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Die 8 Klavierstucke op 76 von Johannes Brahms umfassen je vier Capriccios und Intermezzi Mit der im Februar 1879 veroffentlichten Sammlung von Charakterstucken trat Brahms nach langer Zeit wieder mit einem Werk fur das Soloklavier hervor das am 29 Oktober 1879 von Hans von Bulow in Berlin uraufgefuhrt wurde Wahrend er das erste Capriccio bereits 1871 komponiert hatte schrieb er die restlichen Stucke 1878 in Portschach am Worther See Johannes BrahmsDie Sammlung die ursprunglich auf zwei Hefte verteilt war zeigt den Einfluss von Robert Schumann und Frederic Chopin deren Gesamtausgaben bei Breitkopf amp Hartel Brahms zu dieser Zeit betreute In verdichteter Form weisen die meist dreiteiligen Stucke bereits auf den verinnerlichten Spatstil der Opera 116 bis 119 hin zu dessen Merkmalen der vielschichtige Klaviersatz die Chromatik und rhythmische Raffinessen gehoren Inhaltsverzeichnis 1 Zur Musik 2 Entstehung 3 Einfluss und Titelwahl 4 Literatur 5 EinzelnachweiseZur Musik BearbeitenDie beiden Formen unterscheiden sich hinsichtlich der Tempi und Vortragsbezeichnungen der Dynamik und des Charakters deutlich voneinander Bevorzugen die Capriccios das rasche Tempo und geben sich energisch erregt und bisweilen leidenschaftlich sind die Intermezzi langsamer und von eher verhaltenem Ausdruck 1 Ubersicht Capriccio fis Moll 6 8 Un poco agitato Unruhig bewegt Capriccio h Moll 2 4 Allegretto non troppo Intermezzo As Dur alle breve Grazioso Anmutig ausdrucksvoll Intermezzo B Dur 2 4 Allegretto grazioso Capriccio cis Moll 6 8 Agitato ma non troppo presto Sehr aufgeregt doch nicht zu schnell Intermezzo A Dur 2 4 Andante con moto Sanft bewegt Intermezzo a Moll alla breve Moderato semplice Capriccio C Dur 6 4 Grazioso ed un poco vivace Anmutig lebhaft In dem balladenartigen ersten Capriccio weben die sich ablosenden Hande einen unruhig bis bedrohlich wirkenden Klangteppich aus fliessenden Sechzehnteln der sich wellenartig aufbaumt und in einen strahlenden Cis Dur Wirbel mundet Ab Takt 14 beginnt eine wehmutige Kantilene die an die vierte Ballade op 10 erinnert und bei der die Begleitung die fliessende Bewegung beibehalt Es kommt zu polyrhythmischen Verschrankungen und Passagen die sich bereits in Takt 9 uber sechs Oktaven erstrecken 2 Das zweite Stuck ist das wohl popularste und eingangigste der Sammlung Mit seiner ungarisch gestimmten Motivik und dem nahezu durchgehenden auch die Begleitung betreffenden Staccato bildet es einen Stimmungskontrast zum Pathos des Vorgangers Aus der absteigenden chromatischen Linie des Basses entwickelt Brahms zudem einen Kontrapunkt und liefert Material fur weitere Verwicklungen so findet sich das Motiv zum Ende des Stuckes in der Oberstimme wieder 3 Mit der absteigenden chromatischen Linie des Basses entwickelt Brahms zudem einen Kontrapunkt und liefert Material fur weitere Verwicklungen 4 indem das Motiv sich zum Ende des Stuckes in der Oberstimme wiederfindet Das erste Intermezzo der Sammlung hebt sich vom burlesken Treiben des Vorgangerstuckes ab und bildet so einen lyrischen Gegenpol 5 Die Bezeichnung grazioso die Brahms auch fur das folgende Stuck verwendet weist auf eine das Werk durchziehende verhaltene Wehmut Ein funftaktiges absteigendes Thema entfaltet sich uber einer pizzicato und lautenartigen Achtel Begleitung eine Technik die Brahms im Mittelteil seiner spaten Rhapsodie aus den Klavierstucken op 119 wieder aufnehmen wird Die synkopierte Entwicklung der stellenweise arpeggierten Melodie enthebt das Stuck jeder Gefalligkeit und fuhrt zu einer dezenten Innenspannung 6 Die schumanneske Melodie des dreiteiligen B Dur Intermezzos geht mit der Tonfolge es a h d e auf die zentrale Chiffre A Es C H bzw As C H aus dem poetischen Tanzzyklus Carnaval zuruck Die geloste melodische Linie verdunkelt sich ab Takt 12 und geht in eine nervose fur Brahms Klaviersatz typische Terzen und Sexten Passage in g Moll uber In dem melancholischen stellenweise polyphonen durchfuhrungsartigen Mittelteil kombiniert Brahms mehrere Stimmen zu einer Folge von Nonen und Septimen 7 Das folgende cis Moll Capriccio ist rondoartig und uberrascht mit seinen dramatischen Zugen und der massigen Klangsubstanz Die rechte Hand spielt eine diatonisch in Vierteln aufsteigende Melodie und eine chromatische Achtel Figur wodurch es zu einer Parallelbewegung von Sexten kommt 8 Wahrend die Melodie sich im Takt bewegt folgt die Bass Begleitung dem vorgegebenen 6 8 Takt und fuhrt so erneut zu polyrhythmische Effekten Die dynamisch und agogisch sich aufschwingende knappe Coda nimmt mit ihren Akkordballungen das Pathos und den Klaviersatz Sergei Rachmaninows vorweg wie man bereits in dem beruhmten cis Moll Prelude erkennen kann 9 Das wellenartig fliessende sechste Intermezzo wird durch einen das ganze Stuck durchziehenden Konflikt zwischen Triolen und Duolen Bewegung bestimmt 10 Mit seiner weit geschwungenen Melodie nimmt der schwarmerische Mittelteil in fis Moll auch rhythmisch und harmonisch den des spateren zweiten Intermezzos in A Dur Andante teneramente aus op 118 vorweg In der kurzen Coda ab Takt 83 lasst Brahms diese Melodie nun in Dur wieder erklingen und bereichert sie uber arpeggierte Akkorde mit einer innigen und entruckenden Harmonik 11 Das Intermezzo Nr 7 hebt im erzahlenden Gestus an und erinnert an den dusteren Beginn der ersten Ballade in d Moll aus dem Zyklus op 10 wahrend seine schlichte Melodie im Volkston an das Nocturne f Moll op 55 von Chopin denken lasst Mit einem lebhaften vergleichsweise hellen Capriccio in C Dur beschliesst Brahms seine Sammlung Das synkopische Thema variiert motivisches Material des vorhergehenden Stuckes Die fliessenden Achtelbewegungen beider Hande gehen im Mittelteil in eine Kette von Akkorden der rechten Hand uber Im weiteren Verlauf uberraschen harmonische Spannungen etwa in Takt 48 und die agogische Entwicklung der Coda ab Takt 61 Entstehung BearbeitenDie Klavierstucke erschienen erst nachdem Brahms uber einen langeren Zeitraum keine eigenstandigen Soloklavierwerke mehr geschrieben hatte Nach den 1866 veroffentlichten Paganini Variationen den von ihn sehr geschatzten Walzern fur Klavier zu vier Handen op 39 und dem ersten Teil der zunachst ebenfalls fur vier Hande geschriebenen Ungarischen Tanze kam es zu einer langen Publikationspause auf diesem Felde die erst 1879 endete Fur Andrea Bonatta zeigt dies wie schwer es Brahms fiel nach den pianistischen Erkundungen der virtuosen Handel und Paganini Variationen neue Ausdrucksmoglichkeiten zu finden 12 Fur den Pianisten Kammermusiker und begabten Vom Blatt Spieler bedeutete diese Phase nicht dass er ganzlich auf das Klavier verzichtete hatte Neben den Walzern und Ungarischen Tanzen schrieb er in dieser Zeit noch die Sonate fur Klavier und Violoncello op 38 die Liebesliederwalzer op 52 die Fassung fur zwei Klaviere seiner Haydn Variationen op 56b das Klavierquartett Nr 3 c Moll op 60 und die Neuen Liebeslieder op 65 1878 begann er zudem an seinem sinfonischen zweiten Klavierkonzert in B Dur zu arbeiten das Klavier spielt somit fur die Kammer und spater konzertante Musik eine wichtige Rolle 13 Einfluss und Titelwahl Bearbeiten nbsp Robert Schumann Zeichnung von Adolph MenzelDie Sammlung lasst historische Vorbilder erkennen mit denen Brahms sich in jener Zeit auch im Rahmen seiner organisatorischen und philologischen Tatigkeiten beschaftigte So orientiert sich das zweite recht populare h Moll Capriccio in Tonart Rhythmus und Charakter am zwolften Stuck der Davidsbundlertanze und paraphrasiert den Beginn des Vorbildes 14 Wahrend Theodor Billroth in dem balladesken siebten Stuck einen fast absichtlich erscheinenden Schumannschen Charakter zu erkennen glaubte und es fur ihn die Erinnerung an Schumanns erste Periode verkorperte 15 wies bereits Max Kalbeck darauf hin dass es sich an dem f Moll Nocturne von Chopin orientiert Constantin Floros zeigt demgegenuber die motivische Nahe zum ersten Stuck aus Schumanns Klavierzyklus Kinderszenen dessen Aufbauschema sich in ihm ebenfalls wiederfindet 16 Neben dem von Kalbeck beschriebenen Einfluss von Schumann und Chopin auf op 76 ruckt auch die generelle Bedeutung von Francois Couperins Klaviermusik auf die kompositorische Entwicklung von Brahms ins Blickfeld der Forschung Er hatte dessen Pieces de Clavecin Livres I II im Rahmen der von Friedrich Chrysander geleiteten Denkmaler der Tonkunst herausgegeben und sich spater zunehmend fur Couperin interessiert 17 Brahms wusste zunachst nicht wie er die einzelnen Stucke benennen sollte und schrieb an seinen Verleger Fritz Simrock Wissen Sie einen Titel Aus aller Herren Lander ware der aufrichtigste Kirchneriana der lustigste fallt ihnen einer ein Kapricen und Intermezzi oder Phantasien ware das Richtige wenn es der verschiedenen Endungen wegen ginge 18 Der erste Vorschlag war wohl selbstironisch gemeint und bezieht sich moglicherweise auf das Stuck Von fremden Landern und Menschen mit dem Schumann seine Kinderszenen einleitet Gegenuber Simrock gestand Brahms uber die Titel eigentlich gar nicht im klaren zu sein Vor der Druckversion der spateren Klavierstucke op 118 und 119 schwankte er zwischen den Bezeichnungen Fantasien und Klavierstucke Simrock versuchte ihn zu uberreden einen sprechenden Gesamttitel zu wahlen worauf Brahms ablehnend reagierte Monologe oder Improvisationen konne er leider diesmal durchaus nicht sagen Es bleibt wohl nichts ubrig als Klavierstucke 19 Wie Katrin Eich erlautert wollte Brahms mit der relativen Neutralitat der Titel eine zu starke Poetisierung und Assoziationsbildung seiner Musik vermeiden 20 Literatur BearbeitenAndrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 189 215 Katrin Eich Die Klavierwerke Klavierstucke II in Brahms Handbuch Hrsg Wolfgang Sandberger Metzler Weimar 2009 ISBN 978 3 476 02233 2 S 358 362 Constantin Floros Studien zu Brahms Klaviermusik Schumannsche Modelle und Techniken bei Brahms In Brahms Studien Band 5 Johannes Brahms Gesellschaft Hamburg 1983 S 31 46Einzelnachweise Bearbeiten Constantin Floros Studien zu Brahms Klaviermusik Schumannsche Modelle und Techniken bei Brahms In Brahms Studien Band 5 Johannes Brahms Gesellschaft Hamburg 1983 S 36 37 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 193 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 196 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 196 Johannes Brahms 8 Klavierstucke op 76 In Harenberg Klaviermusikfuhrer 600 Werke vom Barock bis zur Gegenwart Meyers Mannheim 2004 S 206 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 201 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 203 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 204 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 207 Johannes Brahms 8 Klavierstucke op 76 In Harenberg Klaviermusikfuhrer 600 Werke vom Barock bis zur Gegenwart Meyers Mannheim 2004 S 207 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 207 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 191 Andrea Bonatta Johannes Brahms Das Klavierwerk StudienVerlag Innsbruck Wien 1998 S 190 Constantin Floros Studien zu Brahms Klaviermusik Schumannsche Modelle und Techniken bei Brahms In Brahms Studien Band 5 Johannes Brahms Gesellschaft Hamburg 1983 S 33 Zit nach Floros Studien zu Brahms Klaviermusik Schumannsche Modelle und Techniken bei Brahms In Brahms Studien Band 5 Johannes Brahms Gesellschaft Hamburg 1983 S 33 Constantin Floros Studien zu Brahms Klaviermusik Schumannsche Modelle und Techniken bei Brahms In Brahms Studien Band 5 Johannes Brahms Gesellschaft Hamburg 1983 S 34 Katrin Eich Die Klavierwerke Klavierstucke II In Wolfgang Sandberger Hrsg Brahms Handbuch Metzler Weimar 2009 S 361 Zit nach Constantin Floros Studien zu Brahms Klaviermusik Schumannsche Modelle und Techniken bei Brahms In Brahms Studien Band 5 Johannes Brahms Gesellschaft Hamburg 1983 S 34 Zit nach Katrin Eich Die Klavierwerke Klavierstucke II In Wolfgang Sandberger Hrsg Brahms Handbuch Metzler Weimar 2009 S 361 Katrin Eich Die Klavierwerke Klavierstucke II In Wolfgang Sandberger Hrsg Brahms Handbuch Metzler Weimar 2009 S 361 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Acht Klavierstucke op 76 amp oldid 227629482