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Das Einwanderungszertifikat war ein notwendiges Dokument fur judische Einwanderer die legal nach Palastina einwandern wollten nachdem der Volkerbund 1922 Grossbritannien das Mandat fur Palastina ubertragen hatte Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtlicher Hintergrund 2 Die Zertifizierungsarten 3 Quellen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichtlicher Hintergrund BearbeitenNach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Ende des Osmanischen Reiches wurde Grossbritannien vom Volkerbund das Mandat fur die ehemals zum osmanischen Reich gehorenden palastinensischen Gebiete ubertragen Obwohl zu den Mandatsbedingungen auch zahlte dass die Briten die Verwirklichung der Balfour Deklaration ermoglichen sollten in der sie am 2 November 1917 die Grundung einer nationalen Heimstatte fur das judische Volk versprochen hatten praktizierten sie keine Politik der offenen Grenzen sondern versuchten durch die Vergabe von Zertifikaten die Einwanderung zu steuern Sie taten das obwohl die Einwanderungszahlen relativ uberschaubar waren Weitere rund 35 000 Einwanderer uberwiegend aus Polen und Russland bzw der Sowjetunion bildeten zwischen 1919 und 1923 die dritte Alija die u a durch die Balfour Erklarung und den damit verbundenen Aufschwung fur das zionistische Projekt eines eigenen judischen Staates motiviert war Zwischen 1924 und 1931 kamen weitere 80 000 Juden wiederum primar aus der Sowjetunion und aus Polen 1 Zu einem ernsten Problem fur potentielle judische Einwanderer wurden die Einwanderungszertifkate ab dem Jahr 1933 Vor 1933 war der Zionismus eine Minderheitenbewegung die uberwiegend junge Leute anzog welche bereit waren sich den Herausforderungen zu stellen ein neues Leben mit vielen Entbehrungen in einem umkampften Land fern der Heimat aufzubauen Den meisten Juden die Europa verliessen waren die Aussichten fur eine Ansiedlung in Palastina zu unsicher Ihr Hauptziel war Nordamerika wohin fast drei Millionen auswanderten Die Situation andert sich als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen und Juden offen verfolgten Die USA wie auch viele andere Lander stellten nur eine beschrankte Zahl von Einreisevisa zur Verfugung nicht genug um den grossen Strom der Fluchtlinge aufzunehmen 2 An dieser Situation anderte sich auch nichts als in den Folgejahren die Repressionen gegenuber den im Deutschen Reich lebenden Juden immer bedrohlichere Formen annahmen Die Konferenz von Evian im Juni 1938 die vom amerikanischen Prasidenten Franklin D Roosevelt 1882 1945 einberufen worden war um uber Moglichkeiten zu beraten die Auswanderung von deutschen und osterreichischen Juden zu vereinfachen markierte einen Tiefpunkt Trotz der brutalen antisemitischen Ausschreitungen in Wien nur wenige Monate zuvor war keine der 32 Teilnehmernationen bereit mehr als einige wenige judische Fluchtlinge aufzunehmen Die bedrohliche Lage fur Juden in Osteuropa war nicht einmal Thema der Verhandlungen Viele osteuropaische Staaten insbesondere Polen verfolgten Mitte der 1930er Jahre eine antisemitische Politik und behandelten ihre judischen Burger als de facto staatenlos 3 Vor diesem Hintergrund entwickelte sich Palastina zwangslaufig zum wichtigsten Exilland fur judische Fluchtlinge aus Hitlers Machtbereich Sowohl aus dem Deutschen Reich als auch aus West und Mitteleuropa wanderten bis Ende 1938 uber 200 000 Juden nach Palastina ein 2 Sofern sie dies nicht illegal taten waren sie auf ein Zertifikat der britischen Mandatsregierung angewiesen Die Alija Bet die illegale Einwanderung war ein gefahrliches Unternehmen denn die Fluchtlingsschiffe konnten jederzeit von britischen Patrouillenbooten die die Kuste Palastinas bewachten entdeckt werden In nicht wenigen Fallen scheiterte der Versuch heimlich an Land zu gelangen und die Fluchtlinge wurden zuruckgeschickt oder interniert Mit ihrer restriktiven Immigrationspolitik reagierten die Briten auf den wachsenden Unmut mit dem die arabische Bevolkerung in Palastina der zunehmenden Zahl judischer Einwanderer begegnete 1936 brach ein bewaffneter Aufstand aus der sich in einer Serie von Gewaltakten gegen Juden und die britische Mandatsmacht bis 1939 hinzog Von Oktober 1939 bis April 1940 verhangten die Briten eine Einwanderungssperre Wahrend des Zweiten Weltkriegs kamen noch einmal ungefahr 80 000 Juden nach Palastina davon der uberwiegende Teil auf illegalem Wege 2 Der legale Weg der Einwanderung nach Palastina fuhrte uber eine Klassifizierung des Einwanderungswilligen aufgrund derer dann entschieden wurde ob ein und welches Zertifikat ihm erteilt wurde Die Zertifizierungsarten BearbeitenIm Mandatsvertrag war festgelegt worden dass die Jewish Agency und die Mandatsregierung uber die Formalitaten der judischen Einreise zu verhandeln hatten Als Ergebnis dieser Verhandlungen wurden zweimal jahrlich Quote bekanntgegeben die festlegten wie viele Menschen mit den unterschiedlichsten Klassifikationsmerkmalen nach Palastina einwandern durften 4 An diese Quoten wiederum die an den wirtschaftlichen und sozialen Bedurfnissen Palastinas ausgerichtet sein sollten waren die Palastina Amter der Ausreiselander gebunden In Deutschland war dies das Palastina Amt in Berlin das fur die Erteilung der Einwanderungszertifikate zustandig war Wer legal einwandern wollte musste seinen Antrag im Palastina Amt stellen wo der Antrag mit einer Registriernummer versehen wurde Nach einer arztlichen Untersuchung und einer ersten Prufung des Antrages von einer VorprufungsKommission wurde die endgultige Vergabe des entsprechenden Zertifikats von der Kleinen Palastina Amts Kommission vollzogen Das erteilte Zertifikat musste noch dem britischen Konsulat vorgelegt werden welches das Einreisevisum ausstellte 5 nbsp Berliner Gedenktafel am Haus Meinekestrasse 10 Berlin WilmersdorfBei der Zertifikatserteilung wurden die potentiellen Immigranten nach funf Hauptkategorien unterschieden 6 Kategorie A Personen mit eigenem Vermogen Zu dieser Gruppe zahlten a sogenannte Kapitalisten mit einem Eigenkapital von 1 000 Palastina Pfund davon mindestens 50 in bar der Rest in Finanz oder Sachvermogen Dieses Zertifikat das als Kapitalistenzertifikat bekannt war blieb als Einziges unquotiert 5 Kapitalistenzertifikate wurden zudem meist direkt von den britischen Konsulaten erteilt das Palastinaamt der Jewish Agency war gar nicht damit befasst Seine Hauptaufgabe war in diesem Zusammenhang vielmehr die Verteilung der Arbeiter Zertifikate 7 Diese Sonderstellung und seit August 1933 die Einbettung der Kapitalistenzertifikate in das Ha avara Abkommen gaben aber auch immer wieder Anlass zu heftiger Kritik die unter anderem in dem Vorwurf gipfelte durch dieses Zertifikat wurde vor allem einer auswanderungswilligen judischen Bourgeoisie ein Vorteil verschafft Scholch halt dem entgegen Von den 50000 deutschen Juden die von 1933 1939 in Palastina einwanderten kamen 20000 aufgrund von Kapitalisten Zertifikaten Dies war zwar ein hoher Anteil an der Gesamteinwanderung aus Deutschland im Vergleich zur Kapitalisten Einwanderung aus anderen Landern aber es handelte sich eben nicht nur um Kapitalisten Wahrend der spateren Debatte uber Aufrechterhaltung oder Beendigung des Transfers wurde 1937 fur eine Fortsetzung sogar ins Feld gefuhrt dass die Verbindung von Kapitalisten und Arbeiter Einwanderung in Palastina die Emigration unbemittelter Juden aus Deutschland fordere die von den Kapitalisten nachgezogen wurden Zumindest seit 1937 wurden Kapitalisten Zertifikate auch von Emigranten in Anspruch genommen die sich das notwendige Vorzeigegeld nur temporar beschaffen konnten 7 b Angehorige freier Berufe mit 500 Pfund Barvermogen soweit die wirtschaftliche Lage nach Ansicht des Immigration Department deren Einwanderung rechtfertigt c Handwerker mit mindestens 250 Pfund Barvermogen d Rentenempfanger mit einer Mindestrente von 4 Pfund monatlich e Personen die einen seltenen in Palastina wenig vertretenen Beruf ausuben und ein Mindestvermogen von 500 Pfund besitzen Kategorie B Personen mit gesichertem Lebensunterhalt a Waisenkinder unter 16 Jahren deren Lebensunterhalt durch offentliche Institutionen gesichert ist b Personen religioser Berufe c Studenten und Schuler deren Lebensunterhalt bis zur Berufsausubung gesichert ist Kategorie C Arbeiter zwischen 18 und 35 evt 45 Jahren sogenannte Arbeiterzertifikate Kategorie D Angeforderte Personen Fur diese nachfolgenden Gruppen mussten die Antrage in Palastina gestellt werden 5 a Ehefrauen Kinder und Eltern konnen Einwanderungserlaubnis erhalten wenn ihre sie anfordernden in Palastina lebenden Angehorigen nachweislich fur ihren Unterhalt sorgen konnen b Unternehmen konnen in Ausnahmefallen Spezialarbeiter anfordern Kategorie Jugendalija Fur Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren stand eine Anzahl Sonderzertifikate zur Verfugung die direkt von der Jewish Agency vergeben wurden 5 Unabhangig von dem oben erwahnten Streit uber das Kapitalistenzertifikat gab es bis 1933 innerjudische Auseinandersetzungen daruber wer uberhaupt in den Genuss eines Zertifikats kommen solle Das 1933 gebildete Zentralburo fur die Ansiedlung deutscher Juden innerhalb der Jewish Agency for Palestine schloss Antizionisten als Zertifikatsbewerber aus als Kandidaten fur die Alija Einwanderung wurden junge gesunde Leute mit einer gewissen Schulung in der Landwirtschaft oder in einem Handwerk bevorzugt sowie Personen mit einem gewissen Kapital die Bedurfnisse und Interessen Palastinas hatten Vorrang vor der Rettung von Juden jedenfalls bis 1938 7 Im Klartext hiess dies Wer sich als Jude nicht zum Zionismus bekannte der sollte nicht nach Palastina einwandern sondern sich irgendwo auf der Welt einen Zufluchtsort suchen Spatestens mit dem Scheitern der Konferenz von Evian war diese Ideologie in der Praxis nicht mehr aufrechtzuerhalten In den 1920er und fruhen 1930er Jahren hatten auswanderungswillige Juden kaum Probleme ein Einwanderungszertifikat fur Palastina zu bekommen da ihre Zahl relativ uberschaubar war Das anderte sich mit der Machtergreifung am 30 Januar 1933 und verstarkt noch nach dem Tag des Judenboykotts am 1 April 1933 Das Palastina Amt in Berlin sah sich uber Nacht einer nie gekannten Nachfrage gegenuber Im Gegensatz zu den Zwanziger und den fruhen Dreissiger Jahren kamen nun nicht mehr nur uberzeugte Zionisten zu den Beratungen sondern die Nachfrage nach Informationen uber die Moglichkeiten und Bedingungen einer Auswanderung nach Palastina zog sich quer durch alle judischen Bevolkerungsgruppen Als Reaktion auf die veranderte Lage grundete man innerhalb des Jahres 22 Zweigstellen so dass in jedem Land und jeder preussischen Provinz eine Anlaufstelle vorhanden war 5 Von den ab 1933 nach Palastina auswandernden deutschen Juden gehorten etwa 36 zur sogenannten Mittelstandseinwanderung die gemass der obengenannten Kategorie A das sogenannte Kapitalisten Zertifikat erhalten hatten Etwa 32 der Einwanderer waren Arbeiter uberwiegend jungere Menschen die sich zu einem grossen Teil in den Kollektivsiedlungen niederliessen Die ubrigen Einwanderer waren Jugendliche Familienangehorige Rentner Handwerker und Angehorige freier Berufe 2 Quellen BearbeitenText des Volkerbund Mandats vom 24 Juli 1922Literatur BearbeitenShlomo Erel Neue Wurzeln 50 Jahre Immigration deutschsprachiger Juden in Israel Bleicher Gerlingen 1983 ISBN 978 3 88350 601 2 Weblinks BearbeitenJan Schneider Historische Entwicklung der judischen Einwanderung Bundeszentrale fur politische Bildung 2008 Kim Wunschmann Palastina als Zufluchtsort der europaischen Juden bis 1945 Bundeszentrale fur politische Bildung 2014 Roland Paul Es war nie Auswanderung immer nur Flucht Palastina als Zufluchtsort der europaischen Juden bis 1945 in Alfred Kuby Hg Juden in der Provinz Neustadt a d Weinstrasse 1988 S 147 176 Alexander Scholch Das Dritte Reich die Zionistische Bewegung und der Palastina Konflikt In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte Jahrgang 30 Heft 4 1982 S 646 674 Maik Guneri Die judische Emigration nach Palastina 1933 1945 Open Publishing GmbH 1994 ISBN 978 3 638 98650 2 Tobias Brinkmann Judische Migration Europaische Geschichte Online Dezember 2010 Einzelnachweise Bearbeiten Jan Schneider Historische Entwicklung der judischen Einwanderung siehe Weblink Umfangreiches Zahlenmaterial uber die Einwanderung nach Palastina findet sich auch bei Shlomo Erel Neue Wurzeln 50 Jahre Immigration deutschsprachiger Juden in Israel S 51 ff a b c d Roland Paul Es war nie Auswanderung immer nur Flucht Palastina als Zufluchtsort der europaischen Juden bis 1945 siehe Weblink Zu den restriktiven Einwanderungsbestimmungen der verschiedenen Lander siehe auch die jeweiligen Landervorspanne im Artikel Schulen im Exil Tobias Brinkmann Judische Migration siehe Weblink Organisatorisch zustandig war hierfur das der Jewish Agency unterstellte Palastinamt mit seinem Sitz in Jaffa PALESTINE OFFICE a b c d e Maik Guneri Die judische Emigration nach Palastina 1933 1945 siehe Weblink Die nachfolgende Auflistung der Zertifikatskategorien folgt der Zusammenstellung von Roland Paul Es war nie Auswanderung immer nur Flucht Palastina als Zufluchtsort der europaischen Juden bis 1945 siehe Weblink Sie ist in ahnlicher Weise aber auch in anderen Publikationen zu finden so zum Beispiel bei Maik Guneri Die judische Emigration nach Palastina 1933 1945 siehe Weblink a b c Alexander Scholch Das Dritte Reich die Zionistische Bewegung und der Palastina Konflikt siehe Weblink Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Einwanderungszertifikat amp oldid 234978991