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Der antike Roman insbesondere der der Griechen stellt eine eigene literarische Gattung dar Die ersten griechischen romanartigen Texte entstanden im spaten 4 Jahrhundert v Chr mit dem Beginn des Hellenismus Aus der Reihe bekannter Werke siehe die Liste antiker Romane gibt es nur funf vollstandig uberlieferte Erzahlungen die die heutige Forschung zum antiken griechischen Roman zahlt Das alteste uberlieferte Beispiel der Gattung ist ein auf zwei Papyrus Fragmenten Papyrus Berolinum 6926 R 1 und PSI 1305 2 erhaltener Roman der die Liebe von Ninos und Semiramis zum Inhalt hat und aus dem 2 oder 1 Jahrhundert v Chr stammt Inhaltsverzeichnis 1 Definition und Abgrenzung 1 1 Forschungsgeschichte 1 2 Der Roman als historische Quelle 1 3 Zeitgenossische Rezipienten 2 Gemeinsame Motive 2 1 Religiose Aspekte 2 2 Der geographische Rahmen 3 Quellen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseDefinition und Abgrenzung BearbeitenIm beginnenden Hellenismus des spaten 4 Jahrhunderts v Chr entstanden in Griechenland die ersten Schriften die als Vorlaufer des Romans gelten Auch im antiken Rom entstanden Schriften die man dieser Literaturgattung zuordnet die im Folgenden keine Berucksichtigung finden Allerdings gab es in der Antike den Begriff Roman noch nicht eine Kategorie zu der man diese fiktiven Werke zahlte fehlte Der Romanbegriff kam zum ersten Mal im Mittelalter auf wurde aber erst im Laufe des 18 Jahrhunderts etabliert als erste Diskussionen uber den Gattungsbegriff und die Romandefinitionen gefuhrt wurden Daher bezeichnet man heute das literarische romanhafte Erzahlen der Antike retrospektiv als antiken Roman Wie der moderne Roman grenzt sich auch der antike Roman als eigene Klasse der Literatur durch Erzahlart Motive und Stil von anderen literarischen Produkten wie historiographischen Werken Epos abenteuerlichen Reiseerzahlungen und Liebeslyrik ab Forschungsgeschichte Bearbeiten Zum Ursprung und den Vorlaufern des antiken griechischen Romans wurden verschiedene Thesen aufgestellt Ende des 19 Jahrhunderts entwickelte Erwin Rohde eine erste These 3 nach der die Romanerzahlungen auf hellenistischen Reiseerzahlungen und Liebesdichtungen basierten 4 Die heutige Forschung geht davon aus dass diese These aus chronologischen Grunden nicht aufrechtzuerhalten ist 4 Eine weitere in der modernen Forschung weitgehend abgelehnte These 4 stellte im Jahr 1896 Eduard Schwartz auf 5 Er sah den Ursprung des Romans in der Geschichtsschreibung in historiographischen Werken Nach neueren Forschungsansatzen ist der Roman vielmehr der eigentliche Erbe des Epos 6 Homers Epen Odyssee und Ilias gelten daher als das konkrete Vorbild des Romans ebenso wie sie anerkanntermassen den Ausgangspunkt des literarischen Schaffens der Antike uberhaupt bildeten 6 So entnahmen die Romanautoren einige ihrer Motive aus Homer und spielten haufig auf Personen oder Situationen aus dem Epos an 6 Selbst Elemente der Erzahltechnik etwa Vorspann und parallele Handlungsstrange seien in den verschiedenen Romanen von Homer ubernommen worden 6 Der Roman als historische Quelle Bearbeiten Die Romane sind fiktive literarische Werke keine Erzahlungen historischer Begebenheiten und keine Lieferanten ereignisgeschichtlicher Fakten Dennoch lassen sich aus den Romanen bestimmte Aussagen uber die griechische Antike ableiten vor allem zu sozialen gesellschaftlichen und kulturellen Fragestellungen Als Beispiele sind zu nennen Rolle und Stellung der Sklaven innerhalb der Gesellschaft Fragen zu Gotterglaube Religion und Mythologie aber auch zu Aspekten der Homosexualitat in der Antike Zeitgenossische Rezipienten Bearbeiten Aussagen uber die tatsachlichen Leser oder Lesergruppen der Romane sind auf Grund der zeitlichen Distanz schwierig Die Forschung geht heute davon aus dass Romane der Unterhaltung dienten dass sie selbst als Lekture gelesen wurden oder man die Erzahlungen dem Publikum vorlas Die Rezipienten gehorten mit grosser Wahrscheinlichkeit einer hoher gebildeten Gesellschaftsschicht an die Zeit und Interesse an diesen Werken hatte Das spricht fur einen vorgebildeten und interessierten Leser Ausserdem war die Anschaffung der umfangreichen Bucher auch eine finanzielle Frage 7 Der Kreis der Leser lasst sich dahingehend eingrenzen dass sich die Romane vor allem an ein weibliches Publikum zu wenden schienen In der Forschung gibt es sogar die bisher unbewiesene Hypothese dass es sich bei den Verfassern der Romane um Autorinnen handeln konnte die unter mannlichem Pseudonym ihre Geschichten verfassten 8 Gemeinsame Motive BearbeitenDie antiken Romane folgen alle einem bestimmten Grundmuster welches jedoch modifiziert werden und somit von anderen Romanen abweichen kann Gemeinsames Grundmuster der Liebesromane ist beispielsweise die Trennung der Liebenden ihre gegenseitige Suche und schliesslich die Wiedervereinigung der beiden Protagonisten 9 Bestimmte Motive ziehen sich durch die Handlung der Romane So schworen sich in Liebesromanen beide Protagonisten anfangs Liebe und Treue Diese Treue wird dann im weiteren Handlungsverlauf auf die Probe gestellt und muss Prufungen standhalten Jedoch werden die Liebenden nie in ihrer Liebe voneinander getrennt sondern lediglich ausseren Gefahrensituationen ausgesetzt In Achilleus Tatios Leukippe und Kleitophon gibt Kleitophon die Liebe zu Leukippe nicht auf obwohl er sie tot glaubt 10 Ein Hauptmotiv des antiken Romans ist das Reisen also der Wechsel des Schauplatzes In Longos Daphnis und Chloe liegt dieses Motiv modifiziert vor Es werden keine geographischen Veranderungen beschrieben sondern eine Veranderung nach sozialem Status 11 Wahrend ihrer Reisen geraten die Protagonisten mehrmals in Gefangenschaft und werden oft auch noch versklavt In ihrer Gefangenschaft begegnen Held und Heldin dem Hindernis anderer Bewerber welche sich sofort in einen der beiden verlieben So trifft Theagenes in Heliodors Aithiopika beispielsweise wahrend seines Aufenthalts in Memphis auf Arsake die Frau des Statthalters Als Arsake klar wird dass ihr Theagenes nicht nachgeben wird und seiner Geliebten Charikleia treu bleibt lasst sie ihn foltern und versucht Charikleia zu beseitigen 12 Die Rache der abgelehnten und nun erzurnten Bewerber ist ebenfalls ein haufiges Motiv der Romane In jedem Roman finden sich die Liebenden am Ende der Geschichte wieder oft wird der Wiedervereinigung eine Hochzeit angeschlossen Dann fuhren sie im Schein der Fackeln beim Klang der Floten und Pfeifen nach Meroe begleitet von Jubelrufen Handeklatschen und Tanzen Die eigentliche Hochzeit sollte mit noch weit grosserem Aufwand in der Stadt gefeiert werden Heliodor Theagenes und Charikleia Buch 8 Die Protagonisten in den Romanen verkorpern Werte und Ideale Es verbindet sie gottliche Schonheit beide werden oft mit Superlativen beschrieben Unschuld und Treue Eine Ausnahme bildet Charitons Chaireas und Kallirrhoe insofern als sie zunachst Dionysios heiratet und nicht den Romanhelden Chaireas Allerdings wird sie zu dieser Entscheidung gezwungen da sie ein Kind von Chaireas erwartet und es gut aufziehen will 13 Auch wenn die Helden als eine Art personifizierte Vollkommenheit auftreten sind es doch die Nebencharaktere die die Handlung vorantreiben Sie sind meist komplexer aufgebaut nicht schuldlos aber dadurch menschlicher realistischer 14 Wenn sich die Protagonisten am Anfang der Romane ineinander verlieben scheinen sie Folgen einer Krankheit oder Verletzung aufzuweisen So verliert beispielsweise Habrokomes in Xenophons von Ephesos Die Waffen des Eros an Schonheit In Daphnis und Chloe wenn das sexuelle Begehren der beiden erweckt ist aber nicht gestillt werden kann folgt der kalte skythische Winter 15 Bei all dem muss man berucksichtigen dass die Auswahl und Tradierung der ganz erhaltenen Romane christlich gepragter Auswahl unterworfen waren und weite Teile der Romanliteratur etwa die Babyloniaka des Iamblichos fehlen die sich anscheinend durch deutlich weniger gefallige Zuge ausgezeichnet haben Religiose Aspekte Bearbeiten Die Handlung der Romane wird zumeist durch das Eingreifen einer Gottheit durch Prophezeiungen oder Traume gesteuert Die religiose Thematik spielt im gesamten Verlauf immer wieder eine wichtige Rolle So dienen die Protagonisten meist einer bestimmten Gottheit Als der Morgen kam ging das Madchen zum gewohnten Dienst ihrer Gottin Artemis Xenophon Die Waffen des Eros Buch 1 Besonders oft wird das Wirken der Tyche erwahnt die die Protagonisten auf die Probe stellt Durch das Eingreifen von Eros und Aphrodite aufgrund dessen sich die Helden ineinander verlieben z B in Die Waffen des Eros lasst sich eine Verbindung zwischen Religion und Erotik herstellen Reinhold Merkelbach stellte die These auf dass die Romane Hilfsmittel fur die Mysterienkulte seien und die darin vorkommenden Reisen als Seelenwanderungen zu verstehen waren Diese These wird von den meisten Wissenschaftlern heutzutage abgelehnt unter anderem aus dem Grund dass sich Merkelbach nur auf einen einzigen Roman stutzt namlich die Aithiopika 16 Der geographische Rahmen Bearbeiten Die antiken Romane spielen sich grosstenteils im ostlichen Mittelmeerraum der Levante ab Dennoch werden keine geographischen Zusammenhange beschrieben sondern lediglich Darstellungen von Orten Kontrast bietet in diesem Zusammenhang das Stadt Land Gefalle Die Dauer der Reisen wird nicht erwahnt 17 Eine Ausnahme des geographischen Rahmens bildet auch hier wieder Daphnis und Chloe ein Werk das unter dem Einfluss der Bukolik steht und dessen Handlung sich nur auf der Insel Lesbos zutragt Quellen Bearbeiten Hauptartikel Liste antiker Romane Autor Titel Originaltitel Entstehungszeit Bemerkungen anonym Alexanderroman ab 4 Jahrhundert anonym Geschichte von Apollonius dem Konig von Tyros Historia Apollonii regis Tyri 3 JahrhundertAchilleus Tatios Leukippe und Kleitophon Tὰ katὰ Leykipphn kaὶ Kleitofῶnta Ta kata Leukippen kai Kleitophonta 2 JahrhundertAntonios Diogenes Wunderdinge jenseits von Thule Tὰ ὑpὲr 8oylhn ἄpista Ta hyper Thulen apista 2 JahrhundertApuleius Metamorphosen oder Der goldene Esel Metamorphoseon libri XI oder Asinus aureus circa 170 enthalt die Erzahlung Amor und PsycheChariton von Aphrodisias Chaireas und Kallirrhoe Tὰ perὶ Xairean kaὶ Kallirrohn Ta peri Chairean kai Kallirrhoen 1 oder 2 JahrhundertEuhemeros Heilige Schrift Ἱerὰ Ἀnagrafh Hiera Anagraphḗ 3 oder 4 JahrhundertEustathios Makrembolites Hysmine und Hysminias Tὰ ka8 Ὑsminhn kaὶ Ὑsminian Ta kath Hysminen kai Hysminian 12 JahrhundertHeliodoros von Emesa Theagenes und Charikleia Aἰ8iopika Aithiopika 3 JahrhundertIamblichos Babylonische Geschichten Babylwniaka Babyloniaka 2 JahrhundertKonstantin Manasses Aristander und Kalithea 12 JahrhundertLollianos Phonizische Geschichten Foinikika Phoinikika vor 2 JahrhundertLongos Daphnis und Chloe Dafnin kaὶ Xlohn Daphnis kai Chloe 3 JahrhundertLukian von Samosata Lukios oder Der Esel Loykios ἣ Ὄnos Lukios e Onos 2 JahrhundertNiketas Eugenianos Drosilla und Charikles Tὰ katὰ Drosillan kaὶ Xariklean Ta kata Drossilan kai Chariklean 12 JahrhundertFlavius Philostratos Lebensbeschreibung des Apollonios von Tyana Tὰ ἐs tὸn Tyanea Ἀpollwnion Ta es ton Tyanea Apollonion 217 238Theodoros Prodromos Rodanthe und Dosikles Tὰ katὰ Ῥodan8hn kaὶ Dosiklea Ta kata Rodanthen kai Dosiklea 12 JahrhundertPetronius Satyricon 1 JahrhundertXenophon von Ephesos Anthia und Habrokomes Ἐfesiaka Ephesiaka 2 JahrhundertWeitere nur sehr fragmentarisch erhaltene Werke von denen auch keine Titel uberliefert sind Utopie des Iambulos Iolaos Roman Kalligone Roman Ninos Roman Parthenope Roman Sesonchosis RomanLiteratur BearbeitenRoger Beck Mystery Aretalogy and the Ancient Novel In Gareth Schmeling The Novel in the Ancient World Leiden New York Koln 1996 S 131 150 Hans Gartner Hrsg Beitrage zum griechischen Liebesroman Hildesheim 1984 Tomas Hagg Eros und Tyche Der Roman in der antiken Welt Kulturgeschichte der antiken Welt Band 36 Mainz 1987 Niklas Holzberg Der antike Roman Eine Einfuhrung Munchen 1986 Heinrich Kuch Hrsg Der antike Roman Untersuchungen zur literarischen Kommunikation und Gattungsgeschichte Berlin 1989 Bernhard Kytzler Im Reiche des Eros Samtliche Liebes und Abenteuerromane der Antike 2 Bande Munchen 1983 James Romm Travel In Tim Whitmarsh The Cambridge Companion to the Greek and Roman Novel Cambridge University Press Cambridge 2008 S 109 126 Susan A Stephens John J Winkler Hrsg Ancient Greek Novels The Fragments Princeton University Press 1995 ISBN 0 691 06941 7 Textausgabe mit Kommentar und englischer Ubersetzung Tim Whitmarsh The Cambridge Companion to the Greek and Roman Novel Cambridge 2008 Tim Whitmarsh Narrative and Identity in the ancient greek novel Cambridge University Press Cambridge 2011 Weblinks BearbeitenPapyrus Berolinensis 6926Einzelnachweise Bearbeiten Papyrus der Staatlichen Museen Berlin Berliner Papyrusdatenbank P 6926 R Ninos Roman Auf berlpap smb museum abgerufen am 10 November 2020 Papiri della Societa Italiana PSI XIII 1305 Auf psi online it abgerufen am 10 November 2020 aktuelle Bezeichnung 1285 V PSI 12 Trismegistos 63399 LDAB 4606 Cairo Egyptian Museum PSI 1285 Vo Auf papyri info abgerufen am 10 November 2020 Erwin Rohde Der griechische Roman und seine Vorlaufer Leipzig 1876 a b c Tomas Hagg Eros und Tyche Der Roman in der antiken Welt Kulturgeschichte der antiken Welt Band 36 Mainz 1987 S 138 Eduard Schwartz Funf Vortrage uber den griechischen Roman 1896 a b c d T Hagg Eros und Tyche Mainz 1987 S 139 Kurt Treu Der antike Roman und sein Publikum In Heinrich Kuch Hrsg Der antike Roman Untersuchungen zur literarischen Kommunikation und Gattungsgeschichte Berlin 1989 S 82 106 T Hagg Eros und Tyche Mainz 1987 S 124 Achilleus Tatios Leukippe und Kleitophon Buch 8 Vgl Achilleus Tatios Leukippe und Kleitophon Buch 5 J Romm Travel In T Whitmarsh The Cambridge Companion to the Greek and Roman Novel Cambridge 2008 S 109 126 Heliodor Die Abenteuer der schonen Chariklea Buch 8 Chariton Kallirhoe Buch 2 Vgl die Rolle des Hippothoos in Xenophon von Ephesos Die Waffen des Eros Longos Daphnis und Chloe Buch 3 Vgl R Beck Mystery Aretalogy and the Ancient Novel In G Schmeling The Novel in the Ancient World Leiden New York Koln 1996 S 131 150 Vgl Chariton Kallirhoe Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Antiker Roman amp oldid 222119880