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Adele Dele Kurzweil 31 Janner 1925 in Graz 9 September 1942 in Auschwitz war ein osterreichisches Madchen judischer Abstammung das wahrend der Zeit des Nationalsozialismus im KZ Auschwitz ermordet wurde Bekanntheit erlangte sie ab 1990 durch einen Kofferfund am letzten Zufluchtsort ihrer Familie dem sudfranzosischen Auvillar Foto aus Adele Kurzweils Reisepass ausgestellt im September 1938 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Kindheit in Graz 1 2 Flucht und Ermordung 2 Der Koffer der Adele Kurzweil 2 1 Rezeption 3 Literatur 4 Weblinks 5 Anmerkung 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenKindheit in Graz Bearbeiten Adele Kurzweil kam 1925 in Graz als einziges Kind des judischstammigen sozialdemokratischen Rechtsanwalts Bruno Kurzweil und seiner judischen Ehefrau Gisela geb Trammer zur Welt Mutter und Tochter traten Mitte des Jahres 1926 aus der israelitischen Kultusgemeinde aus Die nach ihrer Grossmutter benannte Adele wuchs wohlbehutet im Haus Kirchengasse 15 heute Schrottergasse 7 im Stadtbezirk Geidorf auf Fotos aus den Jahren 1928 und 1929 zeigen sie mit gleichaltrigen Kindern im familieneigenen Garten in der Strauchergasse sowie im angrenzenden Klemenschitz Garten der von Zeitzeugen als Kinderparadies beschrieben wurde 1 A 1 Adele genannt Dele besuchte zunachst die Volksschule fur Madchen am Graben und danach bis 1938 das Oberlyzeum im Palais Khuenburg in der Sackstrasse 2 Obwohl die Familie Kurzweil mit der Durchsetzung der Nurnberger Gesetze zunehmend unter Druck geriet zeigen Eintrage in Adeles Stammbuch die anhaltende Sympathie ihrer Lehrer und Mitschuler 3 Die spatere Harvard Absolventin und Soziologin Hanna Papanek geb Kaiser 1927 2017 die Adele in Paris kennenlernte beschrieb sie als ruhig mehr in sich gekehrt 4 Flucht und Ermordung Bearbeiten nbsp Stolperstein in GrazAdeles Vater langjahriger Anwalt der Sozialdemokratischen Partei wurde im Juni 1938 ein Berufsverbot erteilt woraufhin die Familie das Land verliess Adele konnte das Schuljahr in Graz noch abschliessen ehe sie mit ihren Eltern uber die Schweiz nach Paris auswanderte Um Weihnachten 1938 grundete sich die Rote Falken Gruppe Freundschaft die innerhalb der Auslandsvertretung der osterreichischen Sozialdemokraten wochentliche Treffen abhielt Im folgenden Sommer verbrachte Adele einen Monat mit 13 anderen Kindern und Jugendlichen der Jahrgange 1924 bis 1930 in einer Jugendherberge in Le Plessis Robinson Wie sich Hanna Papanek spater erinnerte machten die Gruppenmitglieder Ausfluge in der Umgebung und lernten marxistische Theorien kennen Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Bruno Kurzweil vorubergehend in einem Lager in Meslay du Maine interniert und Adele in ein Fluchtlingsheim der Œuvre de secours aux enfants in Montmorency geschickt von wo aus sie die vierte Klasse des Lyzeums besuchte Mutter Gisela blieb allein in Paris zuruck und fuhrte einen regen Briefwechsel mit ihrer Tochter 5 6 Ab Februar 1940 beendete das Madchen seine Briefe mit den Satzen Obendrein nichts Neues bei uns aber viel in der Welt Trotzdem bin ich uberzeugt es wird alles gut werden 7 Wieder vereint folgte die Familie der sozialdemokratischen Auslandsvertretung in den Suden des Landes und liess sich in der Stadt Montauban als Fluchtlinge aus Paris registrieren Wahrend ihr Vater zahlreichen Parteifreunden mit Ausreisevisa zur Flucht in die USA und nach Mexiko verhalf empfing Adele am Bahnhof neuankommende Genossen 8 Mit dem Ziel der Endlosung der Judenfrage griffen die deutschen Behorden in Frankreich scharfer durch und spurten die Familie Kurzweil an ihrem Zufluchtsort auf Am 26 August 1942 wurden Bruno Gisela und Adele Kurzweil in Auvillar nahe Montauban zusammen mit 170 weiteren Personen verhaftet und im Camp de Septfonds festgesetzt Anfang September erfolgte der Weitertransport in das Sammellager Drancy Mit Transport Nummer 30 wurde die Familie am 9 September nach Auschwitz deportiert und sofort nach der Ankunft ermordet 9 Der Koffer der Adele Kurzweil Bearbeiten nbsp Einer der Koffer im Museum fur Geschichte in Graz 2019 1990 entdeckte und inventarisierte ein Geschichtsstudent der Universite Toulouse Jean Jaures auf der Polizeistation von Auvillar mehrere versiegelte Kabinenkoffer sowie verschiedene andere Gegenstande darunter Mobelstucke und einen Schrankkoffer In den Koffern befanden sich neben Reisepassen und anderen Dokumenten Alltagsgegenstande wie Handtucher und Zahnbursten Die Objekte waren nach Kriegsende jahrzehntelang in einem Magazin im Gemeindeamt eingelagert gewesen Anhand der Dokumente konnten die ortlichen Historiker Pascal Caila und Jacques Latu die Lebensgeschichte der Familie Kurzweil weitgehend rekonstruieren 10 Alle Schriftstucke wurden dem Musee de la resistance et de la deportation Museum des Widerstands und der Deportation in Montauban zwischen 1940 und 1942 letzter Wohnort der Familie zur Aufbewahrung ubergeben Aufbauend auf dem Kofferfund initiierte eine Geschichtslehrerin am Montaubaner Lycee Michelet 1994 eine Projektarbeit zum Thema Holocaust und Verfolgung von Minderheiten Ihre Klasse gestaltete eine Ausstellung mit Adele im Mittelpunkt und veranlasste die Benennung des Schulhofs nach dem Madchen wofur sie mit dem Prix Corrin der Sorbonne ausgezeichnet wurde 11 In der Folge kam es zu einer Zusammenarbeit mit Grazer Jugendlichen die im Oktober 2000 mit einer Projektarbeit zum Thema Flucht und Migration wahrend der NS Zeit begannen In Kooperation mit der ARGE Jugend fuhrten die Schuler Bibliotheks und Archivrecherchen sowie Gesprache mit Zeitzeugen und Politikern durch Als Ergebnis entstand eine Ausstellung in der Grazer Synagoge die im November 2001 eroffnet und im ersten Monat von 2000 Menschen besucht wurde Aufgrund des regen Besucherinteresses wurde die Ausstellung exportiert und unter anderem vom ESRA und wahrend einer Tagung in Berlin gezeigt 12 13 Im Janner 2018 ubernahm das Grazer Museum fur Geschichte eine Ausstellung mit dem Titel Bertl amp Adele Zwei Grazer Kinder im Holocaust aus dem Haus der Namen die sich neben Adele Kurzweil dem Holocaustuberlebenden Berthold Kaufmann widmet 14 Der Padagoge Peter Gstettner mass dem Kofferfund die Bedeutung eines kulturellen Relikts bei das Einblick in den personlichen Kontext der Flucht gewahre und so einen Beitrag zur Stutzung des kollektiven Gedachtnisses leiste Anders als etwa das Tagebuch der Anne Frank trugen die Koffer als Fundstucke jedoch Elemente der Flucht bzw der Todestransporte in sich Laut Gstettner ermoglichen Relikte wie diese eine padagogisch wertvolle emotionale und personalisierte Annaherung an die Verbrechen des Nationalsozialismus 15 Rezeption Bearbeiten Das Schicksal der Adele Kurzweil diente in den Jahren nach seiner historischen Aufarbeitung mehrfach als Vorlage fur kunstlerische Werke Der Autor Manfred Theisen widmete Adele 2009 einen Roman mit dem Titel Der Koffer der Adele Kurzweil in dem er den realen Hintergrund des Madchens mit einer fiktiven Rahmenhandlung verknupft Die Prasidentin des Vereins fur Holocaustgedenken und Toleranzforderung Ruth Kaufmann zeichnete Adele Kurzweils Lebensgeschichte 2018 in Form eines Tagebuchs nach Schuler des BG BRG Leoben inszenierten 2004 anlasslich der Enthullung eines Todesmarsch Mahnmals am Prabichl ein 30 minutiges Theaterstuck rund um das ungarische Madchen Judita Hruza in das sie auch Elemente der Flucht Adele Kurzweils einfliessen liessen 16 Manfred Theisen und Thilo Reffert adaptierten Theisens Roman ebenfalls fur ein Buhnenstuck das am 24 Janner 2020 am Grazer Kinder und Jugendtheater Next Liberty uraufgefuhrt wurde 17 Im Andenken an Adele Kurzweil wurde am 4 Juli 2014 ein Stolperstein an ihrer Grazer Wohnadresse heute Schrottergasse 7 verlegt Literatur BearbeitenChristian Ehetreiber Heimo Halbrainer Bettina Ramp Hrsg mit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus Der Koffer der Adele Kurzweil Auf den Spuren einer Grazer judischen Familie in der Emigration CLIO Graz 2001 ISBN 3 9500971 2 0 Christian Ehetreiber Bettina Ramp Sarah Ulrych Hrsg und Adele Kurzweil und Fluchtgeschichte n 1938 bis 2008 CLIO Graz 2009 ISBN 978 3 902542 19 9 Ruth Kaufmann Im Netz der Ameisenspinne Adeles Tagebuch Createspace Independent Publishing Platform 2018 ISBN 978 1 72974 547 2 Manfred Theisen Der Koffer der Adele Kurzweil Roman Sauerlander Aarau 2009 ISBN 978 3 7941 8089 9 Adele Kurzweil Auschwitz das Ende einer Flucht In Heimo Halbrainer Gerald Lamprecht Nationalsozialismus in der Steiermark Opfer Tater Gegner Studien Verlag Innsbruck 2015 Nationalsozialismus in den osterreichischen Bundeslandern 4 ISBN 978 3 7065 4872 4 S 249 252 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Adele Kurzweil Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ausfuhrliche Biografie beim Verein fur GedenkkulturAnmerkung Bearbeiten Der biographische Text von Heimo Halbrainer stutzt sich auf verschiedene Akte aus dem Nachlass von Muriel Morris Buttinger Diese sind im Dokumentationsarchiv des osterreichischen Widerstandes unter den Nummern 18 882 18 884 und 18 886 archiviert Weitere Quellen waren das Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Graz sowie Dokumente der Familie Kurzweil die sich in den Koffern befanden und im Musee de la resistance et de la deportation in Montauban archiviert wurden Einzelnachweise Bearbeiten Heimo Halbrainer Graz Paris Montauban Auschwitz Stationen eines kurzen Lebens Biographische Skizzen zur Familie Bruno Gisela und Adele Kurzweil In Christian Ehetreiber Heimo Halbrainer Bettina Ramp Hrsg mit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus Der Koffer der Adele Kurzweil Auf den Spuren einer Grazer judischen Familie in der Emigration CLIO Graz 2001 ISBN 3 9500971 2 0 S 26 f Heimo Halbrainer 2001 S 28 Heimo Halbrainer 2001 S 30 Heimo Halbrainer Die gescheiterte Flucht der Adele Kurzweil und ihrer Familie In Christian Ehetreiber Bettina Rampm Sarah Ulrych Hrsg und Adele Kurzweil und Fluchtgeschichte n 1938 bis 2008 CLIO Graz 2009 ISBN 978 3 902542 19 9 S 56 f Heimo Halbrainer 2001 S 33 Hanna Papanek Die unentbehrliche unertragliche Forschung In Christian Ehetreiber Heimo Halbrainer Bettina Ramp Hrsg mit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus Der Koffer der Adele Kurzweil Auf den Spuren einer Grazer judischen Familie in der Emigration CLIO Graz 2001 ISBN 3 9500971 2 0 S 42 ff Julian Ausserhofer Birgit Stoiser Tanja Rumpold Elena Teibenbacher Die osterreichische Emigration in Frankreich In Christian Ehetreiber Heimo Halbrainer Bettina Ramp Hrsg mit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus Der Koffer der Adele Kurzweil Auf den Spuren einer Grazer judischen Familie in der Emigration CLIO Graz 2001 ISBN 3 9500971 2 0 S 92 Hanna Papanek S 48 Heimo Halbrainer 2001 S 37 Bettina Ramp Sarah Ulrych Der Jugend ein Gedachtnis geben Das Projekt Der Koffer der Adele Kurzweil In Christian Ehetreiber Bettina Ramp Sarah Ulrych Hrsg und Adele Kurzweil und Fluchtgeschichte n 1938 bis 2008 CLIO Graz 2009 ISBN 978 3 902542 19 9 S 65 Bettina Ramp Sarah Ulrych S 66 Bettina Ramp Sarah Ulrych S 67 ff Der Koffer der Adele Kurzweil In Der Standard 7 November 2001 abgerufen am 15 September 2020 Bertl amp Adele Zwei Grazer Kinder im Holocaust Universalmuseum Joanneum abgerufen am 15 September 2020 Peter Gstettner Ein Koffer voller Geschichten Zur Aktualitat von biografischen Relikten aus der NS Zeit Die sparlichen Spuren der Kinder In Christian Ehetreiber Bettina Ramp Sarah Ulrych Hrsg und Adele Kurzweil und Fluchtgeschichte n 1938 bis 2008 CLIO Graz 2009 ISBN 978 3 902542 19 9 S 93 ff Bettina Ramp Sarah Ulrych S 72 ff Der Koffer der Adele Kurzweil Next Liberty abgerufen am 15 September 2020 Normdaten Person GND 1154497518 lobid OGND AKS LCCN nb2003059121 VIAF 9357830 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Kurzweil AdeleALTERNATIVNAMEN Kurzweil Dele Spitzname KURZBESCHREIBUNG osterreichisches judisches Madchen HolocaustopferGEBURTSDATUM 31 Januar 1925GEBURTSORT GrazSTERBEDATUM 9 September 1942STERBEORT Auschwitz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Adele Kurzweil amp oldid 231071035