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Dieser Artikel erlautert die Zwolftontechnik die auf die Wiener Schule zuruckgeht Zur Zwolftontechnik nach Josef Matthias Hauer siehe Tropenlehre und Tropentechnik Mit den Begriffen Zwolftontechnik und Reihentechnik bzw Dodekaphonie von griechisch dodeka zwolf und phone Stimme und Zwolftonmusik werden kompositorische Verfahren zusammengefasst die von einem Kreis Wiener Komponisten um Arnold Schonberg der sogenannten Schonberg Schule oder Wiener Schule in den Jahren um 1920 entwickelt wurden Grundlage der Zwolftontechnik ist die Methode des Komponierens mit zwolf nur aufeinander bezogenen Tonen 1 Die Zwolftonreihe und ihre regelrechten Modifikationen wurden zum neuen Ordnungsprinzip des musikalischen Materials und losten in der Folge die keinen spezifischen Regeln unterworfene freie Atonalitat ab Die Totalitat der Zwolftontechnik im Verstandnis von Schonberg erfuhr im musiktheoretischen Diskurs der Folgezeit vielfache Erweiterungen Als Reihentechnik oder serielle Technik beschaftigte sie sich auch mit nicht zwolftonigen Reihen Die Ausdehnung des Reihenprinzips auf alle Parameter des Tones erweiterte die Zwolftontechnik zur seriellen Technik die sich in den fruhen 1950er Jahren im franzosisch italienisch und deutschsprachigen Raum verbreitete Die Erfindung der Zwolftontechnik hat Arnold Schonberg allein sich selbst zugeschrieben Gleich ihm haben aber auch Komponisten wie Josef Matthias Hauer Herbert Eimert Anton Webern Josef Rufer und Alban Berg in den fruhen Jahren wichtige Beitrage zur Entwicklung der Zwolftontechnik geleistet Josef Matthias Hauer hat 1919 von allen als Erster mit seiner 12 tonigen Komposition Nomos op 19 in diesem System komponiert 2 Die Zwolftontechnik hat sowohl in der kompositorischen Praxis als auch im analytischen Denken vielfaltige und tiefgreifende Auswirkungen auf die Musik der Moderne und der Avantgarde gehabt Sie zahlt zu den einflussreichsten musikgeschichtlichen Entwicklungen in der westlichen Musik des 20 Jahrhunderts Da sie sich vom fruhesten Anfang an in die verschiedensten Schulen und Individualstile verastelt hat werden in diesem Artikel Diskussionen und Nachwirkungen nicht geschlossen an den Schluss gestellt sondern im Zusammenhang mit ihren jeweiligen Auslosern besprochen Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 2 Arnold Schonberg 2 1 Stil und Gedanke 2 2 Die Zwolftonreihe in der Komposition 2 2 1 Das Klavierstuck op 33a 2 2 2 Die Zwolftonreihe als Tonalitatsvermeidung 2 2 3 Die Gleichberechtigung der Tone 2 2 4 Die Zwolftonreihe als Tonalitatsersatz 2 3 Diskussion und Kritik 3 Spatere Entwicklungen 3 1 Die regelhafte Zwolftontechnik 3 1 1 Mathematische Ansatze 3 1 1 1 Analyse 3 1 1 2 Komposition 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 QuellenGrundlagen Bearbeiten Hauptartikel Zwolftonreihe Arnold Schonberg hat in seinem erstmals 1935 gehaltenen Vortrag Composition With Twelve Tones eine einfache Einfuhrung in die Zwolftontechnik gegeben Diese Methode besteht aus der standigen und ausschliesslichen Verwendung einer Reihe von zwolf verschiedenen Tonen Das bedeutet naturlich dass kein Ton innerhalb der Serie wiederholt wird und dass sie alle zwolf Tone der chromatischen Skala benutzt obwohl in anderer Reihenfolge als in der chromatischen Skala 3 Oktavlagen und Enharmonische Verwechslungen bleiben bei dieser zunachst abstrakten Reihenformulierung unberucksichtigt etwa vertritt cis1 alle anderen Tone cis Cis bzw des Des Eine Grundreihe enthalt also jeden Ton genau einmal Dabei wird versucht die einzelnen Tonreihen zu spiegeln oder auch aufsteigend und absteigend einzusetzen Die Grundreihe aus Schonbergs Klavierstuck op 33a lautet nbsp Schonberg Klavierstuck op 33a Grundreihe Abgeleitet von einer Grundreihe G werden die Umkehrung U oder Spiegelung Jedes Intervall das in der Grundreihe aufwarts gerichtet war ist nun abwarts gerichtet und umgekehrt Aus der absteigenden Quart b1 f1 wird die aufsteigende Quart b1 es2 der Krebs K Die Grundreihe ruckwarts die Krebsumkehrung KU die Umkehrung des Krebses bzw der Krebs der Umkehrung Das ergibt fur Schonbergs op 33a nbsp Schonberg Klavierstuck op 33a Grundreihe Umkehrung Krebs Krebsumkehrung nbsp Schonberg Klavierstuck op 33a Reihentabelle 1 Grundreihen Krebsformen nbsp Schonberg Klavierstuck op 33a Reihentabelle 2 Umkehrungen Krebsumkehrungen In der kompositorischen Umsetzung sind die Oktavlagen der einzelnen Tone frei wahlbar Aus der absteigenden Quart b1 f1 zu Beginn der Grundreihe kann die aufsteigende Quint b1 f2 werden sowie jede andere Kombination von Oktavlagen Jede dieser vier Reihenformen kann auf jede der zwolf chromatischen Stufen transponiert werden Damit steht der Komposition ein Vorrat von insgesamt 48 verschiedenen Reihenformen zu Verfugung die ublicherweise in einer Reihentabelle zusammengefasst werden Schonberg bezeichnete in seinen Kompositionsskizzen die Reihenformen durch Intervallsymbole K 2 bedeutet Krebs um eine grosse Sekunde 2 nach oben transponiert K 3 dementsprechend um eine kleine Terz 3 tiefer 4 Andere Komponisten nummerieren jeweils von 1 bis 12 durch oder der jeweilige Anfangston wird zur Bezeichnung herangezogen Grundreihe auf fis oder KU e Krebsumkehrung mit dem Anfangston auf e Die 48 Reihenformen sind das Material fur horizontale melodische Ablaufe genauso wie fur vertikale Bildungen Akkorde Mehrere verschiedene Reihenformen konnen gleichzeitig ablaufen aus einer Reihe die eine Melodie bildet konnen aber auch Teile in begleitende Akkorde ausgelagert sein Unmittelbare Tonwiederholungen sind erlaubt aber weder Oktavsprunge noch Oktavzusammenklange auch nicht wenn zwei chromatisch gleiche Tone in unterschiedlichen Oktavlagen verschiedenen gleichzeitig ablaufenden Reihenformen angehoren Auch Interpolationen sind moglich Ein Ausschnitt einer anderen Reihenform wird in einen Reihenablauf eingelagert der Rest dieser anderen Reihenform erscheint an anderer Stelle in der Komposition Arnold Schonberg BearbeitenStil und Gedanke Bearbeiten Die erstmals 1950 in New York erschienene Sammlung Style and Idea deutsch 1976 als Stil und Gedanke 5 enthalt Schonbergs wichtigste Schriften zur Zwolftontechnik Es handelt sich um eine Sammlung von Essays und Vortragen deren Urfassungen Schonberg grosstenteils nach seiner Emigration in die USA auf Englisch geschrieben hatte Sie befassen sich mit verschiedenen musikalischen aber auch mit politischen Themen Fur die Zwolftontechnik sind insbesondere folgende Texte von Bedeutung Composition With Twelve Tones Komposition mit zwolf Tonen Ein erstmals 1935 an der University of Southern California gehaltener Vortrag der eine Einfuhrung in die Technik gibt und neben verschiedenen weiteren technischen und asthetischen Reflexionen das Konzept der Entwickelnden Variation erlautert Brahms the Progressive Brahms der Fortschrittliche Typoskript datiert mit 28 Oktober 1947 6 Es enthalt fur Schonbergs Zwolftontechnik wesentliche Reflexionen uber Form und Fasslichkeit ausserdem den umstrittenen Versuch Brahms kompositorische Strukturen im Sinne einer Vorlauferschaft zur Zwolftontechnik intervallisch zu analysieren Wesentlich ist ausserdem Composition With Twelve Tones Komposition mit zwolf Tonen Ein nur im Titel mit dem Vortrag von 1935 gleichlautendes Typoskript der Text wurde nicht in Style and Idea aufgenommen 7 Die Thesen dieser Schriften werden im folgenden Kapitel im Zusammenhang mit der Darstellung der Kompositionstechnik besprochen Die Zwolftonreihe in der Komposition Bearbeiten Das Klavierstuck op 33a Bearbeiten In den Notenbeispielen sind die Tone der Reihenformen durch Zahlen neben den Notenkopfen gekennzeichnet Wie in der oben gegebenen Reihentabelle sind Grundreihe und Umkehrung mit 1 bis 12 die Krebsformen mit 12 bis 1 nummeriert nbsp Schonberg op 33a Takt 1 bis 5 mit Reihenanalyse Takt 1 bringt die mit b beginnende Grundreihe zu Vierergruppen zusammengefasst als vierstimmige Akkorde Takt 2 verfahrt entsprechend mit der mit a beginnenden Krebsumkehrung Die Takte 3 bis 5 schichten zwei Reihenformen ubereinander in der rechten Hand KU a in der linken K e Entscheidend bei der Zuordnung sind nicht die Spielhand oder das System in das die Note geschrieben ist sondern die Instrumentierung Das dis3 in Takt 5 wird von der linken Hand gespielt original mit Violinschlussel ins untere System notiert gehort aber in die Reihe KU a und ist daher in den klanglich oberen Bereich gesetzt wahrend die Quart f1 b1 der rechten Hand innerhalb des Gesamtklangs am tiefsten liegt und in die untere Ebene K e gehort Die Grundreihe lauft im ersten Takt zwar vollstandig und korrekt ab ware aus ihm allein aber nicht ableitbar Da sich die Reihe indifferent gegenuber der Oktavlage verhalt also nur eine zeitliche Reihenfolge der Tone definiert nicht aber ihr raumliches Ubereinander lasst sie sich aus gleichzeitig eintretenden Tonen nicht eindeutig rekonstruieren Im ersten Akkord sind die ersten vier Reihentone konsequent von oben nach unten angeordnet im zweiten ist die Anordnung schon verandert der gemass Reihe zeitlich fruheste Ton der 5 a ist der tiefste der folgende 6 fis der oberste die beiden ubrigen dieser Vierergruppe liegen in der Mitte Aus dem Anfangstakt lasst sich also nur ableiten welche vier Tone den Anfang der Reihe bilden welche vier die Fortsetzung und welche vier den Schluss nicht aber welche Reihenfolge innerhalb der Vierergruppen gilt In vielen zwolftonigen Kompositionen muss die vom Komponisten gemeinte Folge aus verschiedenen Stellen rekonstruiert werden Ab Takt 3 laufen die Reihenformen im Prinzip als melodische Bildungen ab vor allem Anfang von Takt 4 Anfang von Takt 5 jeweils rechte Hand sind aber mehrfach als Zusammenklange ineinandergeschoben in Takt 3 werden in der rechten Hand die Tone 12 bis 9 nacheinander angeschlagen aber gehalten so dass sie sich zu einem Akkord zusammensetzen in der Linken treten die Tone 12 und 11 sofort als Zusammenklang ein Die Takte 14 bis 18 zeigen einen freieren Umgang mit der Reihenfolge der Tone nbsp Schonberg op 33a Takt 14 bis 18 mit Reihenanalyse Konsequent einstimmig ist die untere Schicht U es die obere G b die in Takt 17 und 18 in der originalen Partitur teilweise ins untere System notiert und von der linken Hand zu spielen ist ist zu drei und zweistimmigen Gebilden zusammengeschoben In Takt 14 lauft die Grundreihe in der rechten Hand bis zum 5 und 6 Ton und daraufhin wieder zuruck zum Anfang Takt 15 ist eine fast wortliche Wiederholung Die strenge Reihenfolge der Tone steht also durchaus zur Disposition Ahnlich die untere Schicht vom letzten Viertel des Taktes 16 bis zum Anfang von Takt 18 Die Tone 7 und 8 werden in der normalen Reihenfolge eingefuhrt nach einem Ruckgriff auf 7 und wiederum 8 erscheint 9 Nach dem 10 Ton F beginnt beim Ubergang zu Takt 18 wieder die Folge 7 8 9 Zu beachten ist die Stimmkreuzung zwischen den Reihen in Takt 15 Der 3 Ton der unteren Ebene des1 liegt uber dem h der oberen Ebene Der Unterschied in der Artikulation ist allerdings deutlich genug um keinen Zweifel uber die Zusammenhange aufkommen zu lassen auch wird der Pianist vermutlich die untere Ebene leicht hervorheben An diesen Takten wird die Problematik der Aussage deutlich die Reihe organisiere sowohl die horizontalen melodischen Bezuge als auch die vertikalen akkordischen Die genauere Fassung lautet Die Reihe organisiert entweder das eine oder das andere beides gleichzeitig ist nicht moglich Die kleine Sept es1 des in der rechten Hand in Takt 16 wird gebildet aus dem 7 und 8 Reihenton ahnlich die grosse Sept as1 g2 im folgenden Takt aus 9 und 10 Dadurch entsteht in der Oberstimme aus dem 7 und 9 Ton also zwei in der Reihe an sich nicht als benachbart vorgesehenen Tonen eine sehr auffallige melodische Bewegung des g2 Ahnlich ist in Takt 14 der Akkord c1 f1 b1 der rechten Hand durch die Zusammenruckung der ersten drei Tone der Grundreihe gebildet freilich entsteht schon drei Achtel spater durch das Uberhalten des Tons b1 die reihenfremde Zusammensetzung 1 6 5 aber mit Eintritt des Tons es in der linken Hand entsteht aus der Ubereinanderschichtung zweier unterschiedlicher Reihenformen ein Akkord der keiner Reihenform entstammt Die Zwolftonreihe als Tonalitatsvermeidung Bearbeiten Die Konstruktion einer Grundreihe von zwolf Tonen geht auf die Absicht zuruck die Wiederholung jedes Tones solange wie moglich hinauszuschieben Ich habe in meiner Harmonielehre dargelegt dass die Betonung die ein Ton durch verfruhte Wiederholung erfahrt ihn in den Rang einer Tonika zu erheben vermag Dagegen werden durch die regelmassige Verwendung einer Reihe von zwolf Tonen alle anderen Tone auf die gleiche Weise betont und dadurch wird der einzelne Ton des Privilegs der Vorherrschaft beraubt 8 Als Schonberg das schrieb war die Vermeidung der Tonalitat noch ein virulentes Problem Die Horweisen nicht nur der Horer sondern auch der Komponisten waren durch eine traditionelle Musiksprache gepragt die heute im musikalischen Horen gewohnlich gewordene Atonalitat wirkte fremd und fur viele Horer erschreckend Zwar waren auch vor Schonbergs Ankunft in den USA die amerikanischen Komponisten Henry Cowell und Charles Ives bereits zu atonalen Strukturen vorgestossen eine Breitenwirkung zumindest in musikalischen Kreisen wie sie dann von Schonbergs Zwolftontechnik ausgehen sollte war ihnen aber versagt geblieben Insofern war Schonbergs Versuch eine neue musikalische Sprache zunachst durch die Abgrenzung von einer alten fest etablierten zu stabilisieren vermutlich nicht nur naheliegend sondern unvermeidlich Schonberg ist mit seiner Berufung auf seine Harmonielehre von 1911 allerdings ein aufschlussreicher Gedachtnisfehler unterlaufen Seine Argumentation in dem um Jahrzehnte alteren Buch beschaftigt sich tatsachlich mit Wiederholungen von Tonen in reinen Tonsatzubungen zur traditionellen tonalen Musik also kurzen Akkordfolgen ohne kunstlerischen Anspruch 9 Und damit sind wir bei einer zweiten Anforderung angelangt die fur die Entwerfung guter Satzchen in Betracht kommt das Verlangen nach Abwechslung Es lasst sich das schwer behandeln ohne auch von der gegenteiligen Anforderung von der Wiederholung zu sprechen Denn bringt die erste Mannigfaltigkeit hervor so gibt die zweite der ersten Zusammenhang Sinn System Und System kann nur auf Wiederholung beruhen Von der Wiederholung Gebrauch zu machen werden wir nur wenig Gelegenheit finden Es folgt eine Reihe von Fallen in denen eine Tonwiederholung innerhalb einer Tonsatzubung kein oder nur ein geringes Problem ist Dann Die schlechteste Form der Wiederholung wird die sein die den hochsten oder den tiefsten Ton einer Linie zweimal setzt Insbesondere der Hohepunkt wird wohl kaum wiederholt sein Wenn etwa in einem Schubert Lied nachgewiesen werden sollte dass der hochste Ton in einer Melodie ofters vorkommt beispielsweise Mit dem grunen Lautenbande so ist das naturlicherweise ein anderer Fall denn andere Mittel besorgen hier die notige Abwechslung Vgl hierzu die ausfuhrliche Analyse von Mit dem grunen Lautenbande im Artikel Die schone Mullerin Tatsachlich zeigt eine Analyse von Schuberts Mit dem grunen Lautenbande dass der hochste Ton der Melodie Gegenstand einer bewussten Dramaturgie ist er ist zunachst Ziel einer konsequenten melodischen Aufwartsentwicklung erscheint dann noch gesteigert als auffallige Dissonanz wird schliesslich wenn die Melodie sich in eine andere Richtung entwickelt spielerisch in die Beilaufigkeit entlassen Gleichzeitig aber zeigt die Analyse eines anderen Tons als des Hochtons der also aus dem Inneren des Tonraums stammt dass nicht alle Tone so empfindlich auf Wiederholung reagieren sich daher auch nicht zum Gegenstand einer gezielten Dramaturgie machen lassen Ein Komponist der tonalen Musik kann also mit einigen wenigen exponierten Tonen in seinen melodischen Linien spielen Fur alle anderen Tone ist die Tatsache der Wiederholung meistens gleichgultig viel zu stark sind die Sinnstrukturen die vor allem durch die Harmonik gesetzt werden Vollig anders ist die Situation in der Musik die auf die Sinnstrukturen der Tonalitat verzichtet Bela Bartok baut weite Teile seines vierten Streichquartetts 1928 auf einem Motiv auf das erstmals im Takt 7 des ersten Satzes im Violoncello auftritt nbsp Der 4 und 5 Ton sind Wiederholungen des 2 und 1 Wie sehr ihre Wirkung dadurch abgeschwacht ist zeigt die dramatische Wirkung des Schlusstons b der neu ist und durch diese Neuheit nach der Schwache der vorhergehenden eine dynamisch forttreibende Wirkung erhalt Nimmt man jedoch die diesem Motiv von Takt 7 vorhergehenden Tone hinzu dann andert sich die Wirkung grundlegend 10 nbsp Das b hat sich in Takt 6 schon ausgebreitet und es wurde auf vergleichbare Weise erreicht wie der Schlusston uber c1 und h Der Schlusston des Motivs der im ersten Notenbeispiel neu war ist nun ein wiederholter In dieser Version kehrt das Motiv in sich zuruck es verliert seine dynamisch forttreibende Wirkung es schliesst wirkt wie eine Zusammenfassung des Vorhergehenden Das hat mit einem Grundton im traditionellen Sinn nicht das geringste zu tun niemand der dieses Quartett einmal gehort hat wird daran zweifeln dass es durch und durch atonal ist Dennoch liegt darin eine starke die Tone gewichtende Wirkung das Schluss b im ersten Notenbeispiel ist etwas ganz anderes als das Schluss b im zweiten Da die Uberlagerung durch die starken Sinnstrukturen der Funktionsharmonik fortfallt verandert die Tatsache der Neuheit oder der Wiederholung in einem atonalen Zusammenhang die Wirkung eines Tones fundamental und zwar jedes Tons nicht nur einiger Spitzentone Die Ergebnisse dieses Phanomens sind fur einen die tonale Sprache gewohnten Komponisten unvorhersehbar sie werden durch die Verwendung verschiedener Intervalle noch kompliziert und von einschuchternder Kraft Ein pathetisch inszenierter Zielton etwa wirkt unertraglich banal weil nicht durch eine entsprechende Harmonik uberdeckt wird dass er kurz zuvor schon erklang oder er wirkt gar nicht als Zielton sondern als Ausgangspunkt fur etwas Neues das der Komponist nicht vorgesehen hat oder er klingt horribile dictu in atonaler Musik einfach falsch Die Atonalitat ist alles andere als ein Land der Gesetzlosigkeit und ein Komponist der sich von den Zwangen der Tonalitat gerade frei gemacht hat mithin halb und halb noch darinsteckt und der nun glaubt nach Belieben schalten und walten zu konnen kann bose Uberraschungen erleben Im Zitat zu Anfang dieses Kapitels spricht Schonberg eindeutig nicht von der Tonikawirkung innerhalb eines fraglos tonalen funktionsharmonischen Zusammenhangs eine solche kommt jedenfalls nicht durch Tonwiederholung zustande sondern von Tonwiederholungen in einem atonalen Zusammenhang Diese werden in der Harmonielehre nicht diskutiert Dennoch hat Schonbergs Hinweis auf das Buch einen wenn auch unabsichtlichen Sinn Denn als die Harmonielehre entstand sie erschien erstmals 1911 tat Schonberg gerade seine ersten Schritte im damals vollig neuen Gebiet der Atonalitat deren erste kompositorische Probleme und die Arbeit an dem Buch das an anderen Stellen durchaus die neuen Entwicklungen reflektiert durften sich in seiner Erinnerung vermischt haben Noch in der viel spateren Ausserung uber die Zwolftontechnik schwingt die exorbitante Anstrengung nach die bei aller Entdeckerfreude die ersten Schritte in die Atonalitat zweifellos erforderten sowie vielleicht die Frustration daruber dass eine Unzahl engagierter Versuche in klanglichen Wechselbalgern endeten die die Vorstellungen des Komponisten in keiner Weise wiedergaben Was Schonberg also als ein Verfahren zur Tonalitatsvermeidung bezeichnet ist tatsachlich die Reaktion auf eine genuin atonale Problemstellung Hier scheint sich ein fur beide Komponistenpersonlichkeiten bezeichnender Vergleich mit Bartok anzubieten Bartok der in den unvorhergesehenen Wirkungen der Tone eine grosse Chance sah und ihrer konzentrierten Erforschung und Erprobung ganze Streichquartette widmete Schonberg der diese Wirkungen zu furchten gelernt hatte und ein System zu ihrer Vermeidung erdachte Aber diese Formulierung trifft den Sachverhalt nicht Schon weil das System nicht funktioniert Die Verwendung von mehr als einer Reihe war ausgeschlossen weil in jeder folgenden Reihe ein Ton oder mehrere Tone zu bald wiederholt worden waren 11 Wenn etwa in der ersten Reihe cis der 10 Ton ist in der folgenden Reihe die eine veranderte Reihenfolge bringt aber der 3 dann wird cis wiederholt bevor die ubrigen elf Tone vollstandig durchliefen und dadurch unangemessen bevorzugt Das schlosse aber auch die Verwendung verschiedener Reihenformen aus Nur solange immer ein und dieselbe Reihenform hintereinander ablauft wird die verfruhte Wiederholung eines Tons verhindert sobald auf eine Reihenform eine andere folgt rucken Wiederholungen von Tonen unregelmassig aneinander und auseinander Vgl dazu in Takt 2 von op 33a Notenbeispiel oben den obersten Ton d1 des letzten Akkords 4 Ton von KU a der sich schon im folgenden Takt eine Oktave tiefer als erste obere Note der linken Hand wiederholt 11 Ton von K e Ebenso in Takt 3 den letzten Ton der linken Hand G 9 Ton von K e der nur durch zwei Tone von g1 Takt 4 rechte Hand dritte Note 6 Ton von KU a getrennt ist Solche Falle sind haufig Erst auf grossere Strecken hin entsteht durch den Einsatz immer vollstandiger Reihenformen eine statistische Gleichverteilung der Tone falls der Komponist es nicht durch kompositorische Mittel verhindert Die Gleichberechtigung der Tone Bearbeiten Genau das hat Schonberg immer wieder getan Das spektakularste Beispiel ist die Musette aus der Suite fur Klavier op 25 in deren Anfangs und Schlussabschnitt ein Ton g aus der Reihe ausgliedert ist und als Orgelpunkt standig mitlauft Aber daruber hinaus ist die Bildung langer Flachen aus einigen wenigen Reihentonen eines von Schonbergs haufigsten kompositorischen Mitteln Zu Anfang des 3 Streichquartetts op 30 wiederholen zweite Violine und Bratsche abwechselnd zwolf Takte lang ein aus funf Tonen gebildetes Motiv uber dem ab dem 5 Takt die Hauptstimme der ersten Violine steht Die Takte 19 und 20 des Klavierstucks op 33a lauten so nbsp Schonberg op 33a Takt 19 bis 20 mit Reihenanalyse Ab dem Ende von Takt 19 entsteht durch standige Wiederholungen und Ruckgriffe von jeweils 4 in ihrer Oktavlage festgelegten Tonen aus K e und KU a eine harmonisch stehende aber in sich durch scharf umrissene Rhythmen stark bewegte Flache Solche Flachen gehoren zu den gewohnlichsten kompositorischen Mitteln von Schonbergs zwolftonigen Werken Sie nahern sich in auffalliger Weise Kompositionstechniken Bartoks Der Tonsatz schiesst sich auf ein paar Tone ein die mit ganz bestimmten immer wiederkehrenden Rhythmen verbunden uber eine langere Strecke festgehalten werden so dass die daraufhin neu eintretenden Tone eine starke Erneuerungswirkung haben Schonberg wirkt in der Anwendung dieser Mittel allerdings im Allgemeinen nervoser als Bartok seine Strecken sind kurzer und oft erscheint ihre Fortfuhrung nicht wie bei Bartok als logische Konsequenz sondern als Affektbruch Innerhalb derartiger Passagen wird die Reihenfolge der Tone grundlegend fragwurdig sie fuhren aber regelmassig auch zu einem starken Uberwiegen einer bestimmten Gruppe von Tonen uber die restlichen zumindest fur einen gewissen Zeitraum Man wird feststellen dass die Folge der Tone entsprechend ihrer Anordnung in der Reihe immer streng beachtet worden ist namlich bei den in der Fortsetzung von Schonbergs Text angefuhrten Musikbeispielen Man konnte vielleicht im spateren Teil des Werkes wenn die Reihe dem Ohr schon vertraut geworden ware eine leichte Abweichung von dieser Folge dulden entsprechend dem gleichen Prinzip das in fruheren Stilen eine entfernt gelegene Variante gestattete Am Anfang eines Stuckes wurde man jedoch nicht so abweichen 12 Man muss diese Ausserung nicht ablehnen es genugt einige Grosszugigkeit bei ihrer Interpretation Wahrscheinlich war Schonberg 1935 noch zu sehr daran interessiert das Formbildende Logikstiftende der Zwolftonreihe nach aussen hin zu etablieren als dass er vor einem Publikum dem die Zwolftontechnik neu war hatte ausfuhren wollen welchen Grad an Freiheit er zu diesem Zeitpunkt schon gewonnen hatte Nimmt man das vielleicht und die leichte Abweichung im zweiten Satz dieses Zitats als starke Verkleinerungen dann kommt man zu einer durchaus zutreffenden Beschreibung Am Anfang und wie die Tabelle zu op 33a zeigt am Schluss des Stucks werden Reihenfolge und Vollstandigkeit der Reihentone mehr oder weniger prazise beibehalten in der Mitte des Stucks treten zum Teil tiefgreifende Abweichungen auf Die Zwolftonreihe als Tonalitatsersatz Bearbeiten Schonberg empfand den Verzicht auf die Tonalitat nicht nur als Fortschritt Fruher hatte die Harmonie nicht nur als Quelle der Schonheit gedient sondern was wichtiger war als Mittel zur Unterscheidung der Formmerkmale Fur den Schluss wurde zum Beispiel nur eine Konsonanz als passend erachtet Befestigende Funktionen erforderten andere Harmoniefolgen als schweifende eine Vorbereitung eine Uberleitung erforderte andere Folgen als ein Schlussgedanke 13 An einem Buch uber Die formbildenden Tendenzen der tonalen Harmonie hat Schonberg noch bis 1948 gearbeitet 14 Dass mit dem etwa 1909 erfolgten Ubergang in die Atonalitat diese formbildenden Tendenzen fortgefallen waren fuhrte zunachst zur Komposition nur kurzer Stucke langere Stucke waren auf einen Text angewiesen der die Formbildung zu ubernehmen schien Nach vielen erfolglosen Versuchen in einem Zeitraum von annahernd zwolf Jahren legte ich den Grund zu einem neuen musikalischen Konstruktionsverfahren das geeignet schien jene strukturellen Differenzierungen zu ersetzen fur die fruher die tonalen Harmonien gesorgt hatten 15 Eine Tabelle zeigt den Einsatz der Reihe in Schonbergs Klavierstuck op 33a Einsatz der Reihe in Schonbergs Klavierstuck op 33a Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12Taktart Tempo 4 4 Massig poco rit a tempo poco rit Dynamik p mf p mf fp crescrechte Hand G b KU a KU a G b KU a G b 1 3 4 in zwei Oktavlagen G b KU a U es linke Hand K e U es 1 4 in zwei Oktavlagen U es K e G b Takt 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24T T 2 4 molto rit 4 4 a tempo heftiger poco rit ruhiger rit D f p p cantabile f martellato p p r H G b K e 12 3 G b 7 9 5 11 12 G b 1 6 l H U es KU a 12 3 G b 3 1 6 2 4 fehlt 10 U es 1 6 Takt 25 26 27 28 29 30 31T T a tempo steigerndD f energisch ff p scherzando p martellato cresc f f dim mp crescr H G b K e 12 7 KU a 6 1 G c 1 6 U b 1 6 G c U b U b K h l H KU a KU es 7 12 K e 6 1 U f 1 6 G f 1 6 U f G f G f KU e Takt 32 32 nach Generalpause mit Fermate 33 34 35 36 37 38 39 40T T 5 4 9 8 6 8 rit 4 4 ruhig steigernd 3 4 ritD ff p p dolce p cresc f ffr H G b KU a K e G b KU a U es K e G b l H U es K e KU a U es Anmerkungen Die Aufstellung ist vereinfacht einzelne Schlusstone am Taktanfang und Auftakte sowie Sforzati sind nicht berucksichtigt Drei Punkte Die im vorhergehenden Takt beginnende Reihe wird weitergefuhrt Bei unvollstandigen Reihen stehen die insgesamt vorhandenen Tone gleich hinter dem Kurzel Arabische Ziffern bezeichnen Reihentone Gedankenstrich vor einer Tempo oder Dynamikvorschrift steht am Ende des Taktes Gedankenstrich zu beiden Seiten einer Tempo oder Dynamikvorschrift steht in der Mitte des Taktes Uber weite Strecken des Stucks begnugt Schonberg sich mit vier Reihenformen G b K e U es und KU a nbsp Es handelt sich also nur um zwei wirklich verschiedene Reihen die entweder vorwarts oder ruckwarts ablaufen Sobald zwei Reihenformen gleichzeitig ablaufen sind das immer die Kombinationen G b U es und K e KU a Dazu schrieb Schonberg Spater d h nach dem Blaserquintett op 26 anderte ich meinen Einfall wenn notig damit er den folgenden Bedingungen entsprach Die Umkehrung der ersten sechs Tone auf der Quine tiefer sollte keine Wiederholung eines dieser sechs Tone hervorbringen sondern die bisher unbenutzten sechs Tone der chromatischen Skala ergeben 16 Die jeweils ersten sechs Tone der Grundreihe auf b und der Umkehrung auf es der Anfangston steht also eine Quint tiefer ergeben samtliche zwolf chromatischen Tone ohne Wiederholung eines Tons was automatisch auch fur die jeweiligen Tone 7 bis 12 gilt Damit konnte Schonberg diese beiden Reihenformen gleichzeitig ablaufen lassen ohne innerhalb der Reihenhalften eine zu fruhe Wiederholung eines Tons der zwei unterschiedlichen Reihenformen angehort befurchten zu mussen Takt 14 bis 16 zweite Note ergibt ein vollstandiges und wiederholungsfreies Zwolftonfeld ebenso Takt 16 Einsatz der rechten Hand bis Ende Takt 18 obwohl die Reihenablaufe fur sich genommen unvollstandig sind siehe das Notenbeispiel oben Nur in Takt 27 Ende bis Takt 32 Anfang benutzt Schonberg zusatzliche Reihenformen G f K h U b KU e G c U f Auch hier haben die Anfangstone der untereinander stehenden Reihenformen den Abstand einer Quint so dass sie ubereinandergeschichtet werden konnen G f K h und U b KU e beziehen sich wiederum als Krebsformen aufeinander In Stil und Gedanke schrieb Schonberg Wahrend ein Stuck meistens mit der Grundreihe selber beginnt werden die Spiegelformen und andere Ableitungen wie etwa die elf Transpositionen aller vier Grundformen erst spater verwendet besonders die Transpositionen dienen wie die Modulationen in fruheren Stilen dazu Nebengedanken zu bilden 17 Die Grundreihe in op 33a wohl eher die in den ersten Takten exponierten vier Hauptreihen fungiert also in etwa wie die Haupttonart traditioneller tonaler Musik sie bildet einen Ausgangspunkt von dem das Stuck zuerst in andere Tonarten in andere Reihenformen wegmoduliert und dann zum Ausgangspunkt zuruckmoduliert Diese Formung ist aus der Anordnung der Reihenformen in op 33a klar ablesbar Die Takte 27 bis 32 entsprechen also einem in anderen Tonarten stehenden Mittelteil in der tonalen Musik jeder Ton erscheint immer in der Nachbarschaft zweier anderer Tone in unveranderlicher Kombination die ein enges Verhaltnis schafft welches dem Verhaltnis einer Terz und einer Quint zum Grundton ausserst ahnlich ist Es ist naturlich bloss ein Verhaltnis aber sein wiederholtes Vorkommen kann psychologische Effekte hervorrufen die jenen naheren Beziehungen innerhalb eines Dreiklangs sehr ahnlich sind 18 Diskussion und Kritik Bearbeiten Theodor W AdornoFur die musikasthetische und geschichtsphilosophische Untermauerung der Zwolftontechnik ist der deutsche Philosoph Theodor W Adorno 1903 1969 zu nennen der die Zwolftontechnik als die progressive Antwort auf die in seinen Augen reaktionar gewordene Tonalitat interpretierte und auch selbst Stucke mittels der Zwolftontechnik komponierte Allerdings war sein Umgang mit den Zwolftonreihen nie so strikt wie etwa bei Schonberg sondern er verteidigte auch theoretisch eine gewisse kunstlerische Freiheit die er durch einen allzu orthodoxen Umgang mit der Zwolftontechnik in Gefahr geraten sah So erweiterte er z B fur die Vertonung des Trakl Gedichts Entlang op 5 Nr 4 die Tonreihe auf 98 Tone 19 Im Ubrigen beriet Adorno Thomas Mann fur seinen Roman Doktor Faustus musikalisch insbesondere hinsichtlich der musiktheoretischen Reflexionen uber die Zwolftonmusik bzw technik 20 Spatere Entwicklungen BearbeitenDie regelhafte Zwolftontechnik Bearbeiten Eine regelhafte Kodifizierung der um 1920 entstandenen Zwolftontechnik ist nicht vor den vierziger Jahren fassbar Von den klassischen Komponisten der Zwolftontechnik Schonberg Berg Webern hat nur Schonberg einen theoretischen Beitrag zur Erklarung der Technik geliefert Sein erstmals 1935 an der University of Southern California gehaltener Vortrag Composition With Twelve Tones wird von Vertretern der regelhaften Zwolftontechnik allerdings als zumindest enttauschend 21 empfunden Nach Schonbergs Emigration im Jahr 1933 und dem Beginn seiner Lehrtatigkeit in den USA verbreitete sich die Zwolftontechnik an amerikanischen Hochschulen wo sie sehr bald zu einer in hohem Mass verschulten Satztechnik geworden zu sein scheint Daruber hinaus beriet Schonberg in seinen letzten beiden Lebensjahren Josef Rufer bei der Abfassung von dessen 1952 ein Jahr nach Schonbergs Tod erschienenem Buch Die Komposition mit zwolf Tonen in einem allerdings nicht mit letzter Genauigkeit bestimmbaren Umfang Schonberg war nach dem Krieg nicht nach Europa zuruckgekehrt Rufer andererseits nie emigriert Neben Rufers Buch waren es die Schriften von Rene Leibowitz Schonberg et son ecole 1946 Introduction a la musique de douze sons 1949 in zweiter Linie auch die Lehrbucher von Herbert Eimert und Hanns Jelinek die das bis heute in Allgemeinen Musiklehren und Nachschlagewerken verbreitete Bild von der Zwolftontechnik als einer in erster Linie regelhaften Anordnungsanweisung fur Noten pragten Die Schwachen dieser Regelwerke sind auch ohne analytische Betrachtung bedeutender zwolftoniger Kompositionen offensichtlich Sie sagen nicht das Geringste uber das Funktionieren der Reihentechnik in einer Komposition aus tendieren vielmehr zur Isolation der Tonhohenorganisation von anderen Parametern des musikalischen Satzes Die Betrachtung der geschichtlich pragenden Zwolftonkompositionen die ja im Grossen und Ganzen fruher entstanden als das Regelwerk zeigt dass keine der Regeln und Anweisungen dieser Lehrbucher mit einiger Zuverlassigkeit von den Komponisten beachtet worden ist dass die Regeln die Vielfalt der Herangehensweisen auch nicht im Ansatz einzufangen vermogen Nichtsdestoweniger sind die Regelsysteme zum Ausgangspunkt einer akademischen Kompositionsweise geworden die abgesehen von unzahligen Nachfolgern in Europa nach 1945 vor allem um die Mitte des 20 Jahrhunderts an den Hochschulen Nordamerikas verbreitet war Glenn Gould hat in einem 1974 geschriebenen Aufsatz diese Atmosphare der Zwolfton Orthodoxie charakterisiert 1953 war der in die USA emigrierte Ernst Krenek als Osterreicher und als bekannter Komponist eine Kapazitat auf dem Gebiet der Zwolftonkomposition zur Abhaltung einer Meisterklasse an das Konservatorium Toronto gekommen an dem Gould studierte Ich erinnere mich dass ich ihm einmal die Partitur von Schonbergs Klavierkonzert vorlegte fur das ich eine Fehlerliste vorbereitet hatte eine Zusammenstellung von Abweichungen von der jeweils angewendeten Reihenform Konnte irgendetwas davon mehr sein als ein Fluchtigkeitsfehler fragte ich Ich meine konnte irgendetwas davon moglicherweise errot stotter also das war 1953 und die meisten von uns waren verbockte Konstruktivisten das Ergebnis von schluck Inspiration sein Ich weiss auch nicht was in Schonbergs Kopf vorgegangen ist antwortete Krenek aber sehe nicht ein warum es keine Inspiration gewesen sein sollte 22 Gould lasst keinen Zweifel daran dass schon geringfugige Abweichungen von der Norm an einer nordamerikanischen Musikhochschule der funfziger Jahre fur Aufsehen sorgten Mathematische Ansatze Bearbeiten Analyse Bearbeiten 1966 erschien der Aufsatz Zur Theorie einiger Reihen Kombinationen von Eberhardt Klemm Klemm ersetzt in der Grundreihe aus Schonbergs Violinkonzert op 36 die Tone durch Zahlen den Anfangston a durch die 0 die weiteren Tone durch die Zahl der Halbtone die sie uber dem Anfangston stehen das folgende b also durch eine 1 den dritten Ton es durch eine 6 usw Diese Zahlenreihe ist eine andere Anordnung algebraisch ausgedruckt eine Permutation der Zahlen 0 1 11 welche als die reduzierten Reprasentanten nach dem Modul 12 anzusehen sind 23 Es folgt eine Reihe algebraischer Transformationen Klemm bezieht sie nur sporadisch auf real komponierte Strukturen und der Bezug zu vom Komponisten moglicherweise intendierten kunstlerischen Aussagen bleibt locker In der vorliegenden Studie geht es weniger um die Beschreibung kompositorischer Sachverhalte als um theoretische Einsichten in die Struktur der Zwolftonreihen 24 Klemms Ansatz steht im Zusammenhang mit einem starken Interesse an mathematischen Analysemethoden das durch die zweite Halfte des 20 Jahrhunderts anhielt und sich mit dem gesamten verfugbaren Musikrepertoire nicht nur der westlichen Welt befasste Durchgesetzt hat sich aber die Mitte der sechziger Jahre von Allen Forte begrundete Theorie der pitch class sets die mehrfach auf Werke der Wiener Schule angewendet wurde Komposition Bearbeiten Durch ihre Affinitat zur Algebra ist die regelhafte Zwolftontechnik das fruheste Beispiel fur moderne Kompositionsmethoden in der kompositorische Entscheidungen nicht durch das Gehor sondern mithilfe mathematischer Verfahren gefallt werden Inwieweit einzelne Komponisten die zur Definition von Tonhohenfolgen mehr oder weniger komplizierte mathematische aber deshalb nicht unbedingt serielle Verfahren verwendeten vor allem Iannis Xenakis aber teilweise auch Gyorgy Ligeti einer Anregung durch die Zwolftontechnik folgten oder doch eher einem durch den Aufstieg naturwissenschaftlichen Denkens gepragten Zeitgeist wird sich schon deshalb oft nicht entscheiden lassen weil keiner dieser Komponisten auf eine Auseinandersetzung sowohl mit der modernen Naturwissenschaft als auch mit der Zwolftontechnik verzichten konnte Die bekannteste direkte Nachfolge der regelhaften Zwolftontechnik ist die Serielle Musik im Europa der funfziger Jahre Ihre Vertreter Pierre Boulez Karlheinz Stockhausen Henri Pousseur und viele weitere beriefen sich auf Anton Webern nicht auf Schonberg Ihre Webern Analysen sind allerdings seit den siebziger Jahren von verschiedenen Seiten scharf kritisiert worden In der Seriellen Musik unterliegen nicht nur die Tonhohen sondern auch alle anderen Parameter des musikalischen Satzes wie Tondauer Lautstarkeangaben Artikulation usw der Organisation in voneinander unabhangigen Reihen Die Zahl Zwolf spielt nur fur die Ordnung der chromatischen Tone noch eine Rolle Vor allem die rhythmischen Verhaltnisse geraten dabei aufgrund intrikater Zahlenverhaltnisse oft in die Gefahr sowohl der vollstandigen Unausfuhrbarkeit als auch der Unuberprufbarkeit durch den Komponisten Fur die Vereinigten Staaten ist Milton Babbitt Pionier der seriellen Musik Babbitt beschrieb erstmals systematisch das auch fur die Reihe von op 33a gultige Phanomen der Hexachordkomplementaritat welches er unter dem Begriff Combinatoriality als konstruktives Prinzip eines seriellen Tonsatzes etablierte 25 Siehe auch BearbeitenAllintervallreihe Liste von ZwolftonkomponistenLiteratur Bearbeitenchronologisch Arnold Schonberg Harmonielehre Wien 1911 Anton Webern Der Weg zur Neuen Musik 16 Vortrage 1932 Universal Edition Wien 1960 Arnold Schonberg Stil und Gedanke In Gesammelte Schriften 1 Stil und Gedanke Aufsatze zur Musik Hg von Ivan Vojtech Frankfurt am Main 1976 Auch als Fischer Taschenbuch 1992 Darin vor allem Brahms der Fortschrittliche Vortrag vom 12 Februar 1933 im Frankfurter Rundfunk liegt nicht mehr vor englische Fassung datiert vom 28 Oktober 1947 Brahms the Progressive Komposition mit zwolf Tonen Vortrag gehalten zuerst 1935 in der University of Southern California Composition With Twelve Tones Rene Leibowitz Schoenberg et son ecole 1947 Janin Paris 1947 Rene Leibowitz Introduction a la musique de douze sons 1949 L Arche Paris 1949 Theodor W Adorno Philosophie der neuen Musik Tubingen 1949 Ernst Krenek Studies in Counterpoint 1940 deutsch Zwolfton Kontrapunkt Studien Schott Mainz 1952 Herbert Eimert Lehrbuch der Zwolftontechnik Breitkopf amp Hartel Wiesbaden 1952 Josef Rufer Die Komposition mit zwolf Tonen Berlin Wunsiedel 1952 Luigi Nono Die Entwicklung der Reihentechnik In Darmstadter Beitrage zur neuen Musik Mainz 1958 Gyorgy Ligeti Die Komposition mit Reihen In Osterreichische Musikzeitschrift Nr XVI Wien 1961 Eberhard Klemm Zur Theorie einiger Reihen Kombinationen In Archiv fur Musikwissenschaft XXIII 1966 S 170 212 Hanns Jelinek Anleitung zur Zwolftonkomposition 1952 58 2 Teile in 4 Banden Wien 1967 UE 1967 2teA Michael Beiche Artikel Zwolftonmusik im Handworterbuch der musikalischen Terminologie herausgegeben von Hans Heinrich Eggebrecht jetzt Albrecht Riethmuller Steiner Wiesbaden 1971 ff Digitalisat Eberhard Freitag Schonberg Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1973 Arnold Schonberg Gedenkausstellung 1974 Katalog Redaktion Ernst Hilmar Universal Edition Wien 1974 Christian Mollers Reihentechnik und musikalische Gestalt bei Arnold Schonberg Eine Untersuchung zum III Streichquartett op 30 Beihefte zum Archiv fur Musikwissenschaft Band XVIII Wiesbaden 1977 Rudolf Stephan Zwolftonmusik In Ludwig Finscher Hrsg Die Musik in Geschichte und Gegenwart Zweite Ausgabe Sachteil Band 9 Sydney Zypern Barenreiter Metzler Kassel u a 1998 ISBN 3 7618 1128 4 Online Ausgabe fur Vollzugriff Abonnement erforderlich Weblinks BearbeitenZur Entwicklungsgeschichte der Zwolftonmusik Fachbegriffe zum Thema Klangreihenmusik Dodekaphonie Ein Reihenquadrat zur automatischen Berechnung aller Transpositionen einer Zwolftonreihe Datenbank von Tonreihen und TropenQuellen BearbeitenZur Aufschlusselung der Kurztitel vgl die Literaturliste Arnold Schonberg Stil und Gedanke Fischer Frankfurt a M 1995 S 75 Joseph Matthias Hauer In Riemann Musiklexikon Schott Mainz 2012 Band 4 S 343 zitiert nach der Taschenbuchausgabe Stil und Gedanke S 110 vgl das Faksimile von Schonbergs Reihentabelle zum 4 Streichquartett in Arnold Schonberg Gedenkausstellung 1974 Katalog Redaktion Ernst Hilmar Universal Edition Wien 1974 S 150 Erlauterung S 339 Arnold Schonberg Stil und Gedanke Aufsatze zur Musik hg von Ivan Vojtech S Fischer Verlag Bayern 1976 Gesammelte Schriften 1 Die Ausgabe enthalt ausser Stil und Gedanke unter der Uberschrift Aufsatze zur Musik noch weitere Texte aus dem Umkreis der ursprunglichen Sammlung Der 1992 im Fischer Taschenbuch Verlag erschienene Band Stil und Gedanke der nur die ursprungliche Sammlung als Nachdruck der Gesammelten Schriften bringt korrigiert stillschweigend einige Fehler leider ohne Nachweis ob dafur das Original erneut konsultiert wurde Die deutsche Urfassung vermutlich 1933 im Frankfurter Rundfunk gesendet wurde erst nach dem Erscheinen der Gesammelten Schriften wiederaufgefunden und 1990 gedruckt in Festschrift Rudolf Stephan zum 65 Geburtstag Laaber Verlag Laaber 1990 sowie in Albrecht Dumling Verteidigung des musikalischen Fortschritts Brahms und Schonberg Argument Verlag Hamburg 1990 nach der Anmerkung der Taschenbuchausgabe von Stil und Gedanke Es fehlt dementsprechend in der deutschen Taschenbuchausgabe ist aber in den Gesammelten Schriften Band 1 enthalten Komposition mit zwolf Tonen Typoskript Gesammelte Schriften Band 1 S 380 Josef Rufer Hrsg Harmonielehre 7 Auflage 1966 S 142 f Um der deutlicheren Lesbarkeit willen ist die Enharmonik verandert Komposition mit zwolf Tonen Vortrag Taschenbuchausgabe S 111 Komposition mit zwolf Tonen Vortrag Taschenbuchausgabe S 118 f Komposition mit zwolf Tonen Vortrag Taschenbuchausgabe S 108 Structural Functions of Harmony posthum erschienen 1954 Komposition mit zwolf Tonen Vortrag Taschenbuchausgabe S 109 f Komposition mit zwolf Tonen Vortrag Taschenbuchausgabe S 117 Komposition mit zwolf Tonen Vortrag Taschenbuchausgabe S 119 Komposition mit zwolf Tonen Typoskript In Gesammelte Schriften Band 1 S 381 Stefan Muller Doohm Adorno Eine Biographie Gerhard Schweppenhauser Theodor W Adorno zur Einfuhrung Klemm S 171 ubersetzt nach A Festschrift for Ernst Who In Tim Page Hrsg The Glenn Gould Reader New York 1984 S 189 Klemm S 173 Die Kurzungspunkte stehen im Original Klemm S 170 Andrew Mead An Introduction to the Music of Milton Babbitt Princeton University Press Princeton 1994 S 20 38 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zwolftontechnik amp oldid 233031031