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Die Aktion Gildemeester war eine im Fruhjahr 1938 in Wien eingerichtete Organisation die neben einer forcierten Vertreibung der judischen Bevolkerung insbesondere den organisierten Vermogensentzug der Auswanderungswilligen betrieb Die Aktion stand im Wesentlichen nichtglaubigen vermogenden Juden offen die sich verpflichten mussten ihr gesamtes Vermogen einer treuhanderischen Verwaltung zu ubergeben die eine vom Regime beauftragte Bank ubernahm 10 ihres Vermogens mussten die Teilnehmer der Aktion dabei an den sogenannten Gildemeester Fonds zahlen aus dem Fahrkosten fur armere Juden bezahlt wurden Weitere 5 des Vermogens wurden als Spesen fur den Verwaltungsaufwand einbehalten Neben den sehr hohen Ausreisekosten mussten die Auswanderungswilligen jedoch auch noch fur weitere Spesen und Steuern z B die Judenvermogensabgabe nicht aber wie Reichsdeutsche fur die Reichsfluchtsteuer aufkommen sodass den Teilnehmern im Schnitt nur noch 30 ihres Vermogens blieben wenn sie in Palastina ankamen Insgesamt durften zwischen 120 und 180 Falle je Fall in der Regel mehrere Personen an der Aktion Gildemeester teilgenommen haben die durch ihre Fondseinzahlungen Reisekostenzuschusse fur mehr als 4000 1 auswanderungsbereite Juden finanzierten Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Die Organisation der judischen Auswanderung im Deutschen Reich 1 2 Plane fur judische Auswanderung nach dem Anschluss Osterreichs 1 3 Der Entzug judischen Vermogens nach dem Anschluss 1 4 Die Grundung der Aktion Gildemeester 1 5 Der Beginn der Aktion Gildemeester 2 Die Abwicklung der Aktion Gildemeester 3 Literatur 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Organisation der judischen Auswanderung im Deutschen Reich Bearbeiten Der Aktion Gildemeester ging das sogenannte Ha avara Abkommen voraus ein Handelsabkommen des Reichswirtschaftsministeriums mit judischen Institutionen und Banken Die Tatsache dass ab 1933 zunehmend Juden nach Palastina auswanderten zog verstarkt Devisen aus Deutschland ab Um diesen Vermogenstransfer einzuschranken verband das Wirtschaftsministerium den Vermogenstransfer mit dem Verkauf deutscher Waren in Palastina Im Wesentlichen wurde die Aktion finanziert indem Juden Geld auf Sperrmarkkonten einzahlten und dann in Palastina das Geld ausgezahlt bekamen das durch den Verkauf deutscher Waren in Palastina erwirtschaftet wurde Als Treuhandfirma wurde hierzu in Berlin die Palastina Treuhandstelle zur Beratung deutscher Juden G m b H Paltreu gegrundet Das Ha avara Abkommen wurde im August 1933 geschlossen und bestand bis zum 3 September 1939 Insgesamt wurde ein Vermogen von 139 6 Millionen Reichsmark transferiert und etwa 50 000 Juden wanderten uber das Abkommen aus Leistbar war diese Auswanderung aber nur fur Juden mit entsprechendem Kapital Des Weiteren war eine sachkundige Organisation und Devisenfreigabe der Reichsbank notig Fur die Auswanderung in andere Lander wurde zusatzlich am 24 Mai 1937 eine der Paltreu ahnliche Organisation geschaffen die Allgemeine Treuhandstelle fur die judische Auswanderung G m b H Altreu Hier wurden Auswanderern auch mit geringerem Einkommen gegen einen 50 Kursabschlag Devisenkontingente zugeteilt Bereits am 17 Dezember 1937 wurde jedoch das Altreu Verfahren vom Warentransfergeschaft abgetrennt Wohlhabende Auswanderer mussten nun ihr gesamtes Vermogen der Altreu ubergeben und erhielten danach nach einem hoheren Kursabschlag jedoch losgelost vom Warenexport Devisen Den Gelduberschuss stellte die Altreu in einem Fonds nicht vermogenden judischen Auswanderern zur Verfugung Plane fur judische Auswanderung nach dem Anschluss Osterreichs Bearbeiten Im Judenreferat des SD stand bereits Ende des Jahres 1937 fest dass die in drei Systemen bestehenden Auswanderungsmodalitaten zentralisiert und unter arische Leitung gestellt werden sollten Beste Gelegenheit dies zu verwirklichen bot der Anschluss Osterreichs 1938 da dort zunachst keines der drei Verfahren zur Verfugung stand Die Auswanderungssituation im Altreich war im Gegensatz zur Ostmark recht gut so dass zionistische Organisationen die Ubertragung der bestehenden Auswanderungsverfahren auf das Gebiet Osterreichs auszudehnen versuchten Dies wurde jedoch abgelehnt Nur die Altreu sollte nach den Planen des SD ausgeweitet und auf das Gebiet Osterreichs ausgedehnt werden Ziel war es das erprobte Ha avara System zu nutzen und jeglichen Vorteil fur Juden abgesehen von der Auswanderung auszuschalten Der Entzug judischen Vermogens nach dem Anschluss Bearbeiten Nach dem Anschluss Osterreichs hatte das Referat Judentum der Wiener Gestapo die Sicherstellung und Kontrolle judischen Vermogens ubernommen Ein Unterreferat befasste sich mit der Ausforschung Sicherstellung und Beschlagnahme von judischem Vermogen Konten Versicherungs Policen Kunstwerke und Schmuck Die in den ersten Wochen erfolgte wilde Arisierung sollte in kontrollierte Bahnen gelenkt werden Dazu wurde am 26 April 1938 die Verordnung uber die Anmeldung des Vermogens von Juden veroffentlicht wozu die Vermogensverkehrsstelle geschaffen wurde die den Stand des judischen Vermogens zum Stichtag des 27 Aprils 1938 erfasste Jeder Jude nach den Nurnberger Rassegesetzen und jede Person mit einem judischen Ehepartner musste ihr gesamtes Vermogen deklarieren sofern es uber 5 000 RM lag Darunter fielen Grundstucke land und forstwirtschaftliches Vermogen Betriebe Kapitalvermogen und Forderungen Versicherungen Edelmetalle Schmuck und Hausrat inkl Kunstwerke sowie Anspruche aus aktiven oder beendeten Dienstverhaltnissen Bis zum Sommer 1938 gingen ca 50 000 Meldungen ein Ende November 1938 waren es 135 750 Erklarungen Zudem erliess die Devisenbehorde hunderte Verordnungen die die Mitnahme des Vermogens stark einschrankten Die wichtigste war die Reichsfluchtsteuer die alle Personen mit einem Jahreseinkommen uber 30 000 OS zwischen 1931 und 1938 bzw einem Vermogen von uber 50 000 RM per 1 Januar 1938 betraf die ihren Hauptwohnsitz ausserhalb des Deutschen Reiches verlegten Sie mussten 25 an Steuern zahlen Hinzu kamen die zahlreichen kommissarischen Verwalter von judischen Betrieben die zu allen Rechtshandlungen inklusive eines Verkaufes berechtigt waren Die Grundung der Aktion Gildemeester Bearbeiten Ihren Ursprung fand die Aktion Gildemeester im Umfeld des Wiener Privatbankhauses Reitler amp Co dessen Gesellschafter Emil Reitler 1886 1949 und Mitgesellschafter Moriz Kuffner 1854 1939 Nach Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen bei den beiden sowie anderen Geschaftspartnern sowie Verhaftungen von Geschaftspartnern wurde von den Gesellschaftern beschlossen die Bank zu liquidieren und Osterreich zu verlassen Die Bank wurde daher am 17 Marz still liquidiert als Liquidator war die benachbarte kleine Privatbank Kathrein amp Co vorgesehen Als Urheber des Gedenkprotokolls fur die Stilllegung der Reitler Bank trat erstmals auch die Anwaltskanzlei Dr Heinrich Gallop in Erscheinung Etwa zur gleichen Zeit liess auch die Familie Zuckermann die mit Reitler in verwandtschaftlicher Beziehung stand ihr unternehmerisches Vermogen von Gallop liquidieren Spater wurde Gallop von den Behorden auch in die Transaktionen rund um den Verkauf der Kuffnerschen Brauerei miteinbezogen Bereits Mitte Marz 1938 hatte sich eine kleine Gruppe judischer Personlichkeiten darunter der Industrielle Arthur Kuffler der Rechtsanwalt Dr Georg Breuer und Hermann Furnberg an den Niederlander Frank van Gheel Gildemeester gewendet der bereits in der Zwischenkriegszeit zahlreiche Hilfsaktionen in Osterreich und Deutschland geleitet hatte Die judische Delegation machte Gildemeester Vorschlage fur eine geordnete Emigration Wiener Juden Kuffler ausgestattet mit zahlreichen internationalen Kontakten wurde Reprasentant der Hilfsaktion Das Gildemeester Auswanderungsburo durfte bereits Ende Marz 1938 seine Tatigkeit aufgenommen haben Mehreren Aussagen zufolge trug aber nicht Gildemeester die Aktion sondern diente nur als Strohmann Insbesondere Furnberg durfte die Arbeit anfangs organisiert haben Bereits in den ersten beiden Tagen der Eroffnung des Buros meldeten sich etwa 7 000 auswanderungswillige Burger Gildemeester wandte sich in der Folge an die Kanzlei Gallop mit dem Angebot Einwanderungsvisen fur 10 000 judische Burger besorgen zu konnen ein Vorschlag den Gallop an das Buro Otto Eberhardts weitergeleitet haben soll Eberhardt thuringischer Staatsrat und NSDAP Gauwirtschaftsberater war mit der Liquidierung judischer Privatbanken beauftragt worden Im April oder Mai wurde in die Durchfuhrung der Aktion das Grazer Bankhaus Krentschker eingebunden das bereits in der Zwischenkriegszeit als Drehscheibe fur Forderung illegaler Nationalsozialisten mit deutschem Kapital fungiert hatte Um die Aktion Gildemeester abwickeln zu konnen beantragte das Bankhaus die Errichtung einer Filiale in Wien die Ende April 1938 genehmigt wurde Am 30 Mai wurde das Bankhaus schliesslich zum treuhanderischen Vermogensverwalter der Aktion Gildemeester vom Staatskommissar in der Privatwirtschaft beim Ministerium fur Wirtschaft und Arbeit beauftragt Da dem Bankhaus jedoch das notwendige Personal fehlte ubernahm es das judische Bank und Wechselhaus Langer amp Co Der Beginn der Aktion Gildemeester Bearbeiten Die Nachricht uber die Genehmigung der Ausdehnung der Aktion auf einen grosseren Adressatenkreis erreichte erstmals am 11 Mai 1938 eine breitere Offentlichkeit Demnach waren Reichskommissar Josef Burckel und die Israelitische Kultusgemeinde ubereingekommen dass jahrlich 25 000 Juden aus Wien abwandern sollten Hierzu sollte ein Fonds gegrundet werden der von reichen Juden dotiert werden sollte und aus dem Juden besondere Kredite fur die Auswanderung erhielten Zur Uberwachung der Arisierungsfalle uber 100 000 RM liess Keppler ein Bevollmachtigter Hermann Gorings seinen Vertrauten Eberhardt nach Wien berufen Die Konstruktion der Aktion Gildemeester wird beispielsweise auch an der Abwicklung der Arisierung des Besitzes von Moritz und Stephan Kuffner deutlich Sie mussten ihr Vermogen einem Treuhander ubergeben um ihre Ausreise aus Osterreich zu erreichen Die getroffene Losung wurde jedoch durch die Verhaftung der beiden durch die Gestapo beinahe zunichtegemacht Schliesslich wurde jedoch erreicht dass sich die Gestapo fur die Gildemeester Fondskonstruktion gewinnen liess Zahlreiche Juden hatten namlich bereits Ausreisepapiere und Einreisegenehmigungen fur die Aufnahmelander Das fehlende Reisegeld sollte aus dem Fonds kommen Die Kuffners traten schliesslich der Aktion Gildemeester bei und verpflichteten sich 10 ihres Vermogens dem Fonds zur Verfugung zu stellen Weitere 10 sollten in einen Arisierungsfonds fliessen 15 der Gestapo abgetreten werden Nicht inbegriffen war in diesen Betragen die zu zahlende Reichsfluchtsteuer fur die Familien der Kuffners Die Abwicklung der Aktion Gildemeester BearbeitenDie Aufnahme in die Aktion Gildemeester verlief nach einem bestimmten Schema Judische Burger die auswandern wollten wandten sich zunachst an das Gildemeester Hilfsburo wo die Passbewerber zunachst an die Kanzlei Gallop spater an die Kanzlei Rajakowitsch verwiesen wurden Schon zuvor mussten die Ausreisewilligen sich bereit erklaren 10 ihres Vermogens an den Auswanderungsfonds abzugeben Danach wurde das Vermogen von der Bank in eine Inventarliste eingetragen die wesentlich detaillierter als jene der Vermogensverkehrsstelle war Neben dem Vermogen musste auch der finanzielle Bedarf bis zur und im Verlauf der Reise sowie allfallige Steuern bekanntgegeben werden Nach diesen Aufstellungen und der Bonitatsprufung durch die Bank wurde der Passbewerber sofern die Bank das Vermogen als ausreichend erachtete zur Unterschriftsleistung aufgefordert durch die er sein Vermogen treuhanderisch der Bank ubergab Weiters verpflichtete sich der Passbewerber 10 seines Vermogens an den Gildemeesterfonds abzufuhren Weitere 5 wurden an Verwaltungs und Durchfuhrungskosten verrechnet Hinzu kamen etwaige fremde Spesen Vom Erstantrag bis zur Aufnahme in den Fonds konnten mehrere Monate vergehen letztlich entschied jedoch die Gestapo uber die jeweilige Aufnahme Wurde die Aufnahme eines Passbewerbers von der Gestapo bestatigt so stand er in der Folge unter deren Schutz Die Verwaltung und Verwertung des Vermogens der Passbewerber oblag dabei ausschliesslich dem beauftragten Bankhaus und dessen Mitarbeitern Alle anderen Aufgaben wie die Befreiung von Inhaftierten Passen Visa Vorbereitung der Auswanderung etc besorgte das Hilfsburo Gildemeester Eine Teilnahme an der Gildemeester Aktion war jedoch nur fur Juden moglich die nicht Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde IKG waren Die Ende August 1938 errichtete Zentralstelle fur judische Auswanderung leitete schliesslich Glaubensjuden an die IKG oder das Palastina Amt weiter nichtglaubige Juden an die Aktion Gildemeester Im Herbst 1938 spannte Adolf Eichmann beide Organisationen schliesslich in der Bearbeitung der Auswanderungsgelegenheiten unter der Oberhoheit der Zentralstelle in Wien in der ehemaligen Villa der Familie Rothschild zusammen Mit den in den Fonds eingezahlten Budgetmitteln insbesondere der Passumlage wurden in der Folge Fahrtkostenzuschusse an mittellose Nichtglaubensjuden gegeben Insgesamt durften bis Januar 1939 mehr als 4000 Auswanderer Zuschusse erhalten haben im Durchschnitt etwa 120 RM pro Kopf Auch die zum Jahreswechsel 1938 39 durchgefuhrten Kindertransporte wurde teilweise aus dem Fondsvermogen gezahlt ebenso die Flucht nach Shanghai mittels Schiffen die der chinesische Konsul in Wien Ho Feng Shan chinesisch 何鳳山 何凤山 1901 1997 dadurch ermoglicht hat dass er gegen den Willen seines Vorgesetzten zahlreiche Visa nach China ausgestellt hat 2 Im Marz 1939 wurde der Gildemeester Fonds schliesslich aufgelost und in den Auswanderungsfonds Wien uberfuhrt Literatur BearbeitenTheodor Venus Alexandra Eileen Wenck Die Entziehung judischen Vermogens im Rahmen der Aktion Gildemeester Eine empirische Studie uber Organisation Form und Wandel von Arisierung und judische Auswanderung in Osterreich 1938 1941 Oldenbourg Wien u a 2004 ISBN 3 7029 0496 4 Veroffentlichungen der Osterreichischen Historikerkommission 20 2 Nationalsozialistische Institutionen des Vermogensentzuges 2 Einzelnachweise Bearbeiten Nach Theodor Venus Alexandra Eileen Wenck Die Entziehung judischen Vermogens im Rahmen der Aktion Gildemeester S 172 174 ist die Zahl 4280 nachweisbar fur den Zeitraum bis Januar 1939 die Verfasser halten bis zum Ende der Aktion weitere 2100 unterstutzte Personen fur wahrscheinlich Michael Andreas Frischler Little Vienna in Shanghai auf den Spuren von Melange und Wiener Schnitzel im Paris des Ostens Eine kultur und kommunikationswissenschaftliche Betrachtung Diplomarbeit Universitat Wien 2009 Digitalisat S 49 49 Abgerufen am 26 Juni 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aktion Gildemeester amp oldid 230114396