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Johann Sebastian Bachs sechstes Brandenburgisches Konzert BWV 1051 ist nicht nur mit zwei Bratschen und einem Violoncello als Soloinstrumenten sehr ungewohnlich besetzt noch auffalliger ist dass diesen Instrumenten nicht etwa ein volles Streichorchester sondern nur drei Mitglieder der Gambenfamilie und Basso continuo gegenuberstehen Das Werk ist das letzte in einer Sammlung von sechs Konzerten die Bach im Marz 1721 unter dem Titel Six Concerts avec plusieurs instruments an den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg Schwedt sandte Bach stellte diese Partitur aus bereits vorher komponierten Werken zusammen Inhaltsverzeichnis 1 Besetzung 2 Entstehung 3 Musik 3 1 Erster Satz 3 2 Zweiter Satz 3 3 Dritter Satz 4 Nachwirkung 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseBesetzung BearbeitenDie eingangs erwahnten Solisten werden von zwei sicher solistisch zu spielenden Altgamben sowie Violone und Basso continuo begleitet in Reihenfolge der Partitur Zwei Violen solo Zwei Violen da gamba Violoncello solo Violone Basso continuo Cembalo Entstehung BearbeitenAndere Fassungen dieser Komposition sind nicht erhalten da die beiden Violen da gamba nur unwesentliche Fullstimmen haben und im Mittelsatz ganz schweigen ist vermutet worden dass sie erst spater hinzugesetzt wurden wobei an einigen Stellen auch kleine satztechnische Fehler entstanden Mithin wurde es sich ursprunglich um eine Triosonate fur zwei Bratschen und Continuo gehandelt haben Diese recht naheliegende These ist aber nicht durch Quellen gestutzt sie wirft im zweiten Satz die Frage auf welche der Bassstimmen denn die ursprungliche war und auch die Anlage des Ritornells im Schlusssatz mit den Oberstimmen unisono und geteilten Mittelstimmen ist so nicht plausibel Da der Schlusssatz von einigen Instrumenten andere Tonumfange verlangt konnte man hier eine unabhangige Entstehung von den beiden anderen Satzen postulieren 1 Wegen des schon zu Bachs Zeiten historischen Instrumentariums ist oft vermutet worden dass es sich um das alteste Werk der Sammlung handelt Eine andere Erklarung fur die Besetzung wurde ursprunglich von Friedrich Smend 2 vorgebracht Der Furst Leopold von Anhalt Kothen Bachs Arbeitgeber habe sich als Gambist mit einer einfachen Partie an gemeinsamer Kammermusik beteiligen wollen Nach seinem Nachlass zu urteilen war dieser aber vor allem Geiger und Cembalist und die Gambenpartie ist sicher auch zu unbedeutend um sie seinem Fursten anzubieten Auch durfen die hier eingesetzten Altgamben 1 nicht mit den Bassgamben verwechselt werden deren Spiel in aristokratischen Kreisen im 18 Jahrhundert Mode war siehe Artikel Gambe Gewisse Parallelen zum ersten Satz von Tomaso Albinonis Konzert op 7 Nr 8 das 1715 veroffentlicht wurde fuhrten zu entsprechender Datierung nach diesem Zeitpunkt 3 Ohne sich konkret nur auf dieses Konzert zu beziehen erkennt man heute Albinonis Kompositionstechniken im entwickelten Verhaltnis von Ritornell und Soloepisode Die horbare Auflosung oder Abstraktion von deren Gegensatzen aber zahlt zu den charakteristischen Merkmalen von Bachs Konzertform um 1719 4 damit ware das Werk Bachs Kothener Zeit zuzurechnen und erst nach dem heute so modern anmutenden Funften Brandenburgischen Konzert entstanden Musik BearbeitenDas Werk folgt der Form einer italienischen Ouverture aus Konzertsatz langsamem Mittelsatz und stilisiertem Tanz Allegro B Dur Adagio ma non tanto 3 2 Es Dur g Moll Allegro 12 8 B DurDer durch den Verzicht auf Violinen auffallig dunkle Gesamtklang die Verwendung der oft mit der Aristokratie assoziierten Gamben und einige seltsam altmodische harmonische Wendungen lassen heutige Horer besonders im ersten und zweiten Satz an Consort Musik denken Andererseits wecken die Ecksatze deutliche Assoziationen an bauerliche Tanzmusik 5 was die Vielschichtigkeit dieses Konzertes unterstreicht Erster Satz Bearbeiten Der Gesamteindruck des ersten Satzes ist stark durch das fur heutige Begriffe sehr ungewohnliche Tutti Ritornell gepragt Es besteht aus einem eng gefuhrten Kanon der beiden Violen Etwas Vergleichbares hat Bach nur im Schlusssatz des Konzerts fur zwei Violinen geschrieben bei den italienischen Komponisten kommt dergleichen aber durchaus vor Die anderen Instrumente unterstutzen mit pulsierenden Achteln offensichtlich hat die harmonische Entwicklung klares Primat vor melodisch motivischen Vorgangen Dieses Ritornell tritt in der Folge noch viermal in stark gekurzter Form auf ehe es am Schluss vollstandig den Satz abschliesst Dazwischen sorgen funf Episoden fur die Modulation und fuhren eigenes motivisch deutlicher ausgeformtes Material ein Bereits die erste Episode besteht aus zwei klar unterscheidbaren Abschnitten deren Motive auch in den folgenden Episoden aufgegriffen werden Hier erhalten auch die Gamben Gelegenheit kurz mit dem Themenkopf hervorzutreten Zweiter Satz Bearbeiten Der langsame Satz verzichtet auf die Gamben setzt aber im Bass ein ungewohnliches satztechnisches Mittel ein Wahrend Violone und Continuo sich meist in Halben fortbewegen verziert das Violoncello diese Line durch eingefugte Zwischentone spielt also Viertel wodurch viele dissonante Reibungen in tiefer Lage entstehen Der Satz ist deutlich zweiteilig der erste Teil steht in Es Dur und stellt eine Passacaglia dar gegliedert durch ein elftaktiges Bassthema uber dem die Bratschen ein viertaktiges Thema entwickeln das wie bei einer Fuge in der Quint beantwortet und dann jeweils in freier Fortspinnung zu Ende gefuhrt wird Im zweiten Teil greift zunachst das Continuo das Thema auf Dreimal setzen die Instrumente in verschiedenen Lagen an erst beim dritten Mal erklingt das Thema vollstandig Nach einem kurzen Aufgreifen des Anfangsteils folgt ein Trugschluss und eine Coda mit zwei kadenzartigen Einschuben des Cellos Dissonanzen chromatische Durchgange und verminderte Akkorde sorgen fur einen schmerzlichen Ausdruck Dieser Teil moduliert von g Moll nach c Moll auf dessen Dominante er endet ohne echte Verbindung zum folgenden Satz Der wenig geschlossene harmonische Verlauf erinnert an fruhe italienische Concerti und die gesamte Anlage des Satzes lasst an das Largo aus Giuseppe Torellis Concerto op 8 Nr 9 1709 denken Die Heterogenitat der beiden Satzhalften hat zu der Vermutung gefuhrt dass der zweite Teil erst spater erganzt wurde dies wird auch durch Details der Notation nahegelegt konnte aber bisher nicht schlussig bewiesen werden Es ist wohl anzunehmen dass Bach hier fruher komponiertes Material integrierte 6 Dritter Satz Bearbeiten Der Schlusssatz ist eine stilisierte Gigue und steht so in Stil und Taktart in deutlichem Kontrast zum ersten Satz Das reizvolle Thema lasst in Synkopen die beiden Bratschen standig nach vorne drangen demgegenuber wirkt das ubrige Instrumentarium als behabig retardierendes Element Der Satz ist dreiteilig mit identischen Rahmenabschnitten und einem kontrastierenden Mittelteil halber Lange Die Binnenstruktur der Abschnitte verwischt Bach durch Aufnahme von Ritornellmotiven in die Solopassagen erst die dritte Soloepisode fuhrt ganz unabhangiges Material ein Der Mittelteil steht in der Mollparallele und beginnt mit virtuosen Spielfiguren der Bratschen uber einen Orgelpunkt er bringt damit neues motivisches Material auch wenn dieses mit schon Gehortem subtil verwandt ist Nach der langsten Soloepisode des ganzen Satzes fuhrt der Schluss des Ritornells zuruck in die Wiederholung des ersten Teils Nachwirkung BearbeitenEine ungewohnliche Hommage an Bach und an sein sechstes Brandenburgisches Konzert wurde erst in neuester Zeit entdeckt 7 das dreisatzige Konzert D Dur TWV 51 D6 fur Oboe solo Violine Viola und Continuo von Georg Philipp Telemann 8 Der Mittelsatz beginnt mit vier Akkorden mit den Tonen d cis e dis in der Oberstimme Dies lasst eine Fruhfassung des Werks um eine grosse Terz tiefer vermuten denn dann wurden diese Tone zu b a c h und waren so als eine Hommage an Johann Sebastian Bach zu verstehen Die ungunstige Lage fur die Oboe der enge Tonumfang der Violine die vollkommen gleiche Behandlung von Oboe und Violine und die Geringstimmigkeit des Tutti sprechen ebenfalls dagegen dass wir hier die erste Fassung des Werks vor uns haben Fur eine Fruhfassung in B Dur lasst sich zwanglos eine Besetzung aus zwei Violen da braccio einer Viola da gamba und Continuo annehmen Dann hatte Telemann ein Werk geschrieben das einen Reflex auf das sechste Brandenburgische Konzert darstellen durfte Leider ist diese Komposition wie die meisten Werke Telemanns mit heutigem Wissen nicht datierbar und weitere Einzelheiten dazu sind nicht uberliefert Telemann war mit Bach gut befreundet und Taufpate von dessen Sohn Carl Philipp Emanuel 1714 1788 Entgegen den oben angestellten stilistischen Uberlegungen zur Datierung mag man dazu tendieren die Komposition mit Telemanns Aufenthalt in Eisenach 1708 bis 1712 in Verbindung zu bringen wo er mit Bach im nahen Weimar leicht Kontakt halten konnte Weblinks Bearbeiten6 Brandenburgisches Konzert Informationen im Portal Bach digital des Bach Archivs Leipzig Originalpartitur Staatsbibliothek zu Berlin RISM Quellenbeschreibung der Originalpartitur 6 Brandenburgisches Konzert Noten und Audiodateien im International Music Score Library ProjectEinzelnachweise Bearbeiten a b Ares Rolf J S Bach Das sechste Brandenburgische Konzert Dortmund 2002 ISBN 3 932676 09 2 Friedrich Smend Bach in Kothen 1951 Gregory G Butler J S Bach s Reception of the Mature Concertos of Tomaso Albinoni In Cambridge Bach Studies 2 1995 S 25 Siegbert Rampe Dominik Sackmann Bachs Orchestermusik Kassel 2000 ISBN 3 7618 1345 7 S 223 Peter Schleunig Bachs sechstes Brandenburgisches Konzert eine Pastorale In Martin Geck Her Bachs Orchesterwerke Bericht uber das 1 Dortmunder Bach Symposion 1996 Witten 1997 ISBN 3 932676 04 1 Siegbert Rampe Dominik Sackmann Bachs Orchestermusik Kassel 2000 ISBN 3 7618 1345 7 S 240 Klaus Hofmann Ein B A C H Zitat bei Georg Philipp Telemann In Bach Jahrbuch 2016 2017 ISBN 978 3 374 04898 4 S 187 Telemann Konzert D Dur Noten und Audiodateien im International Music Score Library ProjectBrandenburgische Konzerte Bach 1 F Dur BWV 1046 2 F Dur BWV 1047 3 G Dur BWV 1048 4 G Dur BWV 1049 5 D Dur BWV 1050 6 B Dur BWV 1051 Normdaten Werk GND 300005423 lobid OGND AKS LCCN no00056056 VIAF 205758666 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title 6 Brandenburgisches Konzert amp oldid 235563818