine Auswahl von Materialien aus den Stasi Unterlagenarchiv uber die RAF Film BearbeitenIm Jahr 2000 thematisierte Volker Schlondorff die Ereignisse in dem Film Die Stille nach dem Schuss Im Jahr 2017 thematisierte der Film Verrater Tod am Meer ebenfalls die Ereignisse gedreht nach der Romanvorlage Innere Sicherheit von Christa von Bernuth Piper Verlag ISBN 978 3 492 04737 1 19 Literatur BearbeitenTobias Wunschik Das Ministerium fur Staatssicherheit und der Terrorismus in Deutschland In Heiner Timmermann Hrsg Diktaturen in Europa im 20 Jahrhundert der Fall DDR Berlin 1996 S 289 302 Vorschau bei Google Bucher aktualisierte Online Version von 2002 Memento vom 3 Juni 2002 im Internet Archive Butz Peters Todlicher Irrtum Die Geschichte der RAF Argon Berlin 2004 ISBN 3 87024 673 1 Abschnitt 5 RAF und Staatssicherheit S 537 591 Martin Jander Differenzen im antiimperialistischen Kampf Zu den Verbindungen des Ministeriums fur Staatssicherheit mit der RAF und dem bundesdeutschen Linksterrorismus In Wolfgang Kraushaar Hrsg Die RAF und der linke Terrorismus 2 Bande Hamburger Edition Hamburg 2006 ISBN 3 936096 65 1 Band 2 S 696 713 Michael Ploetz Mit RAF Roten Brigaden und Action Directe Terrorismus und Rechtsextremismus in der Strategie von SED und KPdSU In Zeitschrift des Forschungsverbundes SED Staat Band 22 2007 S 117 144 Jochen Staadt Deutsche Geschichte n Eine deutsche Waffenbruderschaft In Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr 231 5 Oktober 2007 S 12 David Vielhaber The Stasi Meinhof Complex In Studies in Conflict amp Terrorism Band 36 2013 Nr 7 S 533 546 doi 10 1080 1057610X 2013 793637 Marian K Leighton Strange Bedfellows The Stasi and the Terrorists In International Journal of Intelligence and CounterIntelligence Band 27 2014 Nr 4 S 647 665 doi 10 1080 08850607 2014 924809 Frank Wilhelm RAF im Osten Terroristen unter dem Schutz der Stasi Nordkurier Neubrandenburg 2016 ISBN 978 3 946599 12 8 Horfunkbeitrage BearbeitenMonika Dittrich RAF Terroristin Susanne Albrecht Faustpfand fur die Stasi Deutschlandfunk Hintergrund vom 6 Juni 2015Weblinks BearbeitenJan Hendrik Schulz Die Beziehungen zwischen der Roten Armee Fraktion RAF und 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Februar 2014 im Internet Archive In Berliner Zeitung 18 Februar 1997 Detlef Kuhn Gemeinsames Feindbild Kontakte zwischen DDR Tschekisten und RAF Terroristen In Frankfurter Allgemeine Zeitung 1 August 2008 Jochen Bolsche Hans Joachim Noack Norbert F Potzl Alexander Smoltczyk Sein Nichtsein der DDR In Der Spiegel Nr 50 1999 online Butz Peters Todlicher Irrtum Die Geschichte der RAF Argus Berlin 2004 S 582 586 Regina Haunhorst Irmgard Zundorf Erich Mielke Tabellarischer Lebenslauf im LeMO DHM und HdG Andreas Forster Unterbringung von RAF Terroristen war keine Straftat In Berliner Zeitung 6 Marz 1998 Sascha Langenbach Die Stasi RAF Connection In Berliner Kurier 23 September 2012 Michael Hanfeld Sie mussten einander begegnen In Frankfurter Allgemeine Zeitung 21 August 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aufnahme von RAF Aussteigern in der DDR amp oldid 234580281