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Haʿavara Abkommen hebraisch ה ס כ ם ה ע ב ר ה Heskem Haʿavarah deutsch Abkommen der Ubertragung bzw Palastina Transfer auch Hoofien Abkommen nach Eliezer Sigfried Hoofien 1881 1957 dem damaligen Direktor der Anglo Palestine Bank war der Name einer am 25 August 1933 geschlossenen Vereinbarung die nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency der Zionistischen Vereinigung fur Deutschland und dem deutschen Reichsministerium fur Wirtschaft zustande kam Sie sollte die Emigration deutscher Juden nach Palastina erleichtern und gleichzeitig den deutschen Export fordern Sie war in der zionistischen Bewegung umstritten da sie gleichzeitig mit dem Beschluss des Abkommens im Jahr 1933 betriebenen Boykottmassnahmen gegen die Nationalsozialisten entgegenlief Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Durchfuhrung 3 Zeitgenossische Kritik und Rezeption 4 Rezeption 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDas Abkommen entstand ursprunglich aus einer Privatinitiative in Palastina Sam Cohen war Generaldirektor der Hanotea hebraisch ה נ ו ט ע HaNōṭeʿa deutsch der Baumpflanzer einer Gesellschaft zur Anlage von Citrusplantagen und schloss im Mai 1933 einen Vertrag mit dem Reichswirtschaftsministerium im Umfang von 1 Million Reichsmark ℛℳ das bald darauf auf drei Millionen ℛℳ erweitert wurde Ausreisewillige deutsche Juden konnten bis 40 000 ℛℳ auf ein Sperrkonto einzahlen und erhielten dafur den Gegenwert in Palastina Pfund P oder Sachwerten wie Hauser oder Citrusplantagen in Palastina Die Gelder des Sperrkontos verwendete die Hanotea fur den Import deutscher Waren nach Palastina 1 Das Reichswirtschaftsministerium ging davon aus dass dies von den zionistischen Organisationen gebilligt worden war dem widersprach aber bald darauf Georg Landauer von der Zionistischen Vereinigung fur Deutschland ZVfD und judische Organisationen in England und den USA drangten im Gegenteil auf einen Boykott Deutschlands Das anderte sich mit der zunehmend bedrohlichen Lage der Juden in Deutschland Man entwickelte einen Vorschlag des Leiters der politischen Abteilung der Jewish Agency for Palestine Chaim Arlosoroff an den deutschen Generalkonsul in Jerusalem Heinrich Wolff vom April 1933 weiter 2 Das war inzwischen von Pinchas Ruthenberg dem Grunder der Palestine Electric Company weiterentwickelt worden und wurde im Juli 1933 von Werner Senator der zionistischen Exekutive in London vertraulich mitgeteilt Vermogen von Juden in Deutschland sollte durch eine Treuhandgesellschaft aufgelost werden und uber eine Liquiditatsbank die von Aktionaren ausserhalb Deutschlands gegrundet werden sollte nach Palastina transferiert werden Der Treuhandfonds zahlte in die Bank ein die wiederum Schuldverschreibungen an Juden im Ausland ausgab die dafur auslandische Devisen erhielten Die deutsche Regierung sollte eine Transfergarantie fur Zinsen und Tilgungen der Schuldverschreibungen ubernehmen Als Ausgleich sollte die Bank aus dem zuruckgelassenen Vermogen der Auswanderer finanzierte deutsche Exporte in die neuen Heimatlander der judischen Auswanderer unterstutzen Im August 1933 kam es zu einem entscheidenden Treffen im Reichswirtschaftsministerium Von judischer Seite waren die Hanotea Sam Cohen Moses Nachnes Arthur Ruppin spater Leiter der deutschen Abteilung der Jewish Agency Eliezer Sigfried Hoofien von der Anglo Palestine Bank in Tel Aviv und die Vertreter der ZVfD Georg Landauer Siegfried Moses zugegen Man einigte sich zwar nicht auf die Grundung einer Liquiditatsbank aber einer Treuhandgesellschaft in Palastina die den Auswanderern das auf ein Reichsmark Sonderkonto der Anglo Palestine Bank und der Bank der Tempelgesellschaft bei der Reichsbank Eingezahlte in Palastina auszahlte und ausserdem den Absatz deutscher Exporte ubernahm Die Treuhandgesellschaft erhielt ausserdem ein De facto Monopol auf solche Vermogensubertragungen judischer Auswanderer nach Palastina Am 28 August 1933 wurde im Runderlass Nr 54 1933 des Reichswirtschaftsministeriums der Vertrag in Vollzug gesetzt Er erhielt den Namen Haʿavara hebraisch fur Ubertragung Die Treuhandgesellschaft in Palastina erhielt den Namen Trust and Transfer Office Haʿavara Ltd und stand unter Leitung von Werner Feilchenfeld In Deutschland entstand die Palastina Treuhandstelle zur Beratung deutscher Juden GmbH Paltreu unter Beteiligung der Banken M M Warburg amp CO Hamburg A E Wassermann Berlin und der Anglo Palestine Bank in Tel Aviv Verluste brachten Ausgleichszahlungen um die Exportpreise zu verbilligen die aufgrund der Nicht Abwertung der Reichsmark sonst zu hoch gewesen waren Ausserdem gab es ab 1937 Negativ Listen fur Waren mit hohem Anteil von Auslandsrohstoffen wofur ein Ausgleich gezahlt werden musste Weiter gab es in Palastina auf Druck von palastinensischen Arabern und der Tempelgesellschaft Positiv Listen die die eingefuhrten Waren auf solche einschrankten die in anderen Landern nur mit Exportforderung absetzbar waren Um dennoch mehr Waren abzusetzen grundete die Haʿavara eine Tochtergesellschaft NEMICO fur den Absatz von Waren in Agypten Mandats Syrien und dem Irak Auf Drangen des britischen Kolonialministeriums musste die Haʿavara in den Fallen in denen ein britisches Unternehmen Interesse bekundete von der Bewerbung um Auftrage absehen Innerhalb der internationalen zionistischen Bewegung stiess das Abkommen insbesondere in Amerika auf heftigen Widerstand Auf dem 19 Zionistenkongress in Luzern 1935 setzten sich die Befurworter der Haʿavara durch Allerdings wurden einige Einschrankungen beschlossen Begrenzung auf Palastina und die Aktien der Haʿavara wurden von der Anglo Palestine Bank auf die Jewish Agency ubertragen Durchfuhrung BearbeitenAm 5 November 1933 wurde die Trust and Transfer Office Haʿavara Ltd eingetragen quasi als privates Unternehmen Die Zionistische Weltorganisation billigte auf ihrer Konferenz am 20 August 1935 in Luzern mit Mehrheit den Haʿavara Abschluss und nahm sogar deren ganze Tatigkeit in eigene Regie Die britische Mandatsverwaltung Palastinas verlangte von den Einwanderungswilligen ein Einwanderungszertifikat Kapitalistenzertifikat und damit verbunden den Nachweis finanzieller Mittel so genanntes Vorzeigegeld in Hohe von 1 000 P pro Kopf was etwa 8 000 ℛℳ entsprach Nach den deutschen Devisenbestimmungen der Reichsfluchtsteuer beschlossen 1931 im Zuge der Weltwirtschaftskrise offiziell zur Eindammung von Kapitalflucht bzw Devisenspekulation ab 1933 aber instrumentalisiert um Vermogen auswandernder vor allem judischer Deutscher per Steuer zu konfiszieren 3 wurden von Auslandsuberweisungen hohe Abschlage einbehalten Das Haʿavara Abkommen ermoglichte den Betroffenen einen Teil ihres Vermogens nach Palastina zu transferieren wahrend ein bestimmter Prozentsatz des zu ubertragenden Vermogens als Reichsfluchtsteuer vom deutschen Fiskus einbehalten wurde Anfangs betrug dieser Steuersatz 25 er wurde im Zuge der verstarkten staatlich gelenkten Abpressung des Vermogens von Juden sukzessive erhoht Verglichen mit anderen Exillandern erhob der deutsche Fiskus auf Transfers nach Palastina einen geringeren Satz der Reichsfluchtsteuer Anders gesagt deutschen Fluchtlingen auf dem Weg nach Palastina knopfte der Fiskus beim Versuch zumindest Teile ihres Vermogen mitzuretten weniger Reichsfluchtsteuer ab als ihresgleichen bei der Flucht in andere Exillander Judische deutsche Auswanderer zahlten in Reichsmark eine Summe auf ein deutsches Konto des Transfer Office ein und beglichen parallel den darauf anfallenden Betrag an Reichsfluchtsteuer auf ein Konto des Fiskus Mit den Guthaben auf deutschen Konten des Transfer Office wurden deutschen Herstellern Guter bezahlt die dann nach Palastina exportiert wurden wahrend der Importeur dort den Gegenwert in Palastina Pfund auf ein Konto des Transfer Office in Palastina einzahlte Das palastinensische Currency Board hielt das Palastina Pfund bis Mai 1948 auf pari zum Pfund Sterling In anderen Fallen brachten Auswanderer die von ihnen durch das Transfer Office bezahlten und dann exportierten Maschinen als Beteiligung in palastinensische bestehende oder neu gegrundete Unternehmen ein und erhielten statt eines Pfundguthabens dann Anteile an diesen Unternehmen so entstanden viele neue Unternehmen in Palastina Diese Anteile wiederum konnte der kunftige Auswanderer sofern er die 1 000 P noch zusammenbringen musste um ein Kapitalistenzertifikat genanntes Einreisevisum fur Palastina erteilt zu bekommen durch beauftragte Treuhander an Investoren verkaufen die die Anteile in Pfund bezahlen konnten Auch diese Zahlungen gingen auf palastinensische Konten des Transfer Office Bei der Ankunft in Palastina erhielten die Auswanderer aus solchen Pfund Guthaben auf palastinensischen Konten des Transfer Office dann den in Deutschland gezahlten Transferbetrag in palastinensischen Pfund erstattet Wegen der strikten Zuteilung deutscher Deviseneinnahmen vorrangig fur Importe des deutschen Rustungsbedarfs mussten auch alle ubrigen Zahlungen zwischen Deutschland und Palastina uber Konten des Transfer Office laufen So bekamen nichtjudische Palastinadeutsche in Sarona oder Bir Salem von Jahr zu Jahr weniger Zitrusexporte bezahlt womit den deutschen Verbrauchern ihre so beliebten Jaffa Orangen zunehmend vorenthalten wurden wahrend zugleich die Reichsregierung weniger und weniger Palastina Pfund auf Konten des Transfer Office fur Spenden und laufende Zuschusse bewilligte die deutsche Organisationen 4 an ihre vielen karitativen Einrichtungen in Palastina 5 und fur Lohnzahlungen an dort tatige auslandsdeutsche Expats brauchten Entsprechend wurden auslandsdeutsche Fachkrafte ins Reich zuruckgesandt und das karitative Wirken mehr und mehr zuruckgefuhrt Der Vertrag wurde von etwa 50 000 bis 60 000 judischen Deutschen genutzt zum geschatzten Preis von 140 Millionen ℛℳ wurden Waren und Guter exportiert wodurch entsprechende Zahlungen der Importeure in Palastina Pfund zusammenkamen Ab 1937 blockierten die britischen Behorden wegen des arabischen Aufstands zunehmend die Ausfuhrung Mit Kriegsbeginn 1939 war der Devisentransfer obwohl bis 1941 formal zulassig nicht mehr moglich Zeitgenossische Kritik und Rezeption BearbeitenIn Palastina und im Ausland wurde das Abkommen einzelner judischer Organisationen mit dem NS Regime heftig kritisiert Auf dem 18 Zionistenkongress 1933 in Prag etwa bezeichnete der Schriftsteller Schalom Asch das Abkommen mit Hitlers Regime als Verrat am Weltjudentum Chaim Arlosoroff der damalige Verhandlungsfuhrer der Jewish Agency wurde wahrscheinlich deshalb im Juni 1933 Opfer eines Mordanschlags Rezeption BearbeitenHeute wird das Haʿavara Abkommen von Investigativjournalisten wie Edwin Black und Zionismuskritikern wie Lenni Brenner herangezogen um eine Interessengemeinschaft von Zionismus und Nationalsozialismus zu belegen Eine Gegenposition hierzu vertrat Alexander Scholch in seiner Studie Das Dritte Reich die zionistische Bewegung und der Palastina Konflikt 6 Siehe auch BearbeitenLeopold von Mildenstein The Transfer Agreement 1984 erschienenes Buch von Edwin Black Literatur Bearbeiten nbsp Edwin Black The Transfer Agreement The Dramatic Story Of The Pact Between The Third Reich And Jewish Palestine 25 Anniversary edition Auflage Dialog Press 2009 ISBN 978 0 914153 13 9 englisch Erstausgabe 1984 Avraham Barkai German Interests in the Haʿ avara Transfer Agreement 1933 1939 In Yearbook of the Leo Baeck Institute Band 35 1990 S 245 266 doi 10 1093 leobaeck 35 1 245 englisch Werner Feilchenfeld Dolf Michaelis Ludwig Pinner Haavara Transfer nach Palastina und Einwanderung deutscher Juden 1933 1939 Einleitung Siegfried Moses Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts Bd 26 Mohr Tubingen 1972 ISBN 3 16 833851 6 Tom Segev Die siebte Million Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1995 ISBN 3 498 06244 1 speziell S 31 ff Yfaat Weiss Haʿavara Abkommen In Dan Diner Hrsg Enzyklopadie judischer Geschichte und Kultur EJGK Band 2 Co Ha Metzler Stuttgart Weimar 2012 ISBN 978 3 476 02502 9 S 490 494 David Yisraeli The Third Reich and the Transfer Agreement In Journal of Contemporary History Band 6 Nr 2 1971 S 129 148 doi 10 1177 002200947100600207 englisch Weblinks BearbeitenAxel Meier Das Haavara Abkommen auf shoa de Ha avara Abkommen und der Boykott Deutscher ProdukteEinzelnachweise Bearbeiten Avraham Barkai Vom Boykott zur Entjudung Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933 1943 Fischer 1988 Fritz Kieffer Judenverfolgung in Deutschland eine innere Angelegenheit Internationale Reaktionen auf die Fluchtlingsproblematik 1933 1939 Stuttgart Franz Steiner Verlag 2002 S 79ff Avraham Barkai Vom Boykott zur Entjudung Fischer Taschenbuchverlag Frankfurt am Main 1987 S 111ff Diese waren z B der Jerusalemsverein Verein fur das Syrische Waisenhaus Verein vom Heiligen Lande und andere Diese waren z B das Diakonissenkrankenhaus Jerusalem das Galilaische Philistaische und Syrische Waisenhaus das Aussatzigenasyl Jesushilfe Talitha Kumi die Karmelmission das Auguste Viktoria Hospital oder deutsche Auslandsschulen wie jene in Sarona Alexander Scholch Das Dritte Reich die zionistische Bewegung und der Palastina Konflikt In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte Band 30 Nr 4 1982 S 646 674 ifz muenchen de PDF Normdaten Werk GND 4615795 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ha avara Abkommen amp oldid 235124782