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Das Altere Atlilied altnordisch Atlakvida ist ein altnordisches Heldenlied in der Lieder Edda Es ist nach der Hauptperson Atli Attila der Hunne deutsch Etzel benannt und behandelt die durch Atli veranlasste Ermordung der Burgunderkonige Gunnar und Hogni sowie deren Rachung durch ihre Schwester Gudrun Das Altere Atlilied wird als eines der altesten Gedichte der Lieder Edda angesehen und konnte nach Meinung vieler schon um 900 n Chr entstanden sein Die uns erhaltene schriftliche Fassung wurde jedoch erst um 1270 aufgezeichnet enthalten im Codex Regius Edda Die geschilderte Handlung geht auf Ereignisse der Volkerwanderungs zeit ca 5 Jahrhundert zuruck und uberschneidet sich mit dem Stoff des mittelhochdeutschen Nibelungenliedes Das Altere Atlilied ist 176 Zeilen lang und in Stabreimen verfasst Ein zweites Atlilied altnordisch Atlamal in der Lieder Edda behandelt dieselbe Geschichte zeigt jedoch in Erzahlweise und Stil deutlich jungere Zuge Atli der Hunne in einer Illustration der Edda Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Handlung 1 2 Verhaltnis zu den Atlamal 1 3 Verhaltnis zum Nibelungenlied 1 4 Mogliche antike Einflusse 2 Textkritische und sprachwissenschaftliche Bemerkungen 3 Historische Hintergrunde 4 Textausschnitt 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenHandlung Bearbeiten Der Hunnenkonig Atli ist mit der Schwester der beiden Niflungen Giukungen Gunnar und Hogni verheiratet Da der gierige Atli nach dem Gold der Niflungen trachtet sendet er einen Boten aus der die beiden mit falschen Versprechungen an seinen Hof lockt Gunnar und Hogni sind sich aufgrund einer Warnung durch ihre Schwester der Gefahr bewusst reiten aber trotzdem zum Hunnenkonig Dort werden sie heimtuckisch ermordet ohne jedoch den Standort des Niflungenschatzes preisgegeben zu haben Hogni wird das Herz herausgeschnitten Gunnar endet in der Schlangengrube wo er vor seinem Tod noch Harfe spielt Daraufhin racht sich Gudrun die Schwester der beiden Ermordeten auf grausame Weise an ihrem Gatten Atli indem sie ihre beiden gemeinsamen Sohne schlachtet und diese ihrem Mann zum Essen vorsetzt In der Nacht nach dieser Graueltat ermordet sie Atli eigenhandig als er betrunken im Bett liegt und setzt zum Schluss seinen Konigssaal in Brand Verhaltnis zu den Atlamal Bearbeiten Beide Gedichte behandeln im Prinzip denselben Stoff prasentieren ihn jedoch sehr unterschiedlich Nach aller Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei den Atlamal um eine spatere Uberarbeitung der Geschichte bei der viele Aspekte der Handlung ausgeschmuckt wurden und einige langere Dialogszenen dazugekommen sind Einige besondere Abweichungen sind Die Handlung ist von Kontinentaleuropa in den Norden transferiert worden die Schauplatze und Personen haben bauerliche Zuge angenommen Atlis Grausamkeit wird starker betont wahrend in der alteren Version seine Gier im Vordergrund steht Die Szene mit Atlis Boten ist ausgebaut Gudruns Warnung erfolgt in Form eines Runenstabes Hognis Sohn Hniflungr wird zum Komplizen von Gudrun Gudruns Ehe mit Atli wird als unglucklich beschrieben Gunnar spielt in der Schlangengrube die Harfe nicht mit den Handen sondern mit den Fussen nbsp gotlandischer Bildstein der vermutlich Szenen aus dem Atlilied zeigt Links in der Mitte durfte Gudrun abgebildet sein die Gunnar in der Schlangengrube sieht Verhaltnis zum Nibelungenlied Bearbeiten Das Altere Atlilied gehort demselben Sagenkomplex an wie die mittelhochdeutsche Nibelungensage doch anders als diese verbindet es den Stoff weder mit Sigurd Siegfried noch mit Brunhild Brynhild einem von einem Drachen bewachten Hort vergleiche Fafnir oder dem Untergang eines ganzen Heeres Gunnar und Hogni treten die Fahrt zu Atli nur zu zweit an Es steht also ganz ausserhalb der Traditionen die die Sagen von Sigurds Tod mit dem Untergang der Niflungen Nibelungen verbinden Weitere Unterschiede das Rachemotiv ist gerade umgekehrt Wahrend Gudrun die Ermordung ihrer Bruder an ihrem Ehemann racht ist es bei ihrem deutschen Pendant Kriemhild der Ehemann der umkommt und an ihren Brudern geracht werden muss Hagen von Tronje und Gunther sind keine Bruder ersterer ist Vasall der drei Burgunderkonigsbruder Gudrun heisst hier Kriemhild den Namen Kriemhild tragt in der nordischen Fassung Gudruns Mutter Grimhild Das Nibelungenlied kennt eine Verbindung zur Dietrichsage wahrend in der Liederedda Hamdismal Gudrunarhvǫt eine Anknupfung des Burgundenstoffes an die Erzahlungen von Ermanarich gemacht wirdMogliche antike Einflusse Bearbeiten Einzelne Szenen des Gedichtes konnten Einflusse aus der antiken Literatur etwa aus der Atreus sage Krause 2001 oder aus Ovids Tereus und Prokne Dronke 1969 aufweisen Textkritische und sprachwissenschaftliche Bemerkungen BearbeitenDas Gedicht ist strukturell und sprachlich uneben Einige Stellen sind vermutlich korrupt besonders in der ersten Halfte des Textes Aufgrund der inhaltlichen Bruche hat man spekuliert dass der Text aus mehreren Quellen zusammengefuhrt worden sein konnte Der Mediavist Gustav Neckel nannte das Lied ein Flickwerk 1 Die sprachliche Deutung ist an einigen Stellen umstritten es findet sich eine grosse Anzahl an sonst nicht belegten Wortern sogenannte Hapax legomena Als Folge davon konnen moderne Ubersetzungen des Alteren Atliliedes im Detail stark voneinander abweichen Historische Hintergrunde BearbeitenKern der uberwiegend erfundenen Handlung ist ein historisches Ereignis Gunnar ist mit dem Burgunderkonig Gundaharius gleichzusetzen der im 5 Jahrhundert von Attilas Hunnen besiegt wurde Attila starb in seiner Hochzeitsnacht nachdem er eine Germanin geheiratet hatte Obwohl eine naturliche Todesursache vorlag konnte sein Tod der germanischen Gattin angelastet worden sein Daraus hatte sich in der Sagentradition Gudruns Bruderrache entwickelt Der Untergang der Burgunder und Attilas Tod lagen in Wirklichkeit einige Jahre auseinander Der Germanist und Skandinavist Otto Hofler und der Historiker Reinhard Wenskus lokalisieren jedoch den originaren Erzahlungsraum der Atli und Sigurdlieder in Niederdeutschland sowie insbesondere in westfalischen Bereichen des im Altnordischen und Altenglischen verorteten Hunalands 2 3 Anhand des Jungeren Atlilieds Atlamal in dem ebenfalls nirgends von Burgunden die Rede ist bezieht sich Hofler unter anderem auf die Uberlieferung der Thidrekssaga die Soest als Residenz des Atli bzw nordischen Attila angibt 4 Diese Verortungsperspektive fur den Untergang der Niflunga wurde bereits von Ferdinand Holthausen 5 Gustav Neckel 6 Willi Eggers 7 und anderen Forschern angeregt die historische Widerspiegelungen aus ostmerowingischen Eroberungszugen gegen die Sachsen erkannt haben wollen Der fachwissenschaftlich umstrittene Philologe Heinz Ritter Schaumburg vertritt ebenfalls diese Anschauung musste sich dazu aber auch den von Heinrich Beck erhobenen Vorwurf von Quellenunterschlagung gefallen lassen langst vorliegende Forschungsbeitrage uber ein niederdeutsches Erzahlungsmilieu der altnordischen Attila und Niflunga Uberlieferungen so gut wie ubergangen zu haben 8 Das ins 10 Jahrhundert datierte und somit noch relativ zeitnah verfasste Heldengedicht Waltharius widerspricht dem spater entstandenen Nibelungenlied mit der Herkunft der Nibelungenherrscher Guntharius vgl Gunnar und Hagano vgl Hǫgni die das wesentlich altere Epos als Franken bezeichnet Auch das Altere Atlilied nennt den Niflungen Gunnar nicht einen Burgunder sondern Freund der Burgunder vgl in Strophe 18 das handschriftlich belegte vinir Borgunda Diese Angabe wird jedoch von der Forschung textinterpretatorisch weit ausgelegt und dabei unter anderem bis zur Schwagerschaft mit Atli ubertragen 9 Textausschnitt BearbeitenStrophe 16 Gudrun spricht zu ihrem Bruder Gunnar als dieser mit Hogni an Atlis Hof ankommt Betr hefdir thu brodir at thu i brynio fǿrir sem hialmom aringreypom at sia heim Atla saetir thu i sǫdlom solheida daga nai naudfǫlva letir nornir grata Huna scialdmeyiar hervi kanna enn Atla sialfan letir thu i ormgard koma nu er sa ormgardr ycr um folginn Ubersetzung Es ware besser gewesen Bruder du warst in die Rustung gestiegen statt nur einen feingeschliffenen Helm anzuziehen um Atli aufzusuchen Du hattest dich besser an sonnenhellen Tagen in den Sattel gesetzt um die Nornen todesbleiche Leichen beweinen und die Schildmaide der Hunnen die Egge kennenlernen zu lassen Und Atli selber hattest du in die Schlangengrube kommen lassen konnen doch nun ist die Schlangengrube euch beiden bestimmt Anmerkung zu Zeile 3 Besonders schwierig zu ubersetzen ist das Wort aringreypom das als Hapax legomenon ausserhalb des Alteren Atliliedes nicht vorkommt Der erste Teil des Kompositums konnte Herd Adler oder als Adjektiv eisern bedeuten der zweite Teil durfte ein Verb fur einfalzen oder feilen Metall mit einem Werkzeug bearbeiten sein Anmerkung zu Zeile 4 und 5 Gemeint ist hier dass Gunnar viele Hunnen hatte toten konnen Die Nornen treten hier in der Funktion von Walkuren auf d h sie wahlen diejenigen Krieger aus die auf dem Schlachtfeld sterben werden In Zeile 5 wird darauf angespielt dass sich die Schildmaiden der Hunnenkrieger nach dem Tod ihrer Herren der Landwirtschaft zuwenden mussten Literatur BearbeitenAusgaben Edda Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmalern Herausgegeben von Gustav Neckel und Hans Kuhn Band 1 Text 5 verbesserte Auflage Winter Heidelberg 1983 ISBN 3 533 03081 4 Ubersetzungen Hugo Gering Hrsg Die Edda Die Lieder der sogenannten Alteren Edda Nebst einem Anhang Die mythischen und heroischen Erzahlungen der Snorra Edda Bibliographisches Institut Leipzig u a 1892 Edda Ubertragen von Felix Genzmer Diederichs Jena 1922 Sammlung Thule 1 Arnulf Krause Hrsg Die Heldenlieder der Alteren Edda Reclam Stuttgart 2001 ISBN 3 15 018142 9 Reclams Universal Bibliothek 18142 Karl Simrock Die Edda die altere und jungere nebst den mythischen Erzahlungen der Skalda Cotta Stuttgart u a 1851 Zusammenfassungen Hermann Reichert Die Nibelungensage im mittelalterlichen Skandinavien In Joachim Heinzle Klaus Klein Ute Obhof Hrsg Die Nibelungen Sage Epos Mythos Reichert Wiesbaden 2003 ISBN 3 89500 347 6 S 29 88 Hermann Reichert Attila in altnordischer Dichtung In Alexander Koch Red Attila und die Hunnen Begleitbuch zur Ausstellung Herausgegeben vom Historischen Museum der Pfalz Theiss Stuttgart 2007 ISBN 978 3 8062 2114 5 S 349 355 Sekundarliteratur Ursula Dronke Hrsg The Poetic Edda Band 1 Heroic Poems Clarendon Press Oxford 1969 Ronald George Finch Atlakvida Atlamal and Volsunga Saga A Study in Combination and Integration In Ursula Dronke Hrsg Specvlvm Norroenvm Norse Studies in Memory of Gabriel Turville Petre Odense University Press Odense 1981 ISBN 87 7492 289 0 S 123 138 Carola L Gottzmann Das Alte Atlilied Untersuchung der Gestaltungsprinzipien seiner Handlungsstruktur Winter Heidelberg 1973 ISBN 3 533 02325 7 Germanische Bibliothek Reihe 3 Untersuchungen und Einzeldarstellungen Zugleich Heidelberg Univ Diss 1973 Gustav Neckel Beitrage zur Eddaforschung mit Exkursen zur Heldensage Ruhfus Dortmund 1908 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Atlaqvida Quellen und Volltexte Atlakvida hin Grœnlenzka Sophus Bugges Edition Atlakvida Gudni Jonssons EditionEinzelnachweise Bearbeiten Gustav Neckel Beitrage zur Eddaforschung mit Exkursen zur Heldensage Ruhfus Dortmund 1908 S 129 Otto Hofler Siegfried Arminius und der Nibelungenhort Sitzungsberichte Osterreichische Akademie der Wissenschaften Philosophisch Historische Klasse Band 332 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1978 ISBN 3 7001 0234 8 S 13 f Reinhard Wenskus Der hunnische Siegfried In Heiko Uecker Hrsg Studien zum Altgermanischen Festschrift fur Heinrich Beck Berlin New York 1994 Erganzungsbande zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 11 S 686 721 hier S 687 f sowie 717 f Otto Hofler Siegfried Arminius und die Symbolik Mit einem historischen Anhang uber die Varusschlacht Carl Winter Heidelberg 1961 DNB 452045061 S 103 ff Ferdinand Holthausen Studien zur Thidrekssaga In Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Band 9 Heft 30 S 464 f Gustav Neckel Soest als Nibelungenstadt In Niederdeutsches Jahrbuch Jahrbuch des Vereins fur niederdeutsche Sprachforschung Jahrgang 1927 LIII Verlag Heinrich Soltau Norden 1927 S 33 39 Willi Eggers Die niederdeutschen Grundlagen der Wilzensage in der Thidrekssaga Dissertation Hamburg 1936 Nachdruck in Niederdeutsches Jahrbuch Jahrbuch des Vereins fur niederdeutsche Sprachforschung Jahrgang 1936 LXII Verlag Verlagsanstalt Karl Wachholtz Hamburg S 70 125 Heinrich Beck Zur Thidrekssaga Diskussion In Zeitschrift fur deutsche Philologie Nr 112 1993 S 441 448 hier insb S 442 443 Vgl Kees Samplonius Rezension uber Hermann Reichert Nibelungenlied und Nibelungensage Bohlau 1985 In Amsterdamer Beitrage zur alteren Germanistik 25 1986 S 165 167 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Atlilied amp oldid 237761466